Essen kann auch schmecken Prose in Yenort | World Anvil

Essen kann auch schmecken

Secere wirkte unsicher, schaute beinahe fortwährend zurück. Elmir versuchte sich in einem ermutigenden Lächeln, das sogar halbwegs gelang, während er sie tiefer in den Wald führte. "Bist du sicher, dass es in Ordnung ist? Dass wir nicht im Lager hätten bleiben sollen?", fragte sie dennoch, während sie sich einmal mehr umdrehte und nicht nur gefühlt immer langsamer wurde. Der junge Mann nickte erneut, als er sich ihr zuwandte, und dem Lächeln gelang es irgendwie auf seinen Lippen zu bleiben.   "Ja. Sie sind mit sich selbst beschäftigt. Den Grenzübertritt planen, beten, gelehrte Reden schwingen. Sie werden uns nicht vermissen und wir werden ja trotzdem Aufgaben nachkommen. Brennholz muss gesammelt werden und gegen etwas Abwechslung in der Schale wird auch niemand etwas haben." Vielleicht von Raiga abgesehen, aber er verkniff es sich, diese Eigenschaft ihres derzeitigen Meisters zu erwähnen, denn sonst würde sie wirklich auf der Stelle umkehren wollen.   Die jung wirkende Frau mit den weißen Haaren blieb stehen, bückte sich, hob einen morschen Ast auf, den ein Laubbaum in der Nähe verloren hatte. "Aber müssen wir dafür so tief in den Wald? Hier gibt es bereits Feuerholz, das spätestens mit dir brennen kann, und Beeren finden sich hier auch schon. Oder Pilze."   Der Magier ging zielstrebig weiter. "Es ist nicht mehr weit. Und mit Pilzen kenne ich mich nicht gut genug aus. Wir beide überleben eventuell einen Fehlgriff, der Rest eher nicht. Selbstredend könnte man sie magisch bestimmen, aber so nah an Addellirazar sollten wir vorsichtig sein." Da musste sich das Ziel schon lohnen wie bei dem, was er vorhin fertig gestellt hatte.   Sie verstummte - wie so oft - und es schmerzte ihn, dass in gewisser Weise auch dieses Mal ihre Ansichten wenig Beachtung fanden. Wie fast immer. "Du wirst es nicht bereuen, ich verspreche es dir. Der kleine Umweg wird dir gefallen und er wird dir Kraft geben. Und wenn du mehr Kraft hast, kannst du auch besser dienen.", schob er daher nach, was den Engel doch deutlich ruhiger werden ließ, wie er über ihre Verbindung fühlte. Immerhin, denn das letzte, was er wollte, war, sie in ihrer gefühlten Minderwertigkeit zu bekräftigen.   Stattdessen begann der Mischling ihr bei ihrem Weg über Stock und Stein und den dichten Frühsommerlaubwald das ein oder andere über seine eigenen Reisen als Kind zu erzählen - die immerhin der Grund für den kleinen Abstecher waren. Witzigerweise hatte sich der Weg damals sehr ähnlich zu heute angefühlt. Die Schuhe waren gleich schlecht gewesen.   "Wir reisten zwar auch auf Wegen, aber gerne auch abseits von diesen, in Wäldern, da in diesen die Sonne ein geringeres Problem ist. Daher sind Wanderungen in den Sommerwochen zumeist Waldwanderungen gewesen. Und schließlich kamen wir auch hier vorbei.", schloss er schließlich, als die letzte Biegung des schmalen und halb zugewucherten aufsteigenden Weges vor ihnen lag.   Er nahm sie bei der freien Hand, hatte sie den Ast doch nicht abgelegt, und führte sie um die Bäume, die jetzt noch höher waren, auf die plötzliche Lichtung. Die bei Nacht seiner Meinung nach deutlich schöner war, aber dies war ein Kompromiss, den er eingehen musste. Abgesehen davon machte Secere nicht den Eindruck, die Nacht gegenüber dem Tag zu bevorzugen, eher das Gegenteil.      
Zu welcher Tageszeit auch immer war die Quell-Lichtung des Totwasserwalds eine wirkliche Schönheit. Melken waren selten und hier standen gleich sieben dieser immergrünen Laubbäume auf einer kleinen Insel in einem Quellsee, von dem aus die Totwasser ihren Ursprung nahm. Er ließ sie staunen, während er sich an dem lebendigen jungen Grün des Grases am Ufer des klaren Sees sowie den Farben der Götterblumen satt sah.   "Das ist... .", staunte der Engel schließlich, wozu Elmir nickte. "... wie nicht von dieser Welt. Was stimmt. Du dürftest dich hier sehr belebt fühlen, oder?" Sie nickte, ging in die Hocke, um das Gras zu berühren. "Dieser Ort ist voll von Aspektenergie, Essenzen des Lebens, der Erde, der Luft, des Wassers, der Natur, der Pflanzen, der Tiere und des Todes. Fünf davon sind mit dir verbunden, die anderen untergeordnet. Viel mehr Übereinstimmung mit deinem Wesen kannst du nicht fühlen. Nicht hier. Nicht einmal in den anderen Sphären."   Die Frau war weiter zu den Götterblumen gelaufen, diesem Zeichen Daes an alle Götter über deren Vergänglichkeit und den Kreislauf der Erneuerung. "Warum sind hier so wenige Menschen, wenn es so schön ist? Sie besetzen doch sonst alles, was ihnen gefällt und das sollten sie doch auch schön finden." Ein verschmitztes Lächeln während er den Rucksack im Gras neben dem Blumenfeld unweit des Wassers absetzte und auspackte.   "Nun, die Gegend ist zu energetisch. Der Wald heißt nicht umsonst Totwasserwald. So nah an dieser Anzahl an Melken" - er nickte gen der Bäume auf der Insel - "die ihre Energie auch an das Wasser abgeben, und das nicht nur im Frühling, wären sie schnell sehr krank oder gleich tot. So sind hier nur selten Abenteurer auf der Suche nach Zutaten und im Frühjahr eben Melkit. Und die meisten, die hierher kommen, wissen, dass dieser Ort vom belebten Wald beschützt wird. Daher wirkt er so ursprünglich, wild."   Dass es hieß, dass Menschen diesen "Fluch" in Gang gesetzt haben sollten, in dem sie alle Melken auf einmal im Frühjahr eingeschnitten hatten, wodurch das Wasser energetisch wurde, verriet er ihr lieber nicht. Stattdessen erfreute er sich daran, dass Teil eins seines Planes aufgegangen war, denn ihr gefiel der Ort so gut wie erhofft, und stellte für Teil zwei die Schalen ins Gras. Immerda-Brei, aber darauf bezog sich das stille Seufzen Seceres nicht, als sie sich zu ihm gesellte. Das edelste Fleisch, mit Elem glasiert, würde ihr genauso wenig schmecken.   "Eigentlich helfen einige Momente hier gegen mangelnde Kraft mindestens so viel wie der Brei.", kommentierte sie, was nicht deshalb bemerkenswert war, weil dieser Ort ihr tatsächlich in wenigen Augenblicken mehre Energie geben sollte als gewöhnliche Nahrung je könnte, sondern weil sie es aussprach. Der Ort schien ihrem Selbstbewusstsein zu helfen.   Seinem nicht. Kurz musste er sich vergegenwärtigen, was er hier bezwecken wollte, ehe er die kleine Phiole hervor holte. Das schlichte Gefäß war mit reinweißem feinem Staub gefüllt. So wirkte es zumindest. Sie sah ihn fragend an während er etwas von dem Staub über ihre Schale streute, umrührte, ihr den Löffel reichte. "Mag sein. Aber probiere es mal so."      
Innerlich angespannt beobachtete er, wie sie zögerlich den Löffel und etwas Brei nahm, nur damit sich dann die Mimik in grenzenloses, erfreutes Erstaunen wandelte. "Ich verstehe nicht. Wie ...?" Ein Stein fiel ihm von Herzen. Es hatte funktioniert. "Ja, Essen kann auch schmecken. Damit es dir schmecken kann, muss es allerdings essenztechnisch aufgewertet werden." Und bei den Essenzen, die ihr entsprachen, war es gar nicht so einfach gewesen, aus der entsprechenden Energie die Essenz zu gewinnen. Das einfachste war sein Blut für Rache und Finsternis gewesen.   "Das Pulver?" Elmir nickte nur, reichte ihr die Phiole rüber, die sie vorsichtig entgegennahm, betrachtete. "Für dich, wenn du möchtest. Es könnte helfen, Erinnerungen zu schaffen, an die man zurück denken kann, wenn es einem mal nicht ganz so gut geht." Der Engel biss sich auf die Lippen, schüttelte wie zu sich selbst den Kopf. "Ich verstehe nicht. Warum?" Warum er das Pulver für sie herstellte? Dahinter steckte ein ganzes Motivbündel, aber die Kurzfassung sollte reichen.   "Weil du es wert bist. Jedem, egal wer er ist, sollte es gestattet sein, kleine Freuden wie diese erfahren zu dürfen." Sie wollte etwas erwidern, setzte an, blickte dann aber nur zu Boden. Und auf die Phiole in ihrer Linken. "Danke.", kam es schließlich nur, womit sich ein weiterer Stein löste.   "Sehr gerne. Aber jetzt lass uns den Ort genießen und essen, ehe wir Feuerholz sammeln und irgendwas für die Schalen der anderen." Sie nickte nur, aß weiter, während er dann auch zum Löffel griff. Seines schmeckte schlicht, wie ungewürzter Immerda-Brei, zumal kalter, eben schmeckte. Fad. Aber trotzdem besser als vieles, was er schon essen musste. Und selbst wenn nicht wäre es ihm in diesen Momenten, in denen er vor allem sein frohes Gegenüber betrachtete, gleich gewesen. Er hatte es geschafft, sie für den Moment glücklich zu machen. So viel Glück hatte er schon lange nicht mehr empfunden.

Eine kleine Stelle zwischen dem Kind der Cesis Elmir Dazes und der Aszali Secere Laetes. Zeitlich gesehen sind sie gerade auf dem Weg in die Magierakademie Addellirazars.

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Kommentare

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Apr 25, 2024 07:11

Ein sehr schönes Stell-dich-ein, welches die Beziehung zwischem Elmire und Secere ein wenig beleuchtet. Ich finde es kommt sehr gut rüber das Secere als Engel in der Menschenwelt zu diesem Zeitpunkt da ihr selbst noch nicht wirklich erwacht ziemlich wenig Freuden kennt.
Mir gefällt hier allerdings auch das Elmir halt nicht absolut alltruistisch rüber kommt, allein der verweiß auf das "Motiv-Bündel" deute sehr gut an das es nicht nur um Nächstenliebe für ihn geht!

Have a look at my entrys for:
  • Blue Fairy 74's look into the Stars - #Astralis Challenge: The Fennân Observatory
  • DaniAdventures Romance-Ception! Challenge Ballade von der Silberelfe
  • my Adventure April short story Einer dieser Tage
  • Apr 25, 2024 08:06 by Secere Laetes

    Dankeschön ^^. Und ja, viele Freuden lernt sie eher durch ihn kennen - insbesondere nachdem er eben einige Dinge erfährt. Ist aber ein Prozess, immerhin ist sie am Anfang ja einfach nur die Person, wegen der er sprichwörtlich durch die Hölle gehen darf (ich muss Elmir dringend mal fertig schreiben, vielleicht im Mai XD).   Und ja, er mag sie zu dem Zeitpunkt schon sehr, aus mehreren Gründen, und es hat neben einer Art Liebe, na ja, Zuneigung, viel von Zurückgeben an sie und aber definitiv auch sehr viel von Auflehnung gegenüber den Göttern und deren Dienern (sich selbst kann er vielleicht nicht retten, aber dann eben wen, auf den die Götter kein Anrecht haben ;)). Wobei er in dem Fall tatsächlich sogar Raiga fragte, ob er ihr so etwas zeigen darf. Was der dann draus machte im Endeffekt ist ein anderes Kapitel. Mal sehen, ob ich die Adventure April Kurzgeschichte fertig bekomme ^^".