Nachdem ich schon abseits der skanderischen Hauptstadt so erfolglos dabei war, nicht als Außenseiter aufzufallen, ließ ich Wiatt und Salaîne den Vortritt dabei, uns durchs Stadttor zu bringen, denn die beiden Soldatinnen, die vor uns noch einen Wagen anhielten und kurz überprüften, schauten nun neugierig auf die Neuankömmlinge. Vor allem der berittene Kobold war sicherlich auch in Skander eher eine Ausnahme. Slaîne ergriff das Wort und erklärte kurz angebunden, dass wir hier wären, um Handelsgespräche bezüglich Getreide zu führen. Die beiden uniformierten Frauen nickten nur und warfen nochmal einen letzten Blick auf mich und den getarnten Grauer unter mir mit einer hochgezogenen Augenbraue, bevor wir hineingelassen wurden.
Drinnen stank es nach den Materialien und Erzeugnissen der hier ansässigen handwerklichen Betriebe. Aus den Werkstätten und den Schornsteinen der Wohnhäuser quoll der dicke Rauch von Feuern, dier hier in den Bergen trotz des vorangeschrittenen Frühlings Mehrarbeit leisten mussten. Das war allerdings nicht der einzige Gestank hier, denn die Häuser, Gärten und Straßen waren erfüllt vom Anblick und Gebell dutzender Hunde, die sich in Skandergard wohl uneingeschränkt und wohlgenährt herumtreiben durften. Während sich die meisten Humanoiden nach mir umdrehten und sich staunened und raunend unterhielten, schienen diese Tiere ein seltsames Interesse an Wiatt gefunden zu haben. Vielleicht rochen sie ja noch einen Rest an Wolf an ihm - trotz seiner Bemühungen konnte man wohl vielleicht nicht jede Spur des Blutes und der Fleischfetzen entfernen, zwischen denen er sich wieder in einen Menschen zurückverwandelt hatte. [Wiatt selbst schien nun ein intuitives Verständnis mit allen Hunden zu besitzen, denn er konnte erahnen, was diese gerade dachten oder wollten, so wie sie ein Bewusstsein - wenn auch nur ein eingeschränktes Verständnis - für seine Gedankengänge zu haben schienen. Salaîne war ganz froh, dass er die Aufmerksamkeit dieser Tiere auf sich zog, denn auch sie war wie Segu kein Fan von Hunden.]
Wiatt fragte einen Passanten nach dem Standort des Anwen-Ordens und der Mann wies únd einen Weg ganz in das Zentrum der Stadt, hinter der zweiten, inneren Stadtmauer, in denen man die Villen, Werkstätten und Parks der gehobeneren Bürgerschaft wiederfand. Auf dem Weg über diese saubereren, weiteren Straßen hin zu unserem Ziel erbeutete Salaîne eine ganze Tüte voll Buttercroissants, und nachdem Wiatt seinerseits eines abgewiesen hatte und ich zu angespannt zum Snacken war, zuckte sie die Schultern und aß selber eines, was schwierig war, da sie in der anderen Hand noch immer Probleme damit hatte, Nocta zu führen. Aber schon bald kamen wir an den Eingang des Ordenskomplexes: Eine eigene Mauer schützte ein Gebäude, das dem Gildenhaus der Blutjäger ähnlich, allerdings um einiges größer und beeindruckender schien, mit einem Turm, dessen Dach sich noch über das nahestehende [gothisch anmutende] Schloss der Aldervargs erhob.
Am Tor der Mauer standen zwei junge Wachen, vielleicht baldige oder sehr junge Ritter, die uns nach dem Grund unseres Hierseins befragten. Salaîne bat um ein Gespräch mit William, und schob unsere Verbindung zu Tiz als Grund genug vor, um eine Audienz (denn sein Name schien hier etwas an Gewicht zu tragen) bei "Ser Wiliam" zu erhalten. Während wir auf eine Antwort warteten, schob sich Salaîne schon ihr zweites Croissant in den Mund und wir konnten die Trainingsareale und -gegenstände im Inneren des Hofes durch das Tor sehen. Es dauerte auch nicht lange, und ein verdutzter, in leichtem Kettenhemd gekleideter, aber weiterhin sein uns bekanntes Schwert tragender William erschien vor uns. Als wir ihm sagten, dass Tiz zurückgeblieben war, schien er sich etwas zu entspannen und bat uns sogar, ihm nach drinnen zu folgen, um über unsere Angelegenheit zu sprechen. Es war mir vollkommen zuwider, in diese Räuberhöhle zu steigen, voller Hunde der Vollmondgöttin, die vor ein paar Jahren (und wer weiß in welchem Ausmaß heutzutage) noch gegen unsere glorreichen Soldaten geritten und nur mithilfe des Bündnisses mit dem Kaiserreich gerade so in der Lage gewesen waren, einen Waffenstillstand und dieses brüchige Bündnis zu erzwingen. Ich brachte noch selbst trotz des Hilfsangebots eines Knappen die Pferde und Grauer in den Stall des Gebäudekomplexes (nicht auszudenken, wie viele Soldaten wir erledigen müssten, wenn man durch Grauers Verkleidung gesehen hätte) und schloss zu den anderen auf, wonach wir erst durch eine große Halle (mit mindestens sechs abgängigen Türen und etwa einem dutzend Fenstern, zwei davon leicht geöffenet, auch wenn man bei einem davon einen Sprung aus größerer Höhe riskieren müsste...) in eine Art Allzweckraum geführt wurden, in der uns William an einen großen Tisch Platz zu nehmen gebahr.
Ich für meinen Teil blieb lieber in der Nähe der Tür stehen, aber die anderen beiden setzten sich, während auch William das Gespräch lieber im Stehen führen würde. Neben ihm flitzte eine große, pelzige Gestalt, die wohl auch ein Hund war und von William als Omen geheißen wurde. Omen war ganz vernart in ihr Herrchen, irgendwas schien sie aber an Wiatt so sehr zu faszinieren, dass sie sich ihm im Verlauf des Gesprächs immer weiter annäherte und sogar kraulen ließ, was William mit einem Mundwinkelzucken quittierte. Als Wiatt alles erzählt hatte, was er (und auch wir soweit) über seine Situation wusste, nahm William - auch mit Ungläubigkeit über den Besuch Súlfrs, was ich seltsamerweise nachvollziehen konnte - sich allen Ernstes heraus, unser Gesuch nach Hilfe damit abzuschmettern, dass er nicht helfen könne. Ich bemerkte, dass Salaîne nichts mehr sagte, nachdem der Ritter all ihre Annäherungsversuche (Croissant und ein Verweis auf das Gemälde Amwens im Raum) ins Leere hatte laufen lassen, also war es wohl ausgerechnet an mir, hier zu widersprechen, da sonst jeder hier gewillt war, Wiatts Schicksal einfach zu akzeptieren. Der Cerawnit meinte zwar, dass er uns nichts schulden würde, also musste ich ihn daran erinnern, dass er uns durchaus sein Leben und das seines Begleiters schuldete, von seinem Schwert und dem Sachschaden an der Taverne, in der er Salaîne und Tiz attackiert hatte, mal ganz zu schweigen. Dass er aufgrund seiner Loyalitäten nicht helfen wollte, konnte ich anerkennen, aber dass ein Gläubiger Cerawnas nicht in der Lage dazu war, hier Einsichten oder Heilung zu teilen, war dann doch eine Beleidigung.
Zähneknirschend gab William nun doch zu, dass er es so gemeint hatte, dass er weder die Erlaubnis noch selbst die nötigen Fähigkeiten besaß, er aber jemanden holen könnte, deren Können und Autorität in solchen Angelegenheiten die seine übertraf. Er ließ uns mit einem Ritter namens Arné und Omen allein, wobei ersterer sich über Salaînes Angebot eines Croissants freute und sogar ein paar Geschichten über seinen Waffenbruder zum Besten gab. Als er gerade dazu ausholte, einen weiteren peinlichen Schwank aus einem weiteren gemeinsamen Abenteuer auszuplaudern, wurde die Tür geöffnet und er zog sich zurück, während eine Halbelfin in schmuckvollen Roben einer Cerawna-Hohepriesterin neben WIlliam das Zimmer betrat. Eldrid Aldervarg, Mondpriesterin von Skandergard und Williams Verlobte, war nun ihrerseits interessiert an allem, was Wiatt zu erzählen hatte, und genehmigte sich sogar ein angebotenes Gebäckstück Salaînes. Irgendwas schien ihr aber an der Geschichte, vor allem wenn es um die Blutjäger ging, noch zu fehlen, also ging sie für ein paar Minuten mit ihm hinaus, um sich seinem Wunsch gemäß unter vier Augen darüber zu unterhalten. Wunderbar, einer Vollmondhexe kann er also Geheimnisse anvertrauen, aber seinen Weggefährten nicht! Es dauerte auch nicht lang - jedoch immer noch viel zu lang, meiner Meinung nach - bis die beiden wieder zurückkehrten und die Priesterin meinte, dass der Umgang mit dem Wolf in Wiatt eine Sache der Übung war, dass er also dem Wolf an weniger gefährlichen Zeitpunkten als einer Vollmondnacht die Zügel überlassen sollte, bestenfalls zu Neumond, wenn der Wolf am schwächsten wäre. Das Ganze nahm eine Entwicklung an, die mir ganz und gar nicht gefiehl, aber wir waren in Skandergard, unter Feinden, mit einem ganzen Gefolge von Cerawna-Kriegern und -Klerikern unter einem Dach; es war nicht wahrscheinlich, dass mich hier irgendwas oder irgendwer noch positiv überraschen würde, aber dass Wiatt nun offenbar ganz von seinem Vorhaben, seinen Fluch loszuwerden, abgerückt ist, war doch sehr enttäuschend. Nach Colvera oder zu seiner Gilde konnte man ihn nun wohl nicht mehr zurückkehren lassen.
Für die Nächte, an denen das Monster in Wiatt allerdings noch zu stark für dessen Kontrolle sein würde, bat Eldrid an, uns einen Trank zu dessen Betäubung nebst einem Rezept dafür zu überlassen, sobald wir mit unserem Vorhaben in Skander fertig und auf dem Rückweg nach Moneda wären. Unter der Prämisse, dass wir bis dahin William kein Haar krümmen würden. Immer mehr habe ich das Gefühl, dass die beiden Vermählten im Raum von unserem Vorhaben durchaus Kenntnis hatten und es voraussahen, dass es zu einem Konflikt zwischen ihnen und uns kommen würde, sollten wir unser Ziel weiter verfolgen. Eldrids Hinweis darauf, dass Wiatts Fluch eng mit seinem Blut verbunden war, ließ ihn aufhorchen, da er ja selbst vor kurzem erst erfahren hatte, dass seine Eltern nicht seine wahren Erzeuger waren. Nach einem schwerwiegenden Zögern [und einem alarmierten Blick Salaînes] wies sie ihn allerdings an, keine weiteren Nachforschungen in dieser Richtung anzustellen, seiner Sicherheit und der seiner Familie zuliebe. Wiatt, unglücklich darüber, wieder einmal im Argen gelassen zu werden, obwohl alle ihm immer wieder weismachen wollten, dass er sich öffnen und wahrheitsgemäß über sich erzählen sollte, stürmte wütend auf das Trainingsgelände des Ordens, während sich Salaîne mit einigen Andeutungen und Anspielungen noch etwas mit der Hohepriesterin über Wiatt und den Trank unterhielt. Zugegebenermaßen war ich etwas unwirsch zu ihr, aber irgendwann bemerkte Eldrid auch meine Anwesenheit und betitelte mich als den "Kobold mit dem Drachen". Wenn das mein Ruf unter meinen Widersachern war, der meine Verbundenheit zu Grauer und den Vanjaróns so in den Vordergrund stellte, konnte ich nur stolz sein.
Als wir fertig waren und endlich dieser ganzen Situation entkommen konnten, stolperten wir in eine beginnende Keilerei zwischen Wiatt und den Recken des Ordens, wobei eine junge Frau mit weißen Haaren ihn mit ihrem Morgenstern in die Seite piekste. Nach meiner Anmerkung, dass man so also hierzulande seine Gäste behandelte beziehungsweise seine Gefolgsleute unter Kontrolle hatte, brachte William es endlich über sich, die Versammlung um den Blutjäger herum aufzulösen. Nich aber ohne dass sich die weißhaarige Streiterin Salaînes Friedensangebot in Form der restlichen Croissants abholte und verschwand. Ich holte unsere Reittiere und war mir sehr bewusst, dass die Priesterin meines ausgiebiger betrachtete und dann einen wissenden Blick mit mir austauschte. Am Tor konnte William nicht anders als meine Vermutung zu bestätigen, dass er genau wusste, was wir in Skander vorhatten, und riet uns, es nochmal zu überdenken, da wir ja allein in Feindesland wären. Dass ihn und die Gruppe Skanderer, die einen Trupp monedaischer Soldaten ausgelöscht hatten, diese Überlegung nicht von ihrer Tat abgehalten hatte, schien ihn nicht zu überzeugen, auch wenn seine Gesichtszüge kurz verrieten, dass er von der anderen Gruppe offenbar noch nichts gewusst hatte. Seinen Vorhaben, dass unser gesamtes Vorhaben aberwitzig war, konnte ich nur zurückgeben, auch wenn meine Gottheit offensichtlich einen besseren Schutz darstellte als Súlfr. Zufrieden konnte ich ihm nur zustimmen, als er mich dabei berichtigte, dass Súlfr im engeren Sinne gar keine Göttin wäre. Tja, Venxaroncas eben schon! Deswegen würden wir in seinen Gefilden vollbringen, woran seine Gruppe in den Jagdgründen des Bronzedrachen zuletzt gescheitert war. Als wir uns entgültig fürs Erste verabschiedeten, konnte ich nicht anders, als ihnen Venxaroncas' Segen entgegenzuwerfen, was Eldrid natürlich nicht übergehen und ihrerseits mit einem Segen Cerawnas quittieren musste. Widerlich, aber endlich waren wir hier weg und konnten uns Gedanken darüber machen, wie wir weiter vorzugehen hätten, denn bis zum Treffpunkt waren es nicht mehr allzu viele Tage und unsere Feinde wussten becheid.