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Mon 3rd Mar 2025 01:59

Meinesgleichen

by Segu

Ich ritt auf Grauer voraus, um die Kobolde ausfindig zu machen, und weil es wahrscheinlicher war, dass sie auf einen Artgenossen vielleicht eher zu schießen zögern würden. Die Berge waren mir unbekanntes Gebiet und die karge Felslandschaft sollte es mir eigentlich schwermachen, Spuren von Lebewesen aufzuspüren, aber eingetrocknetes Blut hier und Kratzspuren von klauenbewehrten Fußpaaren da ließen mich ihren Weg recht einfach verfolgen. Der bewölkte Tageshimmel stellte sich als weiterer Verbündeter heraus, als ich einen Stolperdraht vor Feuchtigkeit aufblitzen sah - gerade rechtzeitig, um die anderen darauf hinzuweisen und einen Bogen herumzureiten, auch wenn die daran befestigte Schnur wohl eher für einen Alarm denn für eine schmerzhaft Falle gedacht war. Meine beiden Begleiter wussten nun zwar von dem Draht, allerdings waren ihre Pferde schon die gesamte Reise über fahrig gewesen und den unebenen, steinigen Boden nicht gewohnt,weshalb sie sich stäubten, einen Umweg zu nehmen, und schnurstracks durch den Faden traten. Immerhin war es egal, ob die Kobolde von unserer Anwesenheit wussten, aber das Verhalten der Tiere konnte nur bedeuten, dass sie auch weiter Probleme bereiten würden.
Einige Zeit später lag ein seltsames verkorktes Gefäß auf dem Weg. Als ich gerade näher heranreiten wollte, um es mir genauer anzusehen, flog ein Armbrustbolzen aus nördlicher Richtung darauf zu und ließ es beim Einschlag zerspringen, woraufhin ein ganzer Schwarm angriffslustiger Bienen daraus hervorquoll und uns und unsere Pferde als sein Ziel auserkor. Zwar konnten wir bald dem Schwarm, der durch den einbrechenden Nieselregen nicht erpicht darauf war, uns weiter zu verfolgen, entkommen, mussten aber dafür der steinigen Umgebung trotzen, sodass - seufz - "Pferd" in einem Anflug besserwisserischen Heldenmutes versuchte, über einen Felsen zu springen, dabei sein Gleichgewicht und Reiter verlor und durchging, was die nervöse Nocta dazu veranlasste, ihm den Hang hinab zu folgen, mitsamt ihrer Passagierin. Ein weiterer Bolzen, ein brennender diesmal, flog vor unsere Füße und entzündete eine vorher ausgegossene Ölpfütze, um so unseren Vormarsch in die Richtung, aus der die Bolzen gesendet worden waren, zu behindern. Offensichtlich waren wir der Gruppe nahe genug gekommen, um sie zu schädlichen Aktionen zu drängen, also schritt Grauer mit mir aus seinem Rücken durch die Flammen (seine natürliche, auf mich übertragene Magie machte das Feuer zwar nicht unwirksam, aber immerhin nicht viel mehr als unangenehm heiß), hinter denen und einigen Felsen ich zwei Kobolde entdeckte, denen ich zurief, dass wir ihnen nichts Böses wollen. Sie schienen nicht ganz überzeugt, und so sah ich mich gezwungen, der grauen Koboldin mit ihrem überaus ausgewölbten Umhang auf ihre Frage mit meiner Idendität und der meines Bruders zu antworten. Immerhin zögerten sie nun mit weiteren Angriffen und der andere Kobold, der eine Armbrust in der Hand hielt, bot an, Tosch nach mir zu fragen. Solange sollten ich und meine Mitstreiter uns allerdings nicht von der Stelle rühren. Wiatt war inzwischen aufgestanden und mit seinem leicht brennenden Schwert und einem großen Bogen um die Bienen herum an meine Seite gelaufen. Wenige Minuten später kam auch Salaîne mit den Pferden zurück - keiner der drei schien den Ausritt besonders gut überstanden zu haben [Salaîne wirkte Schlaf auf die beiden, die daraufhin aus vollem Galopp so stark hinfielen, dass sie beinahe starben]. Da wir nicht wussten, wo noch weitere Fallen oder Kobolde versteckt waren, lieben wir wirklich an dieser Stelle stehen und warteten die paar Momente, bis die beiden Kobolde zurückkamen und uns durch die Felsen hindurch bis zu einem durch Efeuranken versteckten Spalt im Berg führten, der sich zu einer mittelgroßen Höhle erweiterte, in dem gut zwei Dutzend Kobolde - die meisten von ihnen leicht bis schwer verletzt - herumsaßen, -standen und -lagen. Ich hatte unseren beiden Führern schon die Berufe meiner Begleiter verraten, sodass der Kobold mir der Armbrust ein allgemeines Schutzzeichen in die Luft schrieb und sich hier daran machte, speziellere Hexenbanne auf den Boden zu schmieren.
 
Meine Erleichterung, die ich verspürte, als ich Tosch lebendig in der Menge antraf, der auf einem toten Baumstamm saß, wurde bald wiederum von Sorge abgelöst, als ich seinen bandagierten Oberkörper sah, seine Beine mit einer Decke belegt, seine Haltung eine schmerzvermeidende Mischung aus liegend und auf den Armen lehnend. Ihm schien es ähnlich zu gehen, bis er die Menschen hinter mir erblickte. Natürlich verdächtigte er uns sofort, mit dem hiesigen Schulzen zusammenzuarbeiten und die Kobolde vertreiben zu wollen, die nun, da die bisherigen Anführer des Trupps in der Mine umgekommen waren, unter Toschs Schutz standen. Und natürlich ließ er meine Begründung für unser Hiersein links liegen und machte seine üblichen schneidenden Kommentare zu meinen Errungenschaften und Stellung am Hof der Vanjaróns, ich war erst dabei zurückzuschießen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich ihn hier, unter Gleichgesinnten, sicherlich nicht umstimmen würde können und dies eh keine Situation war, in der man das alles nochmal aufrollen konnte, beendete ich die Unterhaltung zu diesen Themen und kam auf den Zustand der Kobolde und den Grund für deren Anwesenheit zu sprechen. Immerhin würde ich ihm nicht helfen können, wenn ich nicht wüsste, was wirklich von sich ginge. Mein Hilfsangebot schien Tosch zu überrumpeln, wie ich mit Enttäuschung feststellte, doch er begann mit der Aufzählung der Ereignisse von seiner Perspektive:
Sie waren an uralte Schriftrollen gelangt, auf denen von einem prähistorischen Übel die Rede war, die Moneda zerstören würde und hier unter den Bergen verbannt war. Diese Kreatur könnte geweckt werden, wenn die Mineure tief genug weitergraben würden, und so sahen sich die Kobolde gezwungen, den Schulzen davor zu warnen. Der war augenscheinlich nicht von den Erzählungen der Kobolde überzeugt und ganz und gar nicht erpicht darauf, die lukrativen Grabungen inzustellen, sodass sie sich entschlossen, die Minen zu besetzen, um den Bergarbeitern den Zugang zu verwehren. Diese warenso gar nicht erfreut und griffen ihrerseits die Kobolde an, die sich zwar wacker schlugen, aber nach einigen Verlusten (unter anderem Clal, der Anführerin der Bande) zurückziehen mussten und deren Reste nun hier versammelt waren.
Ich stellte die Menschen an meiner Seite vor, und Wiatt musste erst mal versprechen, dass er keinen Auftrag hatte, die Kobolde niederzustrecken. Salaînes Vorstellung bewegte mehrere Kobolde dazu, ihrerseits Schutzzeichen zu gestikulieren, aber ihre Expertise im Entziffern und Interpretieren alter Texte hatte sich schon bei Grabmal im Wald als nützlich erwiesen, und so könnte sie sich selbst das Schriftstück besehen, das den Anstoß zu dieser extremen Reaktion der Kobolde gegeben hatte. Kirra, die Koboldin mit den ganzen Flaschen, Granaten und Beuteln unter ihrem weiten Umhang (und die bei der Erwähnung des Goldes, das ich Tosch gesendet hatte, irgendwas in ihren Mantel zurückschob), holte ein in Wachspapier eingewickeltes Pergament hervor und erklärte, dass Clal darauf gestoßen war. Salaîne betrachtete den Text einige Momente lang mit konzentriertem Blick, ehe sie mit ihrer Übersetzung die Annahme der Kobolde bestätigte, aber hinzufügte, dass es sich bei dem Siegel nur als eines von mehreren handelte, die in den umliegenden Bergen verstreut waren, wobei aber das Brechen eines Siegels das Versagen von allen hervorbringen würde. Toll, also noch ein uraltes Übel, dessen Rückkehr von meiner Gruppe aufgehalten werden muss, am besten noch innerhalb der nächsten paar Tage und ohne dass Menschen oder Kobolde zu schaden kämen!
Ich fragte meine Begleiter zu ihrer Meinung und ob sie mithelfen würden, woraufhin Salaîne - offenbar mit einiger akademischer Neugier - schnell zustimmte, Wiatt jedoch erst zögerte, bis ich ihm das ganze als eine Art Auftrag anbot, den er mit einem Verweis auf eine spätere, nicht näher bestimmte Bezahlung annahm. Auch Grauer meldete sich zu Wort, versprach er sich doch ein Festmahl aus niedergestreckten Monstern in den Tunneln. Auf die Verwunderung der Kobolde zu diesem sprechenden Pferd hin nahm ich ihm das Illusions-Medaillon ab, woraufhin seine drakonische Gestalt zurückkehrte, was die umstehenden Kobolde auf sehr unterschiedliche Weise beeindruckte. Tosch erklärte, dass es einen anderen Schacht in die Minen gab, der auch ihre erste Wahl gewesen war, allerdings konnten sie nur bis zu einem starken Bannkreis vordringen, ehe sie sich entschließen mussten, durch den Haupteingang neben dem Dorf hineinzugelangen. Ich verplapperte mich und erzählte ihm grob von unserem Auftrag, ein anderes uraltes Übel in Skander am Zurückkehren zu hindern, aber offenbar wird Tosch niemals mit den Vanjaróns zusammensitzen und ihnen von meinem Ausrutscher erzählen, und nach seiner eigenen Überzeugung, dass all dies hier zum Wohle Monedas geschähe, dachte ich auch nicht, dass er den Skandern von uns berichten wird.
 
Bevor wir losgingen - wir entschieden uns, den Weg durch den Nebenschacht zu nehmen und den Bannkreis entweder zu überwinden oder das darin enthaltene Wesen aus dem Weg zu schaffen - rasteten wir eine Weile. Die Pferde sahen nicht gut aus, sie würden definitiv hier bleiben und sich erholen müssen. Ein paar Kobolde kamen zu mir und boten ihre Hilfe beim Abstieg an, inklusive Kirra. Gern nahm ich an, Tosch verlangte aber nachvollziehbarerweise, dass sie alle wohlbehalten zurückkehren sollten.
[Währenddessen hilft Salaîne dem Armbrust-Kobold bei seinen Anti-Hexen-Runen. Als sie an ihre Satteltaschen geht, bemerkt sie, wie der Dolch, dessen Rückgabe Wiatt noch wochenlang kategorisch abgelehnt hatte, auf ihren Vorräten obenauf lag. Sie gesellte sich zum Monsterjäger und nahm diese freundschaftliche Geste zum Anlass, ihm davon zu erzählen, dass sein Fluch wohl von Cerawna persönlich stammte und möglicherweise nur durch das (Wieder-)Beleben eines ihrer Aspekte, Avatare oder gesegneten Kreaturen gebrochen werden könnte, also vielleicht genau so ein Ritual bedingen würde wie das, welches zu verhindern wir mit unserem Auftrag gerade trachteten. Trotz der dadurch aufkeimenden Verzweiflung schienen sich Konzepte eines Plans in Wiatts Kopf zu bilden, wie man denn bitteschön an die dafür notwendigen Relikte kommen sollte. Die Überlegungen allein schienen Salaîne allerdings zu reichen, um ein bisschen stolz auf Wiatts wiedergefundenen Sinn für Aspiration zu sein.]
Als wir uns aufmachen wollten, winkte Tosch mich nochmal zu sich und nahm mir das Versprechen ab, dass auch ich wohlbehalten zurückkehren sollte, und bot mir sein Hand zum Abschied. Mit der Bitte, nach drei Tagen Colvera von meinem Ableben zu berichten, sollte ich es nicht einhalten können, schlug ich aber ein, wobei ich etwas Heilmagie durch meine Hand in seinen Körper fahren ließ. Er atmete zusehends leichter, als er mir ominös zuraunte, dass er dafinitiv nach meiner Rückkehr aus dem Stollen mit mir werde reden müssen - aber nicht eher.
 
Angeführt von Kirra, die offenbarte, dass sie ein Stinktier in einem Käfig mit sich trug und aufgrund ihrer überschwänglichen Begeisterung beim Einsatz von Feuer und Explosionen beim Kampf gegen die Dörfler bewusst zurückgehalten worden war, betraten wir die Dunkelheit des Nebenschachts der Mine. Mein Vorschlag an Salaîne, ihre Laterne zu entzünden, wurde damit quittiert, dass die Dunkelheit ihr als Hexe nichts ausmache, und Wiatt wollte sich aus Stolz keine Fackel anzünden, was zu einem Streit zwischen den beiden führte, der erst beendet werden konnte, als Kirra mehrfacht anbot, selbst Feuer zu machen (was sicherlich zu einer Berg erschütternden Explosion geführt hätte), woraufhin Salaîne einen Stein mit einem Lichtzauber belegte und ihn ihr reichte.
Auf dem Weg befragte ich die Koboldin nach ihrer Geschichte mit der restlichen Truppe, woraufhin sie davon erzählte, dass es sich dabei eher um eine Gemeinschaft gleichgesinnter oder vertriebener Personen handelte (sie selbst hatte versehentlich eine Scheune abgefackelt) denn um eine Militäroperation, allerdings war sie sehr interessiert an Plänen der tragenden Wände des vanjarónschen Schlosses und erwähnte kurz eine verbesserte Variante ihrer Sprengsätze, von denen man viel weniger benötigen würde, um das Schloss zu sprengen, wenn man wollte. Ich werde sie definitiv im Auge behalten, sicher ist sicher. Aber vielleicht ist sie ja empfänglicher für eine Anstellung beim Monedaischen Militär - solch talentierte Saboteure wären sicher gern gesehen, und dass sie eine Koboldin war, würde Ihre Hoheit Jamin sicherlich nicht abschrecken. Aber zunächst müssten wir unser Ziel erreichen und wieder herauskommen, ohne dass uns der Berg auf den Kopf stürzte.
Schließlich gelangten wir an den Punkt des Tunnels, an dem die Kobolde umgekehrt waren. Ein Ring aus Runen umspannte die gesamte Breite und Höhe des Schachts, und nun war es an Salaîne, ihre Expertise zur Schau zu stellen. Ihrer Analyse zufolge ist ein Wesen schon durch den Zauber gebannt, was allerdings aufgehoben werden würde, wenn man den Kreis brechen oder durchqueren würde. Sie würde nun versuchen, dem Zauber ihrerseits magisch vorzugaukeln, dass er ungestört bliebe, während wir hindurchtreten. Das gelang leider nur so mäßig, trotz Wiatts hilfreichem Über-die-Schulter-Schauens, denn nach wenigen Augenblicken glühte der Bannkreis auf, eine kalte, elektrische Wolke wand sich aus den Runen und verschwand, ihre Präsenz war allerdings für alle in der Nähe des Zaubers deutlich spürbar. Das Wesen entlud sich regelmäßig, was vor allem Salaîne, Wiatt und Grauer schwer verwundete, aber auch Kirra wurde von einem magisch geworfenen Stein hart am Kopf getroffen. Immerhin hielten sich die anderen Kobolde zurück und blieben verschont. Nachdem Salaîne das Wesen mit Farbe besprüht hatte, was es uns erleichterte, es zu treffen und als eine Art untotes Monster zu erkennen, konnten wir es schließlich niederringen, trotz der ausbleibenden Effektivität unserer Waffen und Zauber. Wiatt und Salaîne waren während des Kampfes schon auf die andere Seite des Bannkreises gelaufen, der sich nun, da das Monster vernichtet worden war, wiederum mit Magie zu füllen schien.