Wenn ich ein Drache wäre...

Magmasee by Secere Laetes mit Stable Diffusion
"Bitte?" Überrumpelt sah Zahirr hinüber zu der neben ihm stehenden Frau, die sich eigentlich gerade auf die Energien um sie herum konzentrieren sollte - was an diesem Magmasee tief im Inneren der Sphäre der Rache und Finsternis mit ihren geradezu überbordenden Energien tatsächlich äußerst leicht war, eigentlich eine Anfängerübung. Bei einer solchen Frage war klar, dass seine "Schülerin" dies nicht tat, sondern sie mental an ganz anderen Orten verweilte. Einmal mehr. Und einmal mehr zeigte, dass es wirklich eine enorme Arbeit werden würde, dem Dämonendrachen Magie nach Menschenart beizubringen.
 
"Sag schon. Was würdest du machen, wenn du ein Drache wärest? Würdest du alleine bei Menschen leben wie Mama oder da unten bei den ganzen anderen Drachen?" Der Rachedämon verkniff es sich, tief durchzuatmen, wie er es damals bei menschlichen Schülern gemacht hatte. Das war bei der zierlichen jungen Frau, die tatsächlich erst 12 Jahrdekaden1 aufwies, nutzlos. Nicht nur, weil ihr das Erlebte auf die Psyche geschlagen war, auch wenn es im Vergleich zu dem, was manche Dämonen auf ihrem Weg mitmachen mussten, geradezu harmlos war. Auch wenn es natürlich keine dämonischen Kinder gab.2 Nein, was ihm auch nicht gefiel, war, wie sie 'Menschen' betonte. Wie ein Schimpfwort. Sie war wirklich nachtragend.
"Das kommt drauf an wie meine Stellung innerhalb der Gesellschaft der Drachen wäre und was ich aktuell vorhätte oder wie stark ich wäre - beispielsweise. Lebt man alleine, beziehungsweise bei Menschen, ist das Risiko umzukommen, deutlich höher, wie du weißt. Dafür ist man nicht auf diese Stadt beschränkt, in der man sich komplett unterordnen muss. Worauf ich deshalb keine Lust hätte, weil sie Verräter sind.", antwortete er schließlich, stand diese Blutschuldige doch zusätzlich auch noch in der Gunst seiner Göttin, was ihn dazu zwang, tatsächlich auf sie einzugehen. Auch wenn ihr die Antwort nicht gefiel, wie schon ihr Schnauben deutlich machte, während sie weiter in den See blickte. Gefährlich.
 
"Nur Xerdess hat Ardmenes verraten. Die anderen nicht. Das war gemein, dass sie danach so was gemacht haben, sie und Malil. Oder das mit Mama." Bei der diesmaligen Erwähnung ihrer Mutter lag bereits deutlich mehr Emotion in ihren Worten. Er musste also wirklich aufpassen. So einen Kampf wie letztens sollte er unbedingt vermeiden. Selbstredend war dieser ein hervorragendes Training gewesen, aber sein derzeitiges Augenmerk lag auf anderem. Nämlich eigentlich darin, ihr ausreichend Magie beizubringen, um am Leben bleiben zu dürfen, nicht darin, Tage mit Regeneration zu verbringen, weil er eben nicht mit voller Kraft kämpfen durfte im Gegensatz zu ihr. Es war mehr als deutlich gewesen, dass sie kein Problem damit gehabt hätte, ihn umzubringen. So hob er beschwichtigend die Linke.3
 
"Das stimmt natürlich, nur er verriet. Aber bei uns gilt das Konzept der Blutschuld. Und das setzte die Rächende um. Die Mutter von Xerdess, Lenthrekte, ist zudem immerhin inzwischen die Göttin der Drachen und schützt diese, was nicht vergessen werden sollte. Aber ja, das mit deiner Mutter war schon hart. Und wenn man bedenkt, dass die Rächende selbst dich schließlich vor den Menschen und den Drachen gerettet und hierher gebracht hat, wohl auch nicht wirklich von der Unerbittlichen gewollt. Und jetzt helfen wir dir stärker zu werden." Oder eher "noch" stärker - womit seine Göttin selbstredend auch gleich einen weiteren starken Diener hatte, sobald die Loyalität gefestigt war. Wenn sie nicht gar ihr mindestens körperlich stärkster Diener wurde.
 
"Heh." Die Weißhaarige mit den heterochromen, einmal rot und einmal blauen Auge stand auf, trat direkt an die Magma, nur um sich dann für ein Bad in dieser zu entscheiden, vielleicht als Sinnbild einer warmer Umarmung. Hierbei half wiederum definitiv ihr dämonisches Erbe, das sie sonst nur zu gerne ablehnte. Aber die mitunter so Unberechenbare griff ihn nicht an - zumindest noch nicht -, wobei sicherlich half, dass er die Qildis selbst nicht erwähnt hatte. Darauf reagierten die meisten Drachen sehr empfindlich. Selbst wenn ihnen auch Mitdrachen übel mitspielten. Mit einem leisen Seufzen begab er sich direkt ans Ufer, sah ihr zu, wie sie sich treiben ließ, ehe er fortfuhr, besänftigend. Mitspielend.
 
"Ich würde wohl bei den Drachen leben, wenn ich wirklich ein echter Drache wäre. Direkt in Aburruzarem.4 Wenn möglich würde ich mich wohl wieder in Magie versuchen, beziehungsweise in dieser forschen. Das, Forschung generell, scheint mir am meisten zu liegen. Ich hörte, die Art der Drachen, Magie zu wirken, ist eher wie die der Engel beziehungsweise der Hexenmeister unter den Menschen. Aber da kann man bestimmt trotzdem einiges forschen." Ein Lachen der anderen, ehe sie Magma zu ihm herüber spritzte als wäre es Wasser und sie ein Kind, das in diesem spielte. Was in gewisser Weise zutraf. Eigentlich auch vom Wissensstand der anderen ihrer Kultur und ihrer Forschung gegenüber.
 
"Drachenmagie lässt sich nicht so leicht lernen wie Menschenmagie. Das ist keine reine Technik. Das geht nur, weil es in uns drinnen ist. Daher ist die auch so viel besser als Menschenmagie. Oder jetzt die Dämonenmenschenmagie hier. Viiiel besser." Er hörte, sie sei quasi erst vier gewesen, als ihre Mutter starb. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Drachen ihre Kinder so schnell in alles einweihten. Die Menschen taten es ja auch nicht, die Gehirne waren am Anfang gar nicht darauf ausgelegt. Und wenn er an sich als Kind5 zurück dachte... . Es würde schon seine Gründe haben, warum sich Drachen meist erst mit quasi 7-10 verwandeln konnten. Aber ja, ihr war das mit quasi 4 gelungen. Ein enormes Potential. Und sicherlich auch einer der Gründe, warum Zerest hier war, seine Göttin sie mitgenommen hatte. Zurückgeblieben oder geisteskrank, wie man es nennen wollte, war sie trotzdem.
 
"Du solltest menschliche Magier nicht unterschätzen. Sie sind zu sehr vielem im Stande und das ganz ohne energetisch oder gar hochenergetisch zu sein wie Drachen oder eben Aszali. Und für uns ist es eine gute Ergänzung, die eben auch funktioniert, wenn uns der Zugriff auf unseren Aspekt genommen wird, was immerhin möglich ist." Er selbst hatte dies in den Kerkern immerhin zuletzt regelhaft bei Gefangenen angewandt oder dann natürlich in der Finsterschlucht. Die Antwort war eine fließende Verwandlung in ihre andere Gestalt, die durchaus bereits äußerst einrucksvoll war, auch wenn Zerest noch nicht ausgewachsen war. Mindestens in dieser Form noch nicht. Sie nutzte die neu gewonnene Größe, um ihn mittels eines Schwanzschlags ins geschmolzene Gestein in Magma zu baden. Irgendwie weckte es Erinnerungen an seine Zeit als Dezin, als er hier Zuflucht vor Jägern suchte, waren doch zwar die Bestien noch "feuerfest", niedere Dämonen aber nicht mehr. Trotzdem hätte er darauf verzichten können, auch wenn seine Robe stand hielt. Ja, Menschen und sie war ein heißes Thema.
 
'Nein. Ich will keine Menschenmagie lernen. Menschen sind schmutzig. Menschen sind böse. Menschen sind blöd. Und Rachedämonen sind auch blöd, wenn sie Menschenmagie lernen. Ich bin ein Drache. Ich will Drachenmagie lernen. Richtig lernen. Bring mir Drachenmagie bei. Nicht Menschendämonenmagie.', grollte sie ihn telepathisch durchdringend an, unterstützt von einem lauten Fauchen in ihrer jetzigen Gestalt. Er fragte sich am Rande, ob Zerest eigentlich schon alt genug gewesen war, um die wahre Sprache der Drachen zu lernen oder ob diese mit dieser Form verbunden war. Sie hatte sie jedenfalls noch nie in dieser Form reden hören. Nur in der anderen, in Dis, dieser ersten Sprache, die Drachen immer noch verwandten. Aber das wirklich nur am Rande, konnte er doch nicht anders als den Kopf zu schütteln, während er trotzdem beschwichtigend die Hände hob.
 
"Du sagtest selbst, dass sich Drachenmagie nicht so leicht lernen lässt. Wie soll ich es dir dann beibringen können? Ich bin kein Drache, habe sie nicht gelernt, weiß nur, was darüber gesagt wird. Und was man nicht kann, kann man nicht beibringen." Er vermied es, zu nennen, dass er das, was er wusste, von den Büchern aus Gontas hatte, nicht, dass das nächste mal mehr heraus kam als eine Dusche. Abgesehen fand er es befremdlich, dass sie den Menschen ihr Verhalten ihr gegenüber übel nahm, den Drachen aber nicht. Blutsbande wohl. Dann hörte er auch schon nur das drachische Äquivalent eines Lachens, dieses dumpfe Grollen, das von den Höhlenwänden zurück geworfen wurde und daher alles zu durchdringen schien. Ihn zumindest. Was das wohl geben würde, wenn sie erst doppelt so groß, ja größer wäre.
 
'Dann lern sie. Du sagtest, wenn du ein Drache wärest, dann wärest du in der Stadt. Und du würdest Magie lernen. Dann passt das doch. Geh hin und lerne und dann bring sie mir bei.' Zahirr blinzelte erst ein-, dann zweimal. Sie wollte bitte was von ihm? Wie sollte das gehen? Einfach so? Drachen und Gefolgsleute der Ardmenes hassten sich eigentlich seit den Geschehnissen damals. Offen anzufragen wäre Selbstmord. Und die Drachen in ihrer eigenen Stadt täuschen? Wenn in deren Mitte ihre Drachengöttin weilte? Noch viel mehr als Selbstmord. Er hatte hier Aufgaben. Die erschienen schon immer wieder genug als Selbstmord, so dass er über sich hinaus wachsen musste, aber DAS? Während er noch überlegte, wie er ihr das beibrachte, ohne dass es in einem Kampf endete, sprach sie schon weiter.
 
'Du wärest bestimmt ein schwarzer Drache wie ich. Du musst dann nur mit den Augen aufpassen. Mama sagte, Drachen haben keine roten Augen, das käme bei mir von dem Dämon. Das blaue sei das Drachenauge. Lila haben die dann sicher auch nicht, wenn du sie hast. Wobei die ja sagen, dass du ohnehin kein richtiger Dämon bist. Dann kannst du da sicher auch kein richtiger Drache sein und es geht.' Ihm gefiel diese Richtung ganz und gar nicht. Nicht nur wegen dem Gerede der anderen Dämonen und wer weiß wem noch. Vielleicht war es auch nur Zariss gewesen. Wie er gehört hatte, hatten sich insbesondere Pessera und dieser Blutengel um Zerest gekümmert, als diese als Kind hier angekommen war. Wie dem auch sei, er versuchte es noch einmal mit den beschwichtigend erhobenen Armen.
 
"Zerest. Die Rächende hat mir die Aufgabe gegeben, dir unsere Magie beizubringen, nicht zu den Drachen zu gehen und Magie zu lernen, nur um dir dann Drachenmagie beizubringen. Du verstehst doch, dass ich meiner Göttin gehorchen muss, oder?" In einer einzigen, flließenden Bewegung sprang der dämonische Drache aus dem See direkt auf ihn zu. Reflexartig wollte er einen Augenblick zur Seite springen, entschied sich dann dagegen. Nicht reizen. Noch kämpfte sie nicht. Noch stürzte sie sich lediglich auf ihn, riss ihn zu Boden und setzte ihre rechte Tatze direkt auf seinen Brustkorb. Nun, sie begrub vielmehr den Oberkörper mit ihr, während er hörte, wie die Robe riss. Und spürte, wie eine Rippe brach. Na wunderbar, wie er das hasste. Zerest konnte ansonsten froh sein, dass es an dieser Stelle des Sees einem weiten Strand gleich offen in die Magma ging. Und er auch, sonst wäre er noch von Geröll begraben worden. Sicherheitshalber begann er jedenfalls Energie für eine Teleportation zu kanalisieren, während er darauf wartete, wie es weiter ging.
 
'Das ist gar kein Problem. Dann sag ich eben Ardmenes, dass sie dich dahin schicken soll. Dann musst du. Und wenn du es nicht schaffst, dann stirbst du eben. Das ist auch gar kein Problem, sie sagte nämlich, dass du ein Verräter bist. Und wenn Verräter versagen, müssen sie eh sterben. Also auch, wenn du mir keine Magie beibringst und Menschendämonenmagie will ich nicht lernen. Also. Und jetzt... wirst du dafür büßen, es versucht zu haben, mir beizubringen.' Nicht schon wieder.
 
~~~
 
Am nächsten Tag erhielt Zahirr von seiner Göttin den Befehl, für Dämonen Drachenmagie zu lernen und nutzbar zu machen.

Einordnung

 
Die kleine Sequenz findet im Jahr 65.312 AZT statt, womit auf Yenort gerade die dunkelsten Jahrtausende des Kriegs der Götter tobten. Zahirr, einstiger Engel und jetziger Kriegsdämon der Ardmenes, heutzutage bereits lange Adeszil, ist zu diesem Zeitpunkt erst vor einiger Zeit zum Szildar aufgestiegen - nachdem er den Beweis erbrachte, dass auch Dämonen der Ardmenes Magie beherrschen können, selbst wenn es nicht in ihnen angelegt ist, und Wege fand, ihnen Magienutzung effizient beizubringen. Worauf ihm die aktuelle Aufgabe übertragen wurde, Zerest, einem Mischling aus Dämon und Drache, Magie beizubringen.
   

Fußnoten

  1 120 Jahre, entspricht also einer jungen Frau mit 12 Jahren.
2 Zu diesem Zeitpunkt musste jeder Dämon der Ardmenes durch den kompletten dämonischen Zyklus, Kinder zwischen Dämonen der Ardmenes, die dann auch den "Rang" der Eltern erbten, wurden erst nach dem Krieg der Götter von Ardmenes ermöglicht.
3 Die "gute" Hand. Diener der Ardmenes/des Azmaer sehen die linke Hand und Seite als die gute Seite an.
4 Dis für hohe Stätte der Drachen, die Hauptstadt der Drachen und genau genommen die einzige Stadt in Ruzarem Lamniesan, dem Reich der Drachen.
5 Vor dem Verrat an ihr hatte Ardmenes zuletzt geborene, nicht geschaffene Engel als Diener und damit auch Kinder unter den Dienern.

Inhaltsverzeichnis
 

Kommentare

Author's Notes

Inspiriert durch den User Wettbewerb If I was a dragon von Moonlight Bard.  

Mid-Ember Challenge: "If I Was A Dragon..."
Generic article | Dec 21, 2024


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Jan 7, 2025 08:58

Ich verspüre ein gewisses Mitleid mit Zahirr. So einen widerspenstigen Drachenwelpen zu unterweisen, der sich gebärdet wie das verwöhnte Kind eines reichen Adeligen, ist echt kein Zuckerschlecken. Tolle Geschichte, toller Einblick in die Vergangenheit und das Verhältnis von Dämonen zu Drachen zu Menschen.

Have a look at my entries for:
A lot of unofficial Challenges
Jan 7, 2025 19:40 by Secere Laetes

Ach, Zerest hatte es auch schwer. Aber ja, das Mitleid hatte ich auch. Was soll's, er ist bisher immer dran gewachsen. Sehr bald gibt es sogar noch ein bisschen mehr dazu, ich liege zumindest gerade in den letzten Zügen des Artikels über die Qildis für Tyrdals Challenge. Danke jedenfalls, hat mich auch gefreut, mal wieder was zu Zahirr zu schreiben ^^.