Aberration

Arthurs Bewusstsein war nahezu vollständig aus seinem Körper verschwunden. Jeder Bruchteil seines Verstandes war darauf fokussiert seine Energien zu unterdrücken, um keinesfalls entdeckt zu werden. Beinahe wie im Wahn sammelte er jedes noch so kleine Bruchteil von Energie auf, welches seinem Körper zu entströmen drohte. Sein Fokus war derart allumfassend, dass er die Kontrolle über seine Finger verloren hatte und erfolglos versuchte einen der Bolzen aus dem Köcher zu ziehen. Seine Augen waren starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, unfähig zu blinzeln.

Ein schnappendes Geräusch erklang und eine Gestalt schob sich in die perephere Wahrnehmung des Jungen. Der Kiefer der Gestalt schaukelte sanft hin und her. Fetzen von beinahe transparentem und doch blutrotem Fleisch umfingen die Zähne. Ein kurzes Schnappen schleuderte den losen Unterkiefer gegen den noch festen Oberkiefer und sendeten ein Zittern durch den kargen Schädel, der sich neben Arthur in den Raum schob.

"V-V-Valia, meine Kleine, wo bist du? Wo versteckst du dich, Prinzessin? Dein Onkel ist hier. Wir müssen dri-dringend reden. Valia?". Jedes einzelne Wort wurde von gurgelnden und rasselnden Geräuschen durchbrochen, die eisige Schauer über Arthurs Rücken jagten. Der Junge unterdrückte ein Jaulen und presste eine Hand auf seinen Mund.

"Valia.", das Flüstern wuchs zu einem Kreischen an und die Präsenz von anschwellender Geistesenergie begann den Raum zu füllen, "WO BIST DU?"

Aberrationen sind eine Unterkategorie der Phantome, die wiederum eine Unterkategorie der Körperlosen bilden. Aberrationen sind jene Phantome, welche zu lange auf der Geistesebene verweilt haben und den degenerativen Prozessen erlegen sind.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Aberrationen entstehen als Konsequenz aus der Entstehung eines Phantoms. Im Gegensatz zu Geistwesen, welche durch willkürliche und abrupte Verdichtungen aus Geistesenergie entstehen, die sich auf der Geistesebene bilden, sind Phantome das Bewusstsein eines verstorbenen Wesen. Im Augenblick des Todes wird die Seele auf die Geistesebene gezerrt, verknüpft sich mit dem Geist und bildet somit ein Phantom.

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Dieses Phantom wird nur Augenblicke später von einem Sensenmann aufgesucht, welcher es mit sich nehmen und auf den Dämonenpfad, also ins Jenseits, bringen soll. Das Phantom kann sich jedoch weigern an dieser Reise teilzunehmen und auf der Geistesebene verweilen. Sensenmänner zwingen niemanden zu diesem Übergang und werden einfach verschwinden, wenn das Phantom nicht mit ihnen gehen will.

Die meisten Phantome gewinnen einen gewissen Abstand zu ihrem irdischen Leben und werden bereitwillig mitgehen, jene die allerdings von Reue verzehrt sind, entscheiden nicht selten den Weg ins Jenseits auszuschlagen. Das Verbleiben an diesem Ort bedeutet jedoch schwerwiegende Konsequenzen. Jedes Phantom unterliegt einem degenerativen Prozess, bei welchem zwar zusehends mehr Kontrolle über die Geistesenergie gewonnen werden - und somit auch Einfluss auf die irdische Welt - aber auch das eigene Bewusstsein zusehends durch die eigene Reue verzehrt und aufgelöst wird.

Meist ein schleichender Prozess, kann diese Entwicklung auch abrupt vonstatten gehen und das Phantom verwandelt sich in eine Aberration, einen bösen Geist sozusagen, der unerledigten Aufgaben, unerwiderten Gefühlen, verpassten Chancen und offenen Rechnungen hinterherjagt.

Eigenschaften

Alle Aberrationen sind verbunden durch ihre von Reue zerfressene Persönlichkeit. Die meisten von ihnen verfügen nur noch über rudimentäre Sprachfähigkeiten und besitzen keine wirkliche Sinneswahrnehmung abseits ihrer Fähigkeit Geistesenergie wahrzunehmen. Ausnahmen existieren natürlich auch hier und einige Aberrationen verfügen über exzellente Geruchs- oder Hörsinne. Die Fähigkeiten der Aberrationen unterscheiden sich zwischen allen Exemplaren und basieren zu großen Teilen auf ihren Fähigkeiten und Eigenschaften zu Lebzeiten. So steigern einige Aberrationen ihre Kontrolle im Umgang mit Lebensenergie selbst im Tod noch weiter und können zu großen Bedrohungen werden.

Grundsätzlich werden Aberrationen stärker, je länger sie bereits auf der Geistesebene verweilen, wobei sie gleichzeitig mit jedem Tag mehr ihrem Groll erliegen. Sie werden aggressiver und greifen alles an, was sich in ihren Einflussbereich begibt. Dieser Einflussbereich erlaubt eine grobe Unterteilung zwischen den verschiedenen Versionen, wobei Abweichungen, insbesondere bei mächtigen Vertretern nicht unrealistisch sind. Die meisten Aberrationen sind ortsgebunden. Sie sind an den Ort ihres Todes gebunden oder an den Ort an welchem der Quell ihrer Reue verborgen liegt.

Wieder eine Vertreter sind objektgebunden. Liegt ein besonderes Objekt im Quell ihrer Reue können sie sich an dieses Objekt binden und durch die Bewegung des Objekts kann auch ihr Einflussbereich sich verschieben. Gleichermaßen ist eine personenbezogene Aberration an eine Person gebunden und kann sich in dessen Einflussbereich aufhalten. Am seltensten sind jedoch ungebundene Aberrationen, also solche, welche derart viel Kontrolle über die Geistesenergie erlangt haben, dass sie sich von ihrem eigenen Einflussbereich lösen konnten.

Verhalten

Da Aberrationen aus Reue geboren werden, ist auch ihr Verhalten nicht selten von selbiger Reue getrieben, insbesondere in Verbindung mit der Art ihrer Bindung. Personengebundene Aberrationen sind dies zumeist aufgrund der Reue, die sie gegenüber dieser Person empfinden, wobei die Gründe dieser Reue ganz unterschiedlich sein können. Das Verhalten kann allerdings auch entsprechend vielseitig sein. Entstammt die Reue einer verschmähten Liebe, so wird die Aberration weiterhin die Anerkennung und Zuneigung dieser Person anstreben. Ist Zorn der Quell der Reue, so wird die Bestien Schaden an ihrem Ziel anrichten wollen.

In all diesen Unterscheidungen sei dennoch gesagt, dass alle Aberrationen aufgrund der degenerativen Prozesse einem gewaltigen Aggressionspotenzial unterworfen sind. So attackieren sie die Personen, die sie eigentlich lieben sollten. Sie verwunden jene, die die Objekte ihrer Reue in den Besitz nehmen und sie plagen die Orte ihrer Reue und stürzen sich auf jeden Eindringling.

Verbreitung

Aberrationen können überall auf Terria angetroffen werden. Insbesondere findet man sie jedoch in ländlichen Regionen, da die meisten Geister, welche größere Metropolen heimsuchen, frühzeitig von den Orakeln exorziert werden, noch bevor ihre degenerativen Prozesse ausufern. Weiterhin finden sich nicht wenige Aberrationen in ehemaligen Kriegsgebieten oder an den Schauplätzen großer gesellschaftlicher Verbrechen.

Katalog

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Herwalds

Der Name der Herwalds ist unweigerlich mit der Geschichte der Bestien auf Uras verknüpft. Der Gründer der Familie, Edmun Herwald, zog bereits während der stillen Zeit aus, um einen Glossar über sämtliche Bestien anzufertigen.

Edmun und die nachfolgenden Generationen der Herwalds waren jedoch die längste Zeit nicht energetisch begabt und somit auch nicht in der Lage Wesen wie Aberrationen zu studieren. Was solche Kreaturen betraf, holten sie daher regelmäßig Berichte von Orakeln ein, welche sie entweder auf ihren Reisen oder aber bei den Besuchen in Harmos trafen. Bis heute finden sich in den Lehrbüchern und Bestiarien, die die Herwalds angefertigt haben, Berichte dieser längst verstorbenen Orakel.

Nur wenige der Herwalds zogen selbst gegen Aberrationen zu Felde und somit fehlen diesen Aufzeichnungen nicht selten die detaillierten Berichte über Eigenschaften, Verhalten, Schwächen und Gegenmaßnahmen, um den Wesen Herr zu werden. Stattdessen schmücken die Sammlungen zumeist Berichte über das Aufeinandertreffen der Orakel und der Aberrationen, ihr energetisches Ringen gegeneinander oder Geschichten über das verlorene Leben der Kreaturen.

Nutzen

Aberrationen lösen sich bei ihrem Tod auf, wobei die übrige Geistesenergie freigesetzt wird und dabei gelegentlich zu Mutationen von Mineralien und Steinen um sich herum führen kann, wobei mächtige übernatürliche Substanzen entstehen. Abseits hiervon existiert jedoch kein wirklicher Nutzen für die Kreaturen. Einige Orakel allerdings können besondere Variationen der Exorzismen ausüben, bei welchen sie zwar die von Reue geplagte Seele ins Jenseits forcieren, dabei allerdings die Aberration selbst in sich aufnehmen und entweder als Diener verwenden oder aber dessen Geistesenergie auf sich selbst übertragen.


Cover image: by CSor96 via Midjourney

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