Walya
Es ist doch eine erschreckende Tatsache, dass niemand - niemand- sich dazu herabgelassen hat, mich vor der Taktlosigkeit und Unfreundlichkeit dieser Walyan zu warnen. Nein. Wirklich. Solche rauen Gestalten habe ich noch nicht einmal bei den nördlichen Stämmen angetroffen.Wenn die Stürme des Herbstes rote und gelbe Wogen aus Blättern über die Felder tragen oder die ersten Strahlen der Sonne im Frühling das Leben aus dem Winterschlaf rütteln, dann hat man seinen Weg nach Walya gefunden. Zwischen den Ausläufern des des Nordwaldes, wie man das große Waldgebiet oft nennt, liegen kleine Höfe und Dörfer abgeschieden und unauffindbar in der Landschaft verstreut. Wenig ist noch von der Pracht der walyanischen Architektonischen Wunder geblieben, die nun in abgelegenen Winkeln zu nichts weiter als Ruinen verfallen, seit sie ihren Nutzen verfüllt haben. Doch ebensowenig ist noch von der Offenheit der Walyan übrig, nachdem Kriege und Versklavungen in dem ehemals friedfertigen Land Einzug hielten. Mit seiner Lage am Übergang nach Isavin war Walya schon immer ein begehrtes und umstrittenes Land, dessen Bewohner unter Hunger, Verlusten und Entbehrungen litten.Die Reisen des Xarlin Bey'jheon
Geschichte
Noch bis vor zweihundert Jahren war Walya eine Kolonie Xrans. Denn nach den Kriegen, die über Ilnor in den Jahrtausenden zuvor gekommen waren, waren die weitgehend pazifistischen Einwohnern des Nordwaldes, den sie Jhe'ha nennen, nicht mehr bereit noch mehr Blut zu vergießen, nur um ihre Unabhängigkeit zu wahren. Die Waljal, die seit Urzeiten in den Wäldern und in Co-Existenz mit ihnen lebten, mussten sich jedoch bald eingestehen, dass kaum noch Platz für sie und ihre Kultur blieb, nun da hunderte von Xranianern ihre neuen Heime dort errichteten, wo einst die Dörfer der Waljal in den Bäumen schwebten. Doch da Flexibilität und Anpassungsfähigkeit nicht gerade zu den Stärken der Ureinwohner zählen und sich bald nach der Kolonialisierung Walyas Konflikte anbahnten, die man jedoch im Keim erstickte, beschloss der Kaiser Xrans, die Waljal teilweise zu versklaven oder aus ihrem Land auszuweisen. Protest ernteten diese Maßnahmen zwar aus Reihen der Vertriebenen, dennoch erhob niemand eine Hand, als man auch die letzten Heime der Waljal in Brand setzte. Es brauchte noch über zweihundert Jahre, ehe sich erste Aufstände unter den versklavten Waljal breit machten. Diese waren jedoch der Startschuss für mehrere Jahrzehnte eines Bürgerkrieges innerhalb Walyas, als dessen Sieger sich die Waljal hervortaten und der in der offiziellen Unabhängigkeit Walyas von Xran endete.In den vergangenen Jahren öffneten die Walyan zum ersten Mal seit langem wieder ihre Grenzen für Außenstehende, ein großer Schritt nach dem langjährigen Misstrauen zu anderen Staaten. Des weiteren halfen Soldaten Walyas als Friedenswahrer in Sued, Norantis und Vinterdalen, während der dortigen Kriege, um die Zivilbevölkerung zu schützen.
Geographie
Die meisten Flächen Walyas sind von Laubwald bedeckt. Das tiefe Unterholz wird nur hier und da von einem Weg, noch viel seltener von einer befestigten Straße oder gar einer Siedlung durchbrochen. Einzelne Gehöfte schmiegen sich an die freien Hänge der hügeligen Lichtungen und die Flanken der kleineren Bergketten. Der Norden Walyas wird die meiste Zeit des Jahres von Schnee bedeckt und liegt nahe an der Grenze der Eislande. Die Landschaft ist meist eben, das Gelände jedoch trotz des dichten Bewuchses meist undurchquerbar. Einzelne Flüsse und Seen liefern Süßwasser für die Bewohner verschiedenster Spezies.Landmarken
Ob für die Crews von Zeppelinen oder verirrte Wanderer bietet Walyas Landschaft einige Orientierungspunkte, die schon seit Urzeiten ihre fixen Plätze halten. Die Neun Türme sind eine Gebirgskette im Norden Walyas, deren neun höchste Gipfel zu den größten Bergen Ilnors zählen. Weit überragen sie die umliegenden Bäume und stellen alle anderen felsigen Hänge der Region in ihren Schatten. Zudem bilden die Neun Türme ein Wahrzeichen Walyas und finden sich auf dem Wappen der Nation sowie im Namen des obersten Rates wieder.Der Vis'êla, wie die Waljal die große Eiche in ihrer Sprache bezeichnen, hat schon Waldbrände und Fäll-Versuche überlebt und steht nun allein auf einer großen Lichtung nahe der östlichen Waldgrenze. Ein genaues Alter kann schlecht für diesen Baum festgelegt werden solange er noch steht, doch erste Erwähnungen des Vis'êla finden sich bereits in über tausend Jahre alten Dokumenten und Erzählungen der Walyan, in denen er als die Quelle des Lebens und die Drehachse der Welt dargestellt wird. Aus anderen Berichten lässt sich schließen, dass der Vis'êla ein Sprössling des Baumes von Cal'a Sed ist.
Rechtssystem
Der Rat der Neun
Neun große Städte befinden sich in Walya. Jede von ihnen entsendet alle vier Jahre am ersten Tag des Jahres ein Mitglied für den Rat der Neun, die oberste Gewalt des Landes. Sie entscheiden über Gesetze und schwer wiegende Verbrechen, vertreten Walya bei internationalen Zusammenkünften und gelten als das Oberhaupt ser gesamten Nation.Kultur
Sowohl die xranianische Kultur als auch die der Waljal haben starken Einfluss auf das kulturelle Erbe Walyas genohmmen.Sprachen und Dialekte
Nach der offiziellen Unabhängigkeit Walyas gelten sowohl das Doiteanische als auch das Walyanische als Nationalsprachen des Landes. Neben diesen wird auch Xrian in den Schulen gelehrt und in vielen Städten und Landstrichen gesprochen, was die vielen Xrania, die noch immer oft in Walya einkehren, als Ursache hat. Die Sprache der Waljal, der ursprünglichen Bewohner des Nordwaldes, hingegen gerät immer weiter in Vergessenheit und wird wegen des fehlenden Schriftsystems nur noch bruchstückhaft und mündlich an nachfolgende Generationen weitergegeben. Dennoch ist sie die Sprache, die noch immer starken Einfluss auf den Umgang miteinander in Walya hat. So finden beispielsweise die Begrüßungsworte "Loth'ykha" oder die Namen der meisten Städte und Siedlungen ihren Ursprung im Alt Walyan.Traditionelle Werte
Die Walyan haben eine recht eigene Vorstellung von Moral und starke Prinzipien. Man wird jene von ihnen, die sich dem Pazifismus verschrieben haben genauso wenig dazu bringen, Gewalt zu verüben, wie irgendeinen von ihnen gegen Vorschriften zu verstoßen, die für sie Sinn ergeben. Sollten jedoch Gesetze, Regeln und anderes in den Augen eines oder einer von ihnen unlogisch erscheinen, so wird man sie nur mit unglaublichen Mühen dazu bewegen können, sie einzuhalten. Zu den bedeutsamsten Tugenden zählen die Walyan Ehrlichkeit, Loyalität und Ehre. Zu lügen gilt als der beinahe größte Gesetzesverstoß, den man hier begehen kann. Schon von klein auf lernen die Kinder vollkommende Aufrichtigkeit. Fehler und Fehltritte sind hier nichts dramatisches, solange man für die eigenen geradesteht und die Schuld nicht auf andere schiebt. Treue zeigen die Walyan deutlich denen gegenüber, denen sie ihre Freundschaft schenken, denn diese ist ein heiliges Gut in der Kultur Walyas. Doch auch die Loyalität zu jedem anderen nimmt einen enorm wichtigen Platz im Herzen der Walyan ein. Verrat ist für sie eine Todsünde, die mit nichts beglichen werden kann. Schlimmer noch als jede Lüge, auch wenn Lügen durchaus als Verrat gelten können, was jedoch nicht zwangsweise der Fall ist, sind sich die Walyan einig, dass es keine mögliche Bestrafung für solch ein Verbrechen gibt, außer die ewige Einsamkeit sozialer Isolation, da kaum etwas bedeutsameres in ihrer Kultur existiert als der Kontakt zu anderen. Desweiteren leben die Walyan nach einem komplizierten und ungeschriebenen Kodex der Ehre. Neben Ehrlichkeit und Loyalität zählen nach diesem auch Gerechtigkeit, Ehre und Dankbarkeit zu den Tugenden der Walyan. Ehre ist hier ein Leben, bzw. eine Handlung, die dem Kodex der Ehre, Shîsakh genannt, folgt. Gerechtigkeit hält sich nicht an rechtliche Vorgaben sondern den allgemeinen Sinn von Moral und der Einhaltung der Tugenden. Dankbarkeit bezeichnet hier die Pflicht, Schulden zu begleichen, egal in welchem Zusammenhang und Gaben anderer zu akzeptieren und zu ehren.Seelenliebe
Eine wahrhaftige Freundschaft, wie sie es nennen, ist es, was sie alle anstreben. Eine Seelenliebe, wie man die Bezeichnung der Walyan grob übersetzen könnte, hat nichts mit einer romantischen Liebe gemein, zumindest nicht zwangsweise. Es ist eine Verbindung zwischen den Seelen, die weder Geschlechter noch bestimmte Normen kennt. Sie gilt in der Kultur der Walyan als die Grundlage des Lebens und der Existenz aller Sphären Ilnors.Familie
Die Familie ist der Ursprung des Lebens und die Quelle aller Emotionen, wenn man den Walyan Glauben schenkt. Sie ist jedoch nicht geknüpft an Blutsverwandtschaft und so zählen auch Freunde oder Verwandte angeheirateter Familienmitglieder als Teil davon. Vor allen anderen denken die Walyan an das Wohl ihrer Familie und der Verlust dieser gilt als Verlust des Selbst und eines Teils der eigenen Seele.Kunst
Da der Gesang die Quelle der Fähigkeiten der Waljal ist, nimmt er in der gesamten Kultur eine äußerst wichtige Position ein. Dabei geht es weder darum, Töne zu treffen oder mit lieblichem Stimmchen Liedchen zu trällern, sondern um das Zusammenkommen und die Zeit, die man einander schenkt. Doch nicht in Anwesenheit Fremder erheben die Walyan ihre Stimmen, denn dies ist der Familie vorbehalten. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Schmiedekunst und der Bogenbau in Walya. Schon früh lernten die Waljal mit Hitze und ihren Fertigkeiten Metalle nach ihren Wünschen zu formen. Der Umgang mit Holzen und Erzen wird ihnen oft in die Wiege gelegt, da diese die Grundlage für Walyas Wirtschaft sind. Klingen der Mitglieder der Gilde sind begehrte und gelobte Stücke, deren Klingen nie ihre Schärfe verlieren und deren Stahl eine blaue Farbe hat, die von der Magie herrührt, mit der sie geschaffen wurden. Auch Mechanik ist ein wichtiges Gebiet in Walya und wird hier als Kunstfertigkeit gewertet.Tikhadârth bezeichnet die Kunst der Klinge, also der Klingenführung.
Religion
Auch wenn Walya nicht gerade ein streng religiöses Land ist, so verehrt man doch die Mächte des scheinbar Übernatürlichen. Der Losgoreth, der Glaube an die Urgeister, längst nicht mehr so weit verbreitet, wie er es einst war. Zunehmend ersetzt die Verehrung der Schutzpatronen die Religion der Waljal, der mittlerweile das vollständige Verschwinden droht.Kleidung und Rüstungen
Die traditionelle Alltagskleidung der Walyan besteht aus Pumphosen und Tuniken mit dreiviertel Ärmeln und weiten Kapuzen. Diese werden durch ein kurzes Cape ergänzt, welches den schneidenden Wind abhalten soll. Um der Kälte des Winters zu widerstehen werden je nach Temperatur bis zu vier Unterschichten getragen. Die Hosen können auch knöchellangen Röcken weichen, wenn das Wetter es zu lässt. Auch Westen und kurze Jacken sind gern getragene Kleidungsstücke. Im Kampf oder auf der Jagt setzen die Walyan meist auf leichtes und dennoch robustes Leder, dass ihnen größtmögliche Bewegungsfreiheit bietet, meist in Form langer ärmelloser Westen unter denen die typischen Tuniken getragen werden. Dazu kommen Hosen mit ähnlichem Schnitt wie die der Alltagsbekleidung, die jedoch ab den Knien eng geschnürt werden können. Schmuck ist sehr beliebt ob in Form von Ketten, Ohrringen, Armbändern oder Ringen und besteht oft aus Naturmaterialien. Viele Walyan tragen zudem Ringe an Nasenflügel, Augenbraue oder dem oberen Teil ihrer Ohren.Etikette
Auch wenn den Walyan das Vorurteil ungehobelter Unhöflichkeit vorauseilt, so sind sie alles, nur nicht das. Tatsächlich haben sie eine strikte Etikette, was Umgangsformen und Höflichkeiten betrifft, diese weicht jedoch stark von dem ab, was in anderen Kulturen als freundlich angesehen wird. So ist es üblich, nicht in Anwesenheit von Fremden das Wort zu ergreifen, es sei denn, diese tun es zuerst, um ihre Privatsphäre nicht zu stören. Sollte dennoch ein Gespräch zu Stande kommen, sprudeln die Walyan geradezu über vor Fragen. Denn Fragen sind ein Zeichen des Interesses (und befriedigen nebenbei die unstillbare Neugier der Walyan), wobei kein Unterschied zwischen sozial akzeptabel und vollkommen tabu gemacht wird. Verabschiedungen werden nur dann gemacht, wenn der Abschied endgültig ist, ansonsten sind sie für die meisten Walyan vollkommen überflüssig. Begrüßungen sind das vollkommende Gegenteil. Kräftige Umarmungen sind das mindeste, was man zu erwarten hat, es sei denn, das Gegenüber kann einen nicht leiden. Dann ist ein fester Händedruck das höflichste, was man sich erhoffen kann.Offenes Zurschaustellen der eigenen Gefühle und der Beziehung zum Gegenüber ist in ihrer Kultur wichtig, um einen angemessenen Umgang zu führen, nur dass viele Außenstehende recht schnell damit überfordert sind, wenn zwei walyanische Personen gleich eine Prügellei vom Zaun brechen, weil es eine Unklarheit beim Kartenspiel gibt. Für die Walyan ist das jedoch eine angemessene Reaktion, wenn beide Fronten aufgebracht sind. Denn darüber, dass angestaute Emotionen nichts Gutes an sich haben, ist man sich hier einig. Man sollte sie jedoch auch nicht jedem auf die Nase binden.
Gastfreundschaft wird nur denen gewährt, die vertrauenswürdig wirken, was aus Sicht der eher Misstrauischen Bevölkerung eher selten der Fall ist. Dennoch verdienen alle Reisenden, die spät Abends an die Tür klopfen, ein warmes Plätzchen am Kamin und ein gutes Essen, wenn sie als Gegenleistung dafür am nächsten Tag das Holz hacken oder eine gute Geschichte zu erzählen wissen.
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