16. Ingerimm 1019
Am 16. Ingerimm 1019 ist die Gruppe der Gezeichneten im Begriff, sich aufzuteilen.
Sarya,
Malik und
Feralion ziehen von Beilunk nach Ysilia weiter, während Dschelef,
Jasper,
Faenwulf und der angeworbene Rondrigan gen Shamaham weiterziehen.
Sarya verabschiedet die Gruppe mit den Worten, dass sie sehe, dass die Gruppe seit Andalkan niedergeschlagen sei. Doch seit sie dem Orakel von Altaia ihre Fragen stellen konnten, sollten sie als Gezeichnete so entschlossen und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken wie es in den vergangenen Götterläufen nie möglich war. Immerhin hätten sie nun die Bestätigung, dass die Zeichen sich nicht schicksalhaft dem Bösen andienen, sondern sowohl für den guten als auch dem bösen Zweck eingesetzt werden könnten. Die Zeichen seien Diener der Schöpfung, nicht der Dämonen. Solange sich die Wege der Gezeichneten trennen, sollen sich die Reisenden diese Hoffnung vor Augen halten. Die Gruppe der Gezeichneten reagiert mit betretenem Schweigen und weicht
Saryas Blicken aus, bis
Malik spöttisch anmerkt, dass sich die Stimmung der Gruppe wirklich niemals aufheitere und dass es wohl kaum an ihm als jüngstem Zuwachs der Gemeinschaft sein könne, ihr eine Antwort zu geben. Daraufhin fühlt sich
Jasper genötigt, das Wort zu ergreifen und entgegnet
Sarya mit erschöpfter Stimme, sie solle auf sich aufpassen. Dschelef holt zum Abschied eine Karte hervor, die er in den vergangenen Götterlauf in mühseliger Kleinarbeit zusammengestellt hat und überreicht sie an
Sarya. Diese zeigt einen Teil der von den Gezeichneten bereisten Gebiete im nördlichen Mittelreich bis nach Festum und südlich bis Perricum, in die Dschelef die von ihnen identifizierten Kraftadern eingezeichnet hat. Vielleicht können sie
Sarya einen Hinweis darauf liefern, wie sich die Apokastasis äußern wird.
Schließlich wendet sich die Gruppe um Dschelef ostwärts und die Gezeichneten gehen getrennte Wege.
Jasper wendet sich an
Faenwulf und fragt sorgenvoll, ob
Sarya es wohl so ganz allein mit
Feralion und
Malik aushalten wird. Der alte Krieger schnaubt und entgegnet, dass werde sie schon machen. Er hoffe nur, dass sich
Feralion nicht allzu oft meldet. Das regt
Jasper zu der Frage an, wie es für
Sarya wohl sein muss, zwei weitere Stimmen in ihrem Innersten zu hören, zumal in jenen Momenten, in denen der Almadin und
Feralion zugleich mit ihr sprechen. Darauf wendet Dschelef ein, dass man wohl eher von drei Stimmen sprechen müsse, mit denen ihre Gnaden
Mornion zu ringen habe.
Faenwulf runzelt die Stirn, da er dem Gespräch nun nicht mehr folgen kann. Dschelef wendet sich ein wenig verschmitzt an den ebenfalls altersweisen Rondrigan und bittet ihn um seine Einschätzung: Stecke nicht in jedem Götterdiener immer auch eine Person abseits des heiligen Dienstes - eine Person, die Zweifel und Angst empfindet? Auch in
Sarya sei immer noch das Kind, das einst der Praioskirche überantwortet wurde. Rondrigan überlegt und stimmt zu, gibt jedoch aus seiner eigenen Erfahrung zu bedenken, dass es Lebensabschnitte gebe, in denen für ihn einmal die eine Seite und einmal die andere überwogen habe.
Jasper erzählt bedrückt, dass seit er ihre Gnaden
Mornion kennengelernt habe, diese "Sarya" immer weit aus ihrem Leben verbannt habe.
Faenwulf hört dem Gespräch mittlerweile nur noch schweigend zu.
Jasper gibt in die Stille hinein zu bedenken, dass jetzt, da sie ohne
Sarya reisen, er selbst der Dienstälteste in der
KGIA sei und sich somit bereiterklären würde, als Anführer des Trupps zu fungieren. Doch bevor er zu Ende sprechen kann, lacht Dschelef bereits herzhaft auf, klopft ihm auf die Schulter und sagt, er erinnere sich noch gut, wie er selbst in seiner Jugend so ein Heißsporn gewesen sei. Damit setzt sich Dschelef an die Spitze der kleinen Gruppe.
Durchnässt macht die Gruppe am Abend etwas abseits des Weges in einer kleinen, nicht bewirteten Barracke für Handelsreisende halt. Insbesondere Dschelef wärmt seine schmerzenden Gelenke am Feuer und bittet darum, sich früh zur Ruhe legen zu dürfen, um am nächsten Tag wieder Kraft zu haben, Elementare Diener für die schnellere Weiterreise rufen zu können.
Jasper bietet darauf an, die erste Wache zu übernehmen und anschließend
Faenwulf zu wecken. Dschelef könne dann nach Rondrigan die letzte Wache der Nacht übernehmen. Dabei fällt ihm auf, dass sein Atem Mitten im Ingerimm als kleine Nebelwolke gefriert. Die Gruppe sinniert über den plötzlichen Kälteeinbruch und
Jasper und Rondrigan beklagen, dass die tobrische Weinernte so wohl dahingehen wird. Dschelef, der die süßen Tulamidenwein und
Faenwulf, der das bittere Thorwalerbier bevorzugt, grämen sich darüber allerdings sichtlich weniger als die beiden Mittelreicher.
17. Ingerimm 1019
Als es an Deschelef ist, die Umgebung im Auge zu behalten, bemerkt er aus der Ferne etwas herannahen. In der Dunkelheit kann er jedoch nicht ausmachen, worum es sich dabei handelt. Hastig weckt er seine Gefährten auf, die kurz darauf eine schwarze Kutsche in einem irrsinnigen Tempo an ihrem Unterschlupf vorüberrasen sehen. Gefrorener Nebel entsteigt den heftig arbeitenden Nüstern der beiden Pferde, die die Kutsche voranziehen. Das schlohweiße Haar des Kutscher zieht im Wind, während sich die Kutsche bereits wieder entfernt. Dschelef bemerkt entgeistert, dass es bei dieser Kutsche nicht mit rechten Dingen zugehen könne, während Rondrigan beschwichtigt, dass es sich dabei um eine Ferrara aus Gareth handele, bei der zwei Pferde die Geschwindigkeit von vier Pferden aufbauen könnten.
Faenwulf treibt die anderen an, sich die Kutsche in jedem Fall vorzuknöpfen, worauf Dschelef hastig Elementare Diener der Luft ruft, die die Gefährten der Kutsche nachtragen. Dabei wird deutlich, welch übermenschliche Geschwindigkeit die Kutsche aufgebaut hat.
Jasper gelingt es für einen kurzen Augenblick, bis auf die Höhe des Kutschers aufzuschließen und einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen - dieser kommt ihm seltsam vertraut vor, auch wenn er nicht ausmachen kann, woher - als dieser ihm einen magischen Stoß versetzt und er samt dem Elementaren Diener beinahe gegen einen Baum rast, der ihn von den Beinen wirft und ihn mehr als unsanft in einem Moos- und Farndickicht aufschlagen lässt. Daraufhin dreht der Elementare Diener mit Dschelef ab, um nach dem verletzten
Jasper zu sehen; auch wenn sich kurz darauf herausstellt, dass dieser glimpflich und nur mit ein paar Blutergüssen davongekommen ist. Als
Faenwulf voller Zorn seine Axt in die Seitenwand der Kutsche jagen will, trifft ihn ein eisiger Strahl ins Gesicht. Während er selbst damit ringt, die Augen wieder zu öffnen, müht sich der geschwächte Elementare Diener damit ab, den schweren Thorwaler auf den Fersen der Kutsche zu halten. Rondrigan, nun auf sich allein gestellt, überredet den kleinen Geist, ihn näher an die Kutsche zu tragen, wo er seinen Seitdolch in die Speichen der Kutsche rammt. Doch das Holz der Kutsche verhält sich wie Granit. Anstatt zu brechen, reist die Felge den Dolch fort und schleudert ihn in die Ferne. Im nächsten Augenblick taucht prallt Rondrigan auf eine unsichtbare, magische Mauer, die auch ihn zu Boden schleudert. Die Kutsche rast davon.
Dschelef und
Jasper eilen den angeschlagenen Gefährten zur Seite. Außer einigen beißenden Erfrierungen an den Wangen, die
Faenwulf davongetragen hat, scheint es der Gruppe gut genug zu ergehen, dass Dschelef dazu drängt, jetzt nicht nachzugeben. Sie müssten die Kutsche ja nicht aufhalten, nur verlangsamen und man könne sie vielleicht mit ihren eigenen Waffen schlagen. So greift Dschelef dann auch auf den Notfallvorrat der Gruppe zu und trinkt einen der Astraltränke, um einen ihm vertrauten Erzdschinn zu rufen.
Jasper erklärt sich bereit, sein Amulett von Kadil Okharim zu verwenden, um die Kutsche durch eine lange Feuerschneise zu jagen, wenn der Erzdschinn eine Mauer hinter ihm errichtet, die den Zusammenprall verzögert. So ruft Dschelef den Dschinn und einen Elementaren Diener der Luft. Während der eine sich die Straße entlang hinter der Kutsche her gräbt, hebt der Elementar
Jasper kurzerhand über die Bäume in die Lüfte, um die Kutsche in gerader Linie einzuholen. Während seine Gefährten hinter ihm zurückfallen, spürt
Jasper die widerstrebenden Elemente, als diese für einen kurzen Augenblick vor der Kutsche aufeinanderprallen. Der Dschinn verformt sich, stemmt den Unterleib in den Boden und bildet eine eiserne Mauer inmitten der Straße, während der Luftdiener
Jasper aufgeregt taumelnd hinter der Mauer absetzt. Mit einer einzigen Bewegung umschließt
Jasper das Amulett, spürt die Hitze an seinem Hals und unter seinen Füßen auflodern und vernimmt das Wiehern der Pferde, das sogleich in ein widerliches Knacken und Bersten übergeht, als er die Geste des Transversalis vollendet und sich mit den Gedanken, er wolle nur weg, fort, in den Wald, in diesem wiederfindet. Von hier aus eilt er nun ostwärts der aufgehenden Sonne entgegen, wo ihn spätestens in Shamaham die Gefährten einholen sollten.
19. Ingerimm 1019
Tatsächlich treffen die Gefährten erst in Shamaham erneut aufeinander. Wie es scheint, haben sie ihr Ziel noch vor der schwarzen Kutsche erreicht, der auch die zurückgefallenen Gefährten ausgewichen sind. Allerdings ist es schon später Abend als sie zusammenfinden und so beschließen sie, in die lokale Schenke einzukehren und sich dort bei den Ortsansässigen über die Zerstörung des Rondratempels vor über zwanzig Götterläufen zu erkundigen, ehe sie in den frühen Morgenstunden selbst den Tempel aufsuchen würden. Das 500-Seelen-Dorf Shamaham ist durch den Handel mit dem von den Amazonen auf Burg Kurkum hergestellten Safran zu Wohlstand gelangt und so verdingen sich auch einige Tagelöhner und -löhnerinnen in dem Städtlein, die das Färbe- und Genussmittel für die Verladung vorbereiten. Allerdings macht
Jasper schnell die Erfahrung, dass die Anwohner hier, wie in Weiden, Fremde misstrauisch beäugen und dazu noch, anders als in Weiden, auch Geschichten und Erzählungen nicht besonders schätzen. Insbesondere über den Rondratempel wird nicht gern gesprochen und darauf verwiesen, dass die Gruppe sich diesen doch selbst ansehen könne. Die ganzen Ammenmärchen, die sich um den Tempel spannen, seien dem Handel ohnehin eher abträglich als zuträglich, Segen der Göttin hin oder her. Jüngere Burschen erzählen meist, dass der Tempel bei einem Unfall entflammt sei und die Geweihten abgezogen seien, während ältere betonen, dass sie mit dem Vorfall nichts zu tun gehabt hätten. Wie genau sich der Unfall zugetragen habe, darüber kann niemand so richtig Auskunft geben und so weichen die Geschichten grob voneinander ab.
20. Ingerimm 1019
Vor dem Morgengrauen machen sich die vier Reisenden zum Rondratempel im Dorf auf. Dort treffen sie jedoch auf keine Geistergestalten und auch sonst gibt die Tempelruine wenig Auskunft darüber, was hier vor mehr als 20 Götterläufen vorgefallen ist. Als schließlich nach längerer Untersuchung der Brandmale und wenig neuer Erkenntnis die Sonne aufgeht, beschließt die Gruppe, es erneut bei den Anwohnern zu versuchen. Doch der Widerstand der Anwohner wird immer augenscheinlicher. Vor allem
Faenwulf ist sichtlich genervt von dieser eigenbrötlerischen Gesinnung, lässt sich jedoch von seinen drei Gefährten zunächst zu Geduld ermahnen. Als sie sich das zweite Mal etwas ratlos vor dem Rondratempel einfinden, geht Rondrigans Blick plötzlich in die Ferne. Auch Dschelef kann in weiter Entfernung ein Donnergrollen hören, obwohl sich noch keine Gewitterwolke am Horizont zeigt. Er legt Rondrigan eine Hand auf die Schulter und fragt: "Was ist mit dir, Freund?" als Rondrigan ihn erstaunt anblickt und antwortet: "Das war der Ruf zu den Waffen. Das Schwert der Schwerter hat den Kriegszustand ausgerufen."
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