Mit dem Verbot hochprofiliger Künstlicher Intelligenz nach dem
'BlueSky-Kataklysmus' in Jump 153 befand sich die KI-Industrie und speziell die Robotik in einer Schockstarre. Mit der baldigen Gewissheit, dass das beschlossene Verbot kein kurzfristiges Moratorium würde, sondern auf unbestimmte Zeit Bestand haben würde, wurden neue Wege gesucht, die Aufgaben, der sich die KI-Industrie angenommen hatte, zu erfüllen - ohne die Auflagen zu einem Ereignishorizont mit kataklysmischen Ausmaßen zu verletzen. Ein Ergebnis dieser Diaspora neuer Ansätze war das Forschungsfeld der Mimesis - und die Entwicklung von Me-CoReS.
Mimesis
Die Auflagen des 'Dæmon'-
Vollzugs #7139f7 sahen vor, keinerlei Algorithmen mehr zu entwickeln, die eine regressionsfreie Verselbstständigung von Lernprozessen implizierten. Dies beschränkte Machine-Learning-Algorithmen auf streng lineare Lernsteigerungen anstelle exponentieller, wodurch praktisch keine entwickelbare Maschine den Anforderungen der KI-Industrie gerecht worden wäre. Der Vollzug schrieb allerdings keine Grenzen für die eigentliche Komplexität eines Algorithmus' vor - und so entstand die Idee, anstelle eines selbstlernenden Verhaltenssystems ein derart breit aufgestelltes, komplexes Verhaltenssystem zu generieren, dass es auch statisch und mit linearem Lernvermögen anspruchsvolle, dynamische Aufgaben würde bearbeiten können. Besonders in der Rekreation von humanem Verhalten - beispielsweise zwecks der Herstellung
autarker, humanoider Roboter - zeigte dieser Ansatz schnell Früchte und trug zu Schaffung des Forschungsfelds der Mimesis bei.
Mimesis ist das Vermögen, mittels einer Geste eine Wirkung zu erzielen - nach dem Prinzip der
poetischen - das heißt schöpferischen - Nachahmung. Diese Forschungsdisziplin sucht also danach, Verhaltensmuster von Humana nachzuahmen, aber ohne diese sinnentleert nachzuäffen oder zu imitieren, sondern sie stattdessen auf einen verwandten, sinnvollen Anwendungsbereich zu beziehen. Bezogen auf Robotik bedeutet dies, ein abgeschautes Verhaltensmuster durch einen Roboter auf eine dynamische Situation anzuwenden - wenn einem Roboter also beigebracht wurde, wie sich ein Humana auf einen Stuhl setzt, würde dieser durch dieselben Verhaltensmuster auf eine Bank, einen Stein oder einen Baumstamm setzen können (wenn ihm zudem eingegeben wurde, wie Menschen nach Balance suchend mit den Armen rudern, könnte er sich womöglich auf auf dem leicht anderen Untergrund sitzend halten...).
Durch die Implementierung dieses mimetischen Prinzips schufen Forscher extrem komplexe Verhaltenssysteme, die so viele Nuancen und Anwendungsfälle humanen Verhaltens - von einfachen Bewegungen und Posen bis zu Sprachgebrauch, Gestik, Mimik und unterschwellige Micro-Motions - enthielten, dass Roboter, die mit ihnen ausgestattet waren, kaum von echten Humana unterschieden werden konnten - und all das ganz ohne herkömmliche Künstliche Intelligenz. Diese gigantischen Verhaltenssysteme wurden "Mimetic Complex-Responsive Systems" genannt - oder kurz Me-CoReS.
Kritiker sehen in Me-CoReR lediglich besonders komplizierte Puppen, in denen kein Funke "echten Lebens" auffindbar sei. Doch die Wirkung von Robotern mit der scheinbaren Intelligenz eines für ihre Aufgabe spezialisierten Me-CoReS auf seine Umgebung ist nicht von der Hand zu weisen. Und die Aufgaben, die sie heute schon erledigen, könnten den Horizont einer Zukunft umspannen, die wesentlich ungefählicher und kontrollierbarer ist, als sie mit unkontrollierter Künstlicher Intelligenz wäre.
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