Morgens über den Wolken Prose in Kjeru | World Anvil

Morgens über den Wolken

Die Reise hatte lange genug gedauert, dass er dem Schiffsjungen nichts mehr sagen musste: Keith bekam auch so seinen morgendlichen Kaffee hingestellt. Schwarz, kein Zucker und kein Sirup. Er sah sich auf Deck um und glaubte zu spüren, dass einige der anderen Passagiere genauso gespannt auf ihr Ziel waren wie er. Durkonia-Stadt. Das Zentrum des Wissens. Die Wüsten-Metropole der Technologie. Aber vor allem einer der wenigen Orte, an dem Magie nicht verboten war, sondern sogar unterrichtet wurde.
"Mooorgn."
Ssena war selten schon so früh wach. Sie blinzelte mit verkniffenem Gesicht gegen das Tageslicht an.
"Guten Morgen. Na, bist du doch auch ein wenig aufgeregt?", begrüßte Keith sie.
"Hä? Neee. Aber die in der Kabine über unserer. Das hat gereicht."
"Chhhh!"
Ssena hatte nach Keiths Kaffeetasse gegriffen, zuckte nun aber zurück. Keith suchte Blickkontakt mit dem Küchenjungen, einem penibel gescheitelter rothaarigen Menschen von vielleicht 18 Jahren, und zeigte erst auf seine Tasse - die er jetzt fest in der anderen Hand hielt - und dann auf Ssena, die halb auf dem dünnen, blechernen Tisch des engen Essenssaales lag. Der Junge grinste und nickte verstehend.
"Ssssssss!", drohte Ssena halbherzig zurück, wobei ihre schmale, gespaltene Zunge zwischen ihren spitzen Zähnen erschien.
Keith sah sie mitleidig lächelnd an. "Wärst du nicht so offensichtlich noch müde, könnte das echt einschüchternd wirken. Magst du es nochmal probieren?"
"Ach leckt mich doch alle." Ssena ließ ihren Kopf wieder auf ihre Arme fallen, die sie seit ihrer Ankunft nicht vom Tisch erhoben hatte.
"Einen wunderschönen guten Morgen!" Der Küchenjunge stand neben ihnen und auf seinem Serviertablett - das gleiche dünne Blech wie der Tisch - die größten Tasse, die Keith bisher an Bord gesehen hatte. Er bemerkte Keiths etwas neidischen Blick und meinte mit einem entschuldigenden Lächeln: "Ich erkenne einen Notfall, wenn ich ihn sehe." Er stellte die Tasse ab und wandte sich zum gehen.
"Danke-" sagte Keith ihm halblaut hinterher.
"Hehe, wer ist die Lieblingspassagierin der Crew?" gurrte Ssena, deren Freude an Wortgefechten offenbar langsam mit ihr Bewusstsein erlangte.
Keith antwortete nichts, grinste sie aber an, als sie es wie jeden morgen schaffte, sich beim ersten Schluck den Mund zu verbrennen.
Sie fluchte leise und streckte ihm den Mittelfinger entgegen.

Keith gab Ssena ein paar Minuten Zeit, wach zu werden. Erst als sie eine halbwegs aufrechte Haltung angenommen hatte und ihr Pott Kaffee fast leer war, sprach er sie wieder an.
"Also - wir landen in Durkonia, verlassen das Schiff und suchen nach dieser Taverne, die wie ein Luftschiff aussieht, richtig?"
"Joa, wahrscheinlich müssen wir uns erst mit ein paar Wachen rumschlagen nach der Landung. Die stellen einem immer ein paar dumme Fragen und wenn du Pech hast, wollen sie deine Taschen durchsuchen. Machen sie zumindest bei mir jedes Mal."
Keith runzelte verwundert die Brauen - oder eher die geschuppten Wülste über seinen Augen. "Wieso das? Hattest du schonmal Probleme mit denen?"
"Vor ein paar Jahren ist aufgeflogen, dass ein paar reisende Unterhalter Drogen in die Stadt geschmuggelt haben. Seitdem hat man beim Einreisen als Bardin nur Ärger. Aber dafür kriegst du da auch mehr Geld als an den meisten anderen Orten. Außer du kannst nix. Dann nicht."
"Okay. Schiff verlassen, mit Wachen rumschlagen, zur Taverne "Rum und Ähre"?"
"Genau. Und die Taverne sieht nicht wie ein Luftschiff aus, es ist ein Luftschiff. Stillgelegt, aber angeblich noch lufttüchtig."
"Ah. Okay? Und du bist sicher, dass das auch noch da ist? Du hattest gemeint, du warst über ein Jahr lang weg."
"Ist noch da. Hab denen nen Brief geschickt und nachgefragt. Ich freu mich auf den Laden." Ssena machte eine Pause, bevor sie sich verschwörerisch vorlehnte: "Und du fragst echt nicht, ob ich Drogen geschmuggelt habe?"


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