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Sun, Feb 4th 2024 03:04   Edited on Thu, Mar 21st 2024 06:00

Der kleine Skorpion

Etwa zu der Zeit als Theomer das Skriptorium betritt, kommt T’Sai in Gregorians Salon. “Setzt dich und greif zu.”: fordert sie Gregorian noch kauend auf. Er sitzt an einem gedeckten Tisch und läßt sich ein üppiges Frühstück schmecken. Er läßt der Ostin Zeit sich zu bedienen, bevor er zur Sache kommt. “Gestern Abend war der Waffenmeister wegen Julia bei mir. Das was er mir gesagt hat, war mehr als nur etwas überraschend. Nicht das ich sein Urteil anzweifle, aber ich möchte gern wissen, was du davon hältst. Also um es kurz zu machen, er ist begeistert von unserer Julia. Er sagt, sie wäre seiner besten Schülerin, er hat sie sogar seinen kleinen Skorpion genannt. Ein Lob in diesem Ausmaß aus seinem Munde habe ich noch nie gehört, seit dem er bei uns ist. Er ist der Meinung, daß sie eine geborene Assassine ist, wandlungsfähig, begierig zu lernen, tückisch, intelligent, verschlagen, geduldig und ohne Skrupel. Er hat mir vorgeschlagen, sie zur Spionin und Meuchlerin auszubilden und er ist überzeugt, daß kaum jemand so geeignet ist dafür, wie sie. Ihre ganze Ausbildung soll auf dieses Ziel ausgerichtet werden, nicht nur ihr Kampftraining.   Ich habe nicht abgelehnt und ihm gesagt, daß ich darüber nachdenken werde. Ich sehe dabei aber ein großes Problem, nun es sind im Prinzip zwei Probleme, die zusammenhängen. Wenn wir ihre Ausbildung ganz darauf ausrichten, sie zur Meuchlerin zu machen, dann nimmt zwangsläufig das Training ihrer Gabe nur mehr den zweiten Rang ein und falls sich unsere Hoffnungen im Bezug auf die Fähigkeiten ihrer vereinten Blutlinien auch nur zum Teil erfüllen, wäre es völliger Irrsinn, sie den Risiken eines solchen Einsatzes auszusetzen. Sie wäre von unschätzbarem Wert für die Aufzucht und damit für unsere Zukunft. Ich muß aber auch sagen, daß es wenig Anzeichen in dieser Hinsicht gibt. Rolon hat mir zwar bestätigt, daß sie sich jetzt nicht mehr sperrt, aber ihre Fortschritte bei der Entwicklung ihrer Gabe, auch im besten Fall, sind bisher nur gering. Du kennst sie am besten von uns. Was siehst du die Sache?” Gregorian lehnt sich zurück und sieht T’Sai fragend an.  
Sun, Feb 4th 2024 03:53   Edited on Sun, Feb 4th 2024 07:07

Dankend setzt sich T’Sai, schenkt sich Tee ein und bedient sich an dem vorzüglichen Honiggebäck. Aufmerksam hört sie Gregorian zu und überlegt eine Weile, bevor sie ihm antwortet. “Du hast gesehen, wie sehr sie sich in der letzten Zeit zu ihrem Vorteil verändert hat, wie sie dir Parole geboten hat, als du sie mit ihrem Verhalten Rolon gegenüber konfrontiert hast. Sie ist selbstbewußter, stärker geworden und das ist zum allergrößten Teil dem Waffenmeister zu verdanken. Sie arbeitet hart, bis zur Erschöpfung, nimmt alle Bürden ohne Klagen auf sich und du weißt, daß der Waffenmeister keine Zurückhaltung kennt, wenn es um die Ausbildung geht. Ich habe sie beim Waffentraining beobachtet und ich war überrascht über ihre Schnelligkeit, Gewandtheit und ihre Technik. Sie hat in dieser kurzen Zeit enorm viel gelernt, das gibt ihr Selbstvertrauen und sie verehrt ihren Lehrer. Er fordert sie bis an ihre Grenzen, aber er zollt ihr Anerkennung für ihre Fortschritte. Er gibt ihr das Gefühl, etwas wert zu sein. Ich glaube, sie würde für ihn durchs Feuer gehen und das heißt viel, bei ihrem Charakter. In gewissen Sinne ist er Morgenrot für sie.”   Sie tropft noch etwas Honig in ihren Tee. “Vielleicht irre ich mich, aber ich kann mir Julia nicht als Mutter vorstellen. Ich glaube nicht, daß sie sich damit abfinden wird, Kinder groß zu ziehen, auch wenn es noch so wichtig für uns ist. Sie ist durch und durch Egoistin, ohne allzu viel Gefühle aufzubringen. Wie gesagt, vielleicht tue ich ihr Unrecht und sie verbirgt ihre Gefühlswelt nur gut vor uns, aber so wirkt sie als Frau auf mich. Das solltest du vor einer Entscheidung auf jeden Fall mit in deine Überlegungen einbeziehen. Ich habe dank des Waffenmeisters keinen oder kaum mehr Zweifel über ihre Loyalität. Meiner Meinung nach hast du zwei Möglichkeiten. Eine wäre ihr Training, ohne es ihr zu sagen, mehr auf die Ausbildung zur Meuchlerin auszurichten und mit der endgültigen Entscheidung noch zu warten bis wir uns über das Ausmaß ihrer Gabe im Klaren sind. Die andere Möglichkeit wäre ihr reinen Wein einzuschenken und ihre Meinung dazu zu hören. An deiner Stelle würde ich ohne viel zurückzuhalten, mit ihr reden. Nicht nur daß es sehr aufschlußreich wäre, es würde ihr auch das Gefühl geben, nicht nur ein Rädchen in einem unüberschaubaren Räderwerk, sondern ein Teil des Ganzen zu sein und daß wir ihr vertrauen. Davon hätten wir wahrscheinlich mehr, als von dem ewigen Versteckspiel.”  
Sat, Feb 10th 2024 09:56

Nachdenklich streicht sich Gregorian über den Bart und schweigt eine ganze Weile, dann nickt er. “Mutter muß sie ja nicht spielen, wenn sie nicht will. Es genügt, wenn sie uns Nachwuchs schenkt. Um die Kinder kümmern wir uns schon. Wir müssen ihr ohnehin irgendwann bis zu einem gewissen Ausmaß reinen Wein einschenken. Ich verlasse mich auf deine Einschätzung und werde mit ihr reden. Aber ich möchte, daß du dabei bist.”: sagt er schließlich. “Heute Abend kann ich nicht, ich habe das Essen mit der Coveani-Schlampe.”: seufzt er. “Ich hoffe nur das es im Rahmen bleibt und ich nicht auch noch mit ihr unter die Decke schlüpfen muß. Ich habe mir überlegt ihr die Collane zu schenken, die ich den Ratten abgekauft habe. Für uns hat sie kaum Wert, aber bei ihrer Leidenschaft für alle Coveani-Relikte sollte uns die Collane einiges an Wohlwollen einbringen. Aber zurück zu Julia. Morgen Abend sollte es passen. Richtest du es ihr bitte aus? Ich bin am Überlegen, ob ich nicht auch noch den Waffenmeister zu diesem Gespräch bitten sollte. Schließlich ist er ihr größter Fürsprecher und der Mann, der sie ausbilden soll. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es unserer Sache förderlich ist.“  
Sat, Feb 10th 2024 10:48   Edited on Sat, Feb 10th 2024 11:41

“Männer!”: sagt T’Sai abschätzig und schüttelt mißbilligend den Kopf. “Würdest du mir vorschlagen meine Kinder einfach so mir nichts dir nichts wegzulegen, dann würde ich dir die Augen auskratzen und dich anschließen langsam erwürgen. Schlag dir das aus dem Kopf. Das kannst du keiner Frau sagen, auch Julia nicht!” Doch schon nach wenigen Herzschlägen zeigt T’Sai wieder ihr bezaberndes Lächeln. “Gut, ich sage es ihr. Aber ich schlage vor, du machst eine kleine Zermonie daraus. Kerzenschein, feierliche Worte, einen Schwur, so etwas in der Art. Sie soll das Gefühl bekommen, daß sie einen wichtigen, einschneidenden Schritt tut, der ihr Leben für immer verändert. Erst dann würde ich sie einweihen und ihr unsere Ziele offenbaren. Wenn ihr schließlich das ganze Ausmaß unseres Vertrauens bewußt wird, dann würde ich sie fragen.” Sie schenkt sich noch etwas Tee nach. “Jetzt tu nicht so! Diese Alessandrina ist doch dein Typ! Auch wenn sie ein reiner Mensch ist, so groß wird das Opfer schon nicht sein , daß du bringen mußt, wenn sie bestiegen werden will.” Aus ihrem Lächeln ist ein anzügliches Grinsen geworden. “Aber wenn du Sorge hast, daß sie als Menschenfrau nachteilige Auswirkungen auf deine Männlichkeit haben könnte, dann nimm mich einfach mit zu ihr. Ich habe gehört, daß sie auch Frauen nicht verschmäht und ich würde schon dafür sorgen, daß sie in jedem Fall auf ihre Kosten kommt.”  
Sat, Feb 17th 2024 04:52

Leise lacht Gregorian auf. “Ich werde es ihr vorschlagen sobald sich die Gelegenheit ergibt. Euch beide im Bett will ich um alles Silber Pelorns nicht verpassen.” Doch dann weicht das Grinsen wieder einer nachdenklicheren Mine. “Eine offizielle Aufnahme? Ja, das ist eine gute Idee. Ist eine Weile her, daß wir eine Zeremonie abgehalten haben, aber im Falle Julias erscheint es mir angebracht. Du, der Waffenmeister, Rolon, Levena, Asta und ich sollten ausreichen. Kannst du bitte veranlassen, daß der kleine Saal entsprechend her gerichtet wird und alle Teilnehmer verständigen, daß die Zermonie in dritte Abendstunde abgehalten wird.” Gregorian erhebt sich. “Asta sage ich es selbst, ich habe jetzt eine Besprechung mit ihr.”: seufzt er. “Sie liegt mir wieder einmal wegen der Ausgaben in den Ohren. Bis bald.” Er hebt noch die Hand zum Gruß und geht dann nach Unten.    
Wed, Feb 21st 2024 10:42   Edited on Wed, Feb 21st 2024 10:49

Für eine ganze Weile bleibt T’Sai noch sitzen, denkt nach und trinkt noch einen Tee. Ihre Gedanken kreisen um Julia. Sie ist sich immer noch nicht sicher, ob sie ein eiskaltes Biest ist, daß jedem vorspielt, was er oder sie zu sehen wünscht, oder ob es nur der Schutzwall ist, den sie um sich aufgerichtet hat. Es wäre ein Leichtes es herauszufinden, doch im Moment will sie nicht mit ihr ins Bett gehen, obwohl sie nichts dagegen hätte. Julia sieht von Tag zu Tag besser aus und ist sicherlich zärtlich und verschmust. Aber dieses Ass will sie noch im Ärmel behalten. Wer weiß wofür es noch gut war? Sie leert ihre Tasse und macht sich auf den Weg. Nachdem sie bis auf den Waffenmeister alle Teilnehmer der morgen stattfindenden Zeremonie benachrichtigt hat, macht sie sich auf den Weg zum Trainingssaal, indem außer Julia noch zwei Angehörige Morgenrots im waffenlosen Kampf trainieren. Sie stört nicht, sieht Julia eine ganze Weile zu und ist wieder überrascht über Geschmeidigkeit, Körperbeherrschung und Schnelligkeit. T’Sai gibt dem Waffenmeister ein Zeichen, der darauf das Training unterbricht. Julia bedeutet sie zu warten, dann spricht sie kurz mit dem Waffenmeister, der sich sichtlich zu freuen scheint. Sie gibt Julia einen Kuß auf die Wange. “Ich halte dich nicht lange auf. Ich will dir nur sagen, daß morgen dein großer Tag ist. Rian hat beschlossen, dir morgen Abend den Eid abzuverlangen, dich damit offiziell in unsere Reihen aufzunehmen und dich einzuweihen.” Sie lächelt. “Damit wirst dann auch offiziell mein Schwesterchen!”: haucht sie und küßt sie überraschend auf den Mund. Nur kurz, aber etwas länger und ein wenig inniger als ein rein schwesterlicher Kuß. Ohne Julia auch nur einen Augenblick zu geben sich zu fangen, sagt sie schnell. “Du, ich muß schon wieder. Wir sehen uns.” Sie geht davon, dreht sich noch einmal kurz um und zwinkert Julia zu und hat Mühe sich das Lachen zu verbeißen.