BUILD YOUR OWN WORLD Like what you see? Become the Master of your own Universe!
Mon, Feb 20th 2023 08:45   Edited on Wed, Nov 8th 2023 10:03

Die Kettenhunde der Mehras

Es ist das höchste und größte Gebäude im Osten der Stadt, von weither sichtbar. Welchen Zweck der Komplex einst diente, ist heute nicht mehr bekannt. Das Kasernenartige Bauwerk besetzt einen gesamten Straßenzug und sein Hinterhaus verfügt über einen ausgezeichneten Ausblick über den Olifern und seiner Verkehrswege. Als das Haus Imeria dieses Gebiet für sich beanspruchte und somit seine Gladiatorenspiele und Kampftraditionen in diesen Teil Pelorns brachte, wurde der riesige Innenhof zu einer Arena umfunktioniert. Seither hat sich die Mehras zum Brennpunkt der Halb und Unterwelt Pelorns entwickelt, der Markt für jede Art von Ausschweifungen, Glücksspiel, Prostitution und Hehlerei. Die vielen Räume des Komplexes wurden diesen Zwecken untergeordnet und je höher man steigt, desto exklusiver seine Verwendung. Die Arena besitzt keine Tribünen, da der Sandplatz niemals Teil der Planung seiner alten Baumeister gewesen ist, jedoch wird dem Treiben der Kämpfe von den Geländern zum Innenhof beigewohnt und bietet mehreren hundert Zuschauern Platz. Mehras Untergeschosse sind die Zuchtstätte der furchterregenden Blut und Kettenhunde Imerias, allein darauf abgerichtet Menschen zu töten und zu kämpfen, die größten und bösartigsten von ihnen dienen dem Haus als Kriegs und Wachhunde. Je tiefer man steigt, desto unheilvoller wird die Verwendung jener Kerkerräume, von denen nur vage Andeutungen berichten. Tief ins Erdreich bohren sich Wendeltreppen und verbinden die Mehras mit der uralten Kanalisation Pelorns und von Imeria gegrabenen Schmugglertunneln in den Westen der Stadt.   Obwohl das rot-schwarze Schlangenbanner über den Dächern des Gebäudes weht, verkehren hier auch Bandenmitglieder und Verbrecher aus anderen Teilen der Stadt, um Geschäfte mit ihresgleichen zu suchen, selbst uniformierte Thornhoff Mannschaften werden an den Toren nicht abgewiesen, man gestattet ihnen den Rausch und die verbotenen Vergnügungen dieses Ortes, sie steht jedem offen, der seinen Arkh der schwarzen Schlange entrichtet. Deshalb ist sie neben dem Knochenhain das am besten bewachte Gebäude des Hauses. Die Mehras ist für seine Besucher sicher und der reibungslose Ablauf aller Geschäfte maßgebend für Imeria, und doch haben alle Ereignisse hier, Auswirkungen außerhalb der Tore dieses Ortes.   Noch schlafen die Huren in ihren Zimmern, die Kettenhunde in ihren Käfigen und die Kessel der Drogenküchen und Brennereien sind kalt, als Lua Einlass erbittet. Ein Seitentor neben dem großen Eingang öffnet sich, ein großer Mann tritt heraus. Seine Rüstung aus Leder, kein einfacher Schläger, ein Krieger des Hauses Imeria. Muskulöse Arme, tätowiert in den Schuppenmustern der Schlangen. Auf seiner Brust ein geöffnetes Schlangenmaul, das sich in den Hals verbeißt. Viele dieser Männer hat sie auf ihrem Weg hierher gesehen, Arme bedeckt wie von Schlangenhaut. Hier ist Imeria Ordnungsmacht. Kein Herumlungern, Gegröle oder spielende Kinder. Jeder versucht sich so klein wie möglich zu machen, um nicht die Aufmerksamkeit der Wachen mit ihren grässlichen Hunden zu erregen, die nur darauf warten losgelassen zu werden. Die Banner wehen… Schwarze Schlangen auf einem blutenden Hintergrund.   Der Mann kommt langsam näher, einen Prügel in seiner angespannten Faust. Seine Stimme rau von Alkohol und zu viel Rauch.   „Was willst du, Hure…“
Tue, Feb 21st 2023 08:05

Ein freundlicher Empfang sieht anders aus. Nicht, dass Lua einen solchen erwartet hätte. Es scheint ihr auch nicht viel auszumachen, Hure genannt zu werden. Nein, nicht dass es ihr gefällt. Aber in einer Stadt wie Pelorn sind die meisten in einem gleich: Nach oben hangeln und nach unten treten. Und es ist nun einmal, wie es ist - Lua ist in der unbarmherzigen Hierarchie der Stadt nun einmal ganz unten. Um ehrlich zu sein, wäre eine Arbeit als Hure für sie bereits ein Fortschritt, denn eine Hure braucht sich, wenn sie nicht ganz und gar hässlich erscheint, keine großen Sorgen um das tägliche Brot zu haben. Nicht so wie sie, die von den Gelegenheitsarbeiten am Arsenal abhängt, oder meist sogar von den Fischhütten dahinter. Eines ist sicher: würde der Wachmann nun mit seinem Prügel ausholen und sie hier an Ort und Stelle tot schlagen, niemand würde sich einen Deut um sie scheren, niemand würde auch nur im Traum daran denken, ihr zu Hilfe zu kommen. Und ihr Kadaver würde auf der Straße liegen bleiben, bis jemandem der Gestank des verwesenden Fleisches zu stark werden würde und sie wohl in den Olifern werfen würde.   Lua senkt ihren Kopf vor der Wache, deutet eine Verbeugung an. Nein, sie hält den Mann nicht für einen Offizier, doch ist es niemals gut, einem Imeria-Soldaten einfach so in die Augen zu schauen, so zu tun, als würde man sich auf der selben Ebene wie er befinden. Jedes kleine Kind bekommt das eingebläut. Und wer das nicht kapiert, naja, der landet eben als stinkende Leiche im Olifern. "Sieben Arkh der Schwarzen Schlange im Knochenhain," grüßt sie den Soldaten in unterwürfigem Tonfall. Bewusst wählt sie die lange Form des Grußes. "Verzeiht die Störung, doch Kuv schickt mich. Er schickt mich zu dem ehrenwerten Margral. Margral hätte Arbeit für mich."   Sie bleibt nun vor ihm stehen, den Blick irgendwo in der nähe der Stiefelspitzen des Soldaten belassend, äußerlich wohl ruhig, innerlich jedoch angespannt wie ein Flitzebogen. Wird sie, wenn die Sonne den Höhepunkt erreicht, wohl eine gemachte Frau sein, oder etwa Futter für die Ratten?
Sun, Feb 26th 2023 08:32   Edited on Sun, Feb 26th 2023 09:24

Als hätte die Erwähnung des Namens seines Meisters ihn aus einem Nebel gerissen, ihn an seine Aufgabe erinnert, den Zweck seines Hierseins, nicht nur als Wachposten, sondern vielmehr seine Existenz auf dieser Welt. Die Faust, die den Prügel hält, entspannt sich, den Drang sie totzuschlagen unterdrückend nähert er sich ihr langsam. Einen halben Schritt von ihr entfernt, bleibt er stehen, betrachtet sie, in seinen Augen spiegelt sich Hinterhältigkeit und Lust. Das ungewaschene Gesicht lächelt falsch, als er sich zu ihr herabbeugt. Wie ein Hund beginnt er an ihr zu schnüffeln, an ihren Haaren, ihrem Oberkörper und ihrem Hals. Er tut das, ohne sie dabei mit den Händen zu berühren, doch der harte Knüppel in seinen Händen schiebt sich zwischen ihre Beine, sein Atem ist abscheulich. Eine Zeitlang blickt er ihr in die Augen, ohne etwas zu sagen, dann nähert er sich ihrem Ohr, seine raue Zunge leckt über ihre Wange bis sein Mund sein Ziel erreicht hat und flüstert: „Die schwarze Schlange gestattet es…“   Er packt sie an der rechten Schulter, zerrt sie durch das Seitentor, schiebt sie vor sich her, mit seinem Prügel in ihrem Rücken. „Nefri!“, brüllt er noch während sie gehen. Einen dunklen Gang entlang ohne Lichtquellen, nur am Ende des Ganges erkennt sie Tageslicht, sie stampfen an einer Wachstube vorbei, Veskah Rauch und bewaffnete Männer mit Schlangentätowierungen, bösartig und gelangweilt, sie bleibt in Bewegung und das ist ihr Glück, denn Langweile züchtet Begierde. Ihre schnellen Schritte hallen an den feuchten Wänden wider.   Das Licht blendet sie für einen Moment als sie den langen Innenhof erreichen, den das Haus Imeria die Mehras nennt. Eine Arena, deren Meister, Margral ist. Zu ihrer linken türmen sich die Stockwerke auf, von hier unten fühlt sie sich klein und eingesperrt, wie in einem viel zu großen Freiluftkerker. Der ausgestreute Sand ist frisch gekehrt, doch noch immer liegt der metallische Geruch von vergossenem Blut in der Luft, Luft die feucht ist, geschwängert von sanftem Blütenduft der Huren und dem Geruch von Exkrementen stinkender Eingeweide, der durch die Öffnungen der Kerkerräume dringt.   Die offene Bauform zwingt das Licht in einem gewissen Winkel einzufallen. Es ist schön anzusehen, bemerkt Lua, das Licht legt sich über einen Teil der Arena und ihres Sandes, berührt ihren linken Arm und spendet ihr Wärme, es ist kalt hier, ein Moment des Friedens und der Stille…   „Nefri!“, brüllt der Wachposten, sein Prügel hämmert auf eine Tür zu ihrer rechten. Irgendwo unter ihr beginnen Hunde zu bellen in einer Grausamkeit, welche sie erschaudern lässt, noch nie hatte sie etwas Vergleichbares bei Tieren vernommen, es folgt das Geschrei verärgerter Ordnungsrufe ihrer Meister. Ohne ihr weitere Beachtung zu schenken oder ein Wort zu verlieren, verschwindet der Mann, welcher sie hier hergebracht hatte wieder, sie hört seine widerhallenden Schritte im Gang hinter ihr, bis eine Tür zugeworfen wird, dann ist sie allein. Sie versucht zu lauschen, aber nichts ist zu hören, weder hinter der Tür zu ihrer rechten, dem Gang oder dem großen Gebäude selbst.   Dann öffnet sich die Tür mit einem lauten knarren, eine mollige Frau tritt heraus, sie betrachtet Lua für einen Augenblick und wirft dann einen verärgerten Blick den Gang entlang, von welchen sie gekommen ist. Ihre Hände stemmen sich in die Hüften. Sie ist kleiner als Lua, vielleicht einen Kopf kürzer, ihr Blick ist stechend, jetzt hat sie ihre volle Aufmerksamkeit.   „Wenn Margral der Meister des Sandes ist, dann bin ich die Meisterin der Zimmer und Fenster, die auf ihn herabschauen, der Burgvogt, die Dame des Hauses, der Majordomus. Mein Name ist genauso wie ihn dieser schwanzlose Bastard gerufen hat und irgendwann, das schwöre ich dir, schneide ich ihm seine Eier ab und hänge sie mir um den Hals, wo sie verdorren wie herabgefallenes Obst. Hast du das gehört, Jalbard!“, ruft sie in den langen, dunklen Gang.   „Nun zu dir. Ich kenne alle Gesichter der Mehras, besonders jene meiner Mädchen. Dich habe ich hier noch nie gesehen. Wer bist du und was willst du, die Kurzfassung, mein Tagewerk hat begonnen."
Sun, Feb 26th 2023 11:03

Lua hebt ihren Blick nicht, als die Wache näher kommt. Regungslos verharrt sie, ein überaus hübsches Mädel, schlank, mit schönem Gesicht, dunklen langen Haaren. Diese sind noch ziemlich nass, die Kleidung hingegen nur mehr feucht, klebt noch immer an ihren Schultern, und doch trocken genug, um sich am Bauch wieder gelöst zu haben, die Hose wohl an den Ober- jedoch nicht mehr an den Unterschenkeln. Auf ihrem Hals glänzt es nass von dem Wasser, das aus ihrem Haar sickert. Lua schließt die Augen, als die Nase des Mannes ihr so nahe kommt. Das Bad in dem oberen Teil des Olifern, dort, wo die Hinterlassenschaften der Bewohner Pelorns den Fluss noch nicht in eine stinkende Brühe verwandelt haben, führt dazu, dass nur ihr sanfter Eigengeruch zu vernehmen ist, ohne die so häufige Beigabe von Schweiß und anderen unbequemen Geruchsnoten. Die geschlossenen Augen jedoch führen dazu, dass der Stock recht unerwartet in ihrem Intimbereich auftaucht. Instinktiv will sie den Kopf heben, vermeidet dies aber tunlichst. Ein kleines Zucken, ein kaum merkliches Anspannen der Nackenmuskulatur, für einen kurzen Augenblick, ein aufrichten der feinen Härchen im Nacken, dies ist die gesamte Reaktion auf den Knüppel zwischen ihren Oberschenkeln. Schließlich öffnet sie doch die Augen, schaut ihn von unten herauf an, trifft genau auf seinen trüben Blick aus Alkohol-geröteten Augen. Die ihrigen sind tiefdunkel, zeugen von einiger Energie. Erst als seine Zunge über ihre Wange streift, hebt sich der Kopf nun doch, dafür schließen sich ihre Augen wieder, eben bis der Mund sein eigentliches Ziel gefunden hat. Seine Worte führen wohl zu einiger Entspannung in der nur äußerlich ruhigen jungen Frau, eine Entspannung die trotz allen schauspielerischen Bemühens nun doch merkbar ist.   Die unsanfte Einladung zum Eintreten nimmt sie wortlos hin, drückt einzig mit der Schulter gegen seine Hand, damit er ihren Oberkörper nicht herumdrehen kann und eben mit der Hand abrutscht. Da spürt sie den Prügel auch schon in ihrem Rücken. Wohl ist dies keineswegs angenehm, doch ist das Schmerzempfinden wohl bei keinem der ärmeren Bevölkerung so ausgeprägt, als würde jemand deswegen auch nur mit einer Wimper zucken.   Es geht nun durch den finsteren Gang. Kühl ist es hier, hat es die eben aufgehende Sonne noch nicht geschafft, die Kälte der vergangenen Tage aus dem Gemäuer zu vertreiben. Und doch ist es nicht deshalb, weswegen Lua nun doch eine Gänsehaut kriegt. Vielmehr ist es die immer klarer werdende Gewissheit, dass ein Entrinnen ein Ding der Unmöglichkeit sein muss, sollte sich ihre Lage doch in fataler Weise verschlechtern. Ist sie zu gutgläubig gewesen dem Mann auf dem Tempelberg gegenüber? Hat sie sich doch in ihm getäuscht, ist sein Wohlwollen nur vorgetäuscht gewesen? Hat er sich einige Filis verdient, um sie in dieses Loch zu lotsen, wo einige Imeria-Soldaten etwaige sadistische Phantasien an ihr ausleben mögen? Es geht immer weiter durch den Raum, an der Wachstube vorüber, wohl einige lüsterne Blicke erntend, doch ist sie zu schnell vorüber, als dass irgendjemand zu einer Aktion fähig gewesen wäre. Sie hört das Hallen der festen Stiefel der Wache hinter sich. Sie selbst mach kaum ein Geräusch, barfuß wie sie ist. Das rhythmische Knallen der eisenbeschlagenen Lederstiefel auf dem Steinboden scheint ihr wie das Schlagen der Trommel auf dem Weg zur Hinrichtungsbank.   Das Licht des Innenhofes hat sie wohl schon von Weitem gesehen, und doch trifft sie es unbarmherzig, als sie den Gang verlassen. Kurz schließt sie die Augen, schaut sich wohl um, ohne die Schönheit richtig wahrzunehmen. Und doch bessert sich ihr Gemüt unvermittelt. Welch Effekt Sonnenlicht doch immer wieder auf das menschliche Gemüt hat! Sie vernimmt wohl den Geruch von Blut, von Exkrementen, von Parfum, doch ist jede dieser Noten doch allgegenwärtig in dieser Stadt und mag diese Wendung von heimlicher Todesangst zu doch optimistischer Erwartung keineswegs. Das Hundegebell mag sie wohl erstaunen, doch auch dies scheint ihr nun weit entfernt, und besonders durch die sofort erklingenden Rufe sicher nicht für sie bestimmt.   Plötzlich ist der Mann weg. Sie reibt sich mit dem Handrücken die Stelle in ihrem Kreuz an der der Stecken die ganze Zeit gescheuert hat. Sie sieht sich nun genauer um, und nun erst wird ihr der Effekt dieses Hofes bewusst. Was hier wohl vor sich gehen wird? Jeder kennt zwar dieses Gebäude von außen, doch die wenigstens sind schon einmal hier gewesen. Und noch viel weniger haben es geschafft, dieses Gebäude auch lebend wieder zu verlassen. Und so senkt man eben den Blick, wenn man an diesem Haus vorüber geht, um ja nicht den Wachen aufzufallen. Man stellt keine Fragen, denn auch Neugierde könnte auffallen. Schlicht und einfach, man tut alles, um eben nicht hierherzukommen. Und Lua ist nun ganz und gar freiwillig hier.   Das Knarren der Tür reißt sie aus ihren Gedanken, sie schaut zu der Tür. Die Erscheinung der dicklichen, eher kleinen Frau überrascht Lua, ihr Mund zuckt schon zu einem Lächeln, dann erst bemerkt sie den stechenden, durchdringenden Blick. Flugs geht ihr Blick wieder zu Boden, beugt sich ihr Oberkörper leicht nach vorne, verharrt abermals regungslos, wenn sie die recht bildliche Ausdrucksweise der Frau auch mehr belustigt als erschreckt.   "7 Arkh, ehrenwerte Nefri," beginnt sie nun denn auch mit der Kurzfassung des Grußes, um dann ihren bereits vor dem Tor angebrachten Spruch zu wiederholen: "Kuv schickt mich. Er schickt mich zu dem ehrenwerten Margral. Er hätte Arbeit für mich."   Sie verharrt dann in dieser leicht gebeugten Haltung, auf eine Antwort wartend.
Fri, Mar 3rd 2023 05:53   Edited on Fri, Mar 3rd 2023 06:28

Nefri betrachtet sie eine Weile, dann deutet sie Lua ihr in das Zimmer zu folgen. Ein einfaches Zimmer, schmal und langgezogen, wie eine Pfeifenschachtel an dessen Ende sich ein großes Fenster ohne Vorhänge befindet, mit Blick zur Straße. Die Farben der Erde dominieren den Raum, in seinen vielen Schattierungen, der angenehme Duft von Holz, als wäre irgendwo frisch gehobelt worden liegt in der Luft. Nichts, das auf Luxus schließen lässt, erkennt man hier, aber der Raum ist sauber und trocken, Regale aufgeräumt, Arbeitsutensilien ordentlich platziert, die Laken ihres Betts, gespannt über eine feste Matratze, weiß und ohne Falten. Ein kleiner Opfertisch steht nahe der Eingangstür, an der Schlangenkrone deutlich zu erkennen die hölzerne Figur Achums, der Gott des Hauses Imeria, inmitten von abgebrannten Kerzen.   „Nimm Platz…“ sie bietet Lua einen Stuhl am Haupttisch an, während sie selbst einen der Wandschränke öffnet und etwas aus einer Kanne in einen Becher schöpft. Den Becher stellt sie vor Lua auf den Tisch, es ist frische Milch: „Eine der Vorzüge der Mehras, wir haben unser eigenes Vieh.“   Nefri nimmt gegenüber von ihr Platz, der Tisch zwischen den beiden Frauen. Wie das Zimmer ist auch sie gekleidet, einfach und sauber, in den Farben der Erde. Ausladende Brüste und breite Hüften spannen ihr Kleid, Falten um ihren Mund und ihrer Stirn zeugen von herzhaftem Lachen, aber auch von strengen Blicken, ihr Gesicht ist rötlich und rund, ein grauer Haaransatz wechselt in einen warmen Braunton.   „Kuv schickt dich also, ein Mann von besserer Güte, aber einfältig wie alle Männer, wenn es um junge Dinger wie dich geht. Es ist nichts Ehrenwertes an Margral und du hast gut daran getan, die Abkürzung zu mir zu nehmen. Fraglich, ob der alte Sack noch seinen Schwanz hochkriegt, aber er liebt es stundenlang an jungen Ritzen zu schnüffeln und zu schmatzen, junge Ritzen wie du sie hast. Margral ist für die Kämpfer und die Arena zuständig, mir obliegt der mit wirklicher Arbeit verbundene Rest. Und nach Arbeit suchst du, hm?“   Noch einmal mustert Nefri, Lua ungeniert. Ihr feisten Arme legen sich auf den Tisch, stützen ihren Körper, während sie sich vorbeugt: „An dir ist nicht viel dran, aber du bist hübsch. Ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere bezahlen würde, um von deiner Jugend zu kosten, aber im Moment habe ich genug Huren. Die Arenakämpfe beginnen bald wieder und werden 3 Monate andauern, ich brauche Schankknechte, welche die hohen Damen und Herren und auch das Geschmeiß bedienen. Aber letzten Endes ist es dir überlassen, für Knechte und Huren gibt es immer Platz.“ Unter den Falten ihres Halses, halb verborgen, ist die Tätowierung einer Rose, umwunden von einer Schlange und ein Dreizack in ihre Haut eingebracht.   „Ich zahle dir 3 Filis für jeden Tag, was du darüber hinaus von den Männern zugesteckt bekommst, ist dein Arkh. Zahltag ist jeder Siebte. Du bekommst ein Zimmer für dich allein und 2 Mahlzeiten. Das ist mehr als ich erwarten konnte in deinem Alter. Zu meiner Zeit wurden wir zusammengepfercht wie Vieh und mussten für unser Essen auf der Straße kämpfen, aber seitdem Imeria herrscht, kehrt Fortschritt ein und viele Dinge wenden sich zum Besseren. Die Mehras bietet uns Frauen Schutz und Zuflucht, auf ihre Zeichen können wir uns auf der Straße berufen, es gibt Heiler für uns, einen Ort wo wir uns jederzeit waschen können, ohne befürchten zu müssen überwältigt zu werden. Die schwarze Schlange hat es den Männern verboten uns anzufassen, weil Wachmannschaften des Hauses hier einquartiert sind, gibt es für uns ab und an sogar Fleisch, keine Ratten, richtiges Fleisch.“ In den Augen Nefris glüht Begeisterung, in ihrer Stimme schwingt Ehrfurcht, wenn sie von der schwarzen Schlange spricht, sie benötigt einen Augenblick, um wieder in ihren geschäftsmäßigen Ton überzugehen.   „Des Nachts bedienst du die Gäste, am Tag säuberst du die Gänge und Zimmer der Mehras. Als Hure verdienst du mehr, beschreitest du aber einmal diesen Weg, bestimmen Schwänze dein ganzes Leben. Als Knecht bindest du dich an die Mehras für 3 Monate, danach sehen wir weiter. Wie entscheidest du dich?“
Fri, Mar 3rd 2023 07:54

Lua folgt der Frau in das Zimmer. Verstohlen gehen ihre Augen auf die Reise durch das Zimmer. Ja, es ist einfach eingerichtet, doch für das arme Mädchen aus den Außenbezirken strotzt es geradezu von Luxus. Weißes Linnen auf einem richtigen Bett! Was für ein Unterschied zu ihrem Heuhaufen, den sie mit ihren Geschwistern teilt, mit der einen, fleckigen, löchrigen Decke, die für alle herhalten muss! Würde sie in Kürze auch so wohnen können, zusammen mit ihren Geschwistern? Sie setzt sich leise auf den ihr angebotenen Stuhl, sitzt ganz vorne, am Rand darauf, als hätte sie Angst, ihr Allerwertester könnte dem Möbel Schaden zufügen. Die Frau geht zu dem Wandschrank, und stellt ihr Milch vor die Nase, Milch, dieses in den Außenbezirken so exotische Getränk! Man findet wohl Früchte, man findet Gemüse, man findet Kartoffeln, vielleicht sogar einmal ein kleines, verlassenes Getreidefeld. Man findet Ratten, und wenn man ganz viel Glück hat, einen verendeten Hund. Kühe stehen in den Außenbezirken nicht herum, darauf wartend, von einem der armen Schlucker gemolken zu werden. Ehrfürchtig riecht Lua an dem Becher. Ihr Blick beginnt zu strahlen, sie schaut nun Nefri plötzlich gerade in die Augen, begeistert, fröhlich, dankbar.   "Vielen Dank!" sagt sie leise, und ein Tauber, dem man die Ohren abgeschnitten hat, hätte die Aufrichtigkeit dieses einfachen Dankes hören können. Sie setzt den Becher an die Lippen, kostet zaghaft. Setzt ab. Eine ganze Weile bleibt die Milch im Mund, dann erst schluckt sie sie hinunter, schließt genüsslich die Augen. Die Spuren, die die Milch an der Oberlippe hinterlassen hat, vergisst sie wegzuwischen. Dann hört sie einfach nur stumm und aufmerksam zu. Schließlich sinkt sie in sich zusammen. Ihr Blick geht auf die Tischkante vor sich, sie sitzt da, stumm, und doch merkt man, dass irgendetwas von dem, das Nefri gesagt hat, sie unheimlich betrübt. Schließlich schließt sie die Augen, einige Augenblicke lang, seufzt und beginnt doch zu sprechen.   "Ich bedanke mich außerordentlich für Eure Güte," sagt sie dann leise, mit zitternder Stimme. "Es wäre eine große Ehre für mich, Eure Gäste zu bewirten, die Zimmer der Mehras zu putzen. Wenn mir gestern jemand gesagt hätte, ich würde heute so ein Angebot kriegen, ich hätte es nicht geglaubt. Also bitte, haltet mich nicht für undankbar, haltet mich nicht für gierig. Aber ich habe fünf Geschwister, für die ich sorgen muss. Ich selbst brauche kein Geld, wenn ich hier schlafen und essen kann. Aber sie, sie müssen doch irgendwo etwas herkriegen, und sie können nicht sieben Tage ohne Essen auskommen, bis ich zum ersten Mal mein Geld bekomme."   Sie sieht Nefri nun wieder an, und es glänzt feucht in den Augen. "Hättet Ihr denn Verwendung für sie? Lonya und Laraya sind 12 und 10, sie können Euch auf jedem Fall zur Hand gehen, beim Kochen, beim Putzen. Rondur, Harkas und Arcus sind zwar erst 8, 7 und 6, aber sie können den Hof fegen, sie könnten Geschirr abspülen, kleinere Besorgungen machen. Sie müssen auch nichts verdienen, sie könnten bei mir im Zimmer schlafen, nur um eine Mahlzeit. Es sind liebe Kinder, sie sind fleißig, sie brauchen nicht viel. Besonders Arcus ist ein sehr kluger Junge, er könnte es zum Schreiber bringen, wenn er nur einen Lehrer hätte. So gerne würde ich für Euch arbeiten, wirklich, das müsst Ihr mir glauben, aber, Ihr müsst doch verstehen, ich kann sie doch nicht so einfach ihrem Schicksal überlassen. Ich bitte Euch, für die erste Woche, bis ich meinen ersten Lohn bekomme. Dann verfügt über mich, wie immer Ihr es wollt. Ich wäre Euch auf ewig zu Dank verpflichtet..."   Sie schaut sie nun flehend an, noch immer mit glänzenden Augen, mit verzweifeltem Gesichtsausdruck, sich an einem Strohhalm klammernd.
Mon, Mar 6th 2023 07:34   Edited on Mon, Mar 6th 2023 10:02

Nefri klopft auf den Tisch.   „Die Schwarze Schlange gestattet es. Du wirst feststellen, du bist nicht das erste Mädchen mit Kindern in der Mehras. Selbst bei vollem Betrieb haben wir es bisher nicht geschafft, allen Zimmern eine Verwendung zu geben. Es ist Platz, auch für deine Kinder. Die großen werden beim Sandschaufeln den Männern zur Hand gehen, die kleinen werden bei Tage in der Küche und im Haus aushelfen, auch sie müssen ihren Arkh erhalten, so wie es die schwarze Schlange bestimmt hat. 2 Filis für die Großen, 1 Filis für die kleinen, jeden siebten, pro Kopf. Das Zimmer, welches du erhältst, wird groß genug für dich und deine Familie sein - sollte dein kleinster tatsächlich besondere Begabungen besitzen, werden wir uns seiner Annehmen und ihn ausbilden. Rondur und Harkas sind Kriegernamen, sie sollen zum Hause Imeria gehören und das Kämpfen erlernen.“   Nefri erhebt sich und geht auf Lua zu, sie greift nach ihrer Wange und tätschelt sie. Ihre Hand ist rau, fleischig, angenehm warm, sie riecht nach frischer Erde. „Ich weiß nicht, welchen Weg die Götter für dich bestimmt haben. Aber sie sehen dich jetzt. Mit dem Brandzeichen für dich und deine Kinder beginnt dein Vertrag, jeder wird wissen zu welchem Haus du gehörst und für wen du arbeitest, auf dieser Seite des Flusses bedeutet das Schutz und Sicherheit. Es gibt Regeln für dich zu lernen und Gesetze, die du zu beachten hast, sobald du das Brandzeichen der Schlange trägst, verändert sich dein Leben, aber noch hast du keine Tätowierung.“ Sie tätschelt Lua noch einmal und bewegt sich dann auf die Tür zu, öffnet sie einen Spalt.   „Hier in der Mehras achten wir Frauen aufeinander und dem, was uns gehört, das ist mein Versprechen. Arbeite hart und ehrlich und es wird dir nicht schlecht ergehen, sie mich an. Von der Straße zum Majordomus, und kein Schwanz in mir, dem ich es nicht gestattet hätte, in mir zu sein. Wir sehen uns morgen, wenn du es wünscht.“   Die Türe öffnet sich mit einem lauten knarren. „Ich weiß, die muss geölt werden. 7 Arkh der schwarzen Schlange im Knochenhain…“, verabschiedet sich Nefri von Lua und deutet ihr das Zimmer zu verlassen.
Tue, Mar 7th 2023 11:26

Stumm hört Lua zu. Bei jedem Wort werden ihre Augen größer, bei jedem Wort fällt ihr die Kindlade ein kleines Stückchen weiter herunter. Was sie hört, muss schließlich auch wie ein Traum auf das arme Mädchen wirken. Bisher hat sie sich und ihre Geschwister mit 5 Filis - an guten Tagen - durchgeschlagen. Die Aussicht, nun plötzlich insgesamt 10 Filis am Tag zu verdienen, dazu noch ein ordentliches Zimmer und zwei Mahlzeiten am Tag, am Ende auch noch ein paar Filis obendrein als Trinkgeld, dafür hätte Lua ihre rechte Hand gegeben. Und nun, ja nun scheint es plötzlich Realität zu werden, in einem doch sehr respektablen Beruf. Sie hört schließlich wohl, als Nefri von Verträgen spricht, von Schutz, von Regeln und Gesetzen, aber ihr Verstand ist da bereits ganz irgendwo anders. Und als Nefri dann von Positionen irgendwelcher Schwänze berichtet, da ist es um Lua bereits geschehen. Der Glanz in den Augen wird immer stärker, schließlich rinnen die Tränen über ihre Wangen. Sie sieht Nefri gerade in die Augen, wenn auch Kuv ihr gesagt hat, sie solle doch bitte unterwürfig erscheinen. Es ist ein geradezu liebevoller Blick, getrübt freilich durch die Tränen. Schwer hebt und senkt sich ihr Brustkorb, klar sichtbar. Sie ist komplett außerstande, auch nur ein Wort als Antwort herauszubringen. Schließlich geht die Frau zu der Türe, öffnet sie, lädt Lua zum Gehen ein. Doch da ist es um Lua längst geschehen. Sie stürzt auf Nefri zu, hart knallen ihre Knie auf die Bretter vor ihren Zehenspitzen. Schon ist ihr Gesicht an ihren Schuhen, sie küsst diese drei, vier, vielleicht fünf Mal, lässt sich dann auf die Fersen zurückfallen und schaut die kleine, dickliche Frau von unten herauf an.   "Ich danke Euch," sagt sie dann, "danke, danke, danke!"   Noch einmal küsst sie die Schuhe der Majordoma, dann steht sie wieder auf. "Ich komme morgen wieder, ganz bestimmt, mit meinen Geschwistern. Ihr werdet es nicht bereuen, es sind liebe, fleißige Kinder! 7 Arkh der schwarzen Schlange im Knochenhain!"   Endlich befolgt sie die stumme Anweisung ihrer wohl künftigen Chefin und verlässt den Raum. Wieder im Innenhof angelangt, bleibt sie erst einmal stehen. Sie blickt gen Himmel, atmet tief durch. Es dauert eine kleine Weile, bis sie sich wieder gefasst hat von dieser doch so unerwarteten Wendung dieses Tages. Der Geruch, der noch immer über diesem Innehof liegt, erscheint ihr nun wie dar reinste Parfum, das Bellen der Hunde wie Musik. Lua schließt die Augen, ihr Gesicht wandelt sich in ein ein breites Lächeln. Einen kleinen Augenblick genießt sie diesen Moment, dann geht sie wieder in den dunklen Gang. Nichts Bedrohliches hat dieser mehr an sich, ja, sogar, als sie an der Wachstube vorüberkommt, wo freilich noch immer einige äußerst grob gestrickte Wachen anwesend sind, grüßt sie freundliche Letztere, die Gefahr, die von dieser unbedarften Handlung ausgeht, ganz und gar außer Acht lassend. Dann kommt sie an die Eingangstüre, auch die Torwache, die sie vorhin doch reichlich ungehobelt behandelt hat, erhält einen fröhlichen Gruß der jungen Dame.   "Nefri meint, ich solle morgen wieder kommen, zusammen mit meinen Geschwistern," erklärt sie ihr gutgelaunt. "Also, bis morgen, 7 Arkh!"   Sie öffnet das Tor, tritt hinauf auf die Straße. Nun, als dieses doch reichlich offizielle Gebäude hinter ihr liegt, explodiert Lua förmlich. Ein heller, unartikulierter, triumphierender Laut entweicht ihrer Kehle, die Arme mit Siegesfäusten in den Himmer gestreckt. Sie vollführt einen kurzen Tanz auf der Straße, dann wendet sie sich der Brücke zu, um diese Örtlichkeit vorerst zu verlassen.