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Fri, Mar 8th 2024 08:03   Edited on Wed, Apr 10th 2024 04:18

[Tag 13 Morgen] Auf den Spuren vergangener Künste

Ein flüchtiges Lächeln huschte beim Anblick der Statue Kaiser Avennas über Ailis’ Antlitz. In ihrer Familie war es noch immer üblich, Gebete eher an den Gottkaiser, als die Zwillinge zu richten. Vielleicht brachte seine Nähe ihr ja Glück auf der Suche nach der Plastik, von der die Gräfin gesprochen hat. Sie ist nicht oft in diesem Teil der Stadt, entsprechend langsam wagt sie sich in die Alte Coveani Residenz vor, um den genannten Innenhof zu finden. Aufmerksam sieht sich dabei um.
Das mehrstöckige Gebäude hat nicht viel von seiner einstigen Pracht bewahrt. Durch einen großen Bogengang, durch den in besseren Zeiten sicher Reiter und Kutschen kamen, gelangt sie in einen großen Innenhof. Links und rechts führen Türen in die Unterkünfte des Gesindes, in Ställe und Werkstätten für die Dinge des täglichen Bedarfs. Geradeaus führen breite Stufen zum eigentlichen, mit Säulen gesäumten Eingang des Gebäudes. Ailis sieht gähnende Fensteröffnungen und gesprungene Ziegel auf dem Dach und dem Boden liegen. Laub hat sich auf den Stufen gesammelt und verfault in den Ecken, wo der Wind es zu kleinen Haufen zusammengeschoben hat. Das einst alabasterweiße Pflaster des Hofes ist matt geworden, gesprenkelt von Vogeldreck und voller Sprünge, durch das sich Unkraut hindurchdrückt. Mitten auf dem Hof steht, weswegen Ailis gekommen ist.  Es sind streng genommen sogar zwei Marmorstatuen. Eine zeigt einen Mann, der einen Umhang trägt und eine fremde Art Uniform mit vielen Knöpfen und Litzen, aber wohl ohne tatsächlichen Panzer. Er steht hoch aufgerichtet da, einen Arm halb nach hinten ausgestreckt, der andere - gerade ausgestreckt - hält einen langen Degen etwas nach unten gerichtet. Der Degen allein ist eine Meisterleistung der Bildhauerkunst. Vor dem Mann steht ein Stier, den Kopf gesenkt, bereit zum Angriff. Sogar seine Augen sind herausgearbeitet worden, die seinen menschlichen Gegner von unten her taxierend mustern. Die beiden stehen auf einem breiten Sockel mit drei Stufen und überragen Ailis um mehrere Haupteslängen. Gerade, als sie nähertritt, um sich die Skulpturen genauer anzusehen, tritt plötzlich eine Gestalt aus einer der Seitentüren. Es ist eine Frau, etwas älter als Ailis und übertrieben geschminkt. Sie trägt ein zerschlissenes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt und einen abgetragenen Wollumhang darüber. Ihre Haare sehen aus, als wären sie vor einigen Tagen kunstvoll frisiert und dann ignoriert werden. Ihre Stimme klingt wie das Krächzen einer Trümmerkrähe, als sie schreit: "Verpiss dich, Blondie! Das hier ist meins! Such dir deine eigene Ecke, wo du für die hohen Herren den Arsch hinhalten kannst!"
Sun, Mar 10th 2024 06:54

Ailis wirft der Frau nur einen kurzen Blick zu, viel zu fasziniert ist sie von den beiden Statuen. “Ich schicke jeden Mann, der meinen Arsch will, gerne zu dir, versprochen.”, ruft sie zurück. “Ich will mir nur diese Statuen ansehen, dann bin ich wieder weg.”   Auch wenn die Töpferin nicht glaubt, dass die Hure sich so einfach abwimmeln lassen wird, versucht sie es einfach mit der Wahrheit. Manchmal hilft das, vor allem am Morgen, wo die Huren nach einer Nacht des Beglückens leiber schlafen wollen, als Fremde zu verscheuchen.   Noch einmal wirft die der anderen Frau einen Blick zu, während sie das Bildnis umrundet. Der ausgestreckte Arm müsste die Statue des Uniformierten eigentlich aus dem Gleichgewicht bringen, aber der Umhang dient als Stütze. Ailis erinnert sich an eine Lektion ihres Vaters, als sie selbst noch ein Kind war. Damals fertigten sie auch figürliche Darstellungen für Hausschreine an. Auch eine Tonfigur muss in Balance gehalten werden oder benötigt eine Stütze an weit überstehenden Details. Die Keramiken, die sie anfertigte, waren durch ihre Form in der Regel nicht davon betroffen.
Tue, Mar 12th 2024 12:50   Edited on Tue, Mar 12th 2024 12:50

Während Ailis die beiden Statuen umrundet, kommt die Frau zeternd und schimpfend immer näher. Ailis´ Beteuerungen haben offenbar nichts bewirkt, denn sie redet sich immer mehr in Rage und bückt sich schließlich nach dem Bruchstück eines zerborstenen Dachziegels, ganz offenbar in der Absicht, es nach Ailis zu werfen.   In dem Moment, als die Hure den Arm hebt, bewegt sich etwas, was Ailis bis dahin für ein Lumpenbündel am Rand der Treppe gehalten hat. Es entpuppt sich als ein alter Mann mit einem struppigen, eisengrauen Bart, der jetzt nach vorne hinkt und eine erhobene Faust in Richtung der anderen Frau schüttelt. "Verschwinde von hier, du elende Dreckshure! Du hast hier nichts verloren!" Er hinkt stark, ist aber dennoch überraschend schnell. "Ich hab dir gesagt, dass ich dich hier nicht sehen will!" ruft er mit erstaunlich kräftiger Stimme. Etwas metallenes blitzt in seiner Hand auf, als er an Alilis vorbeigeht. Die Frau stößt einen erschrockenen Schrei aus und sucht das Weite.   Der Alte kichert leise und scheint ein Stückchen zu schrumpfen. Dann schlurft er zu den Stufen am Fuß der Statuen und lässt sich mit einem leisen Ächzen darauf nieder. Er wirft dem marmornen Stierkämpfer einen flüchtigen Blick über die Schulter zu und kichert.   "Beeindruckend, was?", meint er dann und macht eine bedeutungsschwere Pause, bevor er wieder kichert, als hätte er einen Scherz gemacht. "Ooh jaaa... sehr beeindruckend! Erkennst du ihn überhaupt, Mädchen?" Er macht ein Furzgeräusch mit den Lippen und lacht laut auf. "Unser geliebter Kaiser Avenna? Er ist hier viel jünger als auf der Prena! Hihihiiii.... er hatte gerade die ersten Haare am Sack, als er gegen den Stier gekämpft hat!" Der Alte wiehert vor Lachen schrill auf und kippt auf den Stufen nach hinten. Dann richtet er sich schwer atmend wieder auf und wischt sich Lachtränen vom Gesicht. "Kennst du die Geschichte? Kannte früher jeder, vom Hosenscheißer bis zum Tattergreis... Hihiii...." Er hustet und spuckt aus. "Kurz nachdem er den Goldjungen besiegt hatte..." wieder kichert er und Ailis hört ihn ein paar Mal "Goldjunge, Goldjunge" murmeln, "...hat Avenna in der Arena von Alba den Sommerstier getötet hihihiii... hatte nie zuvor nen Stier gesehen, der Teufelskerl...." er verstummt und blickt eine Weile vor sich ins Leere, bis er müde murmelt "ab da... ist ganz Covanion ihm in den Arsch gekrochen..."   Der Alte blinzelt, als wäre er gerade erwach, dann sieht er Ailis plötzlich verschlagen und misstrauisch an. "Was willst du überhaupt hier? Wer hat dich geschickt?"