BUILD YOUR OWN WORLD Like what you see? Become the Master of your own Universe!
Mon, Feb 6th 2023 09:26   Edited on Wed, Nov 8th 2023 10:05

Ein anderer Tag... wie jeder andere?

Lua war am Vortag etwas früher als normal nach Hause gekommen. Selten war es vorgekommen, an allen möglichen Arbeitsplätzen abzublitzen und trotzdem einen ordentlichen Verdienst nach Hause zu bringen. So saß sie eine ganze Weile auf der Straße vor ihrer Unterkunft - einem Kellerloch eines ansonsten weitgehend eingestürzten Hauses. Und so weit Lua ansonsten auf dieses gemeinhin übliche Nicht-Auffallen aus ist, umso mehr eingebettet ist sie in ihr Viertel. Man kennt sich, und die junge, hübsche, bettelarme Frau mit ihren fünf Geschwistern ist weithin beliebt in der Gegend. So dauerte es auch gar nicht lange, bis sich zwischen ihr und ihren Nachbarn ein Gespräch entwickelte, das sich, wie so oft, um die Sicherheit in den einzelnen Gegenden der Stadt handelte. Einzig der Wanderhändler, der durch die Straßen zog, unterbrach das Gespräch, und Lua hatte sogar das Vergnügen, Getreide und Holz kaufen zu können.   Nun denn, es sollte nicht allzu lange dauern, da kehrten auch ihre Geschwister zurück, die einen mindestens ebenso erfolgreichen Tag gehabt hatten. Insbesondere die beiden Kleinen, die von einem ungewöhnlich guten Fischer zwei Fische geschenkt bekommen hatten. Und so kam es, dass das Getreide zu einem guten Teil aufgespart wurde, und mit den Fischen und Wasser aus dem Olifern, das hier in den Außenbezirken noch weit sauberer war als in dem Zentrum der Stadt, sowie etwas Grütze eine schmackhafte, wenn auch ungewürzte Suppe fabriziert wurde. Nur eines trübte die Stimmung der Familie außerordentlich: Kurz nachdem die beiden kleinen Jungen ihre Fische erhalten hatten, mussten sie mit ansehen, wie ein anderer Junge weniger Glück hatte, einfach einen Fisch mitgehen lassen wollte und deshalb von den Wachen kurzerhand gelyncht und ins Meer geworfen wurde. Nun ist es einmal so, dass es jedem Pelorner ziemlich einerlei ist, Gewalt und auch Mord zu erleben. Doch so, wie für kleine Kinder jeder Marienkäfer, jeder Schmetterling ein wahres Wunder und deshalb absolut merkwürdig ist, und erst die Erwachsenen sich an deren Anblick so gewöhnt haben, dass sie gar nicht mehr gesehen werden, ist es auch hier: Insbesondere Arcus war trotz der reichen Beute am Boden zerstört.   Nein, eigentlich hatte Lua keinen Grund, schlecht zu schlafen: Alle hatten sich satt gegessen, und für den nächsten Tag war zwar kein sehr reichhaltiges, doch ein genügendes Mahl übrig geblieben. Trotzdem - war es nun die verpasste Gelegenheit auf die täglichen 10 Filis, war es die Betrübtheit ihres kleinsten Bruders: Sie konnte keinen Schlaf finden. Etwas musste sich ändern, sie musste es irgendwie schaffen, dass nicht eines Tages eines ihrer Geschwister tot in den Wogen trieb. Erst spät schlief sie ein, und früh ist sie wieder wach.   Zunächst vermisst Lua nur das morgendliche Frieren, ist die Temperatur doch merklich angestiegen. Sie schaut auf ihre Geschwister. Sie schlafen alle noch. Lua steht auf. Sie denkt nach. Ja, sie geht wohl wieder zum Arsenal. Doch will sie nicht wieder so schmutzig ankommen wie am Tage davor, nicht dass ihr durch fehlende Körperpflege eine zweite, wenn auch unwahrscheinliche Möglichkeit durch die Lappen geht. Sie flüstert ein leises "Mögen die Zwillinge mit euch sein", dann erklimmt sie die Treppe aus ihrem Kellergewölbe zur Straße. Sie wendet sich um Olifern und springt hinein - samt Kleidung, so wie es wohl jeder machen würde in jener Gegend. Nicht aus Scham, nein, sondern einfach aus Angst, dass während des Bades die Kleidung gestohlen werden könnte. Einige Minuten wäscht Lua sich also gründlich. Sie schaut den Olifern entlang. Am Vortag hatte jemand gesagt, dass es am Mezena Probleme gegeben hatte. Sie schwamm also kurzerhand durch den Olifern. Sie wollte dann zum Tempelberg laufen, von dort in Richtung der Küste dann praktisch von Norden her zum Arsenal stoßen - immer weit vom Olifern entfernt, dessen Ufer doch allgemein als etwas gefährlich galten. Und das tut sie dann auch.   Es ist sehr früh am Morgen, die Stadt noch Dunkelheit, einzig am Horizont deutet in heller Schein den nahenden Tag an. Mancher mag wohl sagen, es wäre äußerst spät in der Nacht sein. Die Kleider kleben freilich nass an ihrem Körper, die ansonsten stets säuberlich zusammengebunden Haare fallen offen über ihre Schultern, um schneller zu trocknen. Gerade ist sie am Tempelberg angelangt, als plötzlich, wie aus dem nichts, irgendetwas gegen ihren Kopf kracht. Nicht zentral genug, um sie schwer zu verletzen, ihr womöglich gar den Garaus zu machen, und doch fest genug, um für ein hörbares "Klong" zu sorgen und die junge Frau kurz ins Straucheln zu bringen. Da scheppert auch schon ein Becher vor ihre Füße. Sie ist allein. Der Becher scheint wertvoll. Schnell greift Lua zu und hebt den Becher auf.
Tue, Feb 7th 2023 04:29

"Na du?", fragt eine tiefe, freundliche Stimme hinter Lua. "Was hast du denn da gefunden?"
Tue, Feb 7th 2023 10:18

Wohl mag die Stimme freundlich klingen, gleichwohl ist es eine Stimme, wo Lua keine vermutet hat. Sie hat sich allein gefühlt, und plötzlich, wie aus dem Nichts, wird die Stille durch das empfundene Dröhnen einer eigentlich gar nicht allzu lauten Stimme durchbrochen. Lua macht einen gehörigen Satz nach vorne, dreht sich in diesem Satz um 180 Grad und sieht der Quelle dieser so erschreckenden Stimme nun geradewegs ins Gesicht. Es ist eine überaus hübsche Frau, die den vermutlich männlichen Sprechenden anschaut. Dunkle, nasse Haare fällen über kräftige Schultern, ebenso dunkle, doch lebhafte Augen schauen ihm ins Gesicht. Die nasse Kleidung ist wohl doch zu fest, um durch die Nässe derselben ganz transparent zu werden, doch klebt sie genug an dem Körper der jungen Frau, um jegliche Kurve zu sehen. Nein, es ist keine üppige Weiblichkeit, die er erkennen kann, doch fern jeglicher Androgynität. Eine Handvoll jugendlichen Busens, dort, wo er eben hingehört, ein flacher Bauch, der Hintern, nun frelich nicht mehr sichtbar, mit ordentlicher Rundung, fest. Die Augen blitzen ihn an, das Gesicht wirkt freilich überaus ernst und auch nervös verkniffen, während die Frau einige Schritte rückwärts geht um endgültig aus der Reichweite des Mannes kommen.   "Es ist mir auf den Kopf gefallen," antwortet Lua, den Becher halb sichtbar, halb hinter ihrem Rücken haltend und damit andeutend, dass sie ihn so einfach nicht mehr herzugeben gekenkt. Dabei fühlt sie ganz langsam, sie sich an ihrer linken Kopfhälfte das kalte Wasser immer wärmer anfühlt, ein Zeichen dafür, dass der Becher eben doch einen kleinen Schnitt in ihrer Kopfhaut verursacht hat. "Ich wollte ihn nicht stehlen..."   Letzterer Halbsatz ist freilich in Anbetracht der deutlich durch den Auftritt der Frau dargestellten Armut nicht unbedingt glaubhaft. In bessere Lumpen gekleidet, barfuß, und eben zu einer Zeit unterwegs, wo jeder besser gestellte Pelorner keinesfalls das Haus verlassen würde, muss es sich um eines der armen Bündel handeln, die eben von Tag zu Tag um ihr Überleben kämpfen. Und doch - sie sieht gut aus, gar nicht mal so ausgehungert, ohne sichtbare Geschwüre, und vom Blick her doch zu jenen gehörend, die ein letztes Bisschen ihrer Würde zu erhalten geschafft haben.
Tue, Feb 7th 2023 08:59   Edited on Wed, Feb 8th 2023 08:45

„Hm, da ist mir eine kleine Katze ins Netz gegangen.“   In der zögerlichen Dämmerung ist das Gesicht des Mannes nur schwer zu erkennen, er scheint wohlgenährt und kräftig, er klingt amüsiert, aber nicht weniger freundlich als zuvor. Beruhigend hebt der die Arme als er merkt, dass sein Gegenüber auf Abstand geht.   „Ich wollte dich nicht erschrecken, ich bin dir schon eine Zeitlang gefolgt und habe mich gewundert, dass du mich nicht schon früher bemerkt hast, du wirkst in Gedanken versunken, hast du dich verirrt? Wahrscheinlich hast du nicht einmal das Trillern des Alpikotts gehört.“   Er macht eine kreisende Bewegung mit seinen Händen und deutet auf die Dächer, die diesen Ort umgeben. Der Platz ist groß und noch immer in Dämmerlicht gehüllt, übersät von Schutt und Trümmern, Gestein, welches man vergessen hat, wie es zu bewegen ist, vereinzelte Feuerstellen und Menschen, die gegen diese gebrochenen Pfeiler alter Ruinen lehnen und schlafen. Doch die leeren Augen der Häuser scheinen jetzt wachsam, und die Menschen schlafen nicht. Dunkle Banner wehen im Wind und warten auf den Morgen, um sich von der Nacht zu entkleiden.   „Aber es war kein Alpikott. Es war ein Späher. Außerdem haben die Bluthunde dich gewittert.“ Der Mann scheint das zu bedauern. „Es ist dir auf den Kopf gefallen? Nun, ich, habe es nicht nach dir geworfen. Das ist nicht meine Art.“   Der Mann streckt seine rechte Hand aus, sie wirkt schwarz. „Gib mir, was du in deinen Händen hältst.“
Tue, Feb 7th 2023 09:05

Nach einem Augenblick fängt er an zu lachen und fügt in seinem freundlichen Ton hinzu: "Bitte."
Tue, Feb 7th 2023 10:24

Der Mann wird bemerken, wie sich jeder Muskel in dem Körper der jungen Frau anspannt. Noch einmal geht sie einige Schritte nach hinten. Ihr Blick verhärtet sich, die Augenbrauen ziehen sich noch ein Stück weiter zusammen, und in dem Dämmerlicht sieht er die Muskeln ihrer Kiefer, die die Zähne aufeinanderpressen. Ihr Blick geht zu den Dächern, nichts kann sie erkennen. Freilich, was wären es für Späher, würden sie sich so leicht zu erkennen geben. Ihr Blick geht zurück zu dem Mann, der vor ihr steht. Der Becher verschwindet nun vollends hinter ihrem Rücken. Sie sieht ihn an, abschätzend, und doch mit einer gehörigen Portion Trotz in dem Blick. Und nun mehr denn je scheint der Vergleich mit einer Katze gar nicht einmal so weit hergeholt zu sein.   "Was gebt Ihr mir dafür?" fragt sie dann, bemüht selbstsicher, doch ist ein leichtes Beben in der Stimme nicht zu verbergen. "Wer sagt mir, dass es wirklich Euer Becher ist? Er ist mir gerade eben auf den Kopf gefallen. Wenn Ihr nicht schon die ganze Zeit hinter mir standet, wie wollt ihr mir erklären, so schnell hier her gekommen zu sein?"   Und kaum hat sie ihre Frage beendet, geht ihr Blick auch schon wieder mit wohl merkbarer Unsicherheit zu den Dächern. Aber freilich, ein Becher wie dieser könnte ihr Leben verändern, so wie es eben das Angebot vom Vortag getan hätte. Und dieser Umstand war es wohl wert, auch ein bestimmtes Risiko dafür einzugehen.
Wed, Feb 8th 2023 06:42   Edited on Wed, Feb 8th 2023 06:45

Die Stimme des Mannes wird ernster und sein Arm senkt sich langsam. „Ich folge dir seitdem du Schlangenmund betreten hast. Alle Wege hier her sind bewacht, du bist nicht mehr allein seitdem du dich entschlossen hast den ersten Blick auf den Tempelberg zu werfen. Ich habe niemals behauptet, dass das, was du gefunden hast mir gehört. Es gehört mir nicht, und es gehört auch nicht dir aber wenn ich es besitzen wollen würde, dann hätte ich dir mit meiner Axt den Schädel gespalten und es mir genommen.“   „Aber das möchte ich nicht…“, er deutet mit seinem Finger auf ihren Kopf. „Noch bist du eine Randnotiz einer Nacht, die sich dem Ende neigt. Ein Flügelschlag eines Falters der die Glut umkreist. Sobald deine Füße zum Lauf ansetzen, werden sich die Augen jener Jäger an dich heften, die der Nachtbeute bereits harren. Reize nicht die Raubtiere, wenn sie schlafen, denn kein Würfelspiel der Götter kann dich retten vor jenem Schicksal, welches dich dann erwartet.   Der Mann hebt seinen Arm wieder und streckt ihr seine Hand entgegen. „Aber noch bist du das Mädchen mit dem Becher, der Flügelschlag des Falters. Viele Menschen sind dieser Nacht geopfert worden, um den nächsten Morgen zu erkaufen. Blut oder Salz, es ist einerlei, es soll genug sein. Es gibt keine Richtung, in die du entfliehen könntest. Wenn es das ist, was ich denke, dass du hast, hat es keinen Wert für dich und für nichts lohnt es sich nicht verstümmelt zu werden. Es gibt schlimmeres als den Tod und vieles davon habe ich gesehen. Was ich dir für diesen Becher gebe, ist meine Freundschaft. Das ist der beste Handel, den du heute noch bekommen wirst.“
Wed, Feb 8th 2023 08:11

Schweigend hört Lua zu. Der Trotz bleibt zunächst in ihren Augen, und schwer ist es zu sagen, was in ihrem Kopf vorgeht. Sie beginnt, auf ihrer Unterlippe zu kauen, schaut schließlich wieder zu den im Halbdunkel liegenden Dächern, schaut hinter sich in die Straße, die zur Melenischen Brücke führt. Dann kehrt ihr Blick wieder zurück zu dem ihr unbekannten Mann. Er hat seine Rede beendet. Einige Augenblicke sieht sie ihn an, dann verschwindet die Spannung aus ihrem Körper. Der Blick geht zu Boden, ungefähr auf halber Strecke zwischen ihren eigenen Füßen und denen ihres Gegenübers, der Becher erscheint wieder an ihrer Seite, von einem schlaff nach unten hängendem Arm gehalten. Dann schaut sie den Mann wieder in die Augen. Der Trotz ist verschwunden, es ist ein ernster Blick. Die Enttäuschung darüber, dass dies wertvolle Trinkgefäß ihr wieder abgenommen wird, kaum dass sie es ergattert hat, ist ihr anzusehen, ebenso die Furcht, die sie zu dieser Resignation getrieben hat. Sie geht auf den Mann zu. Eine Armlänge vor ihm bleibt sie stehen, hebt den Becher und hält ihn ihm vor die Brust. Sie sagt kein Wort dabei.
Wed, Feb 8th 2023 06:49   Edited on Wed, Feb 8th 2023 06:58

Ruhig nimmt er den silbernen Becher an sich und betrachtet ihn für einen Augenblick. Sie kann ihn jetzt besser sehen. Ein kahlköpfiger Mann, mit einem roten Bart der ihm bis zur Brust reicht. Er ist in der Tat wohlgenährt, ein runder Bauch wölbt sich unter einer einfachen Tunika nach vorne, gehalten von einem verschlissenen Ledergürtel, in dem eine Axt steckt. Seine Arme, Baumstämme, breit und kräftig, die vorher noch schwarz wirkten, erkennt sie jetzt, sind dunkel von der Farbe seiner Tätowierungen. Hunderte von Spinnen sind auf seinen Körper tätowiert, halten mit gespreizten Beinen Wache auf seiner Haut, verschmelzen auf seinem Handrücken, seinem Kopf. Nur sein vom Kampf gezeichnetes Gesicht ist frei von Farbe. Er blickt Lua mit dunklen Augen an, sie funkeln wachsam, aber in ihnen ist kein Anzeichen der Täuschung.   „Der Becher mag ein Köder sein und der Fischer dahinter voller Arglist. In manchen Nächten fällt er, wenn das Raubtier hungrig ist, und wird zum Fluch für diejenigen die ihn finden. Für Bettler und Hauptleute gleichermaßen. Der Mann, dem dieser Becher gehört ist gefährlich, denn Willkür ist sein Trieb. Er ist nicht von hier, keiner weiß, woher er stammt, die Männer sagen er sei ein Vampyr oder ein Schlangenwolf, hier gestrandet aus einem fernen Land und kein wirklicher Mensch nur verkleidet in seiner Haut. Aber er ist der Schatzmeister der schwarzen Schlange und noch niemals zuvor war seine Schatzkammer so prall gefüllt wie dieser Tage. Sie nennen ihn Knochenhand, die schwarze Schlange gestattet es. Ich mag ihn nicht, aber wir Spinnen sind dem Haus Imeria verpflichtet seit den Tagen Yazars und der Ankunft Achums. Aber was weiß ich schon, nur eines. Dieser Becher… hat keinen Wert für dich.“   Seine Lippen formen sich zu einem O und er pfeift, wieder klingt es wie der Gesang eines Vogels der Abenddämmerung. Keine 20 Schritt von Lua entfernt erhebt sich hinter einem zerbrochenen Pfeiler ein drahtiger, junger Kerl, der sich versteckt gehalten hatte, er ist schmutzig, aber leichtfüßig wie ein Wiesel. Wie der Wohlgenährte ist auch der Drahtige mit Spinnen tätowiert, obgleich die Anzahl der Motive variieren, beide tragen graue Armbinden und Äxte. Der Mann, der den Becher an sich genommen hatte, reichte ihn nun dem jüngeren.   „Bring das dem Majordomus, berichte ihm, heute keine Beute.“ Rasch entfernt sich das Wiesel, während beide ihm nachblicken, schnell hat er die Häuserzeile erreicht, welche bald ihren Verfall im Licht des Morgens offenbaren wird, ein lautes: „7 Arkh der Schwarzen Schlange im Knochenhain!“, ertönt, gefolgt vom schweren Seufzen alter Tore, die sich öffnen.   Der Mann nickt zu den Häusern. „Dort wandern und wachen Knochenhands Wölfe. Sie tragen andere Farben. Aber hier kann ich dich beschützen. Hier weben meine Spinnen. Ich bin Kuv.“ Er beendet den Satz mit einer Gewissheit, als würde dies alle ihre Fragen zum Leben und kosmischer Existenz beantworten.   „Ergreife meine Hand“, Kuv lächelt freundlich, während sich sein Schnauzbart hebt. „Sie werden glauben, ich nehme dich für mich selbst. Du hast mein Wort, nichts anderes wird meine Hand berühren an deinem Körper als das. Meine Feuerstelle ist nicht weit“, er legt seinen Kopf zur Seite. „Du blutest, lass uns das Brot teilen und deine Wunde waschen. Lass uns sprechen. Ich habe Heilwurz. Nur Mut, Flügelschlag. Heute ist dein Glückstag…“
Wed, Feb 8th 2023 09:05

Schweigend hört Lua zu. Je länger Kuv spricht, desto mehr verschwindet der Ausdruck der Enttäuschung und der Angst, macht Überraschung breit, und kaum ist zu Übersehen, dass die junge Frau einige Mühe hat, ihm in seinen Aufforderungen zu folgen. Lua kommt schließlich aus den Außenbezirken, wo die Macht der Häuser weit geringer ausgeprägt ist, wo es nur hie und da überhaupt Untergruppen gibt, die diesen Häusern dienen. Kontrolle über ein Gebiet zu halten, Abgaben zu verlangen, die Wirtschaft für sich arbeiten zu lassen, das macht schließlich nur dann Sinn, wenn es so etwas wie eine einträgliche Wirtschaft überhaupt gibt. Freilich, jedem ist der Mechanismus klar, aber doch gibt es in den Außenbezirken viele, die wenig Einblick in die genauen Machtverhältnisse in den Innenbezirken haben. Lua gehört schließlich zu jenen, die einfach zu arm sind, als dass die Mächtigen sich irgendwie für sie interessieren. Um so mehr überrascht ist sie, dass dieser Mann vor ihr plötzlich so freundlich zu ihr spricht. Sie scheint ihm zu glauben, aus irgend einem Grund, wenn dies auch für hübsche Mädels mitunter sehr gefährlich wird - haben diese Männer doch neben Geld manchmal auch andere Beutestücke im Auge. Sie weicht dieses Mal nicht zurück, dafür werden ihre Augen größer und größer, sogar die misstrauische Falte auf ihrer Stirn verschwindet. Und so weicht sie keinesfalls wieder zurück, als der Becher in kürzester Zeit zwei Mal den Besitzer wechselt. Freilich, sie zuckt kurz zusammen, als plötzlich auch noch hinter einer Säule einer auftaucht und ihr klar wird, wie sehr sie sich in der Falle befunden hätte. Dann jedoch schaut sie wieder zu Kuv, macht schließlich gar einen weiteren Schritt auf ihn zu und nimmt tatsächlich seine Hand.   "Ich bin Lu," sagt sie mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen. "Naja, eigentlich heiße ich Lua Aetaya, aber bei mir im Viertel nennen mich alle einfach nur Lu. Naja, wisst Ihr, ob es mein Glückstag wird, das muss sich noch zeigen. Ein Tag ist ein Glückstag, wenn ich fünf Filis in der Tasche habe, um Getreide und Holz zu kaufen, damit meine Kleinen alle satt zu Bett gehen..."
Mon, Feb 13th 2023 01:29   Edited on Mon, Feb 13th 2023 01:29

„Lu also ...“, er nickt. „Auf dieser Seite des Flusses sollen sie dich Flügelschlag nennen. Lu, Flügelschlag, das gefällt mir.“ Kuv’s Hand ist groß und rau, sein Griff fest, aber nicht grob. Seine Berührungen vorsichtig, als würde seine viel zu großen Händen versuchen einen Kranich aus Papier zu falten. Die Feuerstelle ist nicht weit, nahe einem großen Block aus Stein, dessen Baumeister, ebenso wie die Gebäude, welche sie dereinst errichteten, längst zu Staub zerfallen sind. Sie bemerkt einige dieser Feuerstellen auf dem großen Platz, aufsteigenden Rauch, behelfsmäßig errichtete Zelte und Feldschmieden, dieser Ort erwacht langsam, wer in diesen Zelten haust, erschließt sich ihr nicht.   „Vor vielen Jahren, noch vor deiner Geburt war dies ein Platz der großen Beratschlagung und fröhlichen Zusammenkunft, der Schausteller und Tänzer. Das war vor einer langen Zeit und von diesen Dingen ist nichts nicht mehr übrig, nur der Tempelberg scheint unverändert. Feuer hat diesen Ort heimgesucht und das Lächeln der Menschen aus ihren Gesichtern gebrannt. Jetzt ist es die Brutstätte der Schlangen und Spinnen. Komm ...“   Er platziert sie auf einen alten Schemel, der kaum ihr Gewicht trägt. Aus einem braunen Beutel holt er frisches Brot und getrocknetes Fleisch für beide. Die Qualität ist gut, wie Lua bemerkt, wohl eines der Vorzüge als Kämpfer für das Haus Imeria. In einem abgenutzten Schaff befindet sich sauberes Wasser, er reicht ihr einen Becher, während er beginnt sich um ihre Wunde zu kümmern.   „Wo sind deine Tätowierungen?“, fragt er interessiert.
Mon, Feb 13th 2023 08:25

Nun ist es Lua wohl bekannt, dass es solche Dörfer innerhalb der Stadt gibt. Es ist auch nicht so, dass sie das erste Mal eines sieht. Doch bringt man jedem kleinen Kind in Pelorn baldigst bei, dass es gerade diese Orte sind, die tunlichst zu umgehen sind, eben weil sie, wie Kuv ja auch bestätigt, zumeist "Brutstätten für Schlangen und Spinnen" oder irgendeines anderen Getiers sind, wobei, und das ist Lua wohl ebenfalls klar, es sich eben um eine jener Unter- oder Unter-Untergruppen handeln muss, die in Pelorn sehr oft über Gut und Böse, über Leben und Tod entscheiden. Und so ist es ganz und gar nicht alltäglich, sich eben in eines dieser Lager zu begeben, und dass Lua gehörigen Respekt vor diesem Gang hat, merkt Kuv wohl schon alleine darin, dass sie seinen Griff gehörig erwidert. Und es ist ja noch nicht einmal jemand da, der ihr irgendwie Angst einflößen könnte. Mit großen Augen sieht sie sich um, wundert sich schon zuerst einmal dass man hier unter offenem Himmel Feuerstellen errichtet, wo die teure Wärme doch so einfach entfliehen kann. Dann sind sie an Kuvs Feuer angekommen, und es ist nicht sehr schwer, Lua zum Sitzen zu bringen - irgendwie scheint sie so beeindruckt zu sein, dass sie wohl auch einen Kopfstand gemacht hätte, hätte Kuv sie dazu aufgefordert. Doch werden ihre Augen noch größer: frisches Brot und getrocknetes Fleisch. Einfach so. Nicht etwa die übliche wässrige Grütze, in der einzig einige wenige Fettaugen und vielleicht ein leicht ranziger Geschmack von der Präsenz des in meist homöopathischen Mengen zugesetzten Fleisches zeugen. Keine Brotschnitte, von der auf der einen Seite in möglichst sparsamer Manier der Schimmel entfernt wurde, die andere Seite längst von Ratten angeknabbert wurde, und die nur dann weich ist, wenn sie eben von der wässrigen Grütze ordentlich aufgequollen ist. Lua beißt von ihrem Teil des Brotes ab, schließt die Augen und scheint schier endlos darauf herum zu kauen, den Geschmack dieses für sie so edlen Lebensmittels genießend. Dann endlich schluckt sie es hinunter - und flugs verschwindet der Rest des Brotes in ihrer Hosentasche. Dann nimmt sie sich drei-vier Stücke des getrockneten Fleisches, beißt von einem ab, und wiederholt das selbe Ritual wie vorhin. Nur das Wasser, bei dem das Verfrachten in die Hosentasche schon nur aus physikalischer Sicht äußerst unglücklich gewesen wäre, scheint von der Sparsamkeit der jungen Dame verschont zu bleiben. Sie schaut dann jedoch begeistert in den leeren Becher, wobei hier diese Begeisterung daher kommt, dass das Wasser eben keinen Geschmack hat. Eine kurze Weile sitzt sie dann einfach nur da, lässt Kuv in ihrem Haar herumkramen. Die Wunde ist nicht schwer zu versorgen - der Becher hat sie mehr gestreift als richtig getroffen, einzig ein kleiner kaum ein Finger breiter Schnitt ist in der Kopfhaut zu sehen. Nichts Besorgnis erregendes, nur eben blutet jede noch so kleine Wunde ziemlich stark, wenn sie sich am Kopf befindet. Einzig eine Infektion könnte hier doch zu kleineren Problem führen.   "Ich habe keine Tätowierungen," antwortet sie schließlich auf seine Frage hin. "Es passiert nicht oft, dass sich irgendjemand um das dahergelaufene Gesindel der Außenbezirke kümmert, außer er will es bestehlen, vergewaltigen oder ermorden. Und dabei bekommt man nicht oft eine Tätowierung ab." Und nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: "Warum seit Ihr eigentlich so nett zu mir?"
Thu, Feb 16th 2023 10:43   Edited on Thu, Feb 16th 2023 11:01

Seine Hände sind geübt und machen keine Bewegung umsonst. Er arbeitet sauber an ihrer Wunde, schnell merkt sie, dass seine Hände ebenso geübt sind, im Heilen, wie im Töten wohl auch. Er ist ein Hauptmann der Straße, beides mag sein Geschäft sein und er ist erfahren darin. Die zerriebene Heilwurz stoppt die Blutung und verschließt die Wunde, kein Wundbrand wird sie quälen. „Keine Narbe bleibt, wasche deine Wunde heute Nacht mit aufgekochtem Wasser.“   Kuv erhebt sich, um sich einen Überblick auf Schlangenmund zu verschaffen.   „Die Wölfe schlafen jetzt und auch ich werde bald ruhen. Dein Heimweg ist sicher, niemand wird dich behelligen, doch meide diesen Ort bei nachts, hier gibt es keine Geschäfte für dich und ein zweites Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück. Du trägst keine Tätowierungen und keine Farben. Sie sind dein Leumund, erzählen Geschichten über deine Herkunft, berichten von deinem Werdegang. Sie sind Schlüssel und Wegweiser auf deiner Reise und die Seher der Auwir lesen sie wie Landkarten für die Mächtigen der Stadt. Man wird dich an deinen Farben erkennen und man wird dich erkennen, wenn du keine trägst… In manchen Momenten mögen sie wertvoller für dich sein als Silber. Ein unbeschriebenes Blatt ist gefährlich und macht die Bluthunde unruhig. Es ist die Art der Salzmelker keine zu tragen und auch die Krähenhälse verzichten auf sie, obwohl man sagt, ihre Frauen praktizieren die Kunst des Malens auf Ton wie auf Händen, aber ich habe ich noch nie eine der hohen Damen gesehen.“   Es ist hell geworden, Riemen und Ketten spannen sich, die Stadt erwacht und bereitet sich auf einen neuen Kampf vor. Kuv senkt seinen Blick, nachdem er zu Ende gesprochen hat, um Lu zu betrachten, und da erkennt sie es wieder, dieses freundliche Gesicht, hinter dem sich keine Hinterlist verbirgt, Augen, die wachsam funkeln. Seine raue Hand legt sich unter ihr Kinn und hebt es vorsichtig.   „Gewalt ist notwendig, wenn die Zeit es erfordert. In einer Stadt voller Raubtiere herrscht nur ein Gesetz; Macht und Stärke, so steht es geschrieben auf den Toren des Knochenhains. Und doch hat Güte dich vor der Umarmung Achums bewahrt. Vielleicht erinnerst du mich an meine eigene Tochter, vielleicht bin ich auch nur der letzte einer sterbenden Art. Oft frage ich mich, ob es Zeiten gegeben hat, in denen wir Menschen anders gewesen sind, mehr als nur Axt und Beil. Aber was weiß ich schon, nur eines, heute sollten die Raubtiere dich nicht bekommen.“ Kuv nickt und klopft ihr behutsam auf die Schulter.   „Nimm meinen Beutel, sein Inhalt soll dir gehören. Melde dich bei Margral, er ist der Meister der Mehras, bald beginnen die Spiele der Arena wieder, Knochenhand hat ein großes und blutiges Spektakel versprochen, wie es die Stadt noch niemals erlebt hat. Vertreter aller Häuser werden den Spielen beiwohnen, Kämpfer von nah und fern werden ihr Glück versuchen und wer weiß, vielleicht sieht Kuv eine der hohen Damen.“ Seine Vorfreude steht im ins Gesicht geschrieben, er zwinkert ihr zu.   „Dort gibt es Arbeit für dich, sage Margral, Kuv der Hauptmann der Spinnen schickt dich. Mein Name ist nicht groß, aber auch nicht unbekannt. Zeige dich von deiner besten Seite und vergiss niemals, dass die Schlangen selbst, dort herrschen. Verneige dich vor den Hauptleuten und Kommandanten, und zolle dem Meister des Sandes Respekt. Wenn du gut arbeitest, brauchst du dir um Schutz und Nahrung keine Sorgen mehr zu machen.“   Kuv nähert sich seiner Liegestatt unter freiem Himmel, im Beutel, welchen sie nehmen kann, befindet sich neben Essen auch ein einfaches und dennoch nützliches, mit Spinnen graviertes Jagdmesser. Kuv hatte Wort gehalten, mit allem, was er ihr versprochen hatte. Er kehrt ihr den Rücken zu, um auf der Seite zu schlafen. „Es gehört dir, kein silberner Becher, ich weiß, aber nicht ohne Wert. Bleib stark für dich und deine Familie. Die schwarze Schlange gestattet es.*“   *Redewendung
Thu, Feb 16th 2023 11:43

Wie in Trance lässt Lu mit sich verfahren, wie in Trance hört sie die gesprochenen Worte des doch sehr merkwürdigen Mannes. Wie in Trance nimmt sie den Beutel entgegen, sieht in aus großen, dunklen Augen an, mit einem Blick, der ebenfalls einfach nur offen und ehrlich ist, erstaunt und doch irgendwie ausdruckslos. Erst als er sich auf sein Lager niederlegt, um endlich zur Ruhe zu kommen, scheint Lu aus diesem Zustand der vermeintlichen Entrücktheit zu erwachen. Sie öffnet den Beutel gerade so weit, dass sie den Inhalt erkennen kann. Sie wird rot im Gesicht. Der Beutel enthält eine Tagesration an Dörrfleisch für die gesamte Familie, wenn man sie mit etwas Grütze und Wasser vermengt, und Brot, das man freilich dazu geben kann, aber nicht einmal muss. Dann ist da noch dieses Messer, von einer Qualität, die jenes, das Lu als ihren größten Schatz in einem Versteck ihres Heimes aufbewahrt, jemals erreicht haben wird. Sie sieht den Mann an, der nun, ihr den Rücken zugewandt, vor ihr liegt. Schon nur dieser Umstand ist doch, da er ja recht wohlhabend erscheint, ein riesiges Zeichen des Vertrauens. Wer sonst würde einem dahergelaufen Außenbezirkler ein Messer in die Hand drücken, um ihm dann den Rücken zuzuwenden? Recht fassungslos steht Lu also vor ihm, einige Augenblicke lang. Oft hat sie sich verletzt, selten hat sich jemand um die Verletzung gekümmert. Und nie hat ihr jemand, einfach so, ein solches Geschenk gemacht. Sie sinkt vor ihm - oder, um genau zu sein, hinter ihm - auf die Knie, legt sacht ihre Hand auf seinen Oberarm.   "Ich weiß nicht wie ich Euch danken soll," sagt sie dann leise. "Ich hoffe, es kommt der Tag, an dem ich Euch es verdenken kann."   Sie zieht die Hand zurück. Steht wieder auf. Sie wartet auf keine Reaktion, hat der Mann ihr doch eindeutig klar gemacht, dass er jetzt zu ruhen gedenkt. Sie braucht nicht lange nachzudenken. Es gibt in Pelorn eine Unzahl von Menschen, die der großen Masse absolut unbekannt sind. Lu gehört selbst zu diesen Leuten. Es gibt Leute, die wohl einige Berühmtheit erlangt haben, der Mehrzahl der Pelorner trotzdem fremd sind. Kuv mag man zu dieser Gruppe zählen. Und dann gibt es solche, die jedem Pelorner irgendwie geläufig sind. Die Oberhäupter der großen Häuser freilich. Aber auch so mancher der Unterwelt. Meist ist es so, dass jeder weiß, um wen es sich handelt, dass jeder weiß, wo diese Leute wohnen, keiner jedoch einen dieser Leute auf der Straße erkennen würde. Und so weiß Lu wohl, dass Margral ein äußerst gewichtiger Mann ist, dass er in der Nähe der Melenischen Brücke zu Hause ist. Dass Margral einer jener Leute ist, die mit einem Fingerschnippen das Schicksal eines Menschen grundlegend verändern können. Sie weiß aber auch, dass jegliche Kontaktaufnahme mit ihm absolute Lebensgefahr bedeutet, wenn man keinen ordentlichen Fürsprecher hat. Und so ist gerade ihr größter Traum wahr geworden. Sie wird von jemandem geschickt, der wohl etwas zu sagen hat, und ist womöglich am selben Abend schon ihre gesamten Sorgen los. Sie fragt nicht, welcher Art diese Arbeit sein könnte. Es ist ihr, gelinde gesagt, ziemlich egal. Essen und Kleidung, jeden Tag, genügend für alle der kleinen Familie, jeder jener armen Schlucker in dieser darniederliegenden Stadt würde alles dafür tun.   "Sieben Arkh der Schwarzen Schlange," murmelt sie zum Abschied, ganz bewusst diesen in dem gesamten Imeria-Gebiet geläufigen Unterwelt-Gruß verwendend. Dann steckt sie den Beutel zu den bereits gesammelten Lebensmitteln und schleicht von dannen.   Dass sie ihre Schritte nun zur Melenischen Brücke wendet, ist zwar schon von vorneherein klar gewesen, nun aber jedoch mehr als je zuvor verständlich. Sie läuft mehr die leicht abschüssige Straße hinunter, als sie sie denn entlanggeht. Zu sehr ist sie nun aufgeregt, ja enthusiastisch. Vergessen scheint die herbe Enttäuschung des Vortages, als sie sich ebenfalls am Ziel wähnte, dann aber schwer enttäuscht wurde. Je näher sie dieser Brücke kommt, desto besser scheinen die Gebäude zu beiden Seiten der Straße erhalten zu sein, bis sie schließlich, unmittelbar vor der Brücke, an ihr Ziel kommt. Ein dreistöckiges Haus, stattlich anzusehen, doch ohne überflüssigen Zierat steht hier, so wie es eben der Stil auf dieser Seite des Olifern ist. Vor langer Zeit war dies Coveani-Gebiet, und Coveani war immer schon ein Handelshaus gewesen, das auf Zweckmäßigkeit gebaut hat. Die Prachtbauten stehen mehr auf der Westseite des Olifern. Ein massives Tor aus Holz verschließt das Gebäude zur Straße hin. Ebenso massive, eiserne Beschläge sind zwar etwas angerostet, aber immer noch intakt. Zwei, drei Mal lässt sie einen schweren Klopfer auf das Tor niederfahren, in Erwartung, dass ihr geöffnet würde. Was danach geschehen würde, das lag ohnehin in den Händen der Zwillinge.