“Zu Befehl!”
Sigrun steht kurz stramm, macht eine militärische Kehrtwendung und verlässt dann, wohl vor Eicken, die Dienststube. Sie macht sich auf den Weg zum Waschraum, denn zu der Schwiegermutter der Schwester der Schwägerin der Großmutter der Kusine des Salzbarons, oder wie immer dieser Verwandtschaftsgrad nun lautete, da kann sie ganz unmöglich in einem verschwitzten Trainingsanzug auftauchen. Und da sie Eicken aufgefordert hat, einfach mitzukommen, bleibt dieser auch gar nichts übrig, als dies auch zu tun. Schließlich lässt es Sigrun selten heraushängen, aber sie ist nun mal die Ranghöhere der beiden.
Nun ist es freilich fraglich, ob es für Eicken wirklich ein Vergnügen ist, Sigrun beim Duschen zu beobachten. Beileibe gibt es hässlichere Vorstellungen als ihren Körper, der schön langsam von der sinnlichen, runden Weiblichkeit in den einer athletischen Soldatin übergeht, der aber auch über und über mit Schrammen und blauen Flecken bedeckt ist - ein Zeichen davon, dass sie wohl hart trainiert, aber noch meilenweit von der Perfektion, den die Kornett von ihren Soldaten erwartet, entfernt ist. Nun, Sigrun braucht wohl einige Minuten länger als Eicken, auch deshalb, weil sie nach dem Duschen einige Lotionen aus kunstvoll gefertigten Flakons auf ihren Körper streicht, vor einem Spiegel ihren Zopf in nahezu perfekter Symmetrie flicht. Danach wird Eicken sie wohl zu ihrer Kammer begleiten müssen. Perfekte Ordnung herrscht darin, einzig der über dem Tisch ausgebreitete Plan der Stadt fällt auf, den sich Sigrun immer noch jeden Abend genau einprägt. Auch hier wird sich Eicken wohl wundern, wie viele Details man beachten kann, bis eine Uniform perfekt sitzt. Doch schließlich ist Sigrun zum Aufbruch bereit.
Das Studium des Stadtplans hat sich insofern ausgezahlt, dass Sigrun wohl weiß, wo besagtes Gartenpalais zu finden ist, ohne irgendwann bewusst dort hingelaufen zu sein. Erst als die beiden ein gehöriges Stück von der Kaserne entfernt sind, beginnt Sigrun mit Eicken zu plaudern.
“Liebe Eicken,” beginnt sie also, “mir ist es natürlich absolut unbekannt, wie du über diese Sache denkst, aber ich bin der Ansicht, dass es womöglich wenig Unterschied macht, verschiedentliche Latrinen zu säubern oder aber sich den Kopf an den Hirngespinsten einer senilen alten, wenn auch adeligen Dame zu zermartern.”
Sie wirft Eicken einen vielsagenden, für ihre Verhältnisse gar zu eindeutigen Blick zu. Dann läuft sie aber weiter, ganz unabhängig davon, welche Antwort Eicken ihr denn geben will, und wenig später stehen sie auch schon vor besagtem Gartenpalais. Sigrun nimmt den schweren Klopfer in die Hand und lässt ihn drei Mal auf das massive Holz des Tores prallen.