Sat, Jun 15th 2024 02:41
Edited on Fri, Sep 13th 2024 09:01
Am frühen Nachmittag betritt Theomer den Lachenden Zwilling und steuert seinen üblichen Platz an. Seiner Rippe geht es besser und er ist froh, zumindest den Vormittag in Ruhe im Skriptorium verbracht zu haben, auch wenn die Nachricht von Sayas Entführung ihm schwer im Magen liegt.
Auch wenn die Dargha gewaltbereit und nur halb zurechnungsfähig ist, hat er das Gefühl, mit ihr besser klar zu kommen als mit einem eventuellen Nachfolger.
Gerade als er sich gesetzt hat, steuert Ruthard seinen Platz an und balanciert ein Tablett mit ein paar Scheiben Brot, Käse und einem Krug Wasser an seinen Tisch.
„Zum Glück bist du da, Theomer, wir haben Ungeziefer im Haus!“, erklärt der alte Wirt kryptisch und stellt das Tablett vor ihm ab.
„Das hab ich gehört, Alterchen!“, kräht eine beleidigte Jungenstimme aus einer dunklen Ecke und unter einem Tisch hervor kriecht… Basso, der sich breitbeinig vor Theomer aufbaut. „Ich warte schon seit Stunden auf euch, dieser alte Zausel wollte mir nicht glauben, dass wir verabredet sind und mir nicht mal einen Kanten Brot geben!“ Aus seinen Worten spricht der Zorn des Gerechten und Theomer muss lauthals lachen.
„Basso gehört zu mir, Ruthard, bring ihm auch einen Teller,“ erklärt er dem verblüfften Wirt, der der Aufforderung aber nachkommt. Bald darauf macht der Junge sich über einen Teller mit Käse, Brot, Zwiebeln und Karotten her, als wäre er halb verhungert. Was er vermutlich auch ist.
„Ich dachte schon, ihr wolltet mich verschaukeln!“, erklärt er mit vollem Mund.
„Nein, es war mein Ernst, ich kann jemanden wie dich brauchen!“
„Was heißt: jemanden wie mich? Ich mach keinen Schweinkram!“, in seinem Blick kämpfen Misstrauen und Hoffnung miteinander
„Schweinkram? Bei den Zwillingen, nein!“ Theomer schüttelt angewidert den Kopf. „Ich brauche jemanden, der sich auf der Straße auskennt, schnell ist, unauffällig und aufmerksam!“ – ´Ich brauche jemanden wie Mari, setzt er in Gedanken hinzu. Ein Jammer, dass er der dürren Kellerratte nicht mehr vertrauen kann, seit sie dermaßen in Saya verschossen ist.
Basso stopft Käse und Brot in sich rein, als rechnete er damit, dass man ihm den Teller jederzeit wieder entreißen würde.
„Dein erster Auftrag,“ erklärt Theomer und schiebt Basso eine erkleckliche Anzahl Filis über den Tisch „ist es, in die Stadt zu gehen und gegenüber vom Skriptorium in der Schreibstube Wachstafeln, Griffeln, Kreide und die größte Schreibtafel zu kaufen, die du tragen kannst.“
Die Augen des Straßenjungen weiten sich beim Anblick des Geldes. Er wischt sich den Mund am Ärmel ab und sieht Theomer verwirrt an. „Und wenn ich mit dem ganzen Geld einfach verschwinde?“, fragt er verblüfft.
„Dann habe ich etwas gelernt und du eine Gelegenheit verpasst.“
Bassos Augen gehen von dem Geld zu Theomer und wieder zurück. Dann nickt er und mit einer blitzschnellen Bewegung schaufelt er das Geld in seine Hosentasche. „Ich kümmere mich um euren Schreibkram“, erklärt er und fährt mit Essen fort.
„Bring die Sachen dann am besten hierher, ich sage Ruthard Bescheid und er sagt dir dann, wohin du sie stellen sollst.“ Er hebt zwei Finger hoch. „Dein zweiter Auftrag beginnt heute Abend in der Schmutzigen Ente. Du erinnerst dich an die Frau, die heute Morgen bei mir war?“ Basso grinst breit. „Die Schwarzhaarige? Klar, die war ein bisschen komisch, aber hatte hammer Titten!“
Theomer zieht die Augenbrauen hoch und mustert den Jungen tadelnd. „So redet man nicht! Jedenfalls würdest du sie wiedererkennen. Sie trifft sich heute Abend mit jemandem in der Schmutzigen Ente. Ich möchte, dass du demjenigen folgst und mir berichtest, wohin er gegangen ist und ob er jemanden getroffen hat. Kriegst du das hin?“
„Klar krieg ich das hin!“, meint Basso mit einer wegwerfenden Handbewegung.
„Schön, dann geh jetzt zum Skriptorium und sei rechtzeitig an der Schmutzigen Ente.“