Wieder hört Lua zu, eine Antwort bleibt sie dieses Mal aber schuldig. Gerne nimmt sie aber noch eine Schüssel von der Suppe. Sie weiß schließlich, dass von nun an jede Mahlzeit wieder Goldes Wert sein wird, dass der Kampf um das Überleben wieder unbarmherzig sein wird. Und doch ist es natürlich äußerst beruhigend, im Notfall eine Anlaufstelle zu haben. Sie glaubt dem Mann, der ihr anscheinend so viel Gutes will. Und wenn er sie auch täuschen wollte, wenn er sie ausrauben wollte - nun, er könnte sie bei den Beinen packen und kopfüber durchschütteln, kein einziger Fili würde herausfallen. Auch sonst, nun, all das, was er ihr antun könnte, könnte ihr auch auf der Straße jeden Tag von neuem blühen. Sie schaut ihm in die Augen. Es ist ein warmer, dankbarer Blick. Und so schaut sie eine ganze Weile, bevor sie sich nun doch zum Tisch setzt und ebenso schweigend ihre Suppe löffelt. Obwohl sie nun doch einige Wochen im Schoße Imerias gelebt hat, macht sie dies immer noch so, wie es die Leute der Straße eben so tun: mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit, denn das, was man einmal im Bauch hat, das kann einem nicht mehr weggenommen werden. Bald ist auch die Schüssel wieder leer. Dann schaut sie Leif wieder an.
“Vielen Dank,” antwortet sie dann doch auf das, was er ihr gesagt hat. “Das bedeutet mir sehr viel. Aber macht Euch um mich nicht zu viele Sorgen. Ich habe mich lange genug durchgeschlagen, ich weiß, wie das geht. Auch möchte ich mich wirklich nicht davonstehlen. Ich gebe Euch auch mein Wort, dass ich nichts mitgehen lassen werde. Ihr habt so viel Gutes für mich getan, ich könnte das einfach nicht. Aber ich muss morgen bei Morgengrauen am Arsenal sein. Die guten Arbeiten sind immer schnell weg, und Ihr könnt mir glauben, Fische auszunehmen ist nicht gerade das, was sich jeder so wünscht. Einmal gab mir ein Fremder fünf Filis nur dafür, dass ich ihm den Weg zu Coveani-Residenz zeigte. Vielleicht ist ja morgen wieder so ein Tag, wer weiß?”
Wieder schenkt sie ihm eines ihrer zaghaften Lächeln. Sie hilft ihm, den Tisch abzuräumen. Danach legt sie sich in eine Ecke des Raumes.
“So, jetzt bin ich ganz froh, endlich einmal ordentlich schlafen zu können,” sagt sie zu Leif. Sie rollt sich schließlich zusammen, den Kopf auf ihren gesunden Arm gelegt, den anderen über die Knie.
“Gute Nacht, und noch einmal, vielen Dank für alles,” murmelt sie nun mehr als dass sie es sagt. Einige Augenblicke später ist sie dann auch schon eingeschlafen.