Saya schüttelt den Kopf. Langsam, gerade wahrnehmbar.
„Nein,“ sagt sie ruhig und kalt. „So funktioniert das nicht. Wer am Balken hängt, stellt keine Bedingungen. Und von denen, die ich habe, werden die freigelassen, die es sich verdienen. Und da deine Schwester Theomer gevögelt hat, muss ich erst sehen, ob sie es sich verdient. Oder ob sie es sich vielmehr verdient, in Stücke gerissen und von den Würmern gefressen zu werden, so wie es Theomer tun wird, wenn ich ihn in die Finger kriege. Und bis dahin, da mache ich genau das, was ich will, und sicher nicht das, was du dir wünscht.“
Es ist eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk heraus, ganz nebenher ausgeführt. Doch ist diese Handbewegung heftig genug, dass die Schnüre sich wieder in Bewegung setzen, dieses Mal in Meras Richtung. Es ist keine Wucht in dem Schlag. Von den neun Schnüren prallen sieben an Meras Haut ab, hinterlassen nur kleine Kratzer. Zwei bleiben an ihrer rechten Brust stecken, durchdringen jedoch nicht vollends ihre Haut. Und so geschieht das Herausziehen auch geräuschlos. Freilich ist es nicht angenehm, doch reicht der Schmerz bei Weitem nicht an die Peitschenhiebe heran, die Mera bereits erhalten hat. Zwei kleine Male bleiben zurück, an einem davon bildet sich langsam ein Tropfen Blut, der irgendwann über die Brust auf den Bauch rinnt. Saya hat gar nicht hingesehen, sie sieht nur zu Andeth.
„Aber du hast Glück,“ fährt sie dann fort. „Ich habe heute wohl meinen guten Tag. Ich werde dir deinen Wunsch wenigstens teilweise erfüllen.“
Sie winkt Condir heran und gibt ihm Anweisungen. Nun machen sich denn auch die Jäger daran, die Gefangenen einen nach dem anderen aus dem Raum zu führen – wenn auch niemand von ihnen die Kleider zurückerhält. Astrid und Mera kommen in den Raum, den Astrid inzwischen zur genüge kennen sollte. Ein kahles Zimmer, bei geschlossener Türe im Halbdunkel gelegen. Ein grob gezimmerter Holzboden, ein Strohsack in einer Ecke. Der Raum wirkt wohl wenig einladend, doch ist er wenigstens trocken, und da es sich um einen warmen Tag handelt, auch gar nicht so kalt. Beiden werden die Fesseln abgenommen, sie können sich frei bewegen. In einer Ecke steht ein Napf mit einem wohl essbaren Irgendetwas, eine Art wässriger Eintopf, aus Resten gekocht. Besteck gibt es jedoch keines.
Leif wird in den Keller gebracht, in den Keller, in dem Lisina die letzte Nacht verbracht hat. Er wird an den Ring gefesselt, an den Lisina gekettet war. Er hat es weit schlechter getroffen. Kühl und feucht ist der Keller, und nach dem Abgang der Jäger befindet er sich in absoluter Dunkelheit. Das schlimmste ist jedoch der Ring, an den er mit auf dem Rücken gefesselten Händen gebunden wurde. Er ist ungefähr einen halben Meter vom Boden entfernt. Er kann also nicht aufrecht stehen, er kann aber auch nicht sitzen, ohne dass es gehörig in den Schultern zieht. Auch einen Napf, so wie ihn die zwei Frauen vorfinden, wird er vergeblich suchen.
Die drei Männer der Brauerei schließlich werden in eine Kammer gesperrt, die hinter den Räumen der Jäger liegt. Sie werden weder entfesselt noch angebunden. Und auch sie bekommen einen Napf mit dem ominösen Eintopf.
Lisina schließlich wird in Sayas Esszimmer gebracht und mit der Kette an ihrem Sklavenkragen an den Ring in der Wand gekettet. Auch sie bekommt noch immer weder zu essen noch zu trinken – dafür hat sie zum ersten Mal, seit sie in dieses Haus gekommen ist, die Hände frei, womit sie sich nun wohl zum ersten Mal kratzen kann, sollte es irgendwo jucken. Dafür wird sie natürlich gehörig von den beiden Gestalten begafft, sie, die nackte, wohl ziemlich ramponierte, doch immer noch schöne Blonde. Die Gestalten sind eh schon durch den Anblick Gulamas in Stimmung – wer weiß, was sie nun tun werden, und ob jemand Lisina zu Hilfe kommen würde.
Saya indes wendet sich nun wieder an Andeth.
„Nun,“ sagt sie schließlich, „wir sind allein. Und nun – rede!“