BUILD YOUR OWN WORLD Like what you see? Become the Master of your own Universe!
Sun, Mar 10th 2024 06:44   Edited on Sun, Apr 28th 2024 06:11

[Tag 13 Morgen] Der Tanz der Farben

Laut hallt die empörte Stimme Auris’ aus der Küche durch die morgendliche Stille im kleinen Palais an der Prenna. “Bei Borsens Eiern, du Unglücksweib, das ist pure Erpressung! Ah, was sage ich, Nötigung ist das! Gib mir den Schlüssel, Skira oder bei Afyras Arschbacken ich ..ich..” In seiner Empörung fällt Auris im Moment keine geeignete Sanktion ein, mit der er drohen könnte. “Nichts da.”: entgegnet Skira fest, die in einer Hand einen Becher hält, dem übler Geruch entströmt und in der Anderen den Schlüssel zum Weinkeller, denn sie fest umklammert. “Keine Medizin, kein Schlüssel, kein 99er, nicht einmal den 96er Magensäuerling, keine Fladen, keinen Eintopf.” Ihre Pausbacken sind gerötet und ihre Augen blitzen angriffslustig.   “Egor! Egor! Wo ist dieser unseelige Nichtsnutz, wenn man ihn einmal braucht!: ruft Auris, dann wettert er weiter: “Willst mir den Giftbecher reichen, tückischer Küchendrache, und das Licht der Kunst in diesem Jammertal von Welt für Generationen verlöschen lassen?” “Das ist kein Giftbecher, das ist eure Medizin, vom Arzt selbst gemischt.”: erklärt Skira ohne sich durch das Gezetter beeindrucken zu lassen. “Ihr solltet sie trinken, solange sie noch warm ist.”   Auris schüttel die Hände gegen den Himmel. “Eru alter Blutschänder, sag mir womit habe ich das verdient? Dieser Kurpfuscher, dieser lausige Bader bringt mit seinen Tränken mehr Unschuldige unter die Erde als Borsen höchstselbst. Willst du mir den Pinsel aus der Hand reißen und mich in die Schattengefilde verbannen?”   “Dann habt ihr endlich Gelegenheit, Afyras Titten zu malen. Ihr redet ja oft genug davon. Also beschwert euch nicht und trinkt eure Medizin!”: schnappt Skira zurück. Auris ringt nach Luft, aber dann gibt er sich geschlagen. “Gib schon her, Fluch meiner alten Tage.” Mit Todesverachtung stürzt er den gallebitteren, übelriechenden Trank hinunter und Skira muß sich schwer zurückhalten, um nicht laut loszuprusten bei der Grimasse, die Auris dabei schneidet.   “So ist es gut!:” sagt sie und reicht Auris den Schlüssel. In dem Moment kommt Egor, der sich wohlweislich bis jetzt verborgen gehalten hatte, in die Küche. “Ihr habt gerufen, Herr?”: erkundigt er sich unschuldig. Auris bedenkt ihn mit einem giftigen Blick.    “Kollaborateur, abgefeimter! Geh und hol mir zwei Flaschen 99er bevor mich dieses Gebräu in Krämpfe verfallen läßt.” “Ich habe eure Fleischküchlein im Ofen, Herr. Sie sind bald fertig.”: sagt Skira und die Aussicht auf Skiras ofenwarme Fleischküchlein und den einen oder andren Becher besänftigt Auris wieder einigermaßen.  
Tue, Mar 12th 2024 10:09

Lua erwacht erst, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster auf ihr Gesicht scheinen. Kaum hat sie jemals so lange geschlafen, aber es ist in dem Haus des Malers länger ruhig als an all den Orten, die sie bisher kennengelernt hat. Nun allerdings hört sie doch reichlich laute Stimmen. Der Meister streitet wohl wieder mit seinen Dienern. Ein wohliges, glückliches Lächeln legt sich auf ihre Lippen. Selten hat sie friedfertigere Streitereien gesehen, als die, die in diesem Haus in einer Tour ausgetragen werden. Fast will sie sich enger in die weichen Decken kuscheln, da kommt ihr ein Gedanke: Der Meister wollte sie doch in der Morgensonne malen, und da würde er wohl oder übel ihrer Präsenz bedürfen. Lua springt aus dem Bett, streift kurz die Laken und die Decken zurecht, schlüpft aus ihrer Hose und streift sich das weiße Kleid über, das sie gestern abend ausgesucht hat.   Es ist weiß, ärmellos, mit einem runden Ausschnitt und reicht ihr bis knapp oberhalb ihrer Knie, ansonsten ganz und gar einfach, aus einem seidigen, leicht glänzenden Stoff aber ohne jegliches Muster. Nun, was Lua nicht weiß, ist, dass es sich hier um ein Unterkleid handelt, und dass der Schneider wohl damit gerechnet hat, dass der Träger darüber noch ein Oberkleid trägt. Doch ist Lua schon nur die Existenz solch eines Kleidungsstück unbekannt, also ist es für sie auch unmöglich, es als solches zu identifizieren.   Nun, Lua kommt nun also in das Esszimmer. Nein, sie ist nicht nackt, und doch scheint die Sonne durch das Kleid hindurch und lässt sämtliche Konturen ihres Körpers nur allzu gut erkennen. Allein, Lua ahnt hiervon nichts.
Wed, Mar 13th 2024 02:00   Edited on Wed, Mar 13th 2024 02:01

Als Lua in ihrem weißen Unterkleid den Salon betritt, sitzt Auris mit einem angebissenen Fleischküchlein in der Hand an seinem Platz am Kopfende der Tafel und ruft in die Küche. “Den Drachen nehme ich zurück, Skira, aber bei tückisch bleibt es, hörst du?” Er will in dem Moment noch einen Bissen zu sich nehmen, als er Lua bemerkt. Für einen Moment sitzt er da, den Mund weit aufgerissen, die kleine Fleischpastete in der Hand und starrt Lua an. Das Morgenlicht macht das dünne Unterkleidchen nahezu vollständig durchsichtig, läßt ihre Konturen weicher erscheinen, vergoldet ihre Haut und läßt ihr Haar aufleuchten.   “Bleib stehen! Bleib stehen, Lua und bei Afyras Titten, rühr dich nicht! Egor! Egor!”: ruft er lauthals. “Die Wasserfarben und Papier, schnell, schnell! Skira, Wasser, hurtig, beweg dich!” Achtlos schiebt das Geschirr, Essen und sogar seinen Weinbecher zur Seite. “Wo bleiben Farben und Papier?”: ruft er und da ist Egor auch schon mit einer Farbkassette und Papier zurück. Auch Skira kommt im Laufschritt an gekeucht und bringt das verlangte Wasser.   Mit fliegenden Fingern breitet er Papier auf dem Tisch aus und dann beginnt er fieberhaft zu malen. Einem Beobachter mochte es scheinen, als würde er anfangs nur wahllos Farben in großen Klecksen auf dem Papier verteilen, doch dann beginnen die Farben zu tanzen und Licht und Umrisse schälen sich aus dem scheinbaren Chaos. Auris ist nur mehr Pinsel und Auge, nimmt außer Lua und dem Papier, mit dem er um die Seele dessen, was er sieht, mit der Hingabe eines Liebhabers ringt, nichts mehr wahr. Aber das Licht wandert mit dem Lauf der Sonne und irgendwann wirft Auris den Pinsel hin.   Eine ganze Weile starrt er auf sein Werk, dann hebt er lächelnd den Kopf. “Ich hab's! Ich hab's! Jetzt habe ich dich gesehen, Lua, zum ersten Mal habe ich dich wirklich gesehen. Ich werde dich malen und bei Afyras Titten, dein Licht wird durch die Jahrhunderte leuchten wie die Sonne durch dieses Fenster.” Dann lehnt er sich zurück und wirkt mit einem Male müde. “Setzt dich, Lua. Setzt dich, iß was und trink einen.” Vorsichtig legt er den bemalten Bogen zur Seite. “Schenk mir ein, Egor und dann räume bitte die Farben fort.”  
Wed, Mar 13th 2024 10:58

Wie angewurzelt bleibt Lua stehen, mit großen, staunenden Augen und diesem Hauch eines Lächelns auf den Lippen, das Auris’ Ausbrüche fast immer hervorrufen. Sie hat zwar keine Ahnung, worauf der Künstler nun hinaus will, schließlich trägt sie ja nur ein ganz normales, weißes Kleid. Nach wie vor ist ihr der Effekt, den das Kleid, die Sonne und ihr noch jugendlich straffer Körper in Kombination auf Auris haben könnten. Und so steht sie da, und steht, und steht. Irgendwann wünscht sie sich, sie wäre doch in der Nacht einmal zu Rikka gegangen, denn sie hat Durst. Ordentlichen Durst, den sie sich gar nicht einmal richtig erklären kann.   Aber im Endeffekt hat alles einmal ein Ende, und irgendwann zeigt die Sonne auch in diesem Fall ihr Erbarmen, Auris legt Pinsel und Farben weg. Endlich kann Lua weitergehen, bis zum Tisch, noch immer mit reichlich erstauntem, fragenden Gesichtsausdruck. Schon will sie sich auf denselben Stuhl setzen, auf dem sie auch am Vorabend gesessen ist, doch da fallen ihr Rikkas Worte ein, was die Bedeutung dieses einen, bestimmten Sessels betrifft. Sie bleibt also stehen, schaut Auris an und lässt nur ein recht schüchternes “Guten Morgen” hören.
Thu, Mar 14th 2024 08:33

“Guten Morgen! Komm, Mädchen, steh doch nicht herum wie ein karischer Orakelpriester, setzt dich.” :sagt Auris und deutet auf den Stuhl neben sich. “Greif zu! Die Fleischküchlein sind auch lauwarm noch eine Gaumenfreude. Egor, schenk ihr ein. Du warst ganz und gar großartig, meine Liebe. Du brauchst Licht damit dein Licht zu leuchten beginnt und bei Anais Nabel du leuchtest wirklich.” Er trinkt ihr zu und macht einen kräftigen Schluck. Der Wein scheint ihn wieder etwas zu beleben. Über den Rand seines Bechers schaut er Lua an. “Ich fürchte, meine Liebe, du wirst dich auf einen längeren Aufenthalt hier bei uns einstellen müssen. Ein Bild von dir ist nicht genug! Keinesfalls!” Er hebt die Rechte mit ausgestrecktem Zeigefinger gegen die Decke des Raumes.   “Ich werde dich sitzend malen, gehend, im Garten, völlig nackt in allen Posen, als Kaiserin, Göttin und Hetäre und auf jeden Fall in einem dieser Unterkleidchen. Du, meine Liebe, und diese Unterkleidchen ihr verschmelzt zur hermetischen Kombination von ätherischer und doch sinnlicher Schönheit, zur frühlingshaften Blüte aller betörender Weiblichkeit in poetischer Verlockung! Wenn wir längst vergangen sind, in hunderten von Jahren werden diejenigen, die Augen haben, um wahrhaft zu sehen, immer noch das Knie vor deiner Schönheit beugen, die sich in den Bildern spiegeln wird. Mögen mir sämtliche Götter und Göttchen die Kraft geben, dieses Werk noch zu vollbringen, bevor mir der Pinsel aus der Hand fällt. Ich trinke auf dich, Lua und das Geschick, das dich mir über den Weg laufen ließ.”   Er trinkt seinen Becher leer und gibt Egor ein Zeichen nachzufüllen. “Wir haben also eine Menge Arbeit vor uns, meine Liebe, aber jetzt frühstücke erst einmal. Ah, bevor ich es vergesse, hast du Lust dir die Residenz anzusehen?” Er feuchtet sich gleich nochmals die Kehle an.  
Fri, Mar 15th 2024 07:57

Lua setzt sich auf den ihr erneut zugewiesenen Stuhl und stillt erst einmal ihren Durst. Und da nichts anderes da ist, tut sie es eben mit dem Wein, der sich in ihrem Glas befindet. Dann hört sie erst einmal ihrem Auftrag- und Gastgeber zu. Zunächst noch mit einem überaus erfreuen Gesichtsausdruck - schließlich ist ein längerer Aufenthalt in diesem Haus keineswegs ein schlechtes Geschäft für sie, ihr Zimmer allemal besser als ein Kellerloch und Fleischküchlein immerhin das bessere essen als halb verschimmeltes Brot in immer derselben Grütze. Je weiter Auris jedoch spricht, desto mehr weiten sich ihre Augen. Zwischendurch nickt sie, wohl zum Zeichen, dass sie verstanden hätte. Doch würde Auris diesen Gesichtsausdruck malen, so würden in hundert Jahren jene, die Augen haben, wahrhaft sehen, wie das Angesicht erstaunter Verständnislosigkeit aussieht.   “Als Kaiserin, Göttin und Hatari,” wiederholt sie leise und fast richtig. Dann scheint sie noch eine Weile darüber nachzudenken, was der Meister überhaupt alles gesagt hat. Dann jedoch wird sie aus ihren Gedanken gerissen.   “Die Residenz?” fragt sie nun, ist augenscheinlich komplett von den Socken. “Kann man die denn einfach so besichtigen? Ich meine, so jemanden wie mich, die lassen die da doch nie im Leben rein!”
Sat, Mar 16th 2024 11:19

“Nein, so einfach besichtigen kann man sie nicht.”: schmunzelt Auris. “Aber..” Der Zeigefinger der Linken wandert wieder in die Höhe, “auch so jemanden wie dich lassen sie dort rein, wenn sie mit jemanden sowie mir samt Einladung dort hineinspaziert.” Er blinzelt ihr zu. “Und dieser jemand so wie ich wird eine Einladung haben.”: fügt er vergnügt hinzu. “Es ist Tradition, dass am Abend nach der Ankunft der Salzkarawane ein Empfang für die Offiziere des Begleitkommandos, Kaufleute, andere Geldsäcke und ein paar merkwürdigen Gesellen als Aufputz stattfindet. Die Karawane muß dieser Tage eintreffen. Ich werde zwar immer zu diesem Empfang eingeladen, gehe aber nicht oft hin. Ich dachte mir vielleicht hast du Lust dir die ganzen Afterkriecher, Speichellecker, Uniformträger und Filisfuchser einmal anzusehen, damit du mit eigenen Augen siehst welche Kretins du für so gescheit und etwas Besseres hältst. Außerdem könnten wir uns hervorragenden Wein munden lassen und das Buffet plündern und…..” Auris grinst schelmisch, “du könntest die ganzen aufgedonnerten Schreckschrauben mit ihren Perücken und falschen Goldringen grün werden lassen vor Neid. Schade nur das du nicht mit diesem Unterkleidchen hingehen kannst, denn dann würden sie nicht bloß grün werden vor Neid sondern platzen. Mit einem Wort wir könnten uns schrecklich amüsieren. Was sagst du? Gehen wir?”  
Sun, Mar 17th 2024 02:55

“Auf einen Empfang?!”   Lua sieht Auris, wie so oft, mit großen, erstaunten Augen an, man kann sehen wie sie zwischen Vorfreude, Aufregung und auch Angst hin und hergerissen ist. Auch deshalb, da sie sich nicht so richtig vorstellen kann, was das ist, so ein Empfang.   “Aber, was soll ich da denn dann für ein Kleid anziehen? Das Rote? Würde das passen? Und ich kann mir ja gar nicht das Gesicht anmalen, so wie es die reichen Frauen tun. Und ich weiß ja gar nicht, was ich da tun muss, auf dem Empfang, was ich da sagen soll. Und was mache ich, wenn jemand beginnt, mit mir über wichtige Dinge zu reden? Ich weiß ja gar nichts über die wichtigen Dinge. Ich kann ja gerade mal bis 10 zählen und lesen kann ich auch nicht.”   Während sie redet, rutscht sie unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, und vor lauter Aufregung stopft sie sich plötzlich ein ganzes Fleischküchlein in den Mund. Sie will noch etwas hinzufügen, aber das geht jetzt beim besten Willen nicht. Hastig kaut sie, schluckt, spült etwas Wein hinterher.   “Habt Ihr denn keine Angst, ich könnte euch auf dem Empfang vollends blamieren?”  
Sun, Mar 17th 2024 11:06   Edited on Sun, Mar 17th 2024 11:08

“Mich blamieren?”: entfährt es Auris und lacht, bis ihm die Tränen kommen. Er kann sich kaum beruhigen und japst nach einer Weile schon nach Luft. “Mich blamieren? Du bist köstlich, meine Liebe, ernsthaft. Du kannst mich nicht blamieren, selbst wenn du dich anstrengst und die nächsten Jahre fleißig übst.” Auris wischt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. “Ich wage sogar zu sagen, daß selbst deinen eifrigsten Bemühungen kein Erfolg beschieden sein würde, der nur im Entferntesten an das herankommt, was ich in den Augen dieser Kretins selbst besorgt habe. Ich habe mich fast um meinen Kopf blamiert, also bitte mach dir keine Sorgen.”   Auris labt sich mit einem kräftigen Schluck. “Wichtige Dinge? Pff, diese geistigen Kümmerlinge faseln über Geld, Geld und noch einmal Geld, Macht, setzen tückische Gerüchte in die Welt und zerreißen sich die Mäuler über Ihresgleichen. Du wirst in deiner vollendeten Grazie an diesen Parasiten vorbeischweben und sie mit deinem bezaubernden Lächeln in die Weichteile treten, figurativ gesprochen natürlich. Wenn du reden willst, dann rede wie dir der Schnabel gewachsen ist und denk immer daran, wenn du einen dieser Kretins ohne Diener und pralle Börse dort aussetzt, wo du gelebt hast, die keine Stunde überdauern. Das Kleid, das ist eine gute Frage, rot steht dir ohne Zweifel aber wir werden sehen. Dein Gesicht anmalen? Hättest du zwar nicht nötig, meine Liebe, aber das Schminken wird Rikka übernehmen und dir eine Frisur zaubern, die Kaiserin Narissena erblassen lassen würde und was das Zählen angeht, das werden wir beheben. Du siehst, es ist für alles gesorgt. Nun werdet ihr mir die Ehre geben, werteste Lua?”: erkundigt er sich mit einer angedeuteten Verbeugung und einem spitzbübischen Grinsen.  
Mon, Mar 18th 2024 11:12

Auris versteht es, Honig um Luas Maul zu schmieren. Und letztendlich ist sie auch naiv genug, nicht darüber nachzudenken, ob sich dahinter irgendwelche Hintergedanken seitens des Malers verbergen könnten. Die Antwort lässt also nicht lange auf sich warten. Freilich, zunächst geht ein Leuchten in Luas Augen, dann macht sich auf ihrem Gesicht ein erfreutes, helles, klares und somit auch ziemlich unwiderstehliches Lächeln breit.   “Aber natürlich gebe ich Euch die Ehre, wertester Auris!” antwortet sie also so laut, wie sie sich noch selten ihm gegenüber geäußert hat. Wobei sie freilich, etwas leiser, etwas schüchterner hinzufügt: “Doch die Ehre, die ist schon auf meiner Seite. Ich bin doch ein Nichts, und Ihr lässt mich fühlen, als wäre ich etwas Besonderes.”   Eine kleine Weile sitzt sie nun da, sie vergisst die Fleischküchlein, sie vergisst den Wein auf dem Tisch, sie schaut einfach nur zu Auris, mit einem wohlwollenden, ja fast liebenden Blick. Und schließlich beugt sie sich zu dem Künstler, legt einen Arm um seinen Hals und küsst ihn auf seine Wange.  
Tue, Mar 19th 2024 07:28

Der Moment in dem Lua Auris umarmt und ihn auf die Wange küßt, ist einer der äußerst raren Augenblicke, in denen es Auris komplett die Sprache verschlägt. Als er seine Rührung überwindet und versucht sie hinter lauten Worten zu verstecken, kann er seine Freude nicht ganz verbergen. “Eh, mach dir das nicht zur Gewohnheit, Lua, sonst könnte ein alter Esel wie ich noch auf Gedanken kommen und das will ich dir wahrhaft nicht zumuten.”: sagt er, aber der übliche launige Ton will ihm nicht so recht gelingen. So tritt er den Rückzug an. “Ich..äh..ja ich muß noch die Skizze übertragen so lang es noch alles frisch ist in meinem Kopf.” Er steht auf und nimmt die Farbskizze. “Dazu brauche ich dich nicht, meine Liebe. Egor wird dir in der Zwischenzeit die Welt der Zahlen aufschließen. Ich hole dich, wenn ich eh...fertig bin.”: sagt Auris und macht sich davon, hinauf in sein Atelier. Oben angelangt läßt er sich auf einen Hocker sacken und sitzt eine ganze Weile nur da und starrt vor sich hin. Dann steht er auf und weist sich mit leiser Stimme selbst zurecht: “Verdammter alter Narr, denk nicht einmal daran!” Er findet eine angebrochene Weinflasche, setzt sie an und trinkt ein paar kräftige Schlucke, bevor er sich an die Arbeit macht.  
Wed, Mar 20th 2024 07:52

Nun mag Lua keine ausgebildete Psychologin sein, doch ist sie empathisch genug, um genau zu fühlen, dass irgendetwas nicht stimmt. Allein vermag sie nicht recht zu deuten, womit es sich bei dem doch recht abrupten Rückzug des Meisters auf sich hat. So sieht sie ihm zunächst ziemlich verwirrt nach, bis er den Raum verlassen hat. Dann macht sie noch einen Schluck von ihrem Wein - der nun wieder weit weniger gut schmeckt als gerade noch vorhin. Auch das Fleischküchlein, das sie sich nachdenklich in den Mund schiebt, wird eine halbe Ewigkeit lang gekaut, bwohl es weich genug wäre, es auch mit viel weniger Aufwand hinunterschlucken zu können. Wieder geht ihr Blick zu der Tür, durch die der Meister gerade verschwunden ist.   Schließlich wendet sie sich an Egor, der immer noch im Saal steht, so wie es ein guter Diener eben tut, darauf wartend, dass jemand seine Wünsche äußern möchte. Warum er allerdings nun, da der Herr des Hauses gar nicht mehr zugegen ist, und sich nur mehr Lua in dem Speisezimmer befindet, immer noch die Stellung hält, das weiß wohl Egor am Besten.   “Habe ich irgendetwas falsch gemacht?” fragt sie ihn schüchtern, fast schon schuldbewusst.
Wed, Mar 20th 2024 08:26

[Egor] Der bullige Egor lächelt und schüttelt den Kopf. “Gar nichts hast du falsch gemacht, Lua. Eher das Gegenteil.” Er kommt an den Tisch und setzt sich auf den Stuhl neben Lua. “Er mag dich, aber das hast du sicher auch schon mitbekommen.” Er nimmt sich eine der kleinen Fleischpasteten, den Wein rührt er aber nicht an. “Ich bin schon so lange bei ihm, daß ich ihn ganz gut kenne und ich habe ihn selten verlegen gesehen. Aber heute war er es und konnte es nicht gleich verstecken. Es paßt ihm nicht, wenn du ihm in die Karten sehen kannst, also hat er den Rückzug angetreten.”   Egor schmunzelt. “Mach dir keine Sorgen, er ist dir wegen nichts böse, ganz im Gegenteil.” Er verspeist genüßlich seine Pastete. “Nun ja, ich soll dir das Zählen beibringen oder wie der Meister es nennt die Welt der Zahlen aufschließen.” Er zieht einen Geldbeutel aus seiner Tasche. “Wenn du noch fertig frühstücken willst, kein Problem, wir haben Zeit. Sobald wird er nicht herunterkommen. “  
Wed, Mar 20th 2024 11:04

Die Erleichterung scheint Lua ins Gesicht geschrieben. Die Angst, irgendwann hinausgeworfen zu werden, ist bei ihr allgegenwärtig, so sehr fürchtet sie sich davor. Denn die Begegnung mit Auris ist für sie ein mehrfacher Glücksfall, eigentlich so viel Glück, dass sie es immer noch nicht fassen kann. Zum einen verdient sie freilich nicht schlecht und lebt wirklich so, wie es nur die Reichen der Stadt tun. Aber, und das wird sie sich immer mehr gewahr, ist es die Aufnahme in dieses Haus, das ihr mindestens ebenso wichtig ist. Sie, die plötzlich ganz allein gewesen war, ist ganz plötzlich in einen neuen Haushalt eingetaucht. Doch anstatt Skepsis oder gar Missgunst zu erfahren, bringt ihr jeder eine Herzlichkeit entgegen, als würde das Schicksal der jungen Dame jeden einzelnen ganz persönlich tangieren. Eben so wie jetzt der bullige Kammerdiener, der das dahergelaufene Straßenmädchen nicht etwa mit vornehmer Abschätzigkeit behandelt, sondern sich neben sie setzt und mit redet, als wäre Lua eine alte Freundin. Dementsprechend schnell verfliegen auch Luas Sorgen, und das Leuchten kehrt in ihre Augen zurück. Sie sagt zwar nichts zu der Erklärung des Dieners, doch sollte ihre Mimik Antwort genug sein.   Schnell schiebt sie ihren Teller zur Seite.   “Wenn ich noch weiter frühstücke,” antwortet sie auf Egors letzte Frage, “dann werde ich bald so kugelrund aussehen wie Sven Eiriksson! Also, ich denke wir können gerne mit der Welt der Zahlen beginnen.”   Sven Eiriksson ist in den Straßen der Stadt ein Begriff. Es handelt sich dabei um einen der reichsten Kaufleute der Stadt, einem der wenigen, denen es gelungen ist, während des letzten Häuserkrieges durch geschicktes Taktieren und Lavieren seinen ohnehin schon beträchtlichen Reichtum in gar astronomische Höhen zu schrauben. Es gibt gar Stimmen, die behaupten, er hätte mehr Geld als Karthes Thornhoff in seinen Kisten liegen, doch wird dies wohl doch ins Reich der Legende gehören. Allerdings spricht man nicht so sehr von Sven Eiriksson wegen seines unvorstellbaren Reichtums, sondern vielmehr wegen seines geradezu beeindruckenden Körperumfangs, denn Essen scheint sein einziges Hobby neben dem Geld Scheffeln zu sein. Und so ist er ebenso in das geflügelte Wort des Thornhoff’schen Gebietes eingeflossen wie sein Sohn Eirik Svensson, dem man nachsagt, der Ausdruck, er würde alles vögeln, was nicht bei Drei auf einem Baum sei, sei untertrieben, da er dann unverzüglich den Baum fällen lassen würde.    
Thu, Mar 21st 2024 08:38   Edited on Thu, Mar 21st 2024 08:40

[Egor] “Dann Schluß mit der Völlerei!”: zwinkert ihr Egor zu. “Kugelrund will dich der Meister wahrscheinlich nicht für die Zukunft festhalten. Dann fangen wir an und du brauchst dich nicht zu schämen wenn du es nicht gleich kapierst. Mich hat der Meister eine Woche lang in der Mangel gehabt bevor es bei mir geklingelt hat. Aber ich glaube bei dir wird es nicht so lang dauern. Also paß auf.”: sagt er und schüttelt den Inhalt des Geldbeutels auf den Tisch. Es ist ein hübsches Häufchen Filis, das sich da vor Lua ausbreitet. Geduldig beginnt ihr Egor zuerst das Dezimalsystem zu erklären. Er nimmt ein paar Teller zu Hilfe um es ihr zu erläutern. Zehn Filis auf dem ersten Teller werden zu einem Fili auf dem zweiten Teller, aber weil es der zweite Teller ist weiß man das dieser Fili für zehn Filis steht. Langsam beginnt Lua zu verstehen. Immer wieder läßt sie Egor zählen ohne ungeduldig oder gar ärgerlich zu werden, wenn Lua einen Fehler macht und erklärt zwischendurch immer wieder das System der Zahlen.      
Fri, Mar 22nd 2024 08:19

Nun, es dauert eine ganze Weile, bis Lua versteht, warum aus einem Fili plötzlich zehn werden, nur weil man ihn auf einen anderen Teller legt. Im Endeffekt verraten ihr ihre dunklen Augen ja ganz eindeutig, dass es immer noch ein einziger Fili ist, nur dass der halt eben auf dem zweiten Teller liegt. Und immer wieder erklärt Egor ihr dasselbe, und jedes Mal, wenn sie es wieder nicht so richtig verstehen will, wird ihre Gesichtsfarbe etwas roter. Unruhig rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her, die Augen stets auf die Teller und die Filis gerichtet, und immer kleiner scheint sie auf ihrem Stuhl zu werden. Plötzlich richtet sie sich auf, und sie sieht Egor strahlend an. Sie nimmt ihr Weinglas, trinkt es aus und stellt es neben die beiden Teller. Sie nimmt einen Fili von dem Haufen und lässt ihn ins Weinglas fallen. Es klirrt, als der Fili gegen das Glas schlägt.   “Und wenn ich hier jetzt noch das Glas hinstelle, und den Fili hineinwerfe,” fragt sie ihn ganz aufgeregt, “habe ich dann zehn mal zehn mal zehn Filis?”   Sie zeigt zunächst auf den ersten Teller, dann auf den zweiten und legt schließlich ihren Zeigefinger auf den Rand des Weinglases.   “Also habe ich dann… habe ich dann… verflucht verdammt viele Filis? Und wenn wir jetzt das ganze Geschirr auf dem Tisch anordnen, dann haben wir so viele Filis, dass es sogar dem Thornhoff die Sprache verschlägt?””   Kurz schaut sie Egor an, dann geht ihr Blick wieder zurück auf das Weinglas. Sie nimmt die Münze heraus und reibt sie an ihrem Handgelenk.   “Entschuldigung, jetzt habe ich deinen Fili nass gemacht…”
Sat, Mar 23rd 2024 02:44

[Egor] “Das ist es!”: ruft Egor aus. “Du hast es. Ich habe es dir ja gesagt, du wirst es schneller verstehen, als ich. Ich war aber auch erst sieben oder acht Jahre alt als mich der Meister von der Straße geholt hat.” Er lacht herzlich auf, als Lua über das ganze Geschirr redet. “Ja, da kannst du schon recht haben, das wären Truhen voll mit Lamen.” Als Lua ihm den Fili zurückgeben will, schüttelt er den Kopf. “Behalte ihn und hebe ihn dir als Erinnerung auf an diesen Tag. Aber wir sind noch nicht fertig jetzt hast du das System verstanden und jetzt fangen wir mit dem Zählen an. Zehn mal zehn ist Hundert…” Geduldig wie zu vor, bringt Egor ihr die Zahlen bis Hundert bei. Immer wieder läßt er sie Filis zählen, dann sagt er: “Sehr gut, Lua, aber für heute ist es genug, sonst fängt dir noch der Kopf an zu rauchen. Wir machen morgen weiter.” Egor streift die Münzen ein. “Du kannst ruhig hier sitzen bleiben, wenn du willst, oder raus in den Garten gehen, wenn dir das lieber ist, bis der Meister fertig ist.”  
Sat, Mar 23rd 2024 03:26

Es dauert wieder eine ganze Weile, bis Lua versteht. Es ist weniger das Zählen an sich, das ihr Probleme macht, aber dann die Zahlen auf die Teller zu legen, das ist weit schwieriger. Immer wieder wird aus einer 56 eine 65, aus der 72 eine 27 und aus der 59 eine 95. Mehr als einmal fragt sie Egor, welchem Quatschkopf es denn eingefallen wäre, die Zahlen umgekehrt zu sagen. Irgendwann ist sie sogar so weit, dass aus Elf Einzehn wird und aus Fünfundzwanzig Fünfundzweizig. Aber Egor versteht es, es Lua immer wieder zu erklären, sie dabei auch immer wieder zum Lachen zu bringen. Und Lua ist mit Eifer dabei, und irgendwann geht es schon viel besser. Schon will Egor es für heute sein lassen, da schaut sie plötzlich Egor an und sagt mit demselben Strahlen wie zuvor: “Ich glaube, ich habe jetzt verstanden, wie das mit den Zahlen geht. Du willst mir sicher erklären, dass wenn ich jetzt 22 Filis habe,” und sie legt zwei Filis auf einen Teller und zwei auf den zweiten, “und dann noch 31 bekomme” und sie legt die Filis dazu, zählt durch, “dann fünfund- nein, quatsch, dreiundfünfzig Filis habe. Und dass wenn ich jetzt 56 Filis habe” wieder legt sie die Filis auf die Teller, schön aufgereiht, zählt wieder durch, “hier noch 4 und hier noch 5 brauche, also 54 Filis brauche, um 100 Filis zu haben!”   Nun ist ihre Rechnung zwar ohne Zweifel nicht unbedingt ganz richtig, doch ist Lua nun begeistert, wartet gar nicht, darauf, dass Egor antwortet. Sie springt auf, geht hinter Egors Stuhl, legt ihre Arme um seine Schultern und drückt ihn kurz an sich.   “Danke, lieber Egor!” sagt sie dann. “Ihr seid alle die ganze Zeit so unglaublich lieb und nett zu mir. Ich weiß gar nicht, wie ich euch allen jemals dafür danken soll!”  
Sun, Mar 24th 2024 05:47

[Egor] Ein breites Grinsen erscheint auf Egors Gesicht als Lua in Begeisterung ausbricht. “Ein wenig üben müssen wir schon noch.” Es freut ihn, daß seine Bemühungen so schnell Ergebnisse bringen. Als ihn dann Lua von hinten umarmt, sagt er mit einem Schmunzeln: “Ist schon recht, Lua. Aber warum meinst du wir sollten dich schlecht behandeln? Weil du von der Straße kommst und wir was Besseres sind?” Sein Schmunzeln wird zu einem breiten Grinsen: “Ich sag’ dir was, aber sage es nicht dem Meister, daß ich es dir gesagt habe. Er hat uns alle von der Straße geholt, nur Rikka nicht, die hat er aus einem letztklassigen Puff mitgenommen. Brauchst also nicht zu glauben, daß du dich schämen mußt. Ich bin jetzt über dreißig Jahre bei ihm und alles, was ich weiß und kann hat er mir irgendwann beigebracht und du brauchst nicht zu glauben, daß wir die ganze Zeit in diesem Palais gelebt haben. Aber auch in den schlimmsten Zeiten hat er den letzten Bissen mit mir geteilt. Ich weiß er ist hin und wieder absonderlich und du hast ihn noch nicht wütend erlebt, aber eins kann ich dir sagen, er ist das Beste, das dieses elende Haus jemals hervorgebracht hat.” Die letzte Bemerkung ist ihm herausgerutscht. Egor schaut Lua mit einem halb erschrockenen, halb fordernden Blick an. “Lua, das habe ich nie gesagt mit dem Haus! Hast du mich verstanden?”  
Sun, Mar 24th 2024 09:35

“Aber was ist denn mit dem Haus?”   Die Frage kommt wie aus der Pistole geschossen, schließlich hat Egor auch alles getan, um die Geschichte so interessant wie möglich erscheinen zu lassen. Denn was kann man Besseres machen, um die Neugier einer Person zu entfachen, als die Geschichte eben als verboten zu verpacken? Aber Lua will in dem Haus keine Probleme bereiten. Sie will nicht riskieren, einen Keil zwischen die Bediensteten zu treiben, der am Ende wohl nur sie selbst durch die Gemeinschaft hindurch zurück auf die Straße verdrängen würde.   “Vergiss es, ich will es gar nicht wissen…” fügt sie nach einem Augenblick des Überlegens etwas kleinlaut hinzu. Und dann fügt sie hinzu: “Rikka muss einmal sehr schön gewesen sein. Nein, versteh mich nicht falsch, sie ist immer noch sehr schön, nur… ich meine, hat der Meister auch sie gemalen? Sie muss eigentlich leicht schön genug für die wichtigen Bordelle gewesen sein, nicht nur für eines der versifften Buden, wo man sich sonst noch was holt, die, die sogar mich vielleicht genommen hätten.”   Lua schaut nun unsicher auf den Tisch, geht dann ein paar Schritte von Egor weg. Es ist unschwer zu erkennen, dass sie auch dieser Versuch, das Thema zu wechseln, nicht sehr zufrieden stellt. Was macht sie also? Sie redet einfach weiter.   “Und ihr seid alle von der Straße? Aber, wie habt ihr denn alles so gut gelernt? Ich meine, Skira kann so gut kochen, du bist so vornehm, das lernt man doch nicht auf der Straße. Ich meine, die Fleischküchlein da, das kann man gar nicht auf der Straße kochen, weil man da ja kein Fleisch hat. Und so sein wie du, das ist man doch nicht einfach so, weil man es einfach sein will. Und ihr könnt eben alle etwas sehr gut, und ich kann eigentlich gar nichts. Ich zeige doch nur jeden Tag dem Meister meine Titten, und er behandelt mich so, als wäre ich etwas Besonderes, und ihr macht das irgendwie auch. Niemand sagt, er möchte gerne auf den Empfang beim Thornhoff gehen statt mir, alle geben mir den Eindruck, als würden sie sich freuen, dass ich da hingehe.”   Sie schaut nun Egor an. Und dann sagt sie noch einen kurzen Satz: “Egor, ich habe eine Scheiß-Angst davor.”  
Mon, Mar 25th 2024 07:02   Edited on Mon, Mar 25th 2024 07:03

[Egor] "Rikka war sehr schön, bis sie jemand ins Feuer gestoßen hat. Von der linken Hüfte bis zum Knie hat sie die Narben von den Brandwunden. Kein allzu erregender Anblick. Aber der Meister hat ein paar Porträts von ihr gemacht. Skira war Köchin in einem den kleineren Häusern. In irgendeiner der vielen Auseinandersetzungen zwischen den Häusern ist der Patriarch des Hauses getötet worden und der Nachfolger hat sie auf die Straße gesetzt und sie wäre fast verhungert. Der Mann von Elsi hat sich eine jüngere genommen und sie mit nichts hinausgeworfen. Ich habe mich in einer Kinderbande in den Außenbezirken durchgeschlagen, nur von Ermond weiß ich nichts, er spricht kaum und schon gar nicht über sich selbst. Wer sollte den mit dem Meister auf den Empfang mitgehen, wenn nicht du? Kannst du dir Skira in deinem roten Kleid vorstellen?" Für einen Moment überlegt Egor. " Er ist Maler und sieht mehr in Menschen und Dingen als wir und in dir, hat er etwas gesehen das vielleicht sonst niemand sehen kann, abgesehen davon das du gut aussiehst. Aber selbst wenn er sich irrt, Lua, du wärst doch verdammt dumm, würdest dorthin zurückgehen wo du hergekommen bist, nur weil du für ihn nichts Besonderes sein willst." Egor sieht sie für einen Augenblick an. "Aber wenn du nicht hingehen willst, dann sage es ihm einfach. Der Meister ist niemand, der einem zu so etwas zwingt."  
Mon, Mar 25th 2024 07:44

Die Vorstellung der korpulenten Skira in dem roten Kleid zwingt Lua doch ein kurzes Lachen ab. Sonst hört sie aufmerksam zu, lauscht den Schicksalen all dieser mehr oder weniger gescheiterten Persönlichkeiten, die durch Auris doch noch ihr Glück gefunden haben. Schließlich geht sie nachdenklich zu dem Stuhl, der dem Egors gegenüber steht. Sie nimmt zwei Gläser, die Flasche und teilt den letzten Rest der Flasche auf die beiden Gläser auf. Sie schiebt dann eines Egor zu, das andere behält sie bei sich.   “Weißt du,” sagt sie dann, “ich will ja hingehen. Bevor ich zu Imeria kam, da bin ich oft vor dem Palast der Thornhoffs gestanden und habe zugesehen, wie da die reichen und wichtigen Leute ein- und ausgegangen sind. Und immer habe ich mir vorgestellt, wie es denn wäre, wenn ich da auch dazugehören würde, in einem schönen Kleid da reingehen und einfach sagen, ich müsste mich mit meinem Freund Karthes treffen. Und die wie die Wachen mich mit Ihr angesprochen hätten, und ich dann im Palast mit dem Thornhoff gegessen hätte, und immer was übrig gelassen hätte, weil ich keinen Hunger gehabt hätte. Naja, meistens haben mich dann die Wachen irgendwann weggestoßen und gesagt, ich solle hier nicht herumlungern. Und sie haben mich nicht mit Ihr angesprochen. Und jetzt, ja, jetzt habe schöne Kleider, muss nicht mehr aufessen, und jetzt darf ich sogar da rein, und die Wachen werden mich mit Ihr ansprechen. Deshalb freue ich mich drauf, so fest, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Aber was ist, wenn ich mich da falsch verhalte? Wenn ich etwas Dummes sage? Ich meine, ich war noch nie auf einem Empfang, und ich weiß wirklich nicht, was man da tut. Ich meine, der Meister lacht immer über alles und sagt, es wäre kein Problem. Aber irgendwie befürchte ich, dass es so einfach dann doch nicht ist. Und ich will nicht, dass der Meister dann wegen mir nie wieder eingeladen wird.”  
Wed, Mar 27th 2024 08:24   Edited on Wed, Mar 27th 2024 08:24

"Deine Fürsorge rührt mich, meine Liebe, aber du brauchst dir wahrlich keine Sorgen um mich machen.": sagt Auris der die Stiegen herabgekommen war und die letzten Sätze Luas mitbekommen hat. "Zum Ersten, dieser Empfang ist keine hochnotpeinliche Staatsaktion, wie die Treffen mit den Häuptern der Häuser, eher etwas für die zweite Garnitur, daher auch nicht steif wie ein Fischbeinkorsett. Der Salzbaron begrüßt zwar seine Gäste und eröffnet den Abend, nimmt aber nur sehr selten am geselligen Teil des Abends teil. Abgesehen von den Offizieren also der ideale Tummelplatz für Wadenbeißer und Arschkriecher und somit bisweilen amüsant. Was auch immer du anstellen könntest, Lua, ich werde sicher zum nächsten Empfang für die Salzkarawane dabei sein. Ich habe das so meine Beziehungen. Beruhigt dich das, meine Liebe?"   Auris setzt sich und greift nach der Flasche um sich eine kleine Stärkung zu gönnen. "Eine leergetrunke Flasche hat etwas Melancholisches an sich. Egor, räum sie fort und sei so gut und bring uns noch etwas zu trinken." Während Egor die nächsten Flaschen holt, wendet sich Auris wieder an Lua. "Nur auf eine Kleinigkeit solltest du achten, meine Liebe, es wird dein Schaden nicht sein. Bei der Begrüßung durch Karthes, gibt es so etwas wie ein kleine Zeremonie wenn du ihm vorgestellt wirst. Schau mich nicht so erschrocken an, meine Liebe, es ist nur ein wenig vornehm in die Knie gehen, Knicks genannt. Rikka wird es dir beibringen, sie ist eine Expertin in diesen formalen Sinnlosigkeiten." Als Egor zurückkommt sagt er:" Schenk uns bitte ein, dir auch. Wir nehmen noch eine kleine Stärkung und dann husch, husch an die Arbeit. Aber zuvor wie geht es mit dem Zählen? Hat dir Egor etwas beigebracht?"  
Wed, Mar 27th 2024 10:35

Lua sprint mit einem Lächeln auf.   “Oh, ich weiß, wie man einen Knicks macht!” ruft sie erfreut. “Kinder spielen in ganz Pelorn, sie wären wichtige Leute, und da macht man auch Knickse!”   Und sogleich führt sie auch einen solchen vor, oder wenigstens das, was Straßenkinder einen eleganten Knicks halten: die Arme seitlich an den Körper gepresst, geht Lua in nach unten, bis ein Knie fast den Boden berührt. Dann richtet sie sich wieder auf und nimmt Platz. Sie seufzt dann und beantwortet auch Auris’ andere Frage.   “Lieber Meister,” sagt sie, “die Welt der Zahlen ist schon schwer. Aber Egor hat es mir wieder und wieder erklärt, und ich glaube, ich habe es jetzt verstanden, wie die Filis auf die Teller verteilt werden müssen, dass die richtige Zahl herauskommt. Ich könnte zwar immer noch nicht sagen, wie viele Filis ich bekommen müsste, wenn ich eine Woche lang jeden Tag 8 kriege, aber wenn ich zu meinen 56 Filis 13 hinzulege, dann weiß ich jetzt, dass…”   Sie schaut nun ganz konzentriert auf die Teller, die immer noch auf dem Tisch liegen und zählt mit dem Finger imaginäre Filis darauf.   “...dass ich am Ende 69 habe. Und wenn auf einem Teller dann mehr als 10 liegen, dass man die herausnimmt, und noch einen Fili auf den nächsten Teller legen muss. Ich weiß nicht, ob ich jetzt wirklich Grund dazu habe, aber ich muss sagen, ich bin heute schon ein bisschen stolz auf mich. Und Egor ist ein sehr guter Lehrer.”   Ganz begeistert sieht Lua aus, und nach einer Pause fügt sie hinzu: “Und Euch? Ist das Bild schön geworden von mir in meinem weißen Kleid?”  
Wed, Mar 27th 2024 09:15   Edited on Wed, Mar 27th 2024 09:21

Nach einem Schluck aus seinem frisch gefüllten Becher besieht sich Auris schmunzelnd Luas Knicks. "Nunja, für den Anfang nicht schlecht meine Liebe, aber trotzdem soll dir Rikka zeigen wie es gemacht wird. Mit Verlaub gesagt, pfeife ich auf dieses hirnverbrannte Protokoll, das sich nur Schwachköpfe ausgedacht haben können und du brauchst den Unsinn nicht vor Anderen zu machen, nur vor Karthes. Nicht daß ausdrücklich verlangt wäre, aber ich kenne ihn gut genug, um dir sagen zu können, daß dies Eindruck beim ihm hinterlassen wird, weil es der Tradition entspricht und er trotzdem, daß er mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität steht, im Herzen ein Traditionalist ist. Das Wohlwollen des Salzbarons kann dir durchaus eines Tages nützlich sein und in diesem Fall erfordert es nur minimalen Aufwand ihn zu beeindrucken.": erklärt Auris und klatscht vergnügt in die Hände, als Lua ihre neu erworbene Fähigkeit weiter als bis Zehn zu zählen demonstriert.   "Ausgezeichnet, Lua, ganz ausgezeichnet und dir Egor, vielen Dank. In den nächsten Tagen wirst du Lua auch das Rechnen beibringen und noch etwas üben mir ihr, dann kannst sie im Handumdrehen jedem Krämer, der sie über den Tisch ziehen will, den ausgestreckten Mittelfinger zeigen, figurativ gesprochen natürlich." Auf Luas nächste Frage wiegt er den leicht den Kopf. "Nun ich muß gestehen, mit ist etwas die Fantasie durchgegangen und es ist auch nicht viel mehr als eine Farbskizze, aber das Licht ist gut eingefangen, das muß ich schon sagen. Aber komm und sieh es dir selbst an." Er führt Lua hinauf in sein Atelier und zeigt es Lua. "Wie gesagt nicht viel mehr als eine Skizze und Vorsicht es ist noch naß."  
Lua mit weißen Rosen by Auris Laetus
 
Wed, Mar 27th 2024 10:44

Lua steht vor dem Gemälde und sagt nichts. Sie sieht es einfach nur aus großen Augen an, regungslos, und das eine ganze Weile. Es ist schwer zu deuten, ob ihr das Gemälde nun gefällt oder nicht, nur eines ist ganz klar: Es hat sie in Staunen versetzt. So verstreicht wohl eine Minute, vielleicht sind es auch zwei, die Auris auf einen Kommentar warten muss. Schließlich dreht sie sich zum Maler um. Sie strahlt, und das ist doch schon ein gutes Zeichen.   “Ich sehe aus wie eine Prinzessin, nein, wie eine Königin,” sagt sie. “Wie habt Ihr denn das gemacht? Ihr habt mich doch im Speisezimmer von vorne gemalt, in diesem einfachen Kleid, und ganz ohne Blumen. Und jetzt habe ich hundert weiße Rosen im Haar, ein Kleid, so prächtig, wie ich es noch nie gesehen habe, und Ihr habt mich von hinten gemalt. Wenn ich das Bild anschaue, dann erkenne ich schon, dass es mein Gesicht ist, aber es ist doch nicht mein Gesicht. Es schaut so vornehm, so elegant, eben wie eine Königin. Wenn ich aber in den Spiegel schaue, sehe ich dasselbe Gesicht, aber es ist einfach, es ist normal. Wie macht Ihr das, dass Ihr mich anschaut, und mich dann als eine Person malt, die ich doch gar nicht bin?”   Sie dreht sich wieder zum Bild, schaut wieder eine ganze Weile darauf.   “Stellt Euch einmal vor, ein feiner Herr sieht dieses Bild und sagt, er möchte das Mädchen auf dem Bild kennenlernen. Glaubt Ihr nicht, dass er enttäuscht wäre, wenn ich danach den Raum betreten würde?”  
Wed, Mar 27th 2024 11:49   Edited on Wed, Mar 27th 2024 11:52

Geduldig wartet Auris und genauso geduldig hört er Lua zu. "Du stellst eine Menge kluger Fragen, meine Liebe. Fangen wir mit den einfachen Antworten an. Daß ich dich von vorne, hinten, von links oder rechts malen kann, ohne dich zu sehen, ist bloß einer Frage der Technik und der Erfahrung. Ich habe dich bereits in vielen Posen und von allen Seiten gesehen und ich habe zumindest für solche Dinge ein sehr gutes Gedächtnis. Das Kleid ist improvisiert und Rosen? Rosen können sogar die Coveani Kleckser auf ihr Nachtgeschirr pinseln, das ist keine Kunst. Das Licht dagegen ist schon etwas Anderes. Ich habe es schon erwähnt, mit mir ist die Fantasie durchgegangen." Auris streicht sich nachdenklich über den Bart, sucht nach Worten für das ihm Offensichtliche, das er zwar auf die Leinwand bannen kann, aber es in Worte zu fassen, fällt ihm schwer.   "Nein, das ist nicht die Königin, Lua. Das ist die lichte Lua, im Garten der Verheißung und des Verlockens, ohne Falsch und ohne Trug und es ist dein Gesicht Lua, eines deiner Gesichter. Sowie die Königin, die Nymphe, die Sirene und wie sie noch alle heißen mögen. Sie sind alle in dir und sie alle sind dein Gesicht, daß du in diesem Jammertal von Welt dein Eigen nennst. Wenn du dich in Spiegel siehst, dann siehst du auf den ersten Blick dieses Gesicht, aber wenn du in dich hinein sieht, dann wirst du irgendwann all diese Gesichter sehen, die alle dein Gesicht sind und doch ein Jedes ein wenig anders aussieht, denn sie sind nur Facetten der ganzen Lua. Ich kann einige deiner Gesichter sehen, weil ich gelernt habe zu sehen und weil ich.."   Hier bricht Auris ab und als sich Lua wieder zu ihm dreht, nachdem sie das Bild nochmals angesehen hat, sagt er mit einem schwer deutbaren Lächeln: "Nur die, die keine Augen im Kopf haben um zu sehen und ausgemachte Idioten sind, wären von dir enttäuscht. Die Anderen aber, die Augen haben, um zu sehen, wären allein vom Bild des lausigen Malers enttäuscht."  
Thu, Mar 28th 2024 09:32

Es dauert nicht lange, bis Lua sich umdreht. Um genau zu sein, fährt sie in dem Moment, in dem sich Auris selbst unterbricht, herum. Sie sieht ihn fragend an, ist wohl neugierig, welche denn diese Worte seien, die der Künstler lieber unausgesprochen lässt. Ist er etwa auch ein Hermetiker, so wie sie es anscheinend sein soll? Kann er deshalb so gut in sie hineinsehen, viel besser als sie selbst es imstande ist? Hat er deshalb auch die Nachricht, dass sie selbst - wenigstens von Imeria - zu dieser verhassten Minderheit gehören soll, so beiläufig, beinahe wohlwollend aufgenommen? Diese Fragen brennen ihr auf der Zunge, und doch sind sie zu brisant, als dass sie sich sie zu fragen traut.   Man erzählt sich viel von den Hermetikern in der Stadt. Natürlich sind sie schuld an der ganzen Misere, da kann Auris sagen, was er will, dass sie Helden wären und so weiter. Und dann sind da noch die ganzen Gerüchte, die kursieren. Dass Hermetiker geheime Rituale hätten, Menschen opfern würden und das alles. Ist Lua der Opferung dann womöglich nur durch ihre Brandnarben entgangen? Aber es ist im Endeffekt egal. So gut wie jetzt ist es ihr noch nie gegangen, und das will sie unbedingt so beibehalten. Sie dreht sich wieder zu Auris um.   “Oh, Ihr seid wirklich kein lausiger Maler,” antwortet sie. “Ich könnte nie all die Dinge in einem Menschen sehen. Ich meine, wenn ich Euch malen würde, da würde erstens niemand erkennen, dass es wirklich Ihr seid. Und auch wenn, würde ich Euch als König malen, wäret es wohl Ihr mit einer Krone, also der Künstler Auris mit Krone. Ihr habt es geschafft, dass es nicht die Spiegelbild-Lua mit Rosen ist, sondern eine geradezu majestätische Lua, zu der die Rosen praktisch dazugehören. Ganz ehrlich, diese Lua, da hätte ich keinerlei Sorgen für den Empfang heute Abend.”  
Thu, Mar 28th 2024 11:42

Auris lacht. "Du bist diese majestätische Lua da auf dem Bild und noch viel mehr. Also brauchst du keine Angst zu haben vor dem Empfang. Außerdem hast du noch einen ganzen Tag Zeit dich darauf vorzubereiten und dich von Rikka herausputzen zu lassen, der Empfang ist erst morgen Abend." Auris schmunzelt und hebt die Rechte mit dem ausgestreckten Zeigefinger:" Natürlich kannst du mich nicht so malen, wie ich dich. Das wäre ja noch schöner! Für das Talent kann ich nichts, das wurde mir in die Wiege gelegt, aber ich habe mein Leben lang hart gearbeitet um es zu vervollkommnen und arbeite immer noch daran. Es ist ein ewiger Kampf zwischen dem Wollen und dem Können, das Streben nach Perfektion mit dem Wissen, das Perfektion für uns unerreichbar ist. Wir Menschen sind die Verkörperung der Unvollkommenheit und können nichts Vollkommenes schaffen, aber den Anspruch darauf aufzugeben, hieße sich und seine Kunst zu verraten. Ich weiß, was ich alles nicht kann! In diesem Lichte besehen bin ich sehr wohl noch ein Lehrling und lausiger Maler!"   Er läßt seine Hand wieder sinken und spricht weiter: "Es ist nichts Hermetisches daran, daß ich Dinge sehen kann, die du noch nicht siehst. Ich bin alter Esel und habe in hunderten Betten gelegen, Not und Armut kennengelernt, viele gute und noch viel mehr böse Tage sind an mir vorbeigezogen, ich habe eine Menge Narben und die Falschheit, die Feigheit und die Bosheit erlebt, zu der der Mensch fähig ist, aber auch die Güte, Zärtlichkeit und Liebe. Mit einem Wort ich hatte viel länger Zeit und Gelegenheit meinen Blick zu schärfen, als du, die du in der Blüte deiner Jugend stehst. Das Leben zwingt dich ohnehin dazu, deine Erfahrungen zu machen, ob du es willst oder nicht. Was du allerdings daraus machst, daß, meine Liebe, ist deine Sache. Deswegen halte von Zeit zu Zeit inne und höre und sieh in dich hinein, lerne deine Gesichter kennen, denn nur wenn du weißt, wer du bist, kannst du den Pfad wählen, der für dich bestimmt ist, für den du geboren bist und glaub mir, für die Gosse bist du nicht geboren." Für einen Augenblick wischt ein verträumtes Lächeln die Jahre aus seinem Gesicht.    
Fri, Mar 29th 2024 08:38

Die Sonne scheint tief in das Atelier und erfüllt den ganzen Raum mit einem einerseits heimeligen, andererseits geradezu königlich güldenen Licht. Und wie Lua nun wieder vor Auris steht, das Fenster hinter ihr, so erscheint ihr Kleid wieder überaus offenbarungswillig. Aufmerksam hört sie dem Maler wieder zu. Ernst sieht sie in danach eine ganze Weile lang an, fährt sich mit einer Hand durch die Haare, wobei ihr Blick wieder einen Moment lang auf das Bild fällt, bevor sie wieder zurück zu Auris sieht.   “Aber, Meister, ich weiß nicht, wie ich das jetzt sagen soll,” beginnt sie etwas schüchtern, “aber wie soll ich einen Weg wählen, der mir vorbestimmt ist? Ich kann doch nicht stattdessen einen Weg wählen, der mir nicht vorbestimmt ist. Denn da es nicht mein Weg ist, kann ich ihn ja doch nicht entlanggehen. Also bleibt mir ja nur der eine, und das ist dann ja keine Wahl mehr. Ich meine, vielleicht habt Ihr Recht, und ich bin nicht für die Gosse geboren. Ich wurde aber in der Gosse geboren. Und wenn Ihr in der Gosse geboren werdet, da könnt Ihr nicht einfach sagen, diese Lua gefällt mir nicht, ich will eine majestätische Lua sein, denn dann werdet Ihr nach einer Woche irgendwo liegen und von den Ratten und Würmern zerfressen. Ich meine, mir geht es hier so gut, wie es mir noch nie zuvor ergangen ist. Aber bin ich jetzt hier, weil ich eine majestätische Lua sein wollte? Nein, ich bin hier, weil ich die Gossen-Lua bin, oder war, oder was auch immer. Jedenfalls ist die Gossen-Lua am Arsenal gestanden, und die Gossen-Lua hat Euch ihre Brüste gezeigt, nur weil Ihr sie gefragt habt. Was wäre passiert, wenn die majestätische Lua Euch geantwortet hätte, das sei unter ihrer Würde und ihr sollt Euch Eure Titten sonst wohinstecken? Ihr wäret wohl weiter gegangen, und ich wäre jetzt, statt hier Fleischküchlein zu essen und Wein zu trinken, beim Fische ausnehmen, und ich wäre froh, wenn ich am Abend etwas Wassergrütze hätte. Ich wäre froh, wenn ich etwas Holz hätte, das Wasser vorher abzukochen. Und ich wäre froh, wenn ich einen Unterschlupf fände, wo nicht mitten in der Nacht irgendein Betrunkener auf mich draufsteigt. Man sagt das immer so leicht, jeder ist seines Glückes Schmied. Aber ich glaube, es ist vielmehr so, dass es Euer Glück oder Euer Pech ist, das Euch schmiedet.”   Als sie geendet hat, geht ihr Blick von Auris Augen vor sich auf den Boden, auf Auris’ Schuhspitzen. Sie musste das einfach sagen, die nun folgende Unsicherheit ist ihr unschwer anzukennen. Sie sieht ganz so aus, als erwarte sie nun eine gehörige Zurechtweisung.  
Fri, Mar 29th 2024 06:26   Edited on Fri, Mar 29th 2024 06:59

Beifällig nickt Auris. "Deine Schlußfolgerung ist nachvollziehbar, aber unrichtig Lua. Du hast immer eine Wahl, das nennt sich freier Wille. Das Geschick, die Götter oder was du auch immer du als höheres Prinzip gelten lassen willst, prügeln dich nicht auf den dir vorbestimmen Pfad. Du kannst jeden Pfad gehen. Stell dir vor, du stehst vor einem Schrank voller Kleider. Nur eines davon paßt perfekt zu dir, doch du kannst jedes wählen und tragen, aber all die anderen passen dir nicht wirklich, streichen deine Vorzüge nicht so heraus, wie dieses eine Kleid, daß ausschließlich für dich gemacht ist. Es ist keine Schande in der Gosse geboren worden zu sein, auch wenn viele das glauben mögen und dort geboren worden zu sein, bedeutet nicht zwingen, daß du dafür bestimmt bist. Die alten Hermetiker hatten sieben grundlegende Prinzipien. Eines davon heißt das Prinzip der Entsprechung. Es bedeutet, daß es immer eine Übereinstimmung in den verschiedenen Ebenen von Sein und Wirken gibt. Mit anderen Worten gesagt, wie oben, so auch unten. Im Großen existiert das Kleine, und andersherum. Wollen wir etwas in der Außenwelt verändern, ist es notwendig, uns selbst im Inneren zu verändern. Deshalb habe ich dir gesagt, du sollst dich nicht immer kleinreden und denken! Was die vielen Gesichter in dich betrifft, ob du sie nun kennst oder nicht, sie sind in dir. Auch deine majestätische Lua ist dort mit dir im Hafen gestanden und vielleicht war es genau sie, von der ich einen Schimmer erhascht habe und deswegen vor dir stehen geblieben bin. Ein anderes Prinzip der alten Hermetiker ist das Schwingungsprinzip, das bedeutet alles vibriert und alles schwingt, auch deine und meine Gedanken, unsere Seelen oder unser Bewußtsein wenn dir das lieber ist. Zwei aufeinander abgestimmte Geigen schwingen miteinander harmonisch. So ist es auch mit Menschen und wir spüren diese Harmonie, auch wenn sie uns nicht bewußt wird. Wäre es nicht so gewesen, wäre ich weitergegangen. Aber so bist du da. Wenn du es Glück nennen willst, gut, aber es war kein Zufall." Dann grinst er spitzbübisch. "Und du hast wirklich süße Tittchen."  
Fri, Mar 29th 2024 09:12

Lua ist nicht dumm. Aber sie ist doch ein einfaches Mädchen von der Straße, und sie hat bisher von den sieben Prinzipien der Hermetiker ebenso wenig gehört wie von schwingenden Geigen und den verschiedenen Ebenen des Seins. Und so hört sie aufmerksam zu und ist die ganze Zeit bemüht, ihr Gesicht nicht allzu verständnislos aussehen zu lassen. Als Auris schließlich seinen Vortrag beendet hat, steht sie wieder einmal eine Weile da, doch dieses Mal ist sie komplett außerstande, irgendeine Antwort zu geben. Nervös schweifen ihre Augen durch den Raum und fallen schließlich auf das Podest, das ihr nun wie ein rettender Ausweg aus dieser für sie doch etwas beschämenden Situation erscheint. Und wie es den Schiffbrüchigen zur nahen Insel zieht, so geht sie urplötzlich zu besagtem Podest, während sie sich ihr Kleid über den Kopf zieht.   “Wollt Ihr, dass wir noch etwas arbeiten?” fragt sie ihn dann, erklimmt das Podium und nimmt die Pose des Vortages ein.  
Sat, Mar 30th 2024 08:01   Edited on Sat, Mar 30th 2024 08:06

Als Auris Luas Nervosität bemerkt, wird ihm bewußt, daß er sich wieder einmal gehen hat lassen und ihr viel zu viel um die Ohren geschlagen hatte. "Tut mir leid, Lua. Ich rede wohl wieder einmal zu viel, stecke meine Nase viel zu oft in alte verbotene Bücher und schwatze dir den Kopf voll. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, auf einiges wirst du ohnehin irgendwann selbst entdecken und Anderes wieder verstehen lernen. Du bist nicht dumm, wenn du meine Tiraden nicht verstehst! Der Dumme bin ich, weil ich nicht nachdenke wie ich dir Wichtiges in einfachen Worten erklären kann." Er sieht ihr zu wie sie sich auszieht und auf das Podest steigt. Für einen längeren Augenblick betrachtet er sie, dann sagt er: "Zieh dir bitte das Unterkleid wieder an. Wir machen heute etwas Anderes. Aber zuvor noch einmal zu dem, was ich vorher gesagt habe. Vergiß es für den Augenblick! Nur zwei Dinge sind wichtig. Schau und höre in dich hinein, lerne dich kennen, denn umso besser du dich selbst kennst umso leichter wird es dir fallen deinen Weg zu finden. Das Zweite weißt du ja schon. Mach dich nicht klein weder in Gedanken noch in Worten. Denk dir ich bin Lua und ich schaffe es wenn ich will. Das genügt völlig. So und jetzt laß dich ansehen, meine Liebe."   Auris betrachtet Lua von verschiedenen Winkeln. "Gut, dreh dich jetzt zu mir, den Kopf etwas in den Nacken beugen, hebe deine Linke und dein Rechte lege hinter den Kopf. Ja so ist es perfekt.": sagt er und holt sich eine leere, aber bereits grundierte Leinwand auf Holzrahmen gespannt, stellt sie auf eine Staffelei, die er so stellt, daß das Licht darauf fällt, greift sich eine Palette und vier Pinsel. Eine ganze Weile betrachtet er Lua nur, doch dann beginnt er ohne Skizze zu malen. Er geht völlig in seiner Arbeit auf, kein Wort fällt, er ist so konzentriert, daß er selbst auf die Weinflasche vergißt. Erst das schwindende Licht bremst ihn. "Danke, du kannst runterkommen Lua, für heute ist Schluß." Eine ganze Weile steht er da und prüft sein Werk. "Eigentlich wollte ich es noch überarbeiten, aber ich glaube ich lasse so." Er dreht die Staffelei zu Lua. "Was meinst du?": erkundigt er sich.      
Sat, Mar 30th 2024 11:58

Nachdenklich sieht Lua Auris an, dann jedoch, als er ihr sagt, wie sie stehen soll, tut sie es. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich, und schließlich beginnt er zu malen. Sie steht brav, sie steht regungslos, genau so, wie er es sich gewünscht hat. Freilich bilden sich irgendwann kleine Schweißtropfen auf ihrer Stirn. Freilich ist es nicht ganz einfach, so lange in einer bestimmten Haltung auszuharren. Dann jedoch ist Auris fertig mit Malen, und Lua verlässt das Podest wieder. In disem Moment verändert sich jedoch ihr Gesichtsausdruck. Plötzlich hat sie wieder die skeptische, leicht missmutige Miene, diese Falte auf der Stirn, die bei ihrem Aufenthalt hier fast komplett abhanden gekommen ist.   “Meister,” sagt sie nun, und es ist ein ernsthafter, aber nicht schüchterner, gar unterwürfiger Tonfall, “Ihr sagt mir immer, ich soll mich nicht unter den Scheffel stellen. Ihr sagt, Ich könnte eine vorneheme Lua sein, ich könnte eine majestätische Lua sein. Aber dann beginnt Ihr zu reden, und ich verstehe gar nichts. Das zeigt mir, dass ich doch die Gossen-Lua bin, mit der Ihr Euch nicht zufrieden geben wollt. Ihr habt schon wieder ein wahnsinnig schönes Bild von mir gemalt, es ist dies eine Lua, die über allem schwebt, die alles weiß, zu der man aufblicken muss. Aber auch diese Lua bin nicht ich, genauso wenig wie die majestätische Lua. Auch wenn mir Egor gezeigt hat, wie man die Welt der Zahlen auf Teller aufteilt, macht dies aus mir keinen klugen Menschen.”   Sie geht nun zu Auris hin und nimmt seine Hände in die ihre.   “Versteht mich nicht falsch, Meister,” fährt sie dann fort, “ich bin Euch ewig dankbar, dass Ihr mich hier aufgenommen habt, Ich schätze Euch als Maler als auch als Mensch, vielleicht habe ich Euch irgendwie lieb gewonnen, aber bitte, lasst mich sein, was ich bin. Ich bin ein Mädchen von der Straße, die noch nie irgendetwas richtig auf die Reihe gekriegt hat.”   Ihr Blick geht nun fort dem seinen und geht beinahe beschämt in Richtung Boden. In dem Moment füllen sich auch ihre Augen mit Tränen, die auch alsbald über ihre Wangen zu kullern beginnen.   “Ich habe es geschafft, sogar meine Geschwister zu verlieren, und sie waren der einzige Reichtum, den ich je hatte. Und für sie ist es weit besser, wenn sie weg von mir sind, denn nun haben sie genug zu essen, sie lernen, was sie für ein glückliches Leben brauchen, sie haben so viel mehr, als ich ihnen geben konnte. Bitte Meister, es schmeichelt mir ja, wenn Ihr sagt, ich wäre so viel mehr als ich bin. Aber ich bin nun halt einmal ich, vielleicht habe ich süße Tittchen, aber ich bin nicht mehr als das.Es ist nicht Eure Schuld, wenn ich nicht verstehe, was Ihr sagt. Es ist die meine, weil Ihr klug und gebildet seid, und ich einfach ein dummes Straßenmädchen. Da könnt Ihr so oft Ihr wollt einen grünen Himmel über einem roten Okeanos malen, aber am Ende sind trotzdem beide blau.”  
Sun, Mar 31st 2024 08:48   Edited on Sun, Mar 31st 2024 08:48

"Du verstehst nicht, was ich rede, weil ich nicht darauf achte wie ich was sage und es Dinge gibt, die du einfach nicht gelernt hast. Ungebildet ist nicht dumm, meine Liebe! Wissen und Klugheit, das sind zwei verschieden Paar Schuhe. Es gibt genug Menschen, die zwar gebildet sind, aber trotzdem ihr ganzes Leben lang dumm bleiben, wie die Ochsen. Jeder kann lesen lernen, wenn er sich Mühe gibt, auch wenn es eine Weile dauert, aber niemand kann lernen wie man klug wird. Man ist es oder man ist es nicht und du bist alles andere als dumm, auch wenn du aus der Gosse kommst. Du hast an einem halben Tag zählen gelernt. Das hat bei Egor viel länger gedauert und glaub mir ich bin weit mehr als zufrieden, mit der Lua die vor mir steht. Obwohl es gar wichtig ist, ob ich zufrieden bin oder...." Als Lua seine Hände in die Ihren nimmt, unterbricht er sich.   "Also gut, wir sprechen nicht mehr darüber, versprochen!": sagt er mit einem Lächeln, das allerdings schnell verschwindet, als die Tränen über Luas Wangen rinnen. "Oh weh was habe ich jetzt wieder angerichtet?": sagt er leise und wischt Lua mit einer zarten Berührung die Tränen von den Wangen. Dann zieht er sie sanft zu sich, sagt eine Weile nichts, streicht ihr nur übers Haar. Dann löst er sich von ihr sucht die Flasche, schenkt zwei Becher voll und drückt einen davon Lua in die Hand. "So, jetzt trink erst einmal einen Becher." Dann zieht er sich einen Hocker heran und setzt sich. "Wenn es deine Geschwister jetzt besser haben, dann hast du doch erreicht, was du wolltest. Sie haben ein besseres Leben. Das es für dich schwer ist, das kann ich sehr gut verstehen. Aber, Lua...." Er nimmt einen kräftigen Schluck. "Manchmal ist es im Leben so, daß man ein großes Opfer bringt, für die die man liebt und nicht jede Liebe geht auch in Erfüllung für einen Selbst. Aber du weißt zumindest, daß es deine Lieben besser haben."  
Sun, Mar 31st 2024 07:33

Lua nimmt den Becher entgegen und nimmt einen ordentlichen Schluck. Als sich Auris auf den Hocker setzt, setzt sie sich einfach im Schneidersitz vor ihn. Sie wirkt nicht so, als hätten sie seine Worte vollends getröstet, nein, noch immer sieht sie nachdenklich und traurig aus.   “Wisst ihr, bis gestern war ich mir ziemlich sicher, dass sie es besser haben würden,” sagt sie zu ihm. “Bis gestern, genau in dem Moment, in dem Ihr mir sagtet, ich wäre eine Hermetikerin. Was ist, wenn auch sie Hermetiker sind und als solche erkannt werden? Was wird dann mit ihnen geschehen? Ich hatte Glück, ich habe es ohne viele Misshandlungen überlebt. Aber was wird mit ihnen passieren?”   Sie sieht vor sich auf den Boden, nimmt noch ein Schluck von ihrem Wein. Dann fährt sie fort, ohne Auris anzusehen: “Wer sagt mir, dass ich die Kleinen nicht zu ihrer Richtbank geführt habe? Auris, ich habe wahnsinnige Angst, dass ich wirklich alles falsch gemacht habe, dass ich so auf ganzer Linie versagt habe. Hätte ich diesen dummen Becher nicht aufgehoben, wäre ich nicht in die Mehras gegangen..”  
Sun, Mar 31st 2024 09:35   Edited on Sun, Mar 31st 2024 09:35

"Das hat schwerlich etwas mit Schuld zu tun, Lua. Du hattest nicht die geringste Ahnung, daß du eine Hermetikerin bist, zumindest dem Blut nach. Aber wollen wir nicht gleich das Schlimmste annehmen. Die Gabe wurde nicht immer, zumindest nach den Büchern die ich gelesen habe, in direkter Linie vererbt. Was ich damit sagen will, nicht immer bekamen hermetische Eltern auch hermetische Kinder." Auris leert seinen Becher und sieht Lua mitfühlend an. "Ich wäre glücklich, könnte ich dir sagen, daß deine Geschwister in Sicherheit wären auch nachdem die Schlangenanbeter entdeckt haben, daß sie Hermetiker sind. Aber es wäre gelogen. Laß und den Tatsachen in die Augen sehen, Lua, du hast unwahrscheinliches Glück gehabt." Auris seufzt. "Du hast weder versagt noch sie zur Richtbank geführt. Woher hättest du es denn wissen sollen? Du hast doch nichteinmal gewußt, daß du Hermetikerin bist. Wenn sie wirklich von deinem Blut sind, dann ist das Geschick oder der Wille der Götter, aber nicht deine Schuld." Da kommt Auris plötzlich eine Gedanke: "Du und deine Geschwister? Stammt ihr alle von den gleichen Eltern ab?"  
Sun, Mar 31st 2024 10:10

Lua schaut den Maler einen Augenblick lang an, als er diese letzte Frage stellt. Sie nickt, mit nach wie vor tieftraurigem Gesichtsausdruck. Dann geht ihr Blick wieder vor sich auf den Boden. Eine ganze Weile sitzt sie da, wie ein Häuflein Elend. Dann kehrt ihr Blick zu Auris zurück.   “Naja, wenigstens haben unsere Eltern nie etwas anderes gesagt,” antwortet sie. “Freilich bin ich fünf Jahre älter als Lonya, während zwischen Lonya und Arcus nur sechs Jahre Unterschied sind. Vielleicht haben sie uns nie die Wahrheit gesagt, damit sich niemand ausgeschlossen fühlen muss. Aber wer weiß das schon, es kann auch einen ganz anderen Grund haben.”   Ihr Blick geht nun an die Decke, und wie beiläufig sagt sie leise vor sich hin: “Ich sollte die doch beschützen, vor all den Gefahren. Ich sollte doch für sie da sein…”   Plötzlich fährt sie sich mit den Handballen in die Augen, wischt sich die Tränen weg, nimmt das Glas, trinkt es aus und steht auf.   “Es tut mir leid; Meister,” sagt sie dann wieder mit fester Stimme. “Ich sollte Euch nicht mit meinen Problemen belästigen. Jedenfalls ist das neue Bild von mir wieder sehr schön geworden.”  
Mon, Apr 1st 2024 07:01

Auris seufzt. "Wenn es so wäre und du von einem anderen Vater oder einer anderen Mutter abstammst, dann ist es so gut wie sicher, daß deine Geschwister keine Hermetiker sind. Wenn nicht..." In einer resignierenden Geste hebt Auris die Hände. "Gegen das Geschick und die Götter ist der Mensch machtlos, Lua, egal was man sich vornimmt oder als höchste Pflicht betrachtet. Wenn sie beschlossen haben dir ins Genick zu pissen, dann pissen sie und du kannst nichts anderes tun, als es hinzunehmen. Ich weiß aus eigener bitterer Erfahrung, daß man gut daran tut, Dinge die man nicht beeinflussen kann, so zu akzeptieren wie sie sind. Alles Andere frißt einen auf. Du kannst weder an deinem Blut etwas ändern noch daran, daß deine Geschwister in der Hand Imerias sind. Du kannst nicht einmal den Versuch unternehmen auf die andere Seite zu gehen, außer du willst Selbstmord begehen. Es tut mir leid, Lua, aber so liegen die Dinge. Ich wünschte ich könnte dir etwas anders sagen." Als Lua aufsteht, erhebt sich auch Auris. "Du belästigst mich nicht, Lua. Du kannst immer zu mir kommen, egal was es ist. Wenn ich dir helfen kann, dann tue ich es. Aber in dieser Sache...." Er zuckt mit den Achseln. "Tut mir leid. Aber jetzt komm laß uns hinuntergehen und ein paar zur Brust nehmen."  
Mon, Apr 1st 2024 08:43

Lua wirkt bei Auris’ Worten, als würde er ihr auf den Zeh steigen und mit jedem weiteren Wort etwas mehr Gewicht auf den Fuß packen. Fast muss man schon befürchten, sie würde in jedem Moment vor Schmerz zerspringen, doch da packt er diese abrupte Wendung in seine Rede. Einen Augenblick steht sie einfach nur da, schaut ihn an, dann macht sie einen Schritt auf Auris zu, macht Anstalten, ihn zu umarmen. Doch im letzten Moment hält sie sich zurück, wohl im Hinblick auf die so extreme Reaktion des Alten vom Morgen des Tages. Lua holt tief Luft und versucht wohl, ihre Angst einfach wegzuwischen. Doch Lua ist weder eine gute Schauspielerin, noch hat ihr irgendjemand beigebracht, wie man jemandem Haltung vorgaukelt, wo eine solche nicht mehr vorhanden ist. Und so ist das Lächeln wohl irgendwie süß, doch weit weg von irgendwelcher Authentizität - und Auris würde ihr es wohl auch nach einem Dutzend Weinflaschen noch nicht abkaufen.   “Eine Flasche Wein, ja das wäre jetzt wohl genau das Richtige,” sagt sie also, mit leicht zitternder Stimme.  
Sun, Apr 7th 2024 09:39

"Du mußt aus deinem Herzen keine Mördergrube machen, meine Liebe, und gute Mine zu bösem Spiel machen. Wenn dir zum Heulen ist, dann heule." Für einen Moment legt er ihr leicht die Hand auf die Schulter. "Manchmal hilft auch das, aber jetzt laß uns hinuntergehen und ein paar Gläser trinken. Der Wein beseitigt zwar keine Probleme aber er macht sie wesentlich eträglicher, bis zum nachfolgenden Kater zumindest. Aber wenn du keine Lust hast, dich unten mit allen an den Tisch zusetzen, dann kann ich auch etwas heraufbringen lassen. Man muß nicht immer die halbe Welt an seinem Schmerz oder an seinem Glück teilhaben lassen." Für einen Moment schweigt Auris nachdenklich. "Aber ganz wie du willst, Lua."  
Sun, Apr 7th 2024 12:57

Lua schüttelt den Kopf.   “Nein, ich will nicht alleine hier oben bleiben,” antwortet sie. “Besonders jetzt, da ich meine Familie verloren habe, bin ich froh, etwas wie eine neue Familie gefunden zu haben. Ich habe es vorhin schon Egor gesagt, es überrascht mich immer wieder von Neuem, wie lieb hier alle zu mir sind. Ich meine, Ihr könnt es drehen wie Ihr wollt, Ihr könnt es malen wie Ihr wollt, aber am Ende bin ich doch ein Mund mehr, der mitisst, ein Mensch mehr, der eingekleidet worden ist, und eine Tasche mehr, die immer wieder ein paar Filis einsteckt. Trotzdem wirkt jeder, als würde er sich ehrlich freuen, dass ich nun da bin. Ganz ehrlich, ich habe das noch nie erlebt.”   Sie geht mit Auris nach unten.