[Stafan] Gegenüber dem Lachenden Zwilling lehnt ein untersetzter Mann mit Dreitagebart gegen eine Wand und beobachtet die Straße. Von beiden Seiten nähern sich weitere Männer, versammeln sich vor der zweiflügeligen Eingangstür und nicken dem Wartenden zu. Er stößt sich von der Wand ab und schlendert zu der Gruppe hinüber. Man grüßt und nickt sich knapp zu, es handelt sich um eine erfahrene Gruppe von Halsabschneidern, Straßenräubern und Wegelagerern, mit dem untersetzten Mann als Mittelpunkt.
"Stafan." Ein bärtiger Hüne, dem an einer Hand zwei Finger fehlen, nickt dem Mann zu.
"Los gehts!", Stafan grinst, stößt die Tür zum Schankraum mit beiden Händen auf und tritt ein. Die anderen, fünf an der Zahl, folgen ihm und verteilen sich rasch in dem größtenteils leeren Raum. Stafan durchmisst den Raum mit großen Schritten und grinst dem alten Wirt entgegen. "Ruthard, mein Freund! Du weißt, welcher Tag heute ist?"
Die Miene des Alten verfinstert sich und er wirft dem bärtigen Fremden, der neben ihm steht und den Stafan noch nie gesehen hat, einen raschen Blick zu.
"Und wer bist wohl du, mein Großer?", fragt Stafan und mustert den Fremden grinsend. Er ist breit und groß und jahrelange Arbeit hat seine Hände hart und seinen Rücken breit gemacht. Der Fremde antwortet nicht und Stafan wendet sich wieder dem Wirt zu. "Na, weißt du es?"
Ruthard fixiert ihn finster unter zusammengezogenen Augenbrauen heraus.
"Jungs, was für ein Tag ist heute?", ruft Stafan über die Schulter nach hinten und seine Männer rufen unisono und lachend: "Zahltag!"
"Arbeitest du für Imeria?", fragt der Fremde leise und verschränkt die Arme vor der breiten Brust.
Stafan grinst. "Imeria ist nicht alles, mein Freund. Fürst Arkon ist nicht alles. Es gibt andere, die auch irgendwie über die Runden kommen müssen." Wenn er dem Fremden allein in einer engen Gasse begegnen würde, würde er sich vielleicht - aber nur vielleicht - in Acht nehmen. Aber hier, in seinem Revier und mit seinen Männern hinter sich, fürchtet er niemanden. Außerdem war der Fremde vielleicht kräftig und breit, aber das würde ihn auch langsam machen.
"Also, Ruthard?", wendet er sich an den Wirt. "Wie sieht's aus?"
Ruthard macht eine vage Geste in den Raum. "Leer sieht's aus. Ich hab so wenig, wie letztes Mal."
Stafans Augen werden schmal. Er macht eine unmerkliche Geste und seine Männer rückten langsam näher. Der große Fremde presst sichtlich die Kiefer aufeinander, rührt sich ansonsten aber nicht. "Muss ich dich daran erinnern, wer ich bin?" Stafan legt einen Zimmermannshammer auf den Tresen. "Sag meinen Namen, Alter!"
Ruthard schluckt und sagt dann tonlos: "Stafan der Zimmerer."
Stafan grinst zufrieden und hebt dem Wirt die Waffe entgegen, damit er sie genau sehen kann. "Witzig, dass ich mal wirklich Zimmerer gewesen bin. Aber du weißt, wofür ich den Hammer heute benutze!" Er hämmert das Werkzeug mit lautem Knall auf den Tresen, dass Ruthard zusammenzuckt. Bleich wie ein Laken greift er langsam unter den Tresen und legt dann einen leise klimpernden Lederbeutel darauf.
Stafan nimmt den Beutel und leert den Inhalt aus. Es sind nur wenige Münzen, die über das schartige Holz des Tresens rollen. Während Stafan die Münzen abzählt und zu kleinen Türmchen stapelt, werfen Ruthard und sein Gast sich Blicke zu. Aber keiner der beiden bewegt sich.
Stafan zählt gut drei Viertel der Münzen ab und streicht sie vom Tresen in seine eigene Börse. "Ich will mal nicht gierig sein." Er grinst und muster dann den großen Fremden neben Ruthard. "Wer bist du?"
"Ich bin Theomer. Ich beliefere Ruthard mit Bier."
Stafan lacht. "Dann braust du diese Pferdepisse? Du wirst kaum genug Gewinn machen, um dir meinen Schutz zu verdienen."
"Ich kann gut auf mich allein aufpassen."
Stafan hebt ihm den Hammer entgegen. "Es gibt viele Gefahren, von denen du dir nicht träumen lässt, Pissebrauer! Wer in diesem Viertel Geld verdient, hat meinen Schutz bitter nötig, das wirst du schon bald merken!"
"Ich dachte, Fürst Arkon gehört dieses Viertel?"
Stafan wendet sich wieder an seine Männer: "Habt ihr den Fürsten in letzter Zeit hier gesehen?" Johlendes Gelächter antwortet ihm. "Siehst du? Er ist nicht hier. Mein Hammer schon!" Wieder lässt er ihn krachend auf den Tresen sausen.
Theomer nickt bedächtig. "Verstehe."
Stafan beugt sich vor. "Darauf wette ich. Bis bald, Pissebrauer! Wir sehen uns bestimmt bald wieder." Er geht ein paar Schritte rückwärts, bevor er sich umwendet, seine Männer mit einem Pfiff zu sich ruft und er mit ihnen den Raum verlässt.