Mon, Sep 2nd 2024 11:54
Edited on Fri, Nov 15th 2024 07:13
Es ist früh am Morgen. Nein, es ist nicht so früh, dass das Leben in der Stadt nicht schon lange am Laufen wäre. Es ist nicht so früh, als dass man am Arsenal noch Arbeit finden würde. Aber es ist auch noch nicht so spät als dass die Sonne ihre Wärme des Tages vollends entfaltet hätte. In einer kleinen Gasse in der Nähe des Arsenals verlässt ein recht abgerissen aussehender Mann ein schäbiges kleines Haus. Nein, nicht so schäbig, wie es die wahre Unterschicht bewohnen würde, aber auch bei Weitem nicht so prachtvoll, wie das Gebäude, zu dem er sich begibt. Es ist ein Palais in unmittelbarer Nähe zur Residenz, dort wo die wahrhaft reichen Leute der Stadt wohnen. Und es mag wohl beinahe verwundern, doich die Wachen am Tor lassen ihn ohne mit der Wimper zu zucken hindurch. Er scheint bekannt zu sein in dem Haus. Es dauert nun eine ganze Weile, in der der Mann in dem Palais verweilt. Schließlich geht er wieder durch das Tor. Er hat nun einen versiegelten Brief in der Hand. Sein Weg ist nun nicht mehr sehr weit. Er geht zur Kaserne der Wachkompanie. Hier kommt er freilich nicht so einfach durch. Er versucht gar nicht erst, an den Wachen vorbeizukommen. Vielmehr verneigt er sich übertrieben unterwürfig.
"Werte Herren," sagt er mit zuckersüßer Betonung, "erlaubt es einem ehrlichen Bürger dieser Stadt einen Brief des verehrten Herrn Eirik Svenson an seine Exzellenz, den Kommandanten höchstpersönlich abzugeben mit der ergebensten Bitte, ihn ihm unverzüglich auszuhändigen!"
Nun wäre es für die Wachen nicht unbedingt notwendig, sich um das Anliegen irgendeines Bürgers überhaupt zu kümmern, doch lässt der Name Eirik Svenson doch die Ohren klingeln, handelt es sich doch dabei um den Sohn des reichsten Kaufmannes der Stadt und somit einer zwar nicht Adeligen, aber doch sehr angesehenen Person. Nun, das Ansehen ist wohl mehr den Verdiensten des Vaters zu verdanken als jenen des Sohnes, ist jener doch mehr durch sexuelle Exkapaden berühmt und berüchtigt als durch kaufmännsichen Eifer. Trotzdem klingt der Name genug, dass der Brief auf dem Schreibtisch des Kommandanten landet. Sollte dieser nun diesen Brief öffnen - was wohl anzunehmen ist - so wird er folgende Zeilen lesen:
"Werter Kommandant,
Verzeiht wenn ich Eure wertvolle Zeit in Anspruch nehme. Wie Ihr wohl wisst, sind die Angehörigen meiner Familie und so auch ich selbst treu ergebene Bürger Pelorns und des Hauses Thornhoff, und ich kann Euch versichern, dass nichts mehr unser Leben erfreut, als mit unserer Arbeit und unseren Steuern dem Wohle des Hauses Thornhoff und somit sämtlichen Bürgern der Stadt zu Dienste zu sein. So fühle ich es jedoch auch als meine Pflicht, Euch auf etwaige Umtriebe in den Straßen unseres hoch geliebten Hoheitsgebietes seiner Exzellenz, des Barons hinzuweisen. So ist mir leider ein Vorfall zu Ohren gekommen, der so einem meiner treuen Mitarbeiter widerfahren ist.
Im Osten unseres Gebietes, unweit des Wochenmarktes, befindet sich die Rattenzucht eines gewissen Fräuleins, Mera mit Namen. Nun schickte ich meinen Mitarbeiter zu besagter Person, um etwaige Geschäftsmöglichkeiten auszuloten. Leider musste er dort erfahren, dass sich besagtes Fräulein weigerte, mit Leuten auf dem Gebiet des Hauses Thornhoffs Geschäfte zu machen, da sie ihre Ratten ausschließlich den Barbaren auf Imeria-Gebiet verkaufe und überhaupt keinen Grund sähe, sich gegen das Haus Imeria zu entscheiden.
Ich brauche Euch wohl nicht zu schildern, wie erschrocken ich über eine solch frevelhafte Aussage bin, die mein dem Hause Thorhoff so ergebenem Herzen große Schmerzen bereitet. Ich bin in großer Zuversicht, dass Ihr aus diesen bescheiden Zeilen die rechten Schlüsse zieht und verbleibe mit untertänigstem Gruße
Eirik Svenson
Kaufmann zu Pelorn"
Dies steht da, mit etwas fahriger, unordentlicher Schrift geschrieben.