Gulama ist mit dem Heiler also zu dem Haus gegangen, das bis vor Kurzem noch das ihrige, oder besser gesagt, das ihres Vaters war, in dem sie nun jedoch als Sklavin gehalten wird. Wobei, und das ist ihr freilich klar, ihr bisheriger Aufenthalt wohl dem einer Dienstmagd, keinesfalls aber sklavenartig anmutet. Freilich ist Gulama sonnenklar, woran das liegt: Es ist Mari, die auf sie aufpasst, die darauf achtet, dass ihr nichts passiert. Und so geht Gulama freilich durch den Kopf, was denn passieren würde, würde die Dargha nicht zurückkommen. Dann hätte wohl Mari das Sagen, und wenn nicht, wenn Mari von den Jägern des Hauses verwiesen würde, würde sie sie wohl mitnehmen, und Gulama wäre wieder frei. Frei von der Angst vor der Jägerin, all den groben Jägern. Und sie wäre glücklich, ihr künftiges Leben mit einer Frau zu teilen, die sich immer zu helfen wüsste, an deren Seite sie absolut sicher wäre. Und so kommt es, dass es Gulama im Endeffekt gar nicht so unlieb wäre, würden sich Maris Hoffnungen eben nicht erfüllen.
Irgendwann kommt Gulama also mit dem Heiler an. Sie gehen hoch in den Saal und sie bittet den Heiler, Platz zu nehmen. Natürlich fragt sie ihn, ob sie ihm etwas bringen könnte, und bringt ihm also das Glas Wein. Und so warten die beiden, sprechen über allerlei belangloses Zeug. Weder wagt es der Heiler, Gulama nach dem Schicksal ihrer Eltern zu fragen, noch ist Gulama irgendwie gewillt, über diese schmerzliche Erfahrung zu reden. Gulama ist entspannt, schließlich hat der hübsche, langhaarige Jäger ganz klar gesagt, sie würden die Jägerin vorerst nicht befreien. Sie wartet also auf Maris Rückkehr. Sie legt sich, während sie eben über das Wetter und allerlei sonstigen Klatsch und Tratsch spricht, bereits die Worte zurecht, mit der sie ihre Freundin, ihre Heldin, ihre Geliebte trösten könnte. Und da hört sie auch schon die Schritte auf der Treppe. Erfreut sieht sie auf. Es ist nicht Mari.
Zunächst erkennt Gulama die Jägerin gar nicht, so entstellt sieht sie aus. Die Tätowierungen sind unter einer Schicht getrockneten Blutes verborgen, schief und alt sieht sie aus, wie sie sich langsam die Treppe heraufschleppt, und die Konturen des Gesichtes sind durch verschiedene Schwellungen auch nur schwer zu erkennen. In einem zweiten Augenblick freilich merkt sie, wer vor ihr steht, und sie, die Sklavin, sitzt mit dem Heiler am Tisch, als wäre sie eine Gastgeberin! Wie muss das auf die Dargha wirken? Das ist doch das genaue Gegenteil von dem, das Mari ihr immer wieder aufträgt!
Gulama springt auf, verdrückt sich urplötzlich in eine Ecke des Raumes, senkt den Blick.
“Dargha, schön dass Ihr wieder hier seid,” grüßt sie kleinlaut, “der Heiler ist bereits hier, wie mir von Fräulein Mari befohlen wurde.”