Tue, May 16th 2023 12:39
Edited on Thu, Feb 29th 2024 07:36
Erst als der Diener den Raum verlassen hat, verzichtet Reland arn Melvart auf alle Formalitäten und geht auf seinen Gastgeber zu, der ihm die Hand schüttelt. „Schön dich wieder hier zu haben, alter Freund!“: sagt Karthes Thronhoff herzlich. „Ich freue mich, dich wohl zu sehen.“: antwortet Reland. Wie gewöhnlich bedient er sich einer altertümlichen Form des Pela, die kaum mehr gesprochen wird. Es gehört zu seinen Eigenheiten, wie die Kleidung im Stil der Kaiserzeit.
„Setz dich doch und laß uns erst einmal Frühstücken. Geschäft und Politik auf nüchternen Magen verderben einem den Tag.“: sagt der Salzbaron und nimmt Platz. Während des ausgiebigen Frühstücks unterhalten sich die beiden Männer über den neuesten Klatsch in der Stadt und andere Belanglosigkeiten. Ein wenig später begeben sie sich in das Arbeitszimmer des Salzbarons, der anordnet niemanden vorzulassen, da er nicht gestört zu werden wünscht.
„Ich habe deinen ausführlichen Bericht gestern nur überflogen, da ich bis in die Nacht hinein wieder einmal Streit zwischen den Familien schlichten mußte. Zu den Schatten mit diesen Idioten! Am liebsten würde ich ein paar Oberhäupter auf der Prena an Kreuze nageln lassen!“
„Der Tag kommt noch, Karthes.“: warf Reland ein.
„Hoffentlich! Aber bis dahin müssen wir mit diesem Abschaum leben, ob es uns nun recht ist oder nicht. Aber lassen wir das für den Moment. Soweit ich verstanden habe, war deine Reise ein Erfolg.“
Reland nickt. „Ja, es hat sich trotz aller Widrigkeiten gelohnt. Der Spürer hat uns sicher durch den Wald gebracht, bis wir auf die alte Reichsstraße gestoßen sind und nach drei Tagesmärschen das befestigte Lager erreichten, daß der Reichsarmee als Versorgungsposten für die Grenztruppen im Norden gedient hat. Eine Lageskizze findest du in meinem Bericht. Die verbliebenen noch eingelagerten Güter sind natürlich nach über hundert Jahren unbrauchbar, aber die Gebäude sind in gutem Zustand und lassen sich ohne viel Aufwand herrichten. Die Brunnen sind intakt, wir haben das Wasser an zwei Sklaven getestet. Das erstaunlichste Ergebnis unserer Expedition ist die Erkenntnis, daß die verseuchte Zone östlich des Flußes ab etwa fünfzehn Meilen von der Stadtgrenze Richtung Norden kein durchgehendes Ödland mehr ist. Zwischen den verseuchten Stellen ist das Gelände frei von Anomalien und kann relativ gefahrlos durchquert werden. Doch ohne Spürer wäre ein Durchkommen unmöglich gewesen. Wir haben den Weg, den unser Spürer gefunden hat, so genau wie möglich aufgezeichnet und an einigen Stellen Markierungen hinterlassen. Wir sind daher in der Lage, jederzeit das Lager erreichen zu können und einen Außenposten zu errichten. Das Lager ist ein idealer Außenposten für die Expansion nach Norden und Osten.“
Karthes Thornhoff mustert seinen Jugendfreund und Vertrauten für einen langen Augenblick nachdenklich. „Ich frage mich, ob die Anomalien tatsächlich im Lauf der Zeit schwächer werden und schließlich ganz verschwinden, oder ob die früheren Berichte über das ausgedehnte Ödland, darauf zurückzuführen sind, daß niemand wirklich nachgesehen hat oder kein Spürer verfügbar war?“ Für einen Moment schweigt der Salzbaron. „Aber so interessant diese Frage auch ist, wir haben dringendere Probleme am Hals und ein dauerhafter Außenposten kostet uns Ressourcen, die wir dringend hier und im Westen brauchen. Allerdings wäre es ein Desaster, wenn dieses Lager den Tätowierten in die Hände fallen sollte. Wir brauchen drei, vier verlässliche Leute da draußen, die unseren Anspruch auf die alte Festung deutlich machen, wenn die Tätowierten davon Wind bekommen. Auf einen Krieg wird sich Imeria deswegen wohl nicht einlassen. Kümmere dich bitte darum.“
Reland neigt leicht den Kopf in Richtung des Salzbarons. „Wie du befiehlst, so wird es geschehen. Aber du hast von dringenden Problemen gesprochen?“