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Tue, Jul 23rd 2024 11:15   Edited on Fri, Nov 15th 2024 02:47

[16. Tag, Morgen] Die Prüfung

Was bringt es wohl, auf den Okeanus zu starren, wenn man seiner eigenen Zukunft nicht mehr sicher ist? Wohl eher wenig. Und so ist Lua wohl eine lange Zeit lang auf dem Kai am Arsenal gesessen. Das Einzige, das sie damit erreicht hat, war, dass sie wohl hin und wieder einer der am Arsenal arbeitenden Männer angequatscht hat - was in Anbetracht ihrer äußerlichen Erscheinung wenig überraschend ist. Doch Lua war so sehr in ihre Gedanken vertieft, dass sie kaum auf die mehr oder meist weniger eleganten Komplimente eingegangen ist. Vielmehr ist sie irgendwann wieder aufgestanden und hat sich auf den Rückweg zu dem kleinen Palais ihres Hausherren gemacht. Sie ist dann wohl noch eine Weile im Salon gesessen, während Egor ihr noch einmal gut zugeredet hat, bis sie sich schließlich zurückgezogen hat. Zum Abendessen ist sie dann noch einmal erschienen. Doch noch immer war sie so in ihre Gedanken vertieft, dass es ein ziemlich schweigsames Dinner wurde, und nicht einmal Auris hatte es geschafft, dieses Schweigen dauerhaft zu durchbrechen.   Nun hilft das Starren auf den Okeanus wenig, um die eigenen Gedanken zu vertreiben. Eine Mütze Schlaf verändert die Aussicht auf die eigene Zukunft oft viel mehr. Und so ist es auch bei Lua Aetaya. Als sie also irgendwann einschläft, und irgendwann auch wieder aufwacht, ist ihre Laune insofern verbessert, als dass sie das Unabänderliche als unabänderlich ansieht. Wohl ist sie noch ziemlich aufgeregt, was denn bei dieser ominösen Untersuchung seitens des Schinders herauskommen mag, aber die Erwartung jenes Entgegenkommens, das er von ihrer Wenigkeit erwartet, ist praktisch aus ihren Gedanken verschwunden. Und so wirkt sie beinahe wie jeden Tag, als sie mit einem fröhlichen “Guten Morgen!” den Salon betritt, während die Morgensonne wieder einmal durch ihr Unterkleidchen scheint.
Tue, Jul 23rd 2024 11:34   Edited on Tue, Jul 23rd 2024 11:34

Als Lua den Salon betritt, sitzt Auris am Tisch und gähnt herzhaft. So wie er aussieht hat er wohl nicht lange geschlafen diese Nacht, aber er hat bereits sein Arbeitsgewand abgelegt und ist ins Straßengewand geschlüpft. „Guten Morgen, meine Liebe. Du siehst wunderbar aus an diesem Morgen.“: sagt er und gähnt nochmals. „Entschuldige! Gut das du aufgestanden bist. Ich wollte dich schon wecken lassen. Ich habe in aller Früh Egor zu Reland geschickt, mit der Bitte dich heute schon der Prüfung zu unterziehen. Reland hat zugestimmt, aber wir müssen bald aufbrechen, sonst müssen wir ein paar Tage warten. Ein schnelles Frühstück geht sich noch aus, aber dann mußt du dich umziehen und wir müssen aufbrechen.“: sagt Auris und gähnt wieder. Als er sich die Hand vor den Mund hält, kann man deutlich die Farbflecke sehen, die dem Versuch sie abzuwaschen, widerstanden haben. „Ach ja, bevor ich es vergesse, hast du dir überlegt, ob du die Einladung der Scherbenprinzessin annehmen willst? Für den Fall, daß die Eskorte von den Topfmachern auftaucht, wenn wir bei Reland sind.“      
Wed, Jul 24th 2024 08:56

“Jetzt schon?”   Erschrocken weiten sich Luas Augen, und sie schaut etwas nervös umher. Dann setzt sie sich jedoch flugs auf ihren Platz und schnappt sich ein Fleischküchlein. Sie beißt hinein, kaut, schluckt.   “Ich meine, ich bin ja froh, wenn es schnell geht,” antwortet sie dann, das Küchlein vor ihrem Mund haltend. Sie beißt ab, kaut, schluckt abermals, bevor sie weiterspricht. “Dann weiß ich wenigstens, wie ich dran bin beim Schinder. Mag er machen, was er will.”   Sie isst nun das Küchlein zu Ende, bevor sie wiederum fortfährt: “Was zieht man denn an bei so einem Anlass? Meint Ihr, das rote Kleid würde passen? Ich meine, seit ich bei Euch bin, bin ich kein Niemand mehr, den man einfach so verschwinden lassen kann. Und das soll er ruhig sehen, wenn ich da auftauche.”
Wed, Jul 24th 2024 11:04

Etwas erstaunt zieht Auris eine Augenbraue hoch. „Also ich glaube nicht, daß dies ein Anlaß ist, um sich besonders zu kleiden, Lua. Das rote Kleid steht dir sicher gut, doch nach meinem Dafürhalten ist es doch eher etwas für eine Abendveranstaltung. Aber wie du möchtest, meine Liebe.“ Nach einem kräftigen Schluck fährt er fort. „Niemand will dich verschwinden lassen, auch Reland nicht. Wollte er das, dann wärst du nicht mehr hier. Er will in Erfahrung bringen, ob deine Gabe stark genug ist, um dem Haus von Nutzen zu sein. Auch wenn sie so stark sein sollte, was ich dir nicht wünsche, wird er dich nicht irgendwo einmauern lassen. Aber dann gehörst du Thornhoff mit Haut und Haaren und das wird sich nicht ändern bis zu deinem letzten Atemzug. Nicht, das es dir dabei schlecht ginge! Doch du säßest in einem goldenen Käfig.“ Auris gähnt noch einmal hinter vorgehaltener Hand. „Aber das liegt nicht in unseren Händen, Lua. Selbst ich weiß nicht, von wem und wie du geprüft werden sollst und ich werde es vermutlich auch nicht erfahren. Aber ich kann dir versichern, daß du dabei keinen Schaden nehmen wirst.“    
Thu, Jul 25th 2024 01:15

“Aber Meister Auris,” antwortet Lua, “ich habe ja gar keine Ahnung, wie man sich zu bestimmten Anlässen kleidet. Bisher hatte ich ja immer nur ein Gewand, und das habe ich angezogen, um nicht nackt durch die Gegend zu laufen. Und die Kleider, die Ihr mir in das Zimmer legen lassen habt, die sind doch allesamt wunderschön. Ich glaube nur nicht, dass ich mit diesem Kleid hingehen sollte, wo doch Rikka sagte, ich sollte es nur hier zu Hause anziehen.”   Lua schaut einen Augenblick lang vor sich auf die Tischkante, bevor sie Auris wieder ansieht.   “Ich meine, für Euch mag es ein kleines Detail sein, wenn der Schinder mich prüfen will, wie ein Schmetterling, der durch ein offenes Fenster abhaut oder auch im Zimmer bleibt. Für mich ist das eine große Sache, und ich möchte da wirklich nichts falsch machen. Ich habe ein Glück gefunden, und ich möchte dieses Glück behalten. Natürlich tröstet es mich ungemein, wenn Ihr sagt, mir würde so oder so nicht viel passieren, aber glaubt mir, ich habe eine Scheiß-Angst vor dem Schinder. Was ist, wenn er meint, ich würde ihn nicht genügend respektieren, ich würde ihn auf den Arm nehmen wollen? Und so möchte ich einfach eine gute Figur machen. Ich ziehe es wirklich vor, Euch zu gehören als dem Haus Thornhoff, aber wichtig ist nur, dass er mich nicht als komplett schädlich und nutzlos findet.”   Wieder schaut sie auf die Tischplatte.   “Aber ich denke, ich weiß schon, welches Kleid ich anziehe. Und was die Gräfin betrifft, so denke ich wirklich, dass ich Euch schaden könnte, wenn ich die Einladung nicht annehme. Sie könnte sich da doch beleidigt fühlen. Und das will ich nicht. Ich werde also auf jeden Fall zur Gräfin gehen, sofern der Kommandant mich danach noch lässt.”
Thu, Jul 25th 2024 03:12   Edited on Thu, Jul 25th 2024 03:12

Für einen langen Augenblick sieht Auris Lua nur an. Für diesen Augenblick zeichnet sich nur Müdigkeit auf seinem Gesicht ab, sondern ziemlich unverhüllte Angst. „Da täuschst du dich aber gewaltig, meine Liebe! Für mich ist das genauso wenig eine kleine Sache wie für dich. Nur weil ich es nicht zeige, heißt das noch lange nicht, daß ich keine Angst vor dem Ergebnis deiner Prüfung habe. Ganz im Gegenteil! Ich habe Angst wie der Angeklagte vor dem Richtspruch. Ich will dich nicht verlieren, auch nicht an mein Haus!“: sagt er betroffen und füllt sich geschäftig seinen Becher, um seine Bewegtheit zu überspielen.   Doch er fängt sich schnell. „Es ist durchaus vernünftig, vor Reland Angst zu haben. Er ist ein mächtiger Mann ohne die geringsten Skrupel zu tun, was ihm notwendig und richtig erscheint, um unser Haus zu schützen. Aber er ist kein Tollwütiger, der blind um sich schlägt. Selbst in der schlimmen Zeit nach dem Tod seiner Schwester war er Argumenten zugänglich. Er hat einen messerscharfen Verstand, der von keinerlei moralischen oder ethischen Bedenken getrübt wird und tut nichts ohne Grund. Solange du ihm auf rationaler Basis kommst, wird er dir zumindest zuhören, wenigstens so lange wie er der Meinung ist, daß du keine Bedrohung für das Haus bist. Aber das nur am Rande.“ Er feuchtet sich die Kehle an, bevor er weiterspricht.   „Wegen des Kleides, Lua. Ich weiß schon, daß die Frage welches Kleidungsstück zu welchem Anlaß getragen werden soll, für dich nicht existiert hat, da du nur das Gewand besessen hast, daß du auf dem Leib getragen hast. Doch Kleidung kann Facetten deiner Persönlichkeit hervorheben, Eindrücke vermitteln und herausstreichen, an denen dir gelegen ist. Dein rotes Kleid ist ideal für einen Empfang, eine Abendeinladung oder ähnliches. Es zeigt dich als betörende junge Frau und unterstreicht alle deine Vorzüge. Doch das ist nicht, was du Reland zeigen willst! Es sollte dir daran gelegen sein, dich als ehrliche und mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität stehende junge Frau zu präsentieren, die klug genug ist, um nicht den Versuch zu machen, ihn betören zu wollen und den Ernst der Situation versteht. Das erreichst du am besten mit einem einfach gehaltenen Kleid von guter Machart. Elsi hat einen ganzen Schrank voll davon und es sicher das Eine oder Andere dabei, daß dir passen wird. Ich rate dir zu so einem Kleid, aber es ist natürlich deine Entscheidung.“   Daß Auris die Antwort Luas wegen der Einladung nicht paßt, ist ihm an der Nasenspitze abzulesen. Doch dann zuckt er die Achseln und ruft nach Egor. „Wenn die Eskorte von der Schlammpatzerin kommt, um Lua abzuholen und wir noch nicht zurück sind, dann sage ihnen, sie sollen warten.“  
Thu, Jul 25th 2024 04:30

Lua sagt eine ganze Weile gar nichts mehr. Sie sieht Auris einfach nur an. Es ist ein Bick voller Liebe, voller Zuneigung, während die Augen zusehends glänzender werden und schließlich einige Trängen über ihre Wangen kullern. Ihre Hände suchen schließlich die seinigen, greifen sie, halten sie fest.   “Meister,” sagt sie schließlich, “ich weiß gar nicht, womit ich es verdient habe, Euch zu treffen. Ich meine, es ist eines, einen Künstler zu finden, der einen zu so guten Konditionen malen will. Es ist aber ganz etwas anderes, jemanden zu finden, der nicht nur Arbeitgeber ist, sondern der Vater ist, der Freund ist, der es schafft, in wenigen Tagen eigentlich alles Gute zu sein, das einem in einem Leben widerfahren ist. Ich meine, seit ich hier bin, wache ich jeden Tag auf, und jeden Tag lege ich mich in mein Bett und wundere mich, was Ihr alles für mich macht, obwohl Ihr es eigentlich gar nicht machen müsst. Ihr werdet sicher wieder eine Floskel finden, um all das Normalität zu nennen, aber glaubt mir, wenn jeder Zehnte der Reichen dieser Stadt so wäre wie Ihr, es würde in Pelorn kein Elend mehr geben.”   Sie sieht Auris an, und mehr denn je wird er den Eindruck erhalten, dass er eigentlich alles von ihr haben könnte, so er denn wollte.   “Aber ich werde jetzt ein Gewand anprobieren, das Ihr mir bereits in mein Zimmer gelegt habt,” fährt sie dann fort. “Sagt mir, was Ihr davon haltet.”   Sie lässt die Hände los, erhebt sich und verschwindet in ihr Zimmer. Wenig später kommt sie zurück. Sie trägt nun eine enge schwarze Hose und eine weite weiße Bluse.   “Was sagt Ihr? Ist das etwas, was für die Prüfung funktionieren könnte?”   Erwartungsvoll schaut sie Auris an.
Sun, Jul 28th 2024 12:19

Auris entzieht ihr seine Hände nicht und er schafft es auch nicht, sein Gegrummel den so typisch leicht sarkastischen und ablehnenden Ton zu verleihen, den er sonst bei solchen Gelegenheiten anschlägt. „Unsinn!: brummelt er. „Wenn man dir zuhört, könnte man meinen, ich wär ein gesalbter Heiliger, der aus den Höhen Beresants herabgestiegen ist. Da kriegt man ja Gänsehaut! Ich bin Maler und ich brauche ein Model, daß bei guter Laune und guter Gesundheit gehalten werden muß. Unglück und Trauer sind das beste Mittel, das Licht verlöschen zu lassen, daß dich umgibt und im Übrigen....“. Irgendwie verliert Auris den Faden, als er Lua in die Augen sieht und schweigt einen, für seine Verhältnisse, langen Moment. Dann sagt er leise: „Liebe muß man sich nicht verdienen, Lua, die kriegt man geschenkt.“ Dann hat er sich wieder im Griff und mit seiner charakteristischen Geste sagt er entschieden: „Aber jetzt Schluß mit dem ganzen schwülstigen Gerede, meine Liebe! Wir haben Wichtigeres zu tun! Reland wartet!“ Es scheint ihm gar nicht ungelegen zu kommen, daß Lua in ihr Zimmer geht uns sich umzieht. Als sie wiederkommt, hat er sich gefast und sieht sie bewundernd an. „Ausgezeichnet! Ganz ausgezeichnet, meine Liebe! Das paßt ganz hervorragend. Nun denn, Zeit den Stier bei den Hörnern zu packen! Laß uns gehen oder brauchst du noch etwas?“      
Mon, Jul 29th 2024 01:16

Lua erwidert nichts auf Auris’ Widerspruch. Zum einen deshalb, weil er sie ja geradezu wegschickt, zum anderen, weil sie einfach viel zu aufgeregt ist, um irgendeine Diskussion vom Zaun zu brechen. Und so steht sie eben auf, um wenig später mit besagtem Gewand wiederzukommen.   Sie lächelt jedoch sichtlich erfreut, als Auris mit ihrer Kleidung zufrieden ist. Schließlich müsste er es doch wissen, wie man sich bei bestimmten Anlässen denn so kleidet. Lua selbst war, wie sie ja zugegeben hat, noch nie in solch einer Situation, und nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass ein bestimmter Kleidungsstil die Haue, die es in der Wache für einen Angehörigen der untersten Bevölkerungsschicht zu oft gibt, mindern könnte. Doch nun gehört sie nicht mehr jener bedauernswerten Kaste an, nun hat sie, wie es ihr Auris ja versichert hat, keinerlei Folter mehr zu befürchten.   Sie schaut kurz an sich hinunter, dann schaut sie Auris an. “Nein, ich denke ich brauche nichts mehr,” antwortet sie. “Wieso? Brauche ich noch was? Ich wüsste nicht, was ich noch mitnehmen könnte. Ich denke, wir können gehen!”
Tue, Jul 30th 2024 11:37

„Nun denn, dann Spieß voran, drauf und dran.“: sagt Auris schmunzelnd und erhebt sich. Draußen vor dem Palais bietet er Lua seinen Arm an. „Jetzt nur keine Hast, meine Liebe. Wir promenieren in die Residenz, so als wären wir zu einem kleinen Umtrunk geladen. Niemand soll glauben uns säße die Angst im Nacken.“: sagt Auris leichthin und so spazieren Auris, aufrecht in bester Haltung, mit Lua am Arm durch das Tor der Residenz. Jeder Soldat, der ihnen begegnet, nimmt entweder kurz Haltung an oder salutiert vor Auris. Auch der Adjutant im Vorzimmer des Kommandanten steht auf und nimmt kurz Haltung an: „Ihr werdet schon erwartet, Patrikius.“: sagt er und öffnet den Beiden die Türe zu Relands Arbeitszimmer. Höflich läßt Auris Lua den Vortritt und betritt hinter ihr den Raum. „Guten Morgen! Ich hoffe, wir sind nicht zu früh dran, lieber Freund.“: grüßt er scheinbar gut gelaunt.      
Wed, Jul 31st 2024 09:31

Lua legt ihren Arm in den des Meisters, und so geht es die kurze Strecke durch die Stadt. Wie immer ziehen sie gar einige Blicke auf sich, der alte Mann mit dem wirren Haar und dieser auffallend schönen jungen Dame an seiner Seite. Doch während Lua bei ihrem letzten gemeinsam Spaziergang zur Residenz vor Freude aufjauchzen hätte können, ist ihr dieses Mal ganz anders zumute. Nun hat Auris wohl alles getan, um sie zu beruhigen, aber so ganz ist es ihm freilich nicht gelungen. Im Endeffekt hat bereits der erste Besuch in der Residenz ein unangenehmes Nachspiel gehabt, dessen Ausmaß sich nun wohl zeigen wird. Was werden die Folgen des zweiten Besuches sein? Und wird Auris wohl recht behalten mit seiner Behauptung, Lua hätte keine Folter zu befürchten? Schließlich weiß die ganze Stadt, dass der Schinder jedem große Schmerzen zuzufügen imstande ist, ohne mit der Wimper zu zucken, während seine Kornett dabei gar große Freude zu empfinden scheint. Aber Lua versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Sie versucht, den Gang einzunehmen, den ihr Rikka beigebracht hat, der ihr jedoch nur zur Hälfte gelingt, der in Vollendung aber wohl auch eigenartig und übertrieben ausgesehen hätte. Sie gehen durch die salutierenden Soldaten durch, bis sie schließlich im Büro des Kommandanten stehen. Auris grüßt ihn überschwänglich, Lua lächelt nur etwas zaghaft.
Wed, Jul 31st 2024 02:57   Edited on Wed, Jul 31st 2024 02:58

„Guten Morgen!“: sagt Reland, steht auf und schüttelt Auris die Hand. In Richtung Lua deutet er eine höfliche Verbeugung an. „Nein, ganz und gar nicht. Ich habe schon auf euch gewartet. Es ist alles bereit.“ Dann wendet er sich an Lua. „Werte Lua, schon allein die Existenz dessen, was ihr zu sehen und zu hören bekommen werdet, ist ein Staatsgeheimnis. Eure Verschwiegenheit ist daher ein absolutes Muß! Auch nur eine Andeutung zu irgendjemand, der sich nicht zu diesem Zeitpunkt in diesem Raum befindet, kostet euch den Kopf. Im Moment habt ihr nichts zu befürchten. Die Proben, denen ihr euch zu unterziehen habt, sind weder schmerzhaft noch hinterlassen sie irgendwelche Schäden.“ Reland ruft den Adjudanten zu sich. „Laßt die werte Lua zu Ala bringen.“: befiehlt er und bedeutet Lua mit einer Geste dem Adjudanten zu folgen.   Es dauert nicht lange, bis ein Mann in Zivil den Raum betritt und Lua über ein paar Treppenabsäzte, einige Korridore und durch verschlossene, schwere Türen in einen großen fensterlosen Raum führt, der spärlich beleuchtet ist. Nur auf einem kleinen Tisch brennt hell eine Lampe, in deren Lichtkreis zwei bequeme Stühle stehen. Außer Regalen mit Büchern und einem Arbeitstisch kann Lua in dem Zwielicht nichts genau erkennen. Der Mann verläßt wortlos den Raum und schließt die Türe hinter sich ab, wie alle anderen, durch die sie gekommen waren. Es dauert ein paar Herschläge lang, bis eine Gestalt in den Lichtkreis tritt, die sich als eine Frau in einer einfachen dunkelgrauen Robe herausstellt. Trotz ihres silberweißen Haares, das sie aufgesteckt trägt, und den Spuren der Jahre kann man erkennen, daß die Frau einmal eine Schönheit gewesen sein muß. „Willkommen, mein Kind. Ich bin Ala! Setz dich doch bitte.“ Die Stimme der Frau ist ruhig und sanft.  
Thu, Aug 1st 2024 11:06

“Werter Herr Kommandant,” entgegnet Lua bemüht ruhig, “seid Euch gewiss, dass ich über alles, was hier passiert, schweigen werde. Sind wir ehrlich, Ihr wisst ganz genau, was mir blühen würde, würde auch nur das Gerücht aufkommen, ich wäre eine Hermetikerin. Es ist also ganz in meinem Interesse, wenn kein Schwein auch nur irgendwie eine Ahnung bekommt, dass ich heute hier bin.”   Lua folgt dann auch dem Mann in den mysteriösen Raum. Es ist ihr eindeutig anzukennen, dass sie sich alles anderes als wohl fühlt auf diesem kurzen Marsch. Sie betritt also das dunkle Zimmer, schaut sich besorgt um. Sie hört zuerst die Stimme, bevor sie die Frau erblickt. Sie denkt gar nicht daran, wie sie einmal ausgesehen haben mag, zu sehr ist sie mit ihrem eigenen Schicksal beschäftigt. Es geht schließlich, so ist sie sich sicher, um nichts weniger als um ihren Kopf. Dass das Haus Thornhoff um Hermetiker bemüht ist, daran kann sie einfach nicht glauben. Vielmehr ist sie immer noch sicher, dass es, sollte sie eine starke Gabe haben, sofort in die Folterkammer und auf den Hinrichtungsplatz gehen würde. Aber der Ton der Stimme, die Betonung, das alles beruhigt Lua irgendwie. Sie setzt sich also auf einen der Stühle und wartet darauf, was nun kommen würde.
Thu, Aug 1st 2024 07:55   Edited on Sat, Oct 19th 2024 12:23

[Ala] „Du brauchst keine Angst zu haben, mein Kind. Nur die Tenebri, die ihr Leben ohne die Gnade der Gabe führen müssen, fürchten unsereins. Ich habe die Gabe so wie meine Eltern und meine Vorfahren sie vor mir hatten und meine Familie dient dem Haus seit Generationen. Niemand krümmt dir in diesen Mauern auch nur ein Haar, wenn dir die Gnade widerfahren ist, mit der Gabe geboren worden zu sein. Ich habe gehört, daß dich die Schlangenhexen als unrein gebrandmarkt haben. Auch diese Hexen, die der schwarzen Schlange dienen, sind von unserem Blut, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Mein Kind, wir sind so kostbar wie Diamanten oder Feueropale für die Häuser, gesucht und in Ehren gehalten.“ Der Stolz in der Stimme Alas ist nicht zu überhören. „Jetzt lehne dich zurück, entspanne dich, atme ein paar Mal tief durch und dann erzähle mir von dir, von deiner Kindheit, von deinen Träumen und was bei den Hexen geschehen ist.“: sagt die Ala und ihre Stimme ist sanft und beruhigend. Ihre graue Robe raschelt leise, als sie sich auf den zweiten Stuhl setzt und einfach wartet.  
Fri, Aug 2nd 2024 12:30

“Das ist ja mein großes Problem,” antwortet Lua. Sie versucht wohl, ruhig zu sein, doch ist ihre Aufregung doch in einem leichten Tremor in ihrer Stimme allzu leicht zu verspüren. “Ich weiß nicht, was bei Imeria eigentlich passiert ist. Aber lasst mich doch bitte von vorne erzählen.”   Sie lehnt sich nun auch in ihrem Stuhl zurück, kurz nur, scheint nachzudenken. Dann beginnt sie zu reden.   “Ich bin in Pelorn zur Welt gekommen. Meine Familie ist nie reich gewesen, aber meine ersten Erinnerungen waren doch die einer glücklichen Kindheit. Ich habe mit meinen Geschwistern gespielt, meistens hatten wir auch genug zu essen, und es gab eigentlich nichts, was ich richtig gefürchtet habe. Dann ist jedoch meine Mutter gestorben, und etwas später auch mein Vater, und ich musste plötzlich erwachsen sein. Ich musste doch dafür sorgen, dass meine Geschwister die ebenso glückliche Kindheit hatten wie ich. Ich habe es eigentlich nie richtig geschafft, so sehr ich mich auch bemüht habe. Es war nie genug zu essen da, wir hatten nie genug Kleider für alle. Wenn ich vorne etwas genommen habe, hat es hinten gefehlt, so sehr ich es auch versucht habe, mehr Geld heran zu schaffen. Am Arsenal haben sie immer die kräftigen Männer vor mir genommen, und auch in den Bordellen haben sie immer Frauen mit dickeren Titten genommen, Frauen, die älter waren als ich, Frauen, die schöner waren als ich. Das einzige, das ich nicht wollte, war zu stehlen, denn meine Geschwister sollten diesen Weg nicht gehen. Irgendwann haben auch die kleinsten gelernt, wie man etwas zu essen heranschafft, sie sind sogar wahre Meister geworden im Ratten fangen. Dann ging alles etwas leichter. Aber dann ist mir der Becher an den Kopf gefallen, und ich hatte die Gelegenheit, mich in Imerias Dienste zu stellen, mitsamt meiner Geschwister. Nie mehr Hunger leiden, vielleicht sogar Geld zu haben, mehr als man braucht, nicht mehr aufessen zu müssen, wenn es nicht schmeckt. Ich habe angenommen, und es war keine schlechte Entscheidung. Ich sollte mich um einen Verletzten kümmern, ich hatte ein Zimmer, ich hatte ein Kleid, ich hatte zu essen. Ich musste nicht mehr fürchten, in der Nacht vergewaltigt zu werden, geschlagen zu werden, ausgeraubt zu werden. Auch meine Geschwister hatten nun wohl ein gutes Leben. Aber plötzlich haben sie mich an den Haaren aus meinem Zimmer gezogen. Sie haben mich geschlagen, sie haben mich getreten, sie haben mich gebrandmarkt und verstoßen. Dann bin ich zu Auris gekommen, und ich habe ein neues Glück gefunden, ein neues Glück, das nun jedoch wieder am seidenen Faden hängt. Ich weiß nicht, was ich Euch sagen soll, aber ich habe diese Gabe noch nie bemerkt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Leute bei Imeria sich einfach getäuscht haben. Ich bin ein ganz einfaches Mädchen, ich kann nichts besser, als irgendjemand anderes. Ich bin einfach nur Lua, oder Lu, oder wie immer Ihr mich nennen wollt. Ich will niemandem etwas Böses. Ich will einfach nur endlich ein kleines Glück haben.”
Fri, Aug 2nd 2024 04:03   Edited on Sat, Oct 19th 2024 12:28

Still hört Ala Lua zu, ohne sie zu unterbrechen. Sie schweigt auch noch, nachdem Lua gesagt hat, was sie wollte. Erst nach einer kleinen Weile sagt sie: „Es ist leider das Schicksal vieler von uns, daß ihre Gabe über die Generationen hinweg verkümmert. Es ist wie mit einem Muskel, den man nicht gebraucht. Doch die Hexen irren nicht. Sie sind darin ausgebildet, die Gabe zu erkennen und außerhalb ihres Ordens auszumerzen. Aber wir werden sehen, Lu.“ Ala beugt sich vor und streckt beide Hände aus. „Komm, gib mir deine Hände. Fürchte nichts.“ Sanft schließen sich die Hände der älteren Frau um Luas. „So, jetzt schließe deine Augen und denke an etwas, daß du dir von ganzem Herzen wünscht. Stell es dir vor so genau wie es dir möglich ist. Atme langsam und tief. Ja, so ist es gut.“ Nach einiger Zeit läßt Ala Luas Hände los. „Kein Zweifel, mein Kind, du hast die Gabe! Du bist von gesegnetem Blut, doch deine Gabe ist verschüttet.“ Sie dreht sich etwas von Lua fort und nimmt einen seltsamen Kristall von dem kleinen Tisch. In der ungewöhnlichen Form eines Rhombus sieht der Kristall wie Quarz mit vielen milchigen Einschlüssen aus. „Das ist ein besonderer Kristall, mein Kind. Er wurde in besseren Zeiten Lichtstein genannt. Nimm ihn nur.“ Ala reicht Lua den Kristall.      
Mon, Aug 5th 2024 07:49

Lua gibt Ala ihre Hände und schließt die Augen. Es dauert nicht lange, bis sie den Wunsch vor ihren Augen sieht. Die Tür geht auf, und ihre Geschwister treten ein. Sie sind wohlgenährt, sehen gesund aus, strahlen vor Freude über das Wiedersehen, vor Glück über das neue Leben. Lua ist sich wohl bewusst, dass es nur eine Vorstellung ist, doch ist diese Vorstellung so real, dass fast die Einbildung mit der Wirklichkeit verschwimmt. Und so dauert es auch gar nicht lange, da löst sich eine Träne von ihren geschlossenen Augen und rinnt über ihre Wange hinunter.   Sie öffnet wieder die Augen. Es ist, wie sie es erwartet hat. Ihre Geschwister sind nicht da. In diesem Moment hätte sie wohl mit jedem getauscht, der durch die Gabe imstande gewesen wäre, ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Gerne hätte sie von nun an, so wie es Auris gesagt hat, in einem goldenen Käfig gelebt, wenn sie damit das Leben ihrer Liebsten hätte beeinflussen können. Doch glaubt Lua nicht daran, dass dies irgendeinem Hermetiker möglich gewesen wäre, und sicher nicht ihr, die von ihrer Gabe noch gar nichts mitgekriegt hat. Sie nimmt also den Kristall. Sie schaut ihn an. Er ist sonderbar, doch auch unspektakulär. Sie schaut Ala fragend an.
Fri, Aug 9th 2024 02:12

[Ala] Der Kristall in Luas Händen ist überraschenderweise nicht kalt, sondern fühlt sich warm an. Die milchigen Trübungen des Kristalls sehen aus wie Wolkengebilde in Glas gegossen. Für einen langen Augenblick geschieht nichts, doch dann beginnt im Inneren des Kristalls ein kleiner Lichtfunke zu glühen. Zuerst ganz schwach, dann flackert er einen Augenblick, um schließlich etwas stärker zu leuchten. „Sieh hin, mein Kind! Das ist das Licht deines gesegneten Blutes.“: sagt Ala und ein feierlicher Unterton schwingt in ihren Worten. „Du bist ganz ohne Zweifel eine Gesegnete! Aber dir ist das gleiche Schicksal widerfahren, wie so vielen von uns. Deine Gabe ist im Laufe der Generationen fast verloren gegangen. Sei nicht traurig, mein Kind! Es ist nicht deine Schuld, daß dein Licht nur ein Funke in der Dunkelheit ist. Auch wenn sich deine Gabe nicht verlässlich anwenden läßt, du weißt jetzt, daß du eine Gesegnete bist. Wir haben in den goldenen Zeiten das Imperium auf den Schultern getragen und ohne uns wäre Meras längst eine einzige verseuchte Zone und der Riß würde immer noch über den Ruinen der Heiligen Stadt glühen. Sei stolz auf das, was du bist! Höre jeden Tag in dich hinein und folge der Stimme deiner Intuition, denn sie wird oft genug die Stimme deiner Gabe sein und dich leiten.“ Ala beugt sich etwas vor und legt wieder ihre Hand auf den Unterarm Luas: „Willst du etwas wissen? Hast du Fragen?“ Noch immer glimmt der Funke im Kristall.    
Mon, Aug 12th 2024 08:38

Lua schaut auf den Kristall und das schwache Leuchten darin. Auch als Ana zu sprechen beginnt, wendet sie den Blick nicht von dem Kristall, und so ist es schwer zu sagen, inwieweit sie der Gesegneten überhaupt zuhört. Sie schaut ernst, und die Tatsache, dass sie an ihrer schwachen Gabe wenig Positives erkennen kann, ist ihr in das Gesicht geschrieben. Schließlich schaut sie Ana doch in die Augen.   “Verzeiht,” sagt sie dann leise, “ich will nicht beleidigend, undankbar oder respektlos erscheinen. Aber, wenn mir diese Gabe eh schon nichts bringt, gibt es denn keine Möglichkeit, sie gleich ganz zu zerstören? Ihr wisst, was die Leute da draußen von Hermetikern halten und was sie mit ihnen machen. Ich habe wenig Lust, irgendwann wegen dieser Gabe massakriert zu werden. Also, könnt Ihr sie mir nicht gleich ganz nehmen? Ich bin mit dieser Gabe doch ganz nutzlos, weil sie ja so schwach ist.”   Sie schaut Ana an, durchdringend, flehend, nervös und auch voller Angst.
Mon, Aug 12th 2024 08:14   Edited on Sat, Oct 19th 2024 12:18

[Ala] Blankes Entsetzen zeichnet sich auf dem immer noch schönen Gesicht Alas ab. „Die Gabe zerstören? Anais sei uns gnädig! Ich soll dir die Seele aus dem Leib reißen? Selbst wenn ich es vermöchte, ließe ich mich eher umbringen als solchen Frevel zu begehen! Die Gabe ist das Geschenk der Göttin und du bist eine ihrer Auserwählten! Sie hat dir diese Gnade gewährt und keine sterbliche Seele vermag irgendetwas an ihrem Willen zu ändern. Es ist ein Funken ihres Lichtes, der in dir brennt, mein Kind! Auch die Tenebri können nur deine sterbliche Hülle töten, nicht das Licht in dir!“ Dann läßt Ala Luas Arm los und setzt sich aufrecht hin. „Ich habe auch nicht gesagt, daß deine Gabe nutzlos ist. Ich habe nur gesagt, daß sie sich nicht verlässlich anwenden läßt. Es steht dir das größte Abenteuer deines Lebens bevor, die Erkundung deiner Gabe. Auch wenn sie verschüttet ist, sie ist da und du kannst entdecken, wozu sie gut ist. Selbst wenn sie sich nicht jedesmal auf Befehl manifestieren läßt, kann sie dir von großem Nutzen sein und niemand wird es je erfahren, außer du selbst offenbarst es. Nichts von dem was hier in den Mauern der Residenz geschieht oder besprochen wird, dringt hinaus auf die Straße, mein Kind. Bei uns ist dein Geheimnis sicher aufgehoben.“: sagt sie sanft, aber nachdrücklich.  
Mon, Aug 12th 2024 09:12

Lua erschrickt sichtlich, als Ana so unmissverständlich reagiert. Aubenblicklich gehen ihr Blick nach unten, der Oberkörper nach hinten und sie errötet. Es dauert eine Weile, in der sie einfach nur da sitzt. Dann erst schaut sie Ana zögernd wieder an.   “Verzeiht,” sagt sie, “aber das ist einfach alles sehr viel für mich. Ich meine, alle haben mir immer gesagt, dass Hermetiker etwas schlechtes seien. Plötzlich erfahre ich, dass ich selber einer sei, jetzt ist es plötzlich etwas Gutes. Ich war immer ganz ein normales Mädchen, plötzlich habe ich Fähigkeiten, die ich nicht beherrschen kann, die ich aber erkunden sollte, ohne jedoch zu wissen, welche diese Fähigkeiten sind. Ich habe keinen Kristall, den ich zum Leuchten bringen kann. Also, so sagt mir, was kann ich denn tun, um diese Gabe zu erkunden? Was darf ich nicht tun?”
Tue, Aug 13th 2024 04:54

[Ala] „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, mein Kind!“: sagt Ala sanft. „Sie haben dir Lügen erzählt, wie allen Anderen auch. Die Wahrheit ist, daß die Gesegneten für hunderte Jahre das Geschick des alten Reiches in den Händen gehalten haben und unseresgleichen hoch angesehen war. In jeder Stadt des Reiches gab es eine Schule, die gesegnete Kindern dabei unterstützt hat, ihre Gabe voll zu entfalten und sie auszubilden. Die Begabtesten unseres Blutes wurden in die Synode berufen, dem Rat der Gesegneten, dessen Einfluß den aller anderer Institutionen des Reiches übertraf. In dieser goldenen Zeit hätten sich die Menschen ehrfürchtig vor dir verbeugt und dich hochgeachtet. Auch wenn du mich jetzt ungläubig ansiehst, es ist die Wahrheit! Aber es ist auch wahr, daß Gesegnete für den Untergang des Reiches verantwortlich waren. Die Mitglieder der Synode haben den Riss durch einen fatalen Fehler geöffnet, doch es waren auch Gesegnete, die den Riß wieder geschlossen haben. Viele haben dabei ihr Leben verloren. Ohne unsere Vorfahren wäre vermutlich ganz Meras jetzt ein anomalieverseuchtes Ödland. Es waren die Priester, die das leidende Volk gegen uns aufgehetzt hat und es noch immer tut. Nichts davon ist wahr! Sei stolz auf das, was du bist, mein Kind!“ Mitfühlend sieht sie Ala an. „Ich weiß, es ist schwer für dich! Du bist durcheinander, unsicher und hast Angst. Den Kristall brauchst du nicht. Er hat seinen Zweck erfüllt und uns gezeigt, daß du unzweifelhaft eine Gesegnete bist. Tue einstweilen gar nichts, außer dich zu beobachten. Du bist mit der Gabe geboren worden und für dich ist sie ein völlig normaler Teil deines Selbst. Achte auf deine Intuition und deine Träume, beobachte dich im alltäglichen Leben, höre auf die Stimme in dir und vor allem achte auf Dinge, die dir leichter fallen, als Anderen. Gehe langsam und methodisch vor und überstürze nichts, du hast dein ganzes Leben lang Zeit. Was du auf keinen Fall tun darfst, ist dich irgendjemand zu offenbaren! Niemandem, hörst du? Dein Geheimnis ist bei uns und bei Karthes‘ Onkel gut aufgehoben. Sonst traue in dieser Sache niemand, absolut niemand! Wenn du möchtest, dann spreche ich mit Reland, daß er die Erlaubnis gibt, daß du zu mir kommen kannst, wenn du meinen Rat benötigst.“      
Tue, Aug 13th 2024 11:30

“Also, das Einzige, das mir bisher leichter gefallen ist als vielen anderen,” antwortet Lua, “ist, Fische zu putzen. Ich habe das verdammt oft gemacht, und ich habe trotzdem keine einzige Narbe an meinen Händen.”   Sie hebt ihre Hände hoch und dreht sie wie zum Beweis vor Ana hin und her.   “Ansonsten, ich weiß nicht,” fügt sie hinzu, “mir wäre nicht aufgefallen, dass ich irgendetwas…”   Lua unterbricht sich selbst, ihre ohnehin schon großen Augen weiten sich und ihre Kinnlade fällt herunter. Kaum ist es jedoch auf ihre Gabe zurückzuführen, dass sie trotz des überaus dummen Gesichts, das sie so macht, immer noch äußerst hübsch aussieht.   “Der Auris ist der Onkel vom Thornhoff? Ich meine, vom Karthes? Ahm… vom Herrn Baron?” ruft sie wohl viel lauter, als sie es eigentlich vor hatte. Wenigstens wird sie urplötzlich wieder rot im Gesicht, senkt den Blick für einen Augenblick und fügt dann viel leiser hinzu: “Ich wusste gar nicht, dass er mit dem Baron so eng verwandt ist. Und… ich glaube, dieser Segen hilft mir nicht unbedingt dabei, mich zu benehmen. ‘Tschuldigung!”
Wed, Aug 14th 2024 02:42

[Ala] Der Ausbruch Luas überrascht Ala und im selben Augenblick wird sie sich bewußt etwas ausgeplaudert zu haben, das besser im Nebel der Vergangenheit verborgen geblieben wäre. „Ich dachte, du weißt es, mein Kind!“: sagt sie dann, denn ihre Worte lassen sich nicht zurücknehmen. „Es ist eine traurige Geschichte. Aber du mußt ihn selbst danach fragen. Ich habe vermutlich jetzt schon zu viel gesagt.“: sagt sie leichthin und wechselt damit das Thema. „Möchtest du das ich Reland um die Erlaubnis bitte, mich besuchen zu dürfen, wenn du meinen Rat oder meine Hilfe benötigst?“: erkundigt sich Ala, steht auf, macht ein paar Schritte und entzündet eine neue Lampe, die ein kleines Stehpult beleuchtet. Sie nimmt eine Wachstafel und schreibt eine paar Zeilen, während sie auf Luas Antwort wartet.      
Sat, Aug 17th 2024 08:11

Lua sieht Ana an. Auf ihrem Gesicht macht sich langsam ein zaghaftes, schüchternes Lächeln breit. Mehr denn je ist nun diese Reinheit in ihrer Seele zu sehen, die sie so sehr ausmacht, diese bescheidene Ehrlichkeit, die so gewinnend wirkt.   “Das wäre sehr schön,” sagt sie. “Es ist schließlich alles ziemlich neu für mich, und ich habe gar keine Ahnung, was das im Endeffekt für mich bedeutet. Ich glaube, ich kann eine Freundin, die ähnlich ist, sehr gut gebrauchen.”
Mon, Aug 19th 2024 11:37

[Ala] „Das glaube ich dir gerne.“: sagt Ala mitfühlend. „Aber diese Entscheidung liegt nicht bei mir, aber ich verspreche dir, daß ich mit Reland sprechen werde.“ Sie fügt noch ein, zwei, drei Zeilen zu dem bereits geschriebenen Text hinzu und klappt die Wachstafel zu. So als hätte sie ein unhörbares Signal gegeben, öffnet sich kurz darauf die Türe und der Mann, der sie hergeführt hat, betritt den Raum und verneigt sich vor Ala. „Eure Befehle, Herrin?“ Sie erhebt sich und reicht dem Mann die Botschaft. „Bringt unseren Gast zurück zum Kommandanten und gebt ihm meine Nachricht.“ : sagt sie und wendet sich dann an Lua. „Den Segen Anais für dich auf allen deinen Wegen, mein Kind. Ich werde für dich beten und hoffen, daß wir uns wieder sehen. Vergiß niemals, was du bist und gedenke deiner gesegneten Vorfahren. Gehab dich wohl.“: sagt sie zum Abschied.  
Tue, Aug 20th 2024 10:40

“So gehabt Euch auch,” antwortet Lua in etwas eigenartiger Weise auf die Verabschiedungsfloskel der Hermetikerin. Sie schaut ihr mit ihren großen, dunklen Seelenspiegeln in die Augen, um dann ein mehr geflüstertes als gesagtes “Dankeschön!” hinzuzufügen. Sie steht schließlich auf, zupft kurz ihre Bluse zurecht und geht schließlich in die Richtung des Ausganges, nicht ohne sich noch einmal zu Ana umzudrehen.   “Auf Wiedersehen,” sagt sie und errötet gleich darauf. Ihr ist wohl aufgefallen, dass dieses Wiedersehen gar nicht einmal so sicher erscheint und dass Ana ja eben gesagt hat, dass dies keinesfalls von ihr abhinge. Also dreht sie sich danach umso schneller weg und wendet sich an den Mann.   “Ich bin bereit.”
Wed, Aug 21st 2024 07:13   Edited on Wed, Aug 21st 2024 07:14

Höflich öffnet der Mann die Türe und führt Lua zurück. Es scheint so, als würde er einen anderen Weg wählen, als den, auf dem sie gekommen sind, aber aufgewühlt von der Begegnung kann sie sich nicht ganz sicher sein. Relands Adjutant läßt sie sofort eintreten. Luas Begleitung nimmt kurz Haltung an und reicht Reland die Wachstafel. Danken nimmt Reland die Tafel entgegen und wendet sich dann an Lua. „Bitte, setzt euch doch.“: sagt er höflich, weist auf einen Stuhl neben Auris und beginnt Alas Nachricht zu lesen. Lange benötigt er nicht dafür, legt die Tafel beiseite und sieht Lua an. „Ich nehme an, Ala hat euch das Resultat der Prüfung bereits mitgeteilt.“ Mit einem Seitenblick auf Auris fährt er fort. „Laßt mich euch trotzdem sagen, daß ihr zwar ganz eindeutig eine Hermetikerin seid, aber eure Gabe für unser Haus leider nicht genug ausgeprägt ist, um von Nutzen zu sein. Die Sache ist damit für euch erledigt, werte Lua. Zugang zu Ala kann ich euch aus Sicherheitsgründen nicht gewähren. Vielleicht finden wir einen anderen Weg. Ich werde euch von meiner Entscheidung unterrichten lassen, wenn es so weit ist. Ich habe es zwar schon gesagt, aber ich möchte es mit aller Eindringlichkeit nochmals wiederholen. Alles was ihr heute gesehen und gehört habt, ist geheim. Die Konsequenz eines Verrates kennt ihr und denkt nicht, daß ihr euch irgendwo verstecken könntet! Jetzt finden wir euch überall! Bedenkt das bitte und die Tatsache, daß Meister Aurean mit seinem Leben haftet. Habt ihr noch Fragen?“: erkundigt sich Reland nicht unfreundlich, aber kühl.  
Thu, Aug 22nd 2024 02:04

Langsam und vorsichtig setzt sich Lua auf den Stuhl. Es ist nicht schwer, ihr anzusehen, dass sie noch immer ziemlich nervös ist. Sie sieht Reland aus großen Augen an, sitzt regungslos, die Hände auf ihren Oberschenkeln verschränkt.   “Aber Kommandant,” antwortet sie dann doch recht energisch, “nie und nimmer würde ich irgendetwas sagen oder tun, um die ehrenwerte Ana in Verlegenheit zu bringen. Ihr könnt da ganz beruhigt sein, dass niemand von mir irgendetwas erfahren wird. Es ist für mich ja alles andere als angenehm, wenn ich mit jemandem über Hermetiker reden muss, der ja nicht erfahren darf, dass ich selbst zu ihnen gehöre.”   Dann jedoch senkt sie den Blick, sitzt eine Weile lang da, kämpft mit sich selbst einen inneren Kampf. Dann schaut sie Reland an und fügt mit leiser, zittriger Stimme hinzu: “Eine Frage habe ich aber noch: Ihr sagtet, damit wäre die Sache für mich erledigt. Gestern meintet Ihr, ich sei Euch etwas schuldig. Bedeutet dies, dass ich von dieser Schuld entledigt bin?”
„Weniger erwarte ich auch nicht von euch.“: sagt Reland ruhig und hört Lua zu. Sein schmales Lächeln hat einen Zug ins Spöttische, aber sein Blick ist kalt. „Werte Lua, als ich sagte, damit wäre die Angelegenheit für euch erledigt, habe ich mich auf die Frage eurer Gabe bezogen. Leider hat sich damit auch die Möglichkeit verflüchtigt, dem Haus zu nützen und damit eure Schuld dem Haus gegenüber abzutragen. Soviel dazu. Doch ihr seid mir persönlich etwas schuldig, von Aurean einmal ganz abgesehen. Ich habe euch trotz des Verdachts der Spionage nicht verhaften lassen und euch ein Verhör erspart. Ihr habt mir zweimal ins Gesicht gelogen und ihr seid immer noch auf freiem Fuß und sitzt hier bei mir in meinem Arbeitszimmer und führt eine zivilisierte Unterhaltung mit mir. Ich kann euch gerne von Kornett Tovales die Räumlichkeiten zeigen lassen, in denen wir für gewöhnlich Befragungen durchführen, wenn ihr eure Schuld bei mir in Zweifel zieht. Ich bin überzeugt, daß wird euch helfen, die Dinge aus meinem Blickwinkel zu sehen. Nun?“ Fragend sieht sie Reland ohne erkennbare Regung an.  
Sat, Aug 24th 2024 11:02

Wieder senkt Lua den Blick und wird rot im Gesicht. Eine ganze Weile sitzt sie wieder da, bevor sie Reland wieder anschaut. Und man merkt, dass sie sich sehr bemühen muss, um ihren Blick bei ihm zu lassen. Immer wieder schweift er nervös ab, ist der Respekt, die Angst vor dem Kommandanten zu groß, um ihre Augen in den seinen zu lassen. Und doch spricht sie, leise, mit zitternder Stimme.   “Es stimmt,” sagt sie, “ich habe Euch angelogen. Aber ich hoffe, Ihr konntet Euch inzwischen überzeugen, dass ich es nicht getan habe, um dem Haus oder Euch zu schaden. Und trotzdem muss ich zugeben, ich würde es wohl wieder tun, so wie ich jeden anlügen werde, der mich dazu bringen will, über meine Gabe zu reden, so klein sie auch sein mag. Ja, Ihr habt mir mit Folter gedroht, aber woher sollte ich denn wissen, ob das, was mich erwartete, hätte ich sofort die Wahrheit gesagt, nicht weit schlimmer gewesen wäre als Folter? Ich will doch nur ein ehrliches, glückliches Leben leben.”   Sie senkt nun wieder den Blick, schluckt zwei drei Mal, während sich auf ihrer Stirn einige Schweißperlen bilden. Dann fügt sie hinzu: “Aber ich werde gerne Nachricht von Euch erwarten, solltet Ihr die Gelegenheit haben, dass ich meine Schuld begleichen kann.”
„Ich habe nicht angenommen, daß ihr dem Haus schaden wolltet, sonst säßet ihr nicht hier. In dem Fall hätte euch auch die Fürsprache meines alten Freundes nicht geholfen. Ihr seid seinem Rat gefolgt, der im Prinzip richtig ist und euer Argument hat Gewicht. Ihr konntet tatsächlich nicht wissen, was euch widerfahren wäre, hättet ihr die Wahrheit gesagt.“ Er schweigt einen Moment bevor er fortfährt und während er spricht, spiegelt sich für einen winzigen Augenblick lang abgrundtiefe Melancholie in seinen Gesichtszügen.   „Glück ist eine fragile Sache, werte Lua, und man weiß erst dann, wenn es einem genommen wird, daß man wirklich glücklich war.“ : sagt er leise und hat sich sofort wieder im Griff. „Ihr braucht euch keinen übertriebenen Sorgen zu machen. Ich werde nicht verlangen, daß ihr der Klaue mit einem rostigen Messer die Kehle durchschneiden oder die Mehras anzünden sollt. Lebt euer Leben, behaltet euere und die Geheimnisse des Hauses für euch, lügt mich nie wieder an und ehrt das Haus, daß euch Schutz gewährt, dann habt ihr nichts von mir zu befürchten.“: sagt Reland und erhebt sich. „Enessa wird wie besprochen bei dir in den nächsten Tagen erscheinen, Aurean. Wenn ich es einrichten kann, suche ich dich wegen der anderen Sache morgen Abend auf. Sollte ich verhindert sein, dann komme bitte den nächsten Tag zu mir.“ Er schüttelt dem Maler die Hand und wendet sich dann an Lua: „Ich danke euch für euer Kommen und wünsche euch einen schönen Tag. Mögen die Zwillinge ihre Hände über euch halten.“ Damit ist Lua entlassen.    
Sun, Aug 25th 2024 09:30

Lua schaut Reland noch immer reichlich kleinlaut an, hält seinem Blick nun jedoch besser stand.   “Wisst Ihr, Kommandant,” antwortet sie, “es ist nur dann nötig, das Glück zu verlieren, um es zu erkennen, wenn Ihr Euch zu viel daran gewöhnt habt. Für mich ist das Glück noch neu, und so kann ich es auch erkennen, ohne es zu verlieren. Und so habe ich eine Scheiß-Angst davor, dass es mir wieder genommen wird. Für Euch mag es normal sein, keinen Hunger zu haben, nicht jeden Abend fürchten zu müssen, überfallen zu werden. Für mich ist schon dies ein großes Glück.”   Dann schaut sie zu Aurean, und ein zaghaftes Lächeln kommt auf ihre Lippen. Sie wendet sich wieder an Reland.   “Gehabt Euch wohl, Kommandant,” grüßt sie schließlich und erhebt sich zögerlich. Schließlich verlassen Auris und Lua das Büro des Kommandanten.
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Sun, Aug 25th 2024 08:18