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Fri, Jan 27th 2023 04:43   Edited on Wed, Nov 8th 2023 10:08

Eine besondere Lieferung

Die Flamme des letzten Brandes war gelöscht. Nun hieß es warten bis der Ofen und die Keramik darin abgekühlt waren. Erst dann konnten sich Ailis und ihre Großmutter davon überzeugen, ob der Brand gelungen war. Wenn nicht würden die nächsten Wochen entbehrungsreich werden. Es war für ihre Verhältnisse ein großer Auftrag, den das Haus Coveani ihnen anvertraut hatte. Voratskrüge für den Export mit einem bestimmten Muster und einer ganz bestimmten Färbung. Doch Ailis konnte sich nicht erlauben länger darüber nachzudenken. Sie musste an diesem Nachmittag noch Waren ausliefern. Sorgfältig packte sie die zu liefernden Keramiken in ihre mit Stroh ausgepolsterte Kiepe. Zur Sicherheit stopfte sie noch ein paar Hände mehr mit hinein, ganz dicht, damit beim Transport auch ja nicht zu Bruch gehen würde.   "Nimm noch diese Rüben und getrockneten Kräuter mit. Die kannst du dem alten Keno bringen, vielleicht hat er dann einen Fisch von seinem heutigen Fang für uns. ... oder vom morgigen... Wenn ich eine Fischsuppe mit unseren letzten Rüben machen kann, dann haben wir einige Tage was davon." Tessaya wickelte das benannte Gemüse und die Kräuter in ein grobes Tuch und steckte es in eine Stofftasche, die Ailis sich zusätzlich zu der Kiepe umhänngen konnte. "Lass dich aber nicht zu lange aufhalten, Ailis, du weißt wie DIE sind, wenn es dunkel ist." Zärtlich tätschelte die Alte ihrer Enkelin die Wange und Ailis küsste sie dafür.   "Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich beeilen wie immer." erwiderte sie und hängte sich erst die Tasche um, bevor sie eine wollenen reichtlich kurzen Poncho überwarf, um wenigstens ihre Schultern und Oberarme zu wärmen. Dann trat sie mit der Kiepe aus dem Haus und schulterte diese.   Dort wo der Untergrund gepflastert war erzeugten die Holzschuhe bei jedem der zielstrebigen Schritte einen Laut. Ailis war von durchschnittlicher Größe, schlank, wie so viele Bewohner Pelorns, aber nicht abgemagert. Zusammen mit ihrer Großmutter zog sie im Hof Gemüse und Kräuter, die neben der Wärme eines Brennofens gut gediehen bis in den frühen Winter hinein. Die letzten Pflazen waren zwar mittlerweile verblüht, doch sie hatten so viel wie möglich eingelagert, um auch bei einem schlechten Arbeitsergebnis nicht komplett am Hungertuch zu nagen. Vor dem letzten Häuserkrieg war die Situation eine bessere gewesen. Ailis' abgetragene, aber ordentliche Kleidung zeugt noch davon, auch wenn die ein oder andere Stelle ihres knielangen Kittels und ihrer Wollhose schon geflickt bzw. gestopft werden mussten.   So zielstrebig wie ihre Schritte sie zu den Kunden trugen, so schnell hatte sie das Ziel ihrer letzten Lieferung an diesem Tag erreicht. Einen Augenblick blieb sie vor dem Skriptorium stehen und atmete noch einmal durch. Private Kunden zu beliefern war beinahe ein größeres Glücksspiel, als die Aufträge der Familie Coveani zu erfüllen. Und Gregorian hatte einen wirklich wundervollen Auftrag an sie vergeben. Eine Seladon Vase. Ein hoher Trichter und kugelrunder Bauch mit einer graugrünen Glasur. Sie war so erleichtert gewesen, als sie dieses Stück aus dem Ofen geholt hatte. Ailis hoffte inständig, dass sie so geworden war, wie der Besitzer des Skriptoriums sich das vorstellte. Vielleicht würden sie dann nach Abzug des Anteils für die Familie Coveani, den Ton und das Holz und das Salz für die Glasuren ein paar Filis mehr über bleiben. Sie würde zu gerne ein Stück Brot kaufen können, um es zu der angedrohten Suppe essen zu können. Aber man solte seine Wünsche nicht zu laut äußern, auch nicht in Gedanken, die Launen der Zwillinge konnten unberechenbar sein.   So schob Ailis alle Zweifel und Hoffnungen bei Seite und trat zum Eingang des Skriptoriums, um zu klopfen.
Sat, Jan 28th 2023 08:32

Die eisenbeschlagene, massive Türe, neben der zur rechten Hand das bronzene Haus und Markenzeichen, Federkiel und Tintenfaß in die Wand eingelassen ist, öffnet sich leicht und lautlos als Ailis nach einer gedämpft hörbarenAufforderung eintritt. Der mittelgroße Raum mit der wuchtigen Theke, hinter der freundlich lächelnd eine Frau mittleren Alter steht, ist hell und sauber. Die sorgfältig verputzten Mauern weiß gekalkt, der Bohlenfußboden geölt, hinter dem Ladentisch hängt ein in Rötel ausgeführtes Bild, das eine schreibende Hand mit Federkeil zeigt. „Mögen die Zwillinge mit euch sein.“: grüßt sie die Bedienstete. „Womit können wir euch zu Diensten sein?“: erkundigt sie sich freundlich. Als Ailis den Grund ihres Besuches nennt, nickt die Frau hinter der Theke. „Ja, Herr Vellez hat sich schon nach euch erkundigt, doch im Moment ist er beschäftigt. Aber es wird nich lange dauern. Folgt mir bitte.“: sagt sie mit einer einladenden Geste und führt Ailis durch die Türe zur Linken in einen angrenzenden Raum.   Nichts hier in diesem Raum wirkt überladen oder protzig, denoch verschlägt es ihr nahezu den Atem. Der Boden ist mit sandfarbenen Wollteppichen ausgelegt, Möbel aus kostbaren Hölzern und Leder, in einem kleinen Kamin glost noch Glut unter der Asche. Im vom Alter geschwärztes Regal neben dem Schreibpult stehen Bücher, liegen Schriftrollen neben kunsthandwerklichen Arbeiten. Noch nie hat Ailis soviele Bücher gesehen. Auf den ersten Blick müssen es mehr als ein Dutzend sein. Die Frau deutet auf die kleine Sitzgruppe vor dem Kamin. „Bitte setzt euch doch, es wird nicht lange dauern. Entschuldigt mich für einen Augenblick.“ Während Ailis noch die steinernen Ranken der Kaminfassung bewundert, öffnet sich auch schon die Türe und der Herr des Hauses betritt, gefolgt von seiner älteren Assistentin, den Raum. Gregorian ist etwa sechs Fuß groß, kräftig gebaut mit merklichem Bauchansatz und das schulterlange dichte Haar und der buschige Schnauz und Kinnbart schon mit grauen Strähnen durchzogen. Trotzdem wirkt sein Gesicht irgendwie jugendlich auch mit den sich um die auffallenden Augen in der Farbe hellen Bernsteins drängenden Lachfalten. „Verzeiht, Meisterin Ailis, daß ich euch warten ließ.“: entschuldigt er sich, setzt sich und wendet sich an seine Begleiterin: „Asta, sei doch bitte so gut und laß uns Tee bringen und eine Kleinigkeit dazu. Ah, warte noch einen Moment.“ Er wendet sich an Ailis. „Oder ist euch etwas Anderes lieber? Wein vielleicht oder ein ausgezeichneter Tresterbrand?“
Sat, Jan 28th 2023 01:38   Edited on Sat, Jan 28th 2023 01:39

Schon beim Öffnen der Eingangstür hatten die weiß gekalkten Wände und der geölte Boden Ehrfurcht in Ailis hervorgerufen. Sie hoffte inständig, keinen Dreck bei ihren Schritten zu hinterlassen. Es war ein irrationaler Gedanke, denn Herrschaften, die in solchen Häusern wohnten, kümmerte es selbst meist auch nicht. Zum einen hatten sie Angestellte, die es wieder reinigten, und zum anderen war Ailis’ eigene Lebensweise nur, den Umständen geschuldet, bescheidener. Als sie noch ein Lehrmädchen war, vor dem letzten Häuserkrieg, da war sie mit ihrem Vater in einem der herrschaftlichen Häuser gewesen. Damals war ihr eigenes Leben nicht so weit entfernt gewesen von dem der Wohlhabenden und doch anders, da sie einer Handwerkerfamilie entstammte. Doch die Erinnerung war verblasst, ebenso wie der Schmerz, der damit einherging.   Und obwohl Ailis dies wusste, kamen ihre ohnehin schon bedächtigen Schritte ins Stocken, als sie von der Dame an der Empfangstheke in den angrenzenden Raum gebracht wurde. Sie musste sich regelrecht zwingen weiter zu gehen und dabei, wenn möglich, die Teppiche nicht oder so wenig wie möglich zu betreten. Sandfarbene Teppiche konnten sich im Kontext einer Warenlieferung auch nur die Zwillinge ausdenken.   Bedächtig stellte die Töpferin ihre Kiepe ab und ließ den Blick durch den Raum wandern. Bücher. So viel Wissen für so viele, wie sie selbst, gänzlich verschlossen. Unmerklich seufzend wandte sie sich den kunsthandwerklichen Arbeiten zu, bewunderte sie aus der Entfernung. Den Blick auf den Kamin gewandt, saß sie schließlich sprungbereit auf der Kante des Sitzmöbels, auf dem sie Platz genommen hatte. Und so erhob sie sich auch eilig, sobald sie Gregorian bemerkte.   “Eine Entschuldigung ist nicht nötig, geschätzter Herr Vellez.” entgegnete Ailis lächelnd. “Ich hoffe, Ihr musstet Eure Arbeit nicht meinetwegen unterbrechen.”   Gregorians Beispiel folgend nimmt auch sie wieder Platz, wie zuvor nur auf der vorderen Kante der Sitzfläche, und streicht dabei ihren Kittel glatt. Tatsächlich war ihre Angst etwas zu beschmutzen unbegründet. Für denjenigen, der wusste welche Art von Schmutz bei der Arbeit einer Töpferin anfällt, war klar, dass sie den Luxus von zusätzlicher Kleidung besaß, die nicht bei der Arbeit getragen wurde.   Für einen winzigen Moment kann man in ihren blauen Augen lesen, dass sie jede Annehmlichkeit ablehnen wollte. Doch sie besinnt sich eines Besseren und obwohl Wein oder Tresterbrand unglaublich verlockend klingen, hörte sie sich selbst etwas anderes formulieren.   “Ein Tee wäre wundervoll, vielen Dank.” Immerhin hatte Ailis die Worte ihrer Großmutter im Ohr: ‘Habe bescheidene Wünsche, mein Kind, dann werden die Zwillinge dir wohlgesonnen sein.’
Tue, Jan 31st 2023 08:44

Mit einem Lächeln wendet sich Gregorian an seine ältere Vertraute. „Tee also, gut! Kannst du dich bitte darum kümmern, Asta?“ Mit einem Nicken verläßt Asta den Raum. Gregorian dreht sich wieder zu Ailis. „Ich schlage vor, wir warten noch auf den Tee. Solange kann ich meine Neugierde noch zügeln.“: sagt er mit einem Schmunzeln. „Ich hatte immer schon eine Schwäche für Seladon. Leider gibt es nicht mehr viele Arbeiten aus der klassischen Epoche. So Vieles ist unwiederbringlich verloren gegangen im Krieg und den folgenden dunklen Jahren.“ Er seufzt bedauernd. „Es ist wirklich ein Jammer! Aber im Laufe der Jahre ist es mir geglückt einige klassische Stücke aufzustöbern. Ich….“   Die sich öffnende Türe unterbricht den Herrn des Hauses und nach Asta betritt eine ausnehmend hübsche ostische Frau aus einem der karischen Khanate mit einem Tablett den Raum. Erst auf den zweiten Blick fällt es Ailis auf, daß die junge Frau keinen Halsschmuck trägt, sondern einen stark stilisierten Schmuckkragen, der sie als Sklavin ausweist. Anmutig stellt sie mit einer kleinen Verbeugung in Richtung Gregorian das Tablett ab. Sie füllt die Tassen und stellt sie mit einer Schale die getrocknete Früchte und Nüsse enthält auf den Tisch. Freundlich bedankt sich Gregorian und zwinkert der Schönen zu, die sich mit einem koketten Lächeln verbeugt und den Raum verläßt.   Asta, Gregorians Vertraute, hat sich nicht gesetzt, sondern ist die kurze Zeit über knapp hinter Ailis stehen geblieben. Sie ist ihr zienlich nahe. Ailis ist nur kurz abgelenkt durch die schwarzhaarige Sklavin und bemerkt den fragenden Blick Gregorians in Richtung Astas. Als sie sich zu ihr umdreht, bemerkt sie aus dem Augenwinkel noch ein kaum merkliches Kopfschütteln. Ohne auf die stumme Frage und Antwort einzugehen, sagt Gregorian nach einem Griff in die Schale mit den trockenen Früchten: „Bitte, greift doch zu.“ Hinter ihr läßt sich jetzt Asta vernehmen. „Entschuldigt mich bitte, ich muß mich um die Unterschriften für den neuen Vertrag kümmern.“: sagt sie. „Mögen euch die Zwillinge lächeln.“: setzt noch höflich hinzu, bevor sie den Raum verläßt. Gregorian nimmt einen Schluck aus seiner Tasse. „So, aber jetzt zeigt mir doch bitte eure Arbeit!“
Tue, Jan 31st 2023 10:54

Ailis kann nicht anders, als die ostische Sklavin zu beobachten oder eher verhalten anzustarren. Es ist unhöflich, würde ihre Großmutter sagen. Und aus eigener Erfahrung weiß die blonde Töpferin mit den blauen Augen, dass dies auch unangenehm sein kann. Doch blonde Haare zu haben ist wesentlich weniger selten, als die Herkunft aus den karischen Khanaten. Und so entgeht Ailis das wortlose Gespräch beinahe gänzlich, wenngleich Astas Präsenz hinter ihr, Ailis’ eine Gänsehaut beschert, die sich sichtlich auf ihren Unterarmen ausbreitet und gleich wieder verschwindet. Mit einem verhaltenen Lächeln, beinahe hinter der Teetasse versteckt, erwidert sie den Abschiedsgruß und sieht der Assistentin kurz nach, um sicher zu sein, dass diese wirklich verwunden ist.   Sie stellt die Teetasse, aus der sie einen Schluck getrunken hat, vorsichtig wieder zurück und erhebt sich eilig. “Ich bin froh, dass ich auf das Wissen und die Erfahrung meiner Großmutter zurückgreifen kann.” Nimmt Ailis den Gesprächsfaden von zuvor wieder auf. “Und ich bete zu den Zwillingen, dass sie mir auch noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird, damit sie mich auch die selteneren Techniken lehren kann. Aufträge wie der Eure kommen nicht oft vor im Alltagsgeschäft, um so gespannter bin ich, ob wir Eure Vorstellungen zu Eurer Zufriedenheit umsetzen konnten.”   Über die Kiepe gebeugt entnimmt sie dieser vorsichtig die Vase, um die sich das Gespräch dreht. Sie entfernt alles Stroh und achtet darauf, nichts davon neben den Korb fallen zu lassen. Dann dreht sie sich mit dem Gefäß zu ihm um. Die Vase ist etwa eine Elle hoch. Sie besitzt einen kugelrunden Bauch von etwa einem Drittel ihrer Größe, der in einen Hals übergeht, der sich wie ein Blütenkelch nach oben hin öffnet. Der Hals besitzt gleichmäßige Rillen und die ganze Keramik zeigt sich in einem typischen graugrünen Farbton.   Ailis präsentiert Gregorian die Vase in ihren Händen liegend, so dass er sie nehmen kann, wenn er möchte. Sie besitzt große, schlanke Hände mit feingliedrigen Fingern. Ihre Fingernägel wurden sorgfältig gekürzt und für diese Auslieferung sicherlich besonders ordentlich gebürstet, so dass sie frei von Tonresten sind. Doch die ständige Arbeit mit Wasser hat ihre Haut rau und an einigen Stellen rissig gemacht. Sie bildet einen harten Kontrast zu der glatten Oberfläche der Vase, deren Glasur halb durchscheinend ist und im Zusammenspiel mit der Scherbe darunter im richtigen Licht grün wie Jade erscheinen könnte.   “Es ist ein außergewöhnlich schönes Stück geworden. Manches Mal finde ich es schade, solche Keramiken nicht selbst behalten zu können. Um so mehr freue ich mich, wenn sie in Hände kommen, die ihre Schönheit zu würdigen wissen.” ungesagt bleibt, dass Ailis es sich gar nicht leisten könnte, solche Stücke zu behalten. Nicht nur, dass die Beschaffung der richtigen Glasur Zutaten teuer ist, so bietet der Brand von Seladon auch zu viel Ausschuss. Ein paar Vasen haben sich verformt. Andere haben durch ihre Position im Ofen nicht genau den richtigen Farbton erhalten. Das alles sorgt für Preisminderungen, die im Zweifel die Beschaffungskosten nicht aufwiegen. Es ist ein immerwährendes Glücksspiel, das durch die Routine bei polierter oder Salz gebrannter Keramik vermindert wird.
Tue, Jan 31st 2023 04:19

Für eine kleine Weile herrscht Stille in dem Raum, als Gregorian die Vase in Ailis Händen betrachtet, bevor er langsam eine Hand ausstreckt und sie entgegen nimmt. Der Raum und sogar die Meisterin scheinen vergessen, als er versonnen das meergrüne Stück betrachtet, es hin und her dreht und es gegen das Licht hält. Ein Lächeln breitet sich langsam auf seinem Gesicht aus, dessen Ausdruck immer mehr dem eines Liebhabers beim Anblick einer Geliebten ähnelt, bevor er leise sagt: „Perfekt! Einfach perfekt.“ Ein paar Herzschläge lang betrachtet er die Vase noch, bevor er sie vorsichtig auf den Tisch stellt und sich Ailis zuwendet. „Ich muß ehrlich zugeben, ihr habt meine Erwartungen bei Weitem übertroffen.“: sagt er ohne den geringsten Beiklang von Schmeichelei. „Ihr habt etwas geschaffen, daß den alten Meistern gerecht wird. Ich bin mehr als zufrieden.“ Er lehnt sich zurück und ein schmelmisches Schmunzeln macht sich auf seinem Gesicht breit. „Ich hoffe ihr werdet es mir nicht übel nehmen, aber ich wollte erst einmal sehen, ob eure Fähigkeiten dem eigentlichen Auftrag, den ich zu vergeben habe, gerecht werden. Wenn ihr so wollt eine Art Prüfung, die ihr glänzend bestanden habt. Aber bevor wir uns dieser Sache zuwenden, laßt uns erst diese Angelegenheit abschließen.“   Er steht auf und holt aus dem Schreibpult eine Schatulle und dazu einen in Tuch gewickelten etwas Handteller großen Gegenstand, den er fürs Erste beiseite legt. Langsam zählt er den vereinbarten Preis ab und schiebt die Münzen Ailis zu. „Bitte zählt nach, damit alles seine Ordnung hat.“ Er wartet einen Moment dann legt er noch einen Lamen dazu. „Als kleines Zeichen meiner Wertschätzung für eure Kunstfertigkeit und euer Haus wird davon nichts wissen, wenn ihr es nicht meldet, denn von mir erfahren sie es sicher nicht.“ Kurz zeigt sich wieder dieses schelmische Grinsen, bevor er sich zurücklehnt und langsam den Gegenstand, den er geholt hat, aus dem Tuch wickelt. „Den Zwillingen sie dank, daß sie wenigstens dieses Bruchstück überdauern haben lassen. Es ist einmalig, aber seht selbst.“ Er reicht Ailis das Keramikbruchstück. Es ist eine Seladonscherbe, doch weist diese Scherbe ein Muster auf, das sich aus weißen Kranichen mit schwarzen Schwanzfedern und Füßen, ein jeder von einem weißen und schwarzen Kreisen umschlossen und dazwischen angeordneten Wolken zusammensetzt. Die Muster sind fein und präzise gearbeitet und die Glasur scheint von innen heraus zu leuchten. Er läßt ihr Zeit um die Scherbe zu betrachten. „Ich kann mich nicht mit eurem Fachwissen messen, aber nach der schlechten noch dazu bruchstückhaften Übersetzung, die mir von dem karischen Text zur Verfügung steht, scheinen die Muster eingeritzt und dann mit verschieden farbigen Schlick vor der Glasur eingefärbt worden zu sein. Glaubt ihr das ihr so etwas zu Stande bringen und eine Vase oder Schale mit diesem Muster schaffen könnt? Der Preis spielt dabei keine Rolle.“ Gespannt wartet er auf eine Antwort der Meisterin.
Tue, Jan 31st 2023 09:47

Sorgfältig zählt Ailis das Geld, das er ihr zugeschoben hat. Zweimal, um sicher zu sein, dann nickt sie lächelnd. Das Lächeln verstärkt sich, als er ihr einen Bonus oben drauf gibt. “Vielen Dank für Euer Kompliment und die Großzügigkeit.” Sie verstaut das Geld in einem kleinen abgewetzten Lederbeutel in ihrer Umhängetasche. Das klimpernde Geräusch, das es dabei macht, kommt einzig vom gerade bezahlten Auftrag.   Beinahe ehrfürchtig nimmt sie schließlich die Scherbe entgegen. Ein einmaliges Stück historischer Keramik, vielleicht verlorener Töpfertechnik. Je länger sie sich das Motiv ansieht, desto nachdenklicher sieht Ailis aus. Sie wendet und dreht das Stück, um jede Seite genau in Augenschein nehmen zu können. Und obwohl sie noch kein Wort darüber verloren hat, geht von ihr eine spürbar aufgeregte Energie aus. Schließlich vergisst sie sogar den sandfarbenen Teppich und tritt mit der Scherbe ans Fenster, begutachtet, wie sich das Licht in der Glasur bricht. Dann holt sie einmal tief Luft, bevor sie sich wieder zu Gregorian umdreht und ihm die Scherbe zurück reicht.   “Ich werde ehrlich mit Euch sein. Ich will diesen Auftrag annehmen, aber ich weiß nicht, ob ich es sollte. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich tatsächlich in der Lage sein werde ein solches Dekor auf einer Seladon Keramik aufzubringen.” Sie sieht mit einem Mal müde und ein wenig resigniert aus. Die widerstreitenden Gefühle von Aufregung und Ablehnung lassen sich deutlich in ihren Augen ablesen. “Die Zeiten in denen wir den Spielraum hatten, Dinge auszuprobieren, sind lange vorbei.” Ailis sieht zu dem verkauften Kunststück, das der Grund ihres Kommens gewesen ist. “Alleine diese Vase zu fertigen, hat viel Überredungskunst gekostet und konnte nur durch den guten Leumund meiner Großmutter umgesetzt werden.”   Ihr Blick wird nachdenklich. "Möglicherweise erlaubt mir mein Haus weitere Keramiken mit dieser Glasur zu fertigen und so erhalte ich dann auch die benötigten Mineralien.”, sinniert Ailis und sieht dann wieder Gregorian an. “Aber, um diese Muster zu fertigen werde ich weitere, mir bisher unbekannte, Zutaten benötigen, von denen ich nicht weiß, ob ich sie offiziell oder anderweitig erhalten kann.” Sie lächelt freudlos und deutet auf die Scherbe. “Und ich nehme nicht an, dass Ihr mir dieses Stück ausleihen werdet, da es vermutlich unbezahlbar ist. Was bedeutet, ich müsste herkommen und lernen, dieses Muster zu malen, damit ich es umsetzen kann. Zeit, die ich irgendwo anders abzweigen müsste.” Gregorian hat nicht den Eindruck, dass sie ihre Worte benutzt, um um den Preis zu feilschen. Es ist vielmehr der Zwiespalt an sich. Der Graben zwischen Wollen und umsetzen können. Sichere Routinen und dem Nervenkitzel des Ausprobierens.
Wed, Feb 1st 2023 11:53   Edited on Wed, Feb 1st 2023 11:56

Als ihm Ailis für den Bonus dankt deutet er lächelnd eine kleine Verbeugung in ihre Richtung an. „Nicht der Rede Wert.“: sagt er und läßt ihr dann Zeit die Scherbe, die er ihr gegeben hat, zu betrachten. Als sie ihm das Relikt zurück geben will, wehrt er ab. „Mag sein, daß die Scherbe für mich und vielleicht für euch und einige andere Meister eures Faches unbezahlbar ist, für den Rest der Welt ist sie nichts als eine Scherbe. Für mich aber ist sie weit mehr als ein Relikt, es ist ein Samenkorn, daß aber hier bei mir in der Schreibstube nicht keimen wird. Es braucht wissende Hände, Liebe im Herzen, die Kunstfertigkeit von Generationen von Meistern eures Faches und ich habe durchaus den Eindruck, daß ihr darüber verfügt. Eure Werkstatt kann durchaus der Garten sein, in dem es zum keimen gebracht werden könnte und so der Welt ein kleines Bruchstück verlorengegangener Schönheit zurück zu geben. Behaltet sie.“   Er hört ihr aufmerksam zu und als sie geendet hat steht er auf. „Ich verstehe eure Bedenken durchaus, aber nehmen wir einmal an, euch gelingt es diese Technik zu meistern. Ihr wärtet die einzige Werkstatt in ganz Toras die Seldon in dieser Qualität und Schönheit herstellen könnte und ihr würdet es für eine längere Zeit auch bleiben. Jeder Hammerherr in Saguz, jedes wohlhabende Haus in Pelorn wurde euch in Silber aufwiegen, um in den Besitz eines derart exquisiten Stückes zu gelangen. Denkt an das Grüne Gold! Mächtige und Reiche werfen einzig und allein des Prestiges wegen, eine Menge Silber zum Fenster hinaus um sich dieses angesengt schmeckendes Salz auf den Tisch zu stellen und damit zu protzen. Euer Seladon wäre aber nicht so beliebig verfügbar, wie das grüne Salz. Die Gewinne, materiell wie auch an Prestige, für euer Haus wären enorm, nicht davon zu reden das auch ihr ausgesorgt hättet.“   Er hat seine Stimme nicht gehoben, doch Gregorians Worte sind von einer Überzeugungskraft, der man sich kaum entziehen kann. „Selbst wenn ihr scheitern solltet, was ich nicht glaube, entsteht euch und Coveani kein Verlust, denn ich werde euch in jedem Fall bezahlen. Wir haben gute Beziehungen zum Haus Coveani und ich kenne das Oberhaupt euers Hauses persönlich. Ich will und werde allerdings nicht über euren Kopf hinweg intervenieren, nur wenn es euch dienlich erscheint und über Material braucht ihr euch nicht den Kopf zu zerbrechen. Ich habe Verwandschaft in Saguz. Nahezu jedes mineralische Pigment ist dort erhältlich und kann mit den heimkehrenden Salzkaravanen geliefert werden. Laßt es euch durch den Kopf gehen.“
Wed, Feb 1st 2023 06:02   Edited on Wed, Feb 1st 2023 06:02

Ailis betrachtet die Scherbe in ihrer Hand, als könne diese ihr die Antworten auf die vielen kleinen ‘Wenns’ und ‘Abers’ geben, die sich in ihrem Kopf breit machen. Ihr Vater hatte das Familienhandwerk geliebt, war stolz auf jeden Fortschritt eines jeden Lehrlings und Gesellen gewesen. ‘Erst bist du Handwerker und wenn du die Techniken perfektioniert hast, dann wirst du Künstler.’ Seine Worte hatten sich in ihr Herz eingebrannt und sie wünschte sich nichts mehr, als so viel Leichtigkeit bei der Arbeit zu verspüren, wie vor dem letzten Krieg. Für diese Leichtigkeit hatte ihre Familie gekämpft und so viel verloren. Sie wusste nicht einmal, ob sie sicher mit dem gerade verdienten Geld zurück ins Gebiet ihres Hauses kam. Aber Gregorians Worte befeuerten diesen kleinen Funken Hoffnung in ihr.   Das Lächeln mit dem sie ihn wieder ansieht ist zurückhaltend, aber das freudige Funkeln ihrer blauen Augen verraten sie. “Wenn Ihr wirklich helfen könnt, mein Haus zu überzeugen, weiterhin etwas anderes zu fertigen als Keramiken mit Salzglasur, dann bin ich gerne bereit, es zu versuchen.” Auch ihre Worte bringt sie zurückhaltend hervor. Zu große Wünsche, Hoffnungen und Träume könnten die Zwillinge erzürnen und zerplatzen wie Seifenblasen. So wie es mit ihren letzten Wünschen, Hoffnungen und Träumen geschehen war und Verzweiflung sie beinahe um den Verstand gebracht hatte.   “Ich werde natürlich erst mit meiner Großmutter darüber sprechen müssen. Sie hat das letzte Wort und außerdem mehr Erfahrung, um einschätzen zu können, ob der Versuch nicht vollkommen zum Scheitern verurteilt ist. Ich werde ihr die Scherbe zeigen und morgen mit einer Antwort wiederkommen, wenn Euch das recht ist.”
Thu, Feb 2nd 2023 04:55   Edited on Thu, Feb 2nd 2023 04:55

„Sprecht zuerst mit eurer Großmutter. Wenn sie und ihr zum Schluß kommt den Auftrag annehmen zu können, werde ich einen Boten zum Oberhaupt euers Hauses schicken und um ein Gespräch ersuchen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß wir einen Vereinbarung schließen können, die euch die Freiheit verschafft ohne allzuviel Druck von Seiten eures Hauses an die Ergründung der Geheimnisse und Methoden der alten Meister zu gehen. Ich freue mich schon auf euren Besuch morgen.“   Er begleitet Ailis zur Türe die zum den Geschäftsraum führt und öffnet sie für sie. Dabei fällt ihm auf, daß die Schatten schon lange geworden sind. „Später als ich gedacht habe.“: bemerkt er und wendet sich der Frau hinter dem Pult zu. „Sei bitte so gut und lasse uns eine der Wachen kommen.“ Sofort verschwindet die Frau im Inneren des Hauses. „Ich werde euch zur Sicherheit eine unserer Wachen für den Nachhauseweg mitgeben. Ihr tragt ein hübsches Sümmchen bei euch.“: sagt er beiläufig. Wenig später erscheint die Frau wieder mit einem Bewaffneten, der das Hauszeichen des Skriptoriums auf seinem Wams trägt. „Bringe unseren Gast sicher über den Fluß und nach Hause.“: ordnet Gregorian freundlich an und der Wächter schnarrt zu Antwort ein knappes Jawohl. „Mögen die Zwillinge die Hand über euch Halten!“: verabschiedet er sich von Ailis. Im Moment als sie die Türe des Skriptoriums öffnet, stürzt die ältere Vertraute Gregorians über die Schwelle. Unverkennbar zeichnet sich auf ihrem Gesicht Wut aber auch Dringlichkeit ab. Sie hat es so eilig, daß sie Ailis völlig ignoriert.
Tue, Feb 7th 2023 08:29   Edited on Tue, Feb 7th 2023 08:29

Ailis verstaut die Scherbe sorgsam in ihrer Umhängetasche neben den Rüben und den Kräutern, die sie noch zum alten Keno bringen sollte, um vielleicht mit einem Fisch wieder heim zu kommen. Dann schultert sie die Kiepe wieder, bevor sie mit Gregorian das Zimmer wieder verlässt. “Vielen Dank.” Die Töpferin bedankt sich mit geneigtem Kopf, als er ihr die Sicherheit des Skriptoriums für den Nachhauseweg mitgibt. “Und mögen die Zwillinge ebenso mit euch sein.” erwidert sie die Abschiedsformel.   Als die ältere Vertraute Gregorians herein stürzt, kann Ailis gerade noch aus dem Weg gehen und so einen Zusammenstoß vermeiden. Sie runzelt über die Eiligkeit zwar die Stirn, sagt aber nichts. Stattdessen verabschiedet sie sich auch von ihr auf die übliche Weise, bevor sie zusammen mit der Wache den Rückweg ins Gebiet der Coveani antritt.   Der Weg vom Skriptorium bis in ihr Viertel ist nicht weit. Sie passieren nur kurz den Wochenmarkt, dann geht es über die Melenische Brücke und nicht ganz dieselbe Strecke müssen sie dem Flusslauf folgend durch das Gebiet des Hauses Imeria. Ailis’ Anspannung lässt erst nach, als sie die vertrauten Gebäude sieht, die zwar noch nicht zu ihrem Häuserblock gehören, aber immerhin in der Hand des Hauses Coveani sind. Zu spät um die Wache noch ungesehen fort zu schicken, bemerkt sie die Handlanger ihres Blockwarts in einer Gasse. Dann kann sie sich genauso gut bis vor die Werkstatt bringen lassen und die Köter dort abwehren.   Sie bedankt sie bei dem Mann und wünscht ihm einen sicheren Heimweg. Kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen und die Kiepe abgesetzt hat, da poltert es auch schon energisch gegen die Tür. “He da, Töpferin, deine Schutzgebühr ist fällig.” Innerlich gewappnet öffnet Alis die Tür nur einen Spalt und stellt einen Fuß davor, so dass die Handlanger sie nicht so einfach aufdrücken können. “Ich habe für diese Woche schon bezahlt.” entgegnet sie mit fester Stimme. “Was wird der Boss wohl dazu sagen, wenn ich ihm erzähle, dass dich ne Wache vom Skriptorium begleitet hat?” spielt der Mann seinen vermeintlichen Vorteil aus. “Erzähl es ihm, Fiete, und sag ihm dann auch gleich, dass du glaubst, deswegen eine Münze an ihm vorbei verdienen zu können.” Der etwas dümmliche aussehende Handlanger hatte mit einer solch offensiven Antwort wohl nicht gerechnet. “Das mache ich, Weib, und dann wirst du sehen, was du davon hast.” droht er. “Grüß Halvar von mir, wenn du ihn siehst.” Ohne eine Antwort abzuwarten, schließt Ailis die Tür wieder und legt den Rige vor. Ihr Herz rast und droht ihr aus der Brust zu springen. Wäre es nicht Fiete gewesen, sondern einer der anderen Schläger, wäre sie nicht so einfach davon gekommen. So folgt nur ein weiterer wütender Tritt gegen ihre Tür. Und natürlich musste sie Halvar am nächsten Tag aufsuchen. Wenn Fiete wirklich mit ihm sprach, war fraglich, ob er sich mit ihrer Gesellschaft für ein paar Stunden oder Aussicht auf Fischeintopf zufrieden geben würde. Doch für den Moment konnte sie durchatmen.