Ob Mari die eigenartige Atmosphäre auffällt, die in dem Innenhof herrscht? Schon lange hat sich die Kunde breitgemacht, dass es sich bei dieser Audienz keineswegs um eine weitere Repressalie seitens der gefürchteten, unbarmherzigen und grausamen Jägerin händelt, die zu allem Überfluss nun auch noch Dargha geworden ist. Zur Verwunderung aller ist diese Bestie einer Frau plötzlich ausgesprochen freundlich, lächelt, schüttelt Hände und hört zu. Auch dass die Jäger anscheinend nicht mehr nur scheinbar willkürlich Leute massakrieren, sondern sich um die verhassten Banden kümmern, die allen das Leben so schwer machen, erzählen sich die Wartenden. So ist die Angst, die noch am Morgen vorherrschte, einer leisen Hoffnung gewichen, dass das tätowierte Scheusal, das neben den Leuten auf dem Tisch sitzt, doch auch gute Seiten haben könnte.
Das Murmeln, das auf dem Platz herrscht, verstummt, als die “irre Dürre” sich plötzlich ihren Weg durch die Menge bahnt und schnurstracks auf die Dargha zuhält. Sie ist verletzt, das sehen alle, und sie scheint etwas besprechen zu wollen, was wohl wichtig sein dürfte. Wird dies das Ende dieses kleinen Moments der Hoffnung sein? Oder ist das ehemals stinkende Bündel, das oft in einer Ecke des Zwillings einen halben Abend lang an einem Dünnbier herumgenuckelt hat, so verrückt, die Dargha nun damit zu nerven, dass sie sich beim Foltern selbst auf die Hand geschlagen hat?
Die Reaktion der beiden Damen an dem Tisch, die hübsche Bankierstochter und die, naja, vielleicht doch nicht ganz so hässliche Dargha, die spricht gegen die Foltertheorie. Saya hält inne, schaut Mari an. Ihre Miene versteinert sich, als sie die Hand erblickt, die Augen blitzen böse auf. Gulama hingegen schaut Mari an, als würde ein Geist vor ihr stehen, mit geweiteten, sorgenvollen Augen, in denen sich sogar einige Tränen bilden, und fast hätte sie die Feder fallen gelassen, mit der sie bereits einen schönen Stapel Papier vollgeschrieben hat.
“Gulama, sorge dafür, dass die Leute Bier haben, bis ich wieder da bin,” sagt Saya nur kurz zu ihrer Sklavin und steht auf.
“Verzeiht,” fügt sie in die Richtung des Alten hinzu, “aber ich werde mich bemühen, so bald als möglich wieder bei Euch zu sein. Trinkt doch bitte in der Zwischenzeit ein Bierchen, Ihr werdet nicht vergessen werden.”
Dann geht sie mit Mari zur Toreinfahrt. Auf dem Weg dahin winkt sie Condir herbei.
“Condir, komm bitte mit. Ich habe den Eindruck, als würden wir morgen früh wieder einige Häute abziehen!”
Dann geht es die Treppe hinauf in das Esszimmer. Saya rückt Mari einen Stuhl zurecht und setzt sich.
“Was, bei Achum, ist passiert?”