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Wed, Feb 7th 2024 01:47   Edited on Mon, Apr 1st 2024 07:54

[12. Tag, Abend] Die Collane

Leise klatschen die schwachen Wellen, auf denen schon das Mondlicht tanzt, gegen den Kai der Coveani Residenz und wiegen die festgemachten Boote in ihrem sanften Auf und Ab . Ein erleuchteter Kahn, in dem sich zwei aufrecht stehende Gestalten gegen den Abendhimmel abzeichen, nähert sich langsam dem Kai und legt an. Ein stämmiger Bewaffneter mit dem Wappen des Skriptoriums steigt aus dem Kahn und dahinter folgt Gregorian selbst. Er trägt auf den ersten Blick einfache Kleidung, doch wenn man näher hinsieht, erkennt man die Qualität der Stoffe und der Verarbeitung. Der Gürtel, den trägt und an dem ein Langdolch mit abgriffen Heft hängt, ist mit Silberbeschlägen geschmückt, am linken Handgelenk schimmert matt ein antiker Armreifen. Unter dem Arm trägt er eine Kassette. Unbefangen nähert er sich dem Koloß in den schreiend bunten Seidengewändern. “Die Zwillinge mit euch!”: grüßt er freundlich. “Ich bin Gregorian Vellez und ich werde erwartet. Wollt ihr meine Einladung sehen?”  
"Die Zwillinge mit euch," entgegnet der Mann und verneigt sich mit einer für seine Fülle überraschenden Eleganz. "Ihr müsst mir nichts zeigen, ich habe euch die Einladung gebracht und kenne euch, Majstro Vellez. Mein Name ist Enno. Folgt mir bitte, ich bringe euch zur Gräfin."   Anders als erwartet, führt der Weg nicht in einen der Türme der Grandafratoj, sondern am Kai entlang an einer Reihe großer ehemaliger Markthallen vorbei, die jetzt offenbar als Töpferwerkstätten und teilweise als Lager dienen. Dieser Abschnitt des Hafens weist aufs Meer und von hier sind in früheren Zeiten mächtige Schiffe zu den frenischen Inseln aufgebrochen. Aber heute liegen hier keine hochseefähigen Zwei- oder Dreimaster mehr, sondern lediglich kleinere Fischerboote, die jedoch in überraschend großer Zahl.   Die Markthallen werden bald von großen Wohngebäuden abgelöst und als Enno eines davon ansteuert, lösen sich drei Coveani-Wachen aus dem Schatten einer der Hallen. "Euer Begleiter kann hier auf euch warten," erklärt Enno im Ton völliger Selbstverständlichkeit. "Wir haben ihm auch eine kleine Stärkung vorbereitet."   Dann betritt er ein dreistöckiges Wohnhaus, das völlig gewöhnlich wirkt und erklimmt überraschend leichtfüßig die Treppe in den obersten Stock. Dort sperrt er mit einem großen Schlüssel eine offenbar schwere Tür auf und verneigt sich einladend, um Gregorian hinein zu lassen.   Als Gregorian die Tür durchschreitet, betritt er eine großzügig geschnittene Wohnung. Im Zentrum befindet sich ein großer Raum, der wohl als Speise- und Wohnzimmer genutzt wird. In seiner Mitte steht ein massiver rechteckiger Tisch, der bereits für zwei Personen gedeckt ist. Rechts geht eine Tür ab, die offenbar in die Küche führt, sofern Gregorian den Lichtschein und das geschäftige Klappern richtig deutet. Eine Tür links vom Esstisch ist verschlossen. Die zur See weisende Wand wird von zwei großen Flügeltüren durchbrochen, die offenbar zur einem großzügigen Balkon führen, jetzt allerdings gegen den Abendwind geschlossen sind.   Die Gräfin trägt eine helle Pluderhose, die um die Knöchel mit Bündchen zusammengefasst wird, sowie ein rotes Mieder und darunter eine beinahe durchsichtige Bluse. An den Füßen trägt sie dünne Riemchensandalen. Sie trägt keinerlei Schmuck, außer einer dünnen Kette um ihren schlanken Hals.   "Gregorian, es freut mich, dass ihr es gekommen seid!", sie kommt rasch, aber nicht hastig auf ihn zu und reicht ihm die Hand. "Ich sterbe schon vor Hunger. Enno hat den ganzen Tag in der Küche verbracht, ich konnte ihn kaum dazu bringen, euch am Kai zu erwarten." Der hünenhafte Diener verbeugt sich kurz in Richtung seiner Gräfin, dann in Richtung Gregorians und verschwindet dann wieder durch die Tür, hinter der Gregorian die Küche vermutet.   "Ihr seid hoffentlich nicht verwundet, dass ich euch nicht im Maljufrato empfange." Sie macht eine Geste, die die ganze Wohnung umfassen soll. "Ich gestehe, dass ich gerne Geschäft und Vergnügen voneinander trenne und Gäste daher gern hier in einer weniger formellen Umgebung empfange." Sie lächelt hintersinnig und lässt offen, unter welche Kategorie diese Zusammenkunft mit dem Inhaber des Skriptoriums gehört.   "Bis das Essen kommt, hat Enno in der Zwischenzeit etwas für uns vorbereitet." Sie öffnet eine der Türen auf dem Balkon. Draußen erwarten sie ein Beistelltisch mit einem Tablett und darauf zwei hohe, flötenschlanke Gläser. Gregorian erkennt sofort, dass es sich um sehr alte Gläser handeln muss, so etwas wird heutzutage nicht mehr hergestellt. Vor ihnen liegt der Okeanus wie Blei unter einem sich verdunkelnden Himmel. Möwen schreien heiser in der Dämmerung und das Meer rauscht dumpf.   Die Gräfin reicht Gregorian eines der hohen Gläser "Je via sano!" Es ist eine erfrischende Mischung aus Schaumwein, Zitrone und einem Schuss Kirschbrand.   Eine Weile sehen sie stumm auf das Meer hinaus. "Für gewöhnlich hebt die See meine Stimmung, aber heute macht sie mich schwermütig," meint die Gräfin dann nachdenklich. Als sie hinter sich Klappern und Klirren hören, lächelt sie breit. "Ich hoffe, es wird euch schmecken."   Als sie an den Tisch zurückkehren hat Enno gerade die Vorspeisenteller abgestellt und rasch den Tisch gedeckt. Messer, Gabel und Löffel machen wieder einen nahezu antiken Eindruck, aber die Teller und Schüsseln sind sichtlich neu und von bester Coveani-Qualität.   Enno rückt dem Gast den Stuhl zurecht und sie setzen sich zum Essen. Es gibt eine gemischte Fischvorspeise, bestehend aus verschiedenen kleineren Fischspezialitäten wie frittierten Sardellen, eingelegten Sardinen und gebratenen Calamari, außerdem geröstetes Brot, bestrichen mit einer Mischung aus Leberpastete von Geflügel und geräucherter Fischpastete. Dazu einen trockenen Weißwein und Mineralwasser.   "Bonan apetiton!", sagt die Gräfin lächelnd und stößt mir ihrem Gast an.
Sun, Feb 18th 2024 06:55   Edited on Sun, Feb 18th 2024 07:04

An die oft genug absonderlichen Launen der Mächtigen gewöhnt, macht sich Gregorian nicht allzu viel Gedanken darüber, als er nicht die beiden Türme der Coveani Residenz geführt wird. Dafür sieht er sich aufmerksam um, auf dem Weg zu dem ungekannten Ziel. Er war lange nicht mehr in diesem Teil des Coveani-Gebietes und besonders die Anzahl der Fischerboote fällt ihm auf. Er prägt sich die Einzelheiten ein, denn sie mochten sich eines Tages als nützlich erweisen.   Sein Leibwächter wirft ihm einen fragenden Blick zu, als er höflich aufgefordert wird, zurückzubleiben. Gregorian nickt ihm zu und wendet sich an Enno: “Sehr freundlich von euch.”: bedankt er sich für die Aufmerksamkeit seinem Leibwächter gegenüber, den er nur wegen des Decorums mitgenommen hat. Er ist durchaus in der Lage, sich seiner Haut zu wehren, auch wenn er einige Mühe darauf verwendet hat, den Eindruck eines verweichlichten Gelehrten und Lebemannes zu kultivieren.   Er prägt sich auch die Lage des Hauses ein, in das er geführt wird. Als er die Wohnung betritt, sieht er sich nur einen kurzen Augenblick um, dann wird sein Blick von der Gräfin gefesselt, die man nicht umsonst die Katze nennt, so elegant und geschmeidig wie sie auf ihn zu kommt. Aber Gregorian weiß nur zu gut, daß sich messerscharfe Krallen hinter den heute heraus gekehrten weichen Samtpfötchen verstecken und diese Krallen faszinieren ihn. Auch ihr Verzicht auf allen Schmuck und Prunk im Wissen um ihre Wirkung beeindruckt ihn durchaus. Er kommt ihr mit ein paar Schritten entgegen, nimmt ihre Hand und verbeugt sich elegant einen Handkuß andeutend. Den eher inoffiziellen Rahmen berücksichtigend, spricht er sie nicht mit Hoheit an, wie in der Kaiserzeit üblich gewesen war, sondern mit ihrem Titel. “Die Freude ist ganz auf meine Seite, Gräfin. Vielen Dank für eure freundliche Einladung.”   Auf ihre Erklärung entgegnet er leichthin, ohne auf die Kategorie Gast in die er fallen mochte näher einzugehen: “Ganz im Gegenteil, Gräfin. Ich ziehe einen Rahmen wie diesen einem offiziellen Abendessen bei weitem vor. Noch dazu wenn er so geschmackvoll ist wie eure Wohnung.” Bevor er Alessandrina hinaus auf den Balkon folgt, stellt er sein Kästchen ab.   Für einen Augenblick bleibt er stehen und bewundert den Ausblick auf den Okeanus. Das Meer hatte immer schon eine große Anziehung auf ihn ausgeübt und dieses Panorama raubt ihm fast den Atem. Für einen Atemzug lang vergißt er auf Vorsicht und Maske und seufzt leise. “Wunderschön.” Aber als er sich Alessandrina zuwendet hat er sich wieder gefangen. “Ich beneide euch um diesen Balkon, Gräfin.”: gibt er freimütig zu und nimmt das Glas entgegen, daß er für einen Moment bewundernd gegen das Licht hält, bevor er Alessandrinas Trinkspruch erwidert: “Al via!” Überrascht zieht er nach dem ersten Schluck die Augenbrauen hoch. “Ausgezeichnet!”: stellt er fest. “Ich frage mich wie ich es anstellen soll, eurem Enno die Rezeptur für diesen Nektar abzuschwatzen.” Dann bleibt er still neben Alessandrina stehen. Er hätte noch eine ganze Weile hinaus auf den Okeanus schauen können, aber er schließt sich ihr sofort an, als sie den Balkon verläßt und zurückgeht in den Raum. Bevor sie sich setzen, greift Gregorian nach dem Kästchen, daß er mitgebracht hat und überreicht es Alessandrina.   “Ich habe mir erlaubt, euch ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung mitzubringen. Ich hoffe, es trifft euren Geschmack.” Nach einem kurzen Blick über die Köstlichkeiten auf dem Tisch sagt er: “Oh, dann bin ich mir ganz sicher.” Mit einem dankenden Kopfnicken Richtung Enno setzt er sich. Diesmal antwortet er in Pela: “Auch euch einen guten Appetit.” und bedient sich bei den Vorspeisen.  
"Bei den Zwillingen..." entfährt es der Gräfin. Vorsichtig hebt sie die Kette mit beiden Händen aus dem Kästchen. Der Greif des Hauses Coveani ist etwas zerkratzt, das Wappen etwas angelaufen und es fehlen ein paar Kettenglieder, aber es ist eindeutig die Collane.   "Wo habt ihr sie gefunden?" Ihr Blick gleitet kurz zu Gregorian, dann wieder zurück zu der Kette. "Die Collane ging bei der Plünderung der alten Residenz verloren. Großmutter hat Unsummen an Schmuggler, Schwarzhändler und Kellerraten bezahlt, um herauszufinden, was mit ihr passiert ist, aber es gab nie eine Spur von ihr."   Sie betrachtet das Erbstück mit einem Ausdruck völliger Verzückung. "Die Collane war seit unvordenklichen Zeiten immer im Besitz des Oberhaupts des Hauses Coveani. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie einmal zu Gesicht bekommen würde... ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür je erkenntlich zeigen kann!"   Sie legt die Kette vorsichtig in das Kästchen zurück und beugt sich weit über den Tisch, um Gregorians Hand mit beiden Händen zu umfassen. "Wenn ich je etwas für euch tun kann, zögert nicht, mich darum zu bitten!" Es ist nicht zu entscheiden, ob sie Gregorian absichtlich einen so tiefen Einblick in ihren Ausschnitt gewährt, oder ob sie in ihrer inneren Rührung einfach vergisst, wie unherrschaftlich sie sich gerade benimmt.   In diesem Moment öffnet sich die Tür und Enno kommt mit dem Hauptgang herein. Auf großen Platten serviert er eine Auswahl verschiedener kleiner Fische und Meeresfrüchte, paniert und frittiert, darunter kleine Tintenfische, Sardellen und Garnelen; sowie gebackene Wachteln, gefüllt mit einer Mischung aus Kräutern, Zitrone und Gewürzen.   Als besondere Spezialität stellt er zwei Teller mit einem offensichtlich gerupften und gebratenen kleinen Vogel vor Gregorian und die Gräfin.   "Habt ihr schonmal Ortolan gegessen? Es ist sozusagen eine alte Spezialität meiner Familie ." Sie lächelt und nimmt den Vogel mit spitzen Fingern vom Teller. "Man fängt den Vogel lebendig und entfernt die Augen. Dadurch kommt sein Tag-Nacht-Rhythmus durcheinander und man kann ihn besser mästen. Nach zwei Wochen wird er getötet, indem man ihn in Weinbrand ertränkt. Anschließend wird er im eigenen Fett gebraten und im Ganzen verzehrt."   Während sie spricht, zupft sie dem Vögelchen nacheinander die Flügel und Beine ab und isst sie mit offensichtlichem Genuss. Gregorian hört die kleinen Knöchelchen knirschen. Danach ist der Körper und zuletzt der Kopf an der Reihe, der mit einem endgültigen Geräusch birst. Danach leckt die Gräfin sich geziert das Fett von den Fingerspitzen und taucht sie anschließend in eine bereitgestellte Schale mit Rosenwasser, um sie dann an einem Tuch abzuwischen.   Sie nimmt einen Schluck Wein und ruft "Enno!" Der fette Riese erscheint sogleich am Tisch. "Sing uns etwas Enno!", verlangt die Gräfin mit erwartungsvollem Augenaufschlag.   Zu Gregorians Überraschung holt der Riese tief Luft und aus seiner Kehle steigt ein einwandfreier Sopran empor. Es handelt sich um eine Arie in altem Pelor, die Enno ohne musikalische Begleitung singt, so dass die Gräfin in die kleinen Pausen hinein, in die sonst die Musik eingefallen wäre, den Hintergrund erläutern kann.   "Es handelt sich um die Geschichte des Kindkaisers Adelmo I. Coveani. Er wurde in den letzten Jahren des Kaiserreiches als Marionette auf den Thron gesetzt und schon ein paar Wochen später ermordet. Wir hören gerade den Trauergesang der Mutter über ihrem toten Sohn."   Ennos Stimme erhebt sich von einem Bariton bis in den Sopran und wieder zurück, bis er schließlich in einem herzzerreißenden Schluchzen endet, als die Mutter über dem toten Kaiser zusammenbricht.. Die Gräfin lauscht verzückt und verspeist währenddessen häppchenweise eine Wachtel.   "Es ist im Grunde makaber: Ich bin ziemlich sicher, dass es mein Ur-Urgroßvater war, der Adelmo auf den Thorn setzte, um über ihn als Strohmann selbst zu herrschen. Stattdessen wurde der Kindkaiser getötet und mein Vorfahr floh nach Pelorn." Sie breitet die Arme in einer Geste aus, die die ganze Stadt umfasst. "Und hier sind wir jetzt."   Als Enno die Teller abzuräumen beginnt, steht die Gräfin auf. "Lasst uns doch auf dem Balkon einen Digestif einnehmen, bis Enno das Dessert vorbereitet hat." Als sie die wenigen Schritte nach draußen gehen, hakt sie sich bei Gregorian unter. Ihm fällt auf, dass sie sich irgendwann die Sandalen abgestreift hat und barfuß geht.   Auf dem Balkon wartet ein Beistelltisch mit einer Flasche und zwei kleinen Gläsern auf sie, eine mit grünem Stoff bespannte Zweiercouch und ein glimmendes Kohlebecken gegen die Kühle der Nacht. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, die beiden Monde stehen am Himmel und schwimmen zugleich nebeneinander zitternd in den Wellen des Okeanus.   Die Gräfin setzt sich auf die Couch und zieht unprätentiös die bloßen Füße an. Sie reicht Gregorian ein Glas und stößt mit ihm an. "Dum cent jaroj", sagt sie mit strahlenden Augen und sinnlich lächelnden Lippen.
Wed, Feb 21st 2024 06:54   Edited on Wed, Feb 21st 2024 06:57

Den angenehmen Einblick, den die Gräfin in ihrer Begeisterung gewährt, übersieht Gregorian nicht, geht aber galant darüber hinweg. Er entzieht sich ihrer Berührung nicht.“ Der Glanz in euren Augen und euer Lächeln ist mein schönster Lohn.”: entgegnet er mit einem leichten Neigen seines Kopfes auf ihr überschwängliches Angebot.   An den Köstlichkeiten der Tafel bedient er sich mit Genuß. Freimütig gibt er zu, daß er von dieser Spezialität des Hauses noch nicht gehört hat, geschweige denn davon gekostet. “In Branntwein ertränkt? Was für ein Ende.”: schmunzelt er und tut es Alessandrina gleich. Übermäßig begeistert scheint er jedoch von dieser seltenen Spezialität nicht zu sein. Für einen Moment betrachtet er mit dem Ausdruck einer gewissen Faszination, wie Alessandrina geziert ihre Finger leckt.   Der Gesang des Riesen überrascht ihn anfangs, aber schnell ist er von der Stimme und der Melodie gefesselt. Die historischen Begebenheiten sind ihm bekannt, doch diese Arie hört er zum ersten Mal. Als der Riese geendet hat, applaudiert er leise. Er nickt zu Alessandrinas Feststellung über die Anwesenheit ihres Hauses und für einen Moment spiegelt sich der ungewohnte Ausdruck von Härte auf seinen Gesichtszügen. "Seiner Geschichte entkommt man nicht, ob es einem nun gefällt oder nicht.”: entgegnet er und so schnell wie er gekommen war verwischt sich der Eindruck von Härte auf seinem Gesicht.   Als sich ein wenig später Alessandrina bei ihm einhakt auf dem Weg zum Balkon, bemerkt sie den schwachen, herben Hauch von Lavendel, der von ihm ausgeht. Doch es ist wirklich nur ein Hauch, den die schwache Brise draußen wieder verweht. Er nimmt neben ihr Platz und als sie ihm das Glas reicht, erwidert er mit einem Schmunzeln auf ihren Trinkspruch: “Mögen es für euch hundert Jahre mehr sein.” Mit Genuß trinkt er und lehnt sich zurück.   Entspannt und ungehemmt vom hohen Rang seiner Gastgeberin ist ihm anzumerken, daß er sich in ihrer Gesellschaft wohlfühlt und hin und wieder zeigt ihr ein Blick , daß sie ihm sicher nicht unsympathisch ist, trotzdem kann sie als erfahrene Frau fühlen, daß er sich ihr gegenüber recht neutral benimmt. Von Verlangen, daß sie gewöhnlich auslöst, ist nicht zu merken. Für eine kleine Weile ist er still.   Dann seufzt Gregorian leise und nach einem kleinen Schluck des vorzüglichen Weines sagt er mit einem Blick hinaus auf die See. “Ist sie nicht wunderschön? Für mich war sie immer die Inkarnation der Göttin…” Für einen Moment schweigt er, bevor er fort fährt: “..mehr noch, die aller Weiblichkeit, ewig, unauslotbar, grausam und manchmal sanft. Man ist ihr ausgeliefert, jeder ihrer Launen, machtlos, hilflos, sie zwingt einen in die Knie, duldet keinen Widerstand, bricht einen mit ihrer Stärke, bis man sich ergibt.” Er lächelt hinaus auf See. “Doch dann gibt sie….” Er unterbricht sich, lacht leise und richtet seinen Blick auf Alessandrina. Im schwachen Licht der Monde das Schimmern seiner ungewöhnlich hellen Augen fast schon irritierend. “Verzeiht, wenn ich euch mit meiner Schwärmerei langweile, Gräfin. Eure bezaubernde Anwesenheit und dieser Ausblick scheinen den unbekannten Poeten in mir zu wecken, auch wenn er nur ein lausiger Wortverdreher ist.” Lächelnd trinkt er ihr zu.  
Die Gräfin lächelt kurz über Gregorians Schwärmerei, nickt aber verständnisvoll. Sie scheint kurz zu überlegen. "Ich weiß genau, was ihr meint." Dann rezitiert sie aus dem Gedächtnis:     "Des Menschen Seele   Gleicht dem Wasser:   Vom Himmel kommt es,   Zum Himmel steigt es,   Und wieder nieder   Zur Erde muß es,   Ewig wechselnd.     Strömt von der hohen,   Steilen Felswand   Der reine Strahl,   Dann stäubt er lieblich   In Wolkenwellen   Zum glatten Fels,   Und leicht empfangen,   Wallt er verschleiernd,   Leisrauschend,   Zur Tiefe nieder.     Ragen Klippen   Dem Sturze entgegen,   Schäumt er unmutig   Stufenweise   Zum Abgrund.     Im flachen Bette   Schleicht er das Wiesental hin,   Und in dem glatten See   Weiden ihr Antlitz   Alle Gestirne.     Wind ist der Welle   Lieblicher Buhler;   Wind mischt vom Grund aus   Schäumende Wogen.     Seele des Menschen,   Wie gleichst du dem Wasser!   Schicksal des Menschen,   Wie gleichst du dem Wind."     Sie trinkt einen Schluck und streicht sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Ich verbringe manchmal Stunden hier und sehe nur auf das Meer hinaus. Es hilft, den Geist zu reinigen und gleichzeitig zu erheben. Man nimmt die eigenen Probleme angesichts des Meeres und der Naturgewalten nicht mehr allzu Ernst und das ist sehr beruhigend und manchmal auch notwendig, wenn man Verantwortung trägt. Ihr solltet einmal bei Gewitter hierherkommen! Es ist... majestätisch." In Ermangelung eines besseren Wortes lächelt sie entschuldigend.   Enno stellt auf einen stummen Wink seiner Herrin hin einen niedrigen Tisch vor die Couch und arrangiert das Dessert kurzerhand auf dem Balkon. Eine reichhaltige Mandeltorte, verfeinert mit Orangenblütenwasser und bestreut mit Puderzucker, sowie verschiedene frische Früchte der Saison, serviert mit einem Spritzer Honig, bilden den Abschluss ihres Mals.   Wein und Wasser werden dazugestellt und Enno hält sich anschließend diskret im Hintergrund.
Thu, Feb 22nd 2024 04:42

Aufmerksam lauscht Gregorian der Rezitation Alessandrinas. Doch nach den ersten beiden Strophen huscht einen Augenblick lang ein erleichtertes Schmunzeln über sein Gesicht, so als wäre er beim Kekse stibitzen mit der Hand in der Keksdose überrascht worden und es ihm im letzten Moment doch noch gelungen, die Hand unbemerkt aus der Dose zu ziehen. Aber dieses Schmunzeln ist so flüchtig, daß sich die Gräfin nicht ganz sicher sein kann, ob es nicht einem Spiel von Licht und Schatten auf seinem Gesicht zuzuschreiben ist.   Als Alessandrina geendet hat schweigt er einen Atemzug lang, bevor er leichthin sagt: “Eure Worte sind unzweifelhaft poetischer und schöner als die Meinen, Gräfin. Wie ich schon sagte, ich beneide euch um diesen Balkon und diesen Ausblick. Ein Gewitter von hier aus miterleben, muß in der Tat ein imposantes Schauspiel sein.” Er trinkt Alessandrina zu. Dann lächelt er und für einen Augenblick könnte man meinen, daß ihm durchaus daran gelegen ist ihre Konversation in ein neues Fahrwasser zu bringen und seine vorherigen Worte, wenn schon nicht vergessen zu machen, dann doch zumindest etwas zu überdecken.   “Nun, was die Last der Verantwortung betrifft, ich kann die meine natürlich nicht mit der euren vergleichen. Schließlich tragt ihr die Verantwortung für das Wohlergehen eines ganzen Hauses. Ich dagegen nur für das Skriptorium und meine Bediensteten, aber es gibt durchaus Zeiten, in denen ich mich am liebsten einfach fallen lassen und nichts mehr von Problemen und Schwierigkeiten hören möchte. Ich kann euch also sehr gut verstehen. Es ist hin und wieder wirklich ermüdend stets stark zu sein oder zumindest so zu wirken. Aber..” Er hebt in einer resignierenden Geste die Hände. “..den Göttern gefällt es offensichtlich jene Momente, des sich gehen lassen dürfen auf ein Minimum zu beschränken und was haben wir schon dem Willen der Götter entgegenzusetzen?”   Mit dem Blick auf Alessandrinas Glas beugt er sich vor, greift nach der Weinflasche und erkundigt sich höflich: “Darf ich euch nachschenken, Gräfin?”  
"Gerne, vielen Dank..." etwas zerstreut hält sie ihm ihr Glas hin. "Mir scheint," setzt sie dann an und blickt dabei in die Ferne über das Meer "dass der Moment des sich-gehen-lassens sich vor allem in der Liebe findet, von der Ihr in Verbindung mit dem Meer gesprochen habt. Und natürlich im Tod."   Ihr Blick huscht kurz zu Gregorian und dann wieder auf die See. Sie schweigt eine Weile und ein Ausdruck tiefer Trauer legt sich langsam über ihr Gesicht. "Ich denke, es liegt tiefe Weisheit darin, dass unsere Väter sowohl die Liebe als auch den Tod in die Hände der Göttin legten. Nennt man den Höhepunkt nicht auch 'den kleinen Tod'? Der Moment des völligen sich-gehen-lassens. Ein Versinken und Eins-werden... Wie im Meer."   Sie nimmt einen Schluck und blickt sinnend in die Dunkelheit. "Ich habe gelesen, dass die Hermetiker angeblich eine besondere Vorliebe für die Göttin hegten. Glaubt Ihr, sie empfanden ihre Gabe komplementär zu Liebe und Tod, sozusagen gleichermaßen als Fluch und Segen?"
Thu, Feb 22nd 2024 08:24

Er füllt Alessandrinas Glas auf und bedient sich dann selbst. Still hört er ihr zu. Mit jedem ihrer Worte entspannt er sich mehr. Sein unbedachten Worte scheinen keine Folgen zu haben, obwohl er nahe daran ist es zu bedauern. Doch dann überwiegt die Erleichterung und er besinnt sich darauf, was sein Gegenüber ist, so attraktiv sie auch sein mag. Das vertreibt auch den letzten Funken Bedauerns und er ist nicht unglücklich über die Wendung, die ihr Gespräch nimmt.   “Verzeiht meine Ungeschicklichkeit”: sagt er gedämpft. “Es war nicht meine Absicht diesen bezaubernden Abend mit Traurigkeit zu verdüstern. Obwohl ihr natürlich recht habt. Tod und Leben sind die beiden Seiten einer Münze. Das Leben bindet und der Tod löst und auch im Augenblick des Höhepunktes lösen wir uns und überwinden die Grenzen zwischen dem Ich und dem Du, wenn auch nicht so total wie zum Zeitpunkt des Todes.”   Er trinkt einen Schluck des ausgezeichneten Weines. “Die Vorliebe der Hermetiker für die Göttin wahrscheinlich sicher zusammen, daß sie bis zur Versiegelung als Schutzpatronin der hermetischen Künste verehrt wurde. Eine interessante Frage wie sie ihre Gabe betrachteten.”   Für einen Moment überlegt Gregorian: “Ich kann natürlich nur mutmaßen aber ich nehme an, daß es auch eine Frage des Zeitpunktes war. Zur Kaiserzeit wird wohl kaum ein Hermetiker seine Gabe als Last oder Fluch empfunden haben. Was aber nicht bedeuten mag, daß nicht der Eine oder Andere damit gehadert hat. Sei es der Folgen wegen, die der Gebrauch der Gabe nach sich gezogen hat oder aus ethisch-religiösen Gründen. Doch wie gesagt, das sind alles bloß Annahmen. Es ist sehr schwer sich vorzustellen über solche Macht zu verfügen, für mich zumindest.”: sagt er mit dem Anflug eines schwer deutbaren Lächelns.
"Sicher wollten auch die Hermetiker sich manchmal einfach fallen lassen..." sinniert die Gräfin. Plötzlich mustert sie Gregorian von der Seite und ein Lächeln schleicht sich auf ihre Züge, wie bei einer Katze, die gerade entdeckt, dass sie die ganze Zeit auf eine Maus gestarrt hat, ohne sie wirklich zu sehen. "Mein lieber Gregorian," schnurrt sie und dreht sich ganz zu ihm hin, "Ihr wisst doch sicher, dass es viele Wege gibt, sich gehen zu lassen...?" Sie deutet zurück in die Wohnung. "Die Nacht ist immer noch jung und ihr habt noch Zeit, die Bürde eurer Verantwortung abzugeben." Sie streckt die Hand aus und Fingernägel kratzen sanft über Gregorians Nacken. "Lass sie mich eine Weile für dich tragen! Hier sind wir ganz unter uns und weit weg vom Skriptorium."   Die Katze setzt zum Sprung an. Sie nimmt ihm das Glas aus der Hand und stellt es auf den Tisch. Dann schwingt sie ein Bein über ihn und setzt sich auf seinen Schoß, aber es hat nichts liebevolles an sich. Es ist die Inbesitznahme einer Eroberin. Sie beugt sich langsam nach vorne und flüstert ihm ins Ohr: "Nicht im Genuss besteht das Glück, sondern im Zerbrechen der Schranken, die man gegen das Verlangen errichtet hat!"   Die Katze packt ihre Beute. Dann schlingt sie ihm etwas um den Hals. Gregorian wird nie erfahren, wo die Gräfin das Halsband her hat, aber es legt sich eng um ihn. Sie grinst ihn an und steht auf. Ein Finger hakt sich in den Ring an seiner Kehle, an dem sie ihn langsam hoch und hinter sich her zieht. Sie betreten die Wohnung und sie führt ihn weiter ins Schlafzimmer. Dort wartet ein Bett mit metallenem Gestell, durch das überall Bänder geflochten sind. Er wird noch herausfinden, wozu sie dienen.
Sat, Feb 24th 2024 05:41   Edited on Sat, Feb 24th 2024 05:43

“Das ist anzunehmen.”: antwortet er auf Alessandrinas Vermutung über Hermetiker. Er ist nicht wirklich überrascht, als sie davon zu sprechen beginnt, dass die Nacht noch jung sei und die Hand nach ihm ausstreckt. Im Lichte dessen, was er über sie weiß, hat er eher damit gerechnet und gute Beziehungen zu Coveani waren schon ein kleines Opfer wert. So läßt er sie auch gewähren, als sie sanft über seinen Nacken kratzt und ihre Fingernägel einen wohligen Schauer seinen Rücken hinab laufen lassen.   Er läßt sich auch sein Glas ohne Widerrede abnehmen, sieht zu ihr hoch, als sie sich anschickt sich auf seinen Schoß zu setzen und die Art und Weise wie sie tut, weckt einen Funken Begierde. Aber als sie ihm ins Ohr flüstert, wird ihm schlagartig klar, daß sie ihn in seinem Moment der Unachtsamkeit durchschaut haben mußte. Siedendheiß wird ihm bewußt, wie sehr er ihr jetzt ausgeliefert ist, denn er zweifelt keinen Augenblick daran, dass sie ihr Wissen anwenden wird und er zwar die Kraft hat sie daran zu hindern, aber nicht den Willen. Der Moment der Einsicht gibt ihr Zeit genug, ihm das Halsband anzulegen.   Erst als sie das Band verschließt, fährt seine Rechte hoch und umspannt ihr linkes Handgelenk. Sein Griff ist fest, aber nicht brutal. Für den Bruchteil eines Augenblicks spürt Alessandrina etwas in ihrem Geist. Etwas Machtvolles, Dunkles, doch es ist so flüchtig wie die Abwehrbewegung einer Hand, die wieder herabsinkt, bevor sie noch zur Faust geballt wird, vielleicht auch nur übersteigerter Wahrnehmung in der Spannung des Augenblicks geschuldet. Dann sinkt auch seine Hand herab und er läßt sich widerstrebend hochziehen.   Jetzt kann Alessandrina seine Begierde fühlen, aber auch den Zwiespalt, seinen Widerstand. Er ist zwar kein Athlet aber an Körperkraft der schlanken Gräfin weit überlegen und doch zieht sie ihn Schritt für Schritt mit sich in ihr Schlafzimmer. Mit jedem Schritt wird sein Widerstreben geringer und als sie ihn hinüber zum Bett zieht, läßt er es bereits geschehen. Erst jetzt sagt er leise in einer Sprache, die Alessandrina völlig fremd ist: “Saya kepunyaan awak.” Sie weiß nicht, was diese Worte bedeuten, aber sie spürt sein Aufgeben, seine Kapitulation. In seinen hellen Augen leuchtet nur mehr Verlangen und Hingabe.  
Mon, Feb 26th 2024 01:29   Edited on Mon, Feb 26th 2024 01:31

Als Gregorian die Wohnung einige Stunden später verlassen hat und mit seinem Leibwächter aufgebrochen ist, reckt die Gräfin Coveani sich gähnend, streift ihre Kleidung ab und hüllt sich stattdessen in einen langen, weichen Wollmantel, in den sie sich wie in eine Decke wickeln kann.    Enno betritt das Schlafzimmer und macht sich wortlos daran, das Bett abzuziehen. Nach einer Weile merkt er an: "Das war eine unvorhergesehene Wendung der Dinge." Die Gräfin kichert und schenkt sich selbst noch den letzten Rest einer angebrochenen Flasche Wein ein. "Ja, allerdings... sehr unvorhergesehen, aber nicht unwillkommen." Sie zwinkert Enno zu und geht wieder hinaus auf den Balkon, wo ihr Leibdiener - der seiner Herrin schon Jahrzehnten dient und ihre Vorlieben kennt - das Kohlenbecken neu angefacht hat. Auf dem Beistelltisch liegen eine Kreidetafel mit Notizen, die letzte Korrespondenz des Tages und Band 4 von Corelians gesammelten Dramen.    Sie setzt sich, zieht die nackten Beine unter dem weiten Mantel an sich und nimmt die Tafel zur Hand. Es ist ein kurzer Bericht von Corvu über das verdeckte Verhör von Gregorians Leibwächter, dem aber weder der Alkohol noch die Hure, zu der die Agenten ihn dann gebracht hatten, etwas neues zum Skriptorium hatten entlocken können. Mit einem kleinen Schwamm wischt sie die Nachricht weg, die so unwichtig und erwartbar gewesen war, dass sie nicht auf teurem Papier geschrieben worden war.   Die Blätter beinhalten einen Brief aus den Tongruben und sind ein Bericht über den heute wie geplant begonnenen Bau der neuen Papiermühle. Die Gräfin ist zufrieden und legt den Brief beiseite. Sie trinkt den letzten Rest Wein, den sie mitgenommen hat und sinniert über die Ereignisse dieses denkwürdigen Tages. Sie erinnert sich an alles, was sie mit und für Gregorian getan hat, der sich als überaus willig und neugierig erwiesen hatte. Sie nimmt sich vor, bis zum nächsten Mal einige spezielle Dinge nachzuschlagen. Sie denkt an den kurzen Moment zurück, als er ihre Hand gepackt hatte. Es hatte sich angefühlt, als würde ein Raubtier sie aus dem Dunkeln mustern. Nachdenklich ruft die Gräfin sich ins Gedächtnis, was der Herr des Skriptoriums über Hermetiker gesagt hatte, kommt aber zu keinem Ergebnis. Als Enno einige Zeit später meldet, dass er das Schlafzimmer aufgeräumt und für die Nacht hergerichtet hat, trägt sie ihm noch auf, ihr Briefpapier zu bringen, bevor sie ihn für heute entlässt.     Hochverehrter Majstro Vellez,   so sehr haben Neigung und Vergnügen meine Gedanken am vergangenen Abend beschäftigt, dass Dinge unausgesprochen blieben, die ich gerne mit euch zu besprechen wünschte.   In dem Verlangen, unser nächstes Treffen nicht durch hastige Geschäfte zu belasten, möchte ich diese Dinge hiermit sozusagen ins Post Scriptum der vergangenen Nacht stellen. Beigelegt zu diesem Schreiben findet ihr einen Vorvertrag aus der Feder meines Ersten Schreibers über die regelmäßige Lieferung von Papier. Dieser Tage hat der Bau einer neuartigen Mühle begonnen, die nach Fertigstellung Papier in gleichbleibend hoher Qualität und Anzahl produzieren wird. Das Skriptorium hat von allen Institutionen der Stadt mit Sicherheit den höchsten Bedarf an Papier, so dass ein steter Fluß des selbigen in hoher Qualität und günstiger als bisher sicher in eurem Interesse liegt. Bitte prüft den Vorvertrag wohlwollend und sendet etwaige Änderungswünsche - so es euch gefällt - direkt an meinen Ersten Schreiber Maurizio Verla in den Grandafratoj. Solltet ihr qualitative oder technische Anforderungen haben, werden wir dies intern prüfen und euch entsprechende Vorschläge unterbreiten.   Mein zweites Anliegen ist etwas komplizierter und um der Wahrheit die Ehre zu geben weiß ich nicht, ob ihr mir helfen könnt. Zumindest aber wird mir euer Rat teuer sein, denn ihr seid ein erfindungsreicher Mann mit vielen Kontakten und Möglichkeiten.   In den Tagen als der Riss am Himmel stand und allenthalten Chaos herrschte, wurde von meiner Familie ein Schiff ausgeschickt, um bestimmte Personen, Gegenstände und Artefakte aus Pelorn fort und in vermeintliche Sicherheit zu bringen. Diese Hoffnung war trügerisch und das Schiff sank, kaum dass es den Hafen verlassen hatte. Dies war eine große Tragödie für das Haus Coveani, denn es befanden sich zahlreiche Gegenstände von großem materiellem und ideellem Wert an Bord. Freilich kam dieser Verlust zusammen mit vielen anderen Katastrophen und wurde unter diesen begraben.   Das ist alles schon sehr lange her und wäre auch unwichtig geblieben, wäre es nicht jüngst gelungen, die Lage dieses Schiffes zu entdecken. Es liegt tatsächlich noch in Sichtweite des Ufers und ich habe Grund zu der Annahme, dass es im flachen Wasser einer Sandbank liegt.   Ich weiß, dass es in den späten Tagen des Kaiserreiches Ideen und Versuche gab, für Bauarbeiten im Hafen oder zwecks der Ernte von Muscheln, Menschen mittels sinnreicher Apparaturen in solche Tiefen hinabzubringen und umhergehen zu lassen.   Falls ihr auf eurer Suche nach immer neuen Texten und Kuriosa aus der Zeit vor dem Risskrieg auf etwas gestoßen seid, dass mir möglicherweise helfen könnte, diese alten Erbstücke meiner Familie aus der Tiefe zu heben, und wenn ihr mir darüber hinaus Leute empfehlen könntet, die zu dieser Tat in der Lage sind, würdet ihr mich noch mehr zu Dankbarkeit verpflichten.   Ich erwarte mit Spannung eure Antwort und mit Vorfreude euren nächsten Besuch.   Hochachtungsvoll   Alessandrina Coveani
Mon, Feb 26th 2024 09:57   Edited on Mon, Feb 26th 2024 10:36

Auf dem Weg zürück ins Skriptorium verliert sich Gregorians Blick versonnen in den glitzernden Reflexen des Mondlichts auf dem tintenfarbenen Wasser. Nur das leise Plätschern der Wellen gegen die Bordwände der Barke durchbricht die Stille. Er ist zutiefst aufgewühlt von den Stunden mit Alessandrina. Einerseits schwebt er immer noch auf den Schwingen der Erfüllung, andererseits bereiten ihm die Konsequenzen seiner Schwäche ernstliche Sorgen. Ware es irgendeine andere Menschenfrau gewesen, hätte er mit einem Achselzucken darüber hinweggehen können, aber es war nicht irgendjemand, mit dem er sich eingelassen hatte, es war Alessandrina Coveani! Sie würde nichts unversucht lassen ihn zum Nutzen ihres Hauses zu benutzen. Doch schon allein der Gedanke an sie ließ ihm Schauer über den Rücken laufen. Seine Haut duftet immer noch nach ihr und schon jetzt beginnt ihn die Sehnsucht zu quälen. Aber dann lächelt er und flüstert in den Nachtwind: “Du weißt noch nicht, mit wem du spielst.” Für einen Moment dreht sich sein Leibwächter zu ihm, aber er schüttelt nur leicht den Kopf und sieht wieder übers Wasser hinaus.