Rolon [Verwaltung]
Ah, da bist ja endlich! Komm, komm, setz dich! Ich gehe davon aus, daß du die Atem und Konzentrationsübungen gemacht hast? Ja? Gut, gut!“ Rolon sieht Julia für einen langen Moment an. „Wir werden heute etwas Anders machen, etwas Neues.“: verkündet er, steht auf und holt eine dicke Holzplatte aus einem Regal, in deren Mitte eine kleine Glaskuppel eingelassen ist. Er stellt die Platte vor Julia hin und setzt sich. Erst jetzt kann Julia sehen, daß unter dem Glas auf einer dünnen Nadel ein zu zwei Flügeln gefalteter hauchdünner Papierstreifen steckt. „Der Papierstreifen ist so fein, daß schon der Hauch vom Schlagen von Falterflügeln genügt um ihn zu bewegen. Aber um jeden Luftzug zu verhindern, der das Papier bewegen könnte, steckt es unter dieser Glaskuppel.“ Er pustet kräftig in die Richtung der Kuppel. „Wie du siehst, bewegt es sich nicht. Aber jetzt sieh hin.“
Rolon hält die Rechte über das Glas ohne es zu berühren. Für einen Augenblick geschieht nichts, aber dann beginnt sich der Papierstreifen zu bewegen. Schneller und schneller dreht er sich auf der Nadelspitze doch als Rolon die Hand fort nimmt, hört die Bewegung sofort auf. „Ich habe das Papier mit der Kraft der Gabe bewegt. Jeder der die Gabe hat, kann es. Der Eine besser als der Andere. Auch du kannst es und das werden wir jetzt üben.“: erklärt Rolon freundlich aber sehr bestimmt.
„Zuerst mußt du dich auf deinen Atem konzentrieren, wie wir es geübt haben. Wenn du dann deinen Kopf geleert hast und nur mehr der Fluß des Atems in deinem Kopf ist, laß das Bild des Papierstreifens und der Kuppel in dir entstehen und dann versetzt du ihn in Bewegung. Es ist so als würdest du mit einem Geist statt mit deinem Mund hauchen. Du kannst die Hand über die Kuppel halten, wenn es dir beim Konzentrieren hilft, aber es ist nicht notwendig. Beginnen wir mit dem Atem. Konzentriere dich auf den Fluß des Atems...“ Nach etlichen Versuchen sagt Rolon ärgerlich: „Du bist ja heute noch unkonzentrierter als sonst! Was ist los mit dir? Wie oft soll ich dir noch sagen, daß du alle Ängste, Begierden und Gedanken mit dem Atem ausleeren mußt? Du bist wie ein kleines Kind, das sein Geschenk haben möchte, aber es nicht auspacken will. Schluß mit dem Unsinn! Wenn dir das Üben zu bequem ist, dann werden es ändern. Steh auf, setzt dich mit verschränkten Beinen auf den Boden. Richte dich auf und sieh gerade aus. Dein Kopf, dein Genick und dein Rücken müssen in einer Linie sein. Deine rechte Hand lege in die Linke.“ Rolon steht auf und korrigiert Julias Haltung. „Ja jetzt paßt es.“ Dann holt er die Platte mit der Glaskuppel und stellt sie vor Julia hin. „Du bleibst jetzt ganz still sitzen und rührst dich nicht. Du weißt was du zu tun hast. Atme wie wir es geübt haben, leere deinen Kopf und bewege den Papierstreifen. Du wirst nicht aufstehen, bis du diese Lektion gelernt hast, egal ob du Schmerzen oder Krämpfe hast, denn die wirst du haben, wenn du dich nicht konzentrieren willst und glaube nicht, daß du dich aus dieser Prüfung herauswinden kannst.“ Es dauert gar nicht lange bis die Schmerzen beginnen, aber als Julia verstohlen einen Fuß bewegen will, kann sie es nicht. „Versuche es gar nicht.“: sagt Rolon hinter ihr. „Du kannst dich nicht bewegen, ich lasse es nicht zu. Konzentriere dich!“