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Sat, Feb 4th 2023 08:21   Edited on Wed, Nov 8th 2023 10:07

Schlangenmund

Ihre Schreie verstummen, werden zu einem bedauernden röcheln und schluchzen als sich beide Hände um ihren Hals legen und festzudrücken. Nur noch ihre weinenden Augen rufen um Hilfe, als sich ihr Kopf heftig von einer Seite zur anderen bewegt, als würde sie verzweifelt nach einem Fluchtweg Ausschau halten wo keiner zu finden ist. Ihre Hände legen sich auf seine, aber jede Gegenwehr ist vergebens, der Mann ist zu stark, jede Faser seines Körpers ist angespannt doch sein Blick liegt ruhig auf ihr wie ein Beobachter. Beide Körper sind nackt. Er hatte zuvor den gewaltsamen Akt beendet, den sie unter Schmerzen ertragen musste. Ihre letzten Augenblicke verbringt sie in einem luxuriösen Schlafzimmer, gebettet auf teuren, exotischen Stoffen aus Gegenden, welche ihr unbekannt sind, von einem Wert, hätte man es ihr erzählt, sie nur ungläubig gelächelt hätte - weil in ihrer Welt derartige Dinge nicht existieren und wenn sie existieren würden, niemand so viel, für etwas, von diesem Wert, jemals in dieser Welt gebrauchen würde. Aber diese Dinge existierten, und während sich ihre blutunterlaufenen Augen langsam schließen und ihr Körper erschlafft, wird ihr diese Wahrheit vielleicht mit ihren letzten Herzschlägen bewusst.   Er lässt ab von ihr, löst sich von ihrem Körper und erhebt sich aus dem Bett. Ihre leblosen Arme und ihr Gesicht fallen zur Seite. Er nimmt sich einen Becher, halbvoll mit Wein und öffnet die Tür, die zu einem Balkon führt. Das Irdala hat den Wein trübe und schal gemacht, nicht viel davon, nur so viel, um vor Achums Türschwelle zu verweilen, ohne von seiner ewigen Umarmung geblendet zu werden, die warme Nachtluft zerrt an den weichen, durchsichtigen Vorhängen. Er nimmt einen Schluck und blickt hinaus in die Dunkelheit.   Ein anderer Mann, ein vierschrötiger Kerl der unbeteiligt im Schatten des Schlafzimmers gestanden ist, der Szenerie stummer Zeuge, tritt hervor in das Licht der Nacht eines geöffneten Fensters. Er betrachtet seinen Herrn der unbekleidet auf dem Balkon steht und wartet bis er spricht. Gedämpft erklingt seine Stimme von draußen:   „Du kannst sie jetzt ihrem Mann zurückbringen…“   Der Vierschrötige gehorcht, mit Leichtigkeit hebt er den weißen, toten Leib der jungen Frau und trägt ihn aus dem Schlafzimmer. Den steinernen Gang, welchen er betritt wirkt heruntergekommen und dem Zerfall preisgeben, Fackeln säumen ihn und kämpfen einen aussichtslosen Kampf gegen die Finsternis. Eine Wache kommt dem Vierschrötigen entgegen und betrachtet die nackte Frau in seinen Armen:   „Warum hat Knochenhand diese Frau getötet?“ Ohne Halt zu machen, scheint der Vierschrötige nachzudenken, schließlich antwortet er, ohne dabei den Weg vor ihm aus seinen Augen zu verlieren: „Ihm hat der Blick ihres Mannes nicht gefallen, als er sie haben wollte…“ „Hm…“, die Wache nickt verständnisvoll, als wäre es die normalste Sache auf der Welt.   Verlan lehnt am kalten Geländer des Balkons, von hier aus besitzt er einen ausgezeichneten Ausblick über die Stadt. Seine Augen wandern langsam vom Westen hinab zu dem Platz nahe dem Tempelberg, welchen sie seit seinem Einzug in seine Residenz, Schlangenmund nennen. Die Schwarze Schlange hatte es gestattet, denn er war die Hand des Knochenhains und in diesem Stadtteil hatte er das Sagen.   Er lächelt. Mit einem Schluck leert er seinen Becher und wirft ihn hinaus in die Nacht.