Im Insgeheimen verdreht Saya die Augen, als die Boten der Klaue auftauchen. Schon wieder ein Auftrag? Saya ist nicht nach Kampf. Sie weiß, dass es ihr unmöglich ist, mit voller Kraft zu kämpfen, das bedeutet im Umkehrschluss, dass es wohl wieder eine blutige Nase geben wird. Oder schlimmer. Aber wer weiß, vielleicht haben sie auch nur einen dummen Jüngling aus dem Weg zu räumen, der nicht einsehen will, dass man auf Imeria-Gebiet ohne Imerias Schutz Imeria komplett ausgeliefert ist. Es hilft alles nichts, wenn die Kralle ruft, leistet man Folge. Macht man es nicht - naja, die Bluthunde der Kralle sind immer hungrig.
Saya geht also hinter den Boten her. Die Kralle wechselt ständig sein Quartier, zu wichtig ist er, zu leicht könnte er zum Ziel unwürdiger Kräfte werden. Und so ist es natürlich unumgänglich, jedes mal aufs Neue zu ihm gebracht zu werden. Am Ziel bleibt Saya stehen und schaut verwundert auf das Gebäude, in dem sie die Kralle treffen soll. Die Kralle ist ungeheuer reich, das weiß jeder, und doch ist er bei der Auswahl seiner Quartiere sehr darauf bedacht, wenig Aufsehen zu erregen. Dieser Prachtbau ist so gar nicht nach Kralle. Es muss irgend etwas Besonderes vorliegen. Etwas Besonderes ist selten gut. Aber es hilft nichts, die Kralle hat gerufen.
Saya betritt das prächtige Gebäude, ist geradezu betört von dem Geruch in dem riesigen Saal.
“Der Schwarzen Schlange 7 Arkh!” erwidert sie den Gruß und geht in die Richtung der Kralle.
Sie kommt nicht weit. Die Worte sind eindeutig. Saya schließt die Augen, fällt auf die Knie. Sie wissen es, sie wissen, dass sie Mari deckt. Sie hofft, dass ihr Tod nicht allzu qualvoll wird. Aber sie bereut nichts. Sie weiß nicht wieso, aber sie fühlt, als ob es richtig gewesen wäre, Mari nicht ans Messer zu liefern. Sie ist sich immer bewusst gewesen, dass es genauso passieren könnte, allein, sie hätte nicht erwartet, dass es so schnell geht. Hat sie der Drecksack von Theomer denunziert?
Doch da! Die Kralle redet weiter, und was nun kommt, hat Saya auf keinen Fall erwartet. Noch als die Kralle fortfährt, als sie ihr sagt, sie sei keine Jägerin mehr, wundert sie nur, dass sie vor dem Tod noch selbst einen Nachfolger aussuchen darf. Erst als die nackte Schönheit mit dem Tablett kommt, stutzt Saya. Sie steht auf. Sie kennt freilich diese Zeichen der Macht. Es gibt kaum ein Dutzend Darghe im ganzen Peron’schen Herrschaftsgebiet Imerias. Saya gehört nun zum oberen Zirkel der Macht, sie gehört zu jenen, denen man mit vollem Respekt begegnet, mit Unterwürfigkeit. Ihr, die doch gerade Imeria verraten hat. Ihr, die dieses Amtes nun erst recht nicht mehr würdig ist. Aber die Kralle hat entschieden. Der Kralle widerspricht man nicht.
Mit einer dankbaren Verneigung nimmt sie die Insignien entgegen, schaut zu der Kralle, mit kühlem Blick. Sie beobachtet, wie die Sklavin aufgehalten wird, wie sie dem Tode geweiht wird. Stumm und ausdruckslos sieht sie zu, wie sie fällt, wie sie sich röchelnd windet, wie sie Saya mit verzweifeltem, hilfesuchenden Blick ansieht. Sie ist eine Sklavin. Die Kralle hat recht. Ein Stück Fleisch, schön anzusehen, aber wertlos. Die Sklaviin ist nun, als Hundefutter, sogar im Wert gestiegen. Und, der Kralle widerspricht man nicht, besonders da nun ja das nächste Stück Fleisch zur Tür hereinkommt. Wie lange sie überleben wird? Es ist Saya egal.
Mit einer Verbeugung verlässt sie die Kralle. Sie nimmt die Karte, wirft einen kurzen Blick darauf und erstarrt. Abwechselnd wird ihr heiß und kalt, als sie das Gebiet erkennt, das sie nun ihr Eigen nennen darf. Es ist das Viertel, in dem Mari wohnt, in dem sie Theomer zu einem besseren Leben verhelfen will, das Gebiet, das sie nun gut verwalten muss, wenn sie vor Mari gut dastehen will. Warum denkt sie aber diese Gedanken? Sie liebt Mari nicht, sie liebt nur den Sex mit ihr. Sie ist wenig mehr als ein Stück Fleisch. Saya schüttelt den Kopf.
Ernst geht sie zu ihrem Lager zurück. Ohne jeden ihrer Männer zu beachten verschwindet sie in ihrem Zelt. Sie nimmt den Ring von ihrem Finger, den Kelawar vom Gürtel und verstaut beides in ihrer Truhe. Sie schließt die Augen, holt ein paar Mal tief Luft. Ihr ist, als würde sich das Zelt um sie drehen. Sie nimmt eine Flasche Schnaps, öffnet die Flasche mit den Zähnen. Sie trinkt. Sie formt sich eine Zigarette, raucht. Sie raucht sonst nie im Zelt. Sie trinkt auch nie allein in ihrem Zelt. Irgendwann ist die Flasche leer. Die Flasche fliegt aus dem Zelt, zersplittert klirrend an einem Stein.
Saya legt sich hin, ihre Hände gehen vor ihr Gesicht. Sie liegt eine ganze Weile regungslos. Dann steht sie auf, verlässt das Zelt. Sie verlässt das Lager, ziellos geht sie durch die Stadt. Ein Jüngling spricht sie an. Er bietet seine Dienste an für 4 Filis. Saya gibt ihm 5. Sie nimmt ihn mit, kehrt zum Zelt zurück. Er entkleidet erst sich, dann sie. Er gibt sich Mühe. Er zieht alle Register, Jede Frau wäre angetan gewesen von seiner Kunstfertigkeit, eine Frau zu betören. Saya schaut gelangweilt. Sie wartet, bis er sich in sie ergießt. Sie lässt ihn gewähren, als er danach mit der Zunge versucht, sie doch noch zum Höhepunkt zu kriegen. Sie nimmt ihr Messer. Der Schnitt ist nicht lange, aber tödlich. Sein Blut spritzt ihr in das Gesicht. Gelangweilt schaut sie zu, wie er sich im Todeskampf windet. Sie nimmt ihm sein Geld ab und befördert die nackte Leiche mit dem Fuß aus dem Zelt. Dann öffnet sie die zweite Flasche Schnaps.