Schattenspinnen

Die Schattenspinnen – Wächterinnen der Dunkelheit

In den tiefen Schatten von Barlindalv, verborgen zwischen den verdrehten Wurzeln der uralten Eiben, lauern die Schattenspinnen – lautlose Jäger, die ihre Netze nicht für bloße Beute spinnen, sondern für etwas, das außerhalb der greifbaren Welt liegt. Sie sind kaum sichtbar, ihre Körper schwarz wie gefrorenes Wasser, ihre langen, feinen Beine gleiten nahezu lautlos über die Rinde der Bäume, als wären sie ein Teil des Waldes selbst. Manche sagen, ihre Netze sind mehr als Fangstrukturen, dass sie Linien zwischen den Welten ziehen, dünne Fäden, die das Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten bewahren. Die Mystiker von Barlindalv glauben, dass die Schattenspinnen die Flüstern der Vergangenheit hören, dass ihre Netze die Strömungen der Erinnerung auffangen, bevor sie in der Dunkelheit verschwinden. Wer ihre Gespinste bei Mondlicht betrachtet, soll die Muster alter Geschichten erkennen können, verwoben in den feinen Strängen wie vergessene Lieder, die niemand mehr singt.

Die Schattenspinnen jagen in völliger Stille, ihre Bewegungen sind so präzise und sanft, dass selbst die Nacht sie kaum bemerkt – als ob sie nicht Teil der gewöhnlichen Welt wären, sondern etwas anderes, etwas Ursprüngliches. Ihre Netze leuchten nicht, sie reflektieren kein Licht, doch wenn Nebel durch die Wälder zieht, scheint sich in ihren Fäden eine unbestimmte Tiefe zu zeigen, als würden sie für einen Moment das Unsichtbare sichtbar machen. Die Bewohner von Barlindalv sehen sie nicht als bloße Tiere, sondern als Wächter der Schatten, als stille Beobachter dessen, was außerhalb menschlicher Augen verborgen bleiben soll. Ihre Beute ist unauffällig, kleine Kreaturen, die sich ebenfalls den Schatten angepasst haben, doch nie scheinen sie übermäßig zu jagen – als würden sie ihre eigene Ordnung bewahren, ein Gleichgewicht, das nicht gebrochen werden darf. Besonders an den Ufern des Schattensangs, wo die Luft schwer von Geheimnissen ist, sollen ihre Netze größer, verwobener sein, als ob der Fluss selbst ihnen etwas zuflüstert, das sie für ihn festhalten müssen.

Es gibt Geschichten, alte Legenden, die erzählen, dass wer das Netz einer Schattenspinne zerreißt, für einen Moment die Vergangenheit durch seine Finger gleiten spürt – als ob der Faden nicht nur aus Seide besteht, sondern aus den Erinnerungen, die sich in der Stille des Waldes verloren haben. Mystiker sollen sich einst mit geschlossenen Augen in ihre Netze gelegt haben, um die flüsternden Stimmen der Welt zu hören, und einige behaupten, dass jene, die nach Antworten suchen, sie in den Fäden dieser Spinnen finden könnten. Doch die Bewohner Barlindalvs wissen: Die Schattenspinnen weben keine Netze für Menschen, sondern für die Dunkelheit selbst. Ihre Gespinste sind nicht für die Augen gemacht, sondern für das Verborgene – für das, was zwischen den Welten liegt und nur in den Schatten weiterlebt.