Das ewige Geflecht
Es heißt, dass in den ersten Zeitaltern, lange bevor die Aqtunuuk ihr Geflecht in den frostigen Strömen von Lutuviima webten, die Welt nichts war als ein unendliches Feld aus Eis, eine weiße Leere, ohne Form und ohne Bewegung, in der kein Laut zu hören war außer dem gelegentlichen Knistern eines Gletschers, der in der Stille weiter erstarrte. In dieser ungebrochenen Ewigkeit, in der keine Veränderung stattfand und keine Zeit zu existieren schien, herrschte Hriimuuk, der Erste, der Beständige, der Unerschütterliche, dessen eisige Präsenz über alle Dinge geboten hatte, ohne jemals einen Moment der Unsicherheit zu kennen.
Doch eines Tages, als selbst die Schatten erstarrt waren und keine Erinnerung an einen anderen Zustand existierte, geschah etwas, das die Welt niemals zuvor erlebt hatte—ein erstes Licht, das sich über die eisige Leere legte und in sanften Strahlen herabsank, als würde es selbst nach Wahrheit suchen. Dieses Licht war Nagivnuu, die Bringerin des Erneuernden Lichts, eine Kraft, die nicht durch Stillstand bestimmt war, sondern durch Bewegung, Wandel und das Versprechen eines Neubeginns, der in der kältesten Dunkelheit seinen Ursprung fand.
Als ihre Strahlen auf die makellosen Oberflächen des ewigen Eises trafen, begann etwas zu geschehen, das niemals zuvor möglich gewesen war—Risse erschienen in der unerschütterlichen Struktur, und Tropfen, die lange verborgen gewesen waren, fanden ihren Weg zurück ins Fließen. Das makellose Gefrorene gab nach, nicht aus Schwäche, sondern weil eine neue Kraft sich in das alte Geflecht gewoben hatte. Zum ersten Mal veränderte sich die Welt.
Hriimuuk spürte es. Er, dessen Atem die tiefsten Gletscher hatte erstarren lassen, sah, wie die Perfektion seiner unberührten Eisfelder unter der Berührung von Nagivnuu nachgab, und mit einem tiefen Grollen, das durch die frostige Ebene hallte, erhob er sich, seine eisigen Hände ausgestreckt, um die Kälte zurückzuholen, die mit jedem Tropfen von ihm wich.
„Was tust du?“ fragte er, seine Stimme wie zerbrechendes Gletschereis, ein Laut, der nur in der tiefsten Winterstille gehört werden konnte.
Doch Nagivnuu lächelte nur, ihre Strahlen reflektiert in den schimmernden Flächen seiner einst unberührten Welt, und ihre Antwort kam nicht wie ein Vorwurf, sondern wie das sanfte Flüstern der ersten Schmelze.
„Ich bringe Leben, ich bringe Wandel,“ sagte sie, und ihre Stimme trug die Hoffnung eines jeden Lichtstrahls, der gegen die Nacht kämpft. „Dein Eis ist wunderschön, doch es darf nicht für immer erstarrt bleiben.“
Doch Hriimuuk kannte keinen Wandel. Er war das Gefrorene, das Ewige, das Fundament der Welt, und so ließ er die Kälte erneut zurückkehren. Die geschmolzenen Tropfen erstarrten, die Risse schlossen sich, und die Stille war wieder vollkommen.
Aber Nagivnuu war nicht besiegt. Mit neuem Glanz sandte sie ihre Strahlen hinab, und wieder begann das ewige Eis zu schmelzen. Die Tropfen fanden ihren Weg, das Wasser floss, und zum ersten Mal spiegelte sich das Licht auf einer Oberfläche, die nicht mehr starr war.
Hriimuuk sah dies und verstand. Er konnte sie nicht aufhalten, so wenig wie sie ihn vernichten konnte. Sie war die Wärme, er die Kälte; sie der Wandel, er die Beständigkeit. Und so schlossen sie einen Pakt, nicht in Worten, sondern in der Sprache des Geflechts selbst—immer würde Hriimuuk erstarren, immer würde Nagivnuu schmelzen, und keiner würde je gewinnen, keiner würde je verlieren. Doch aus ihrem ewigen Tanz entstand das Leben, das zwischen den beiden Kräften webte, mal gefroren, mal im Fluss, und niemals stillstehend.
Denn wenn das Eis schmilzt, kann Wasser fließen. Wenn das Licht vergeht, kann sich das Gefrorene neu formen. Der Zyklus beginnt von vorn, mit jeder neuen Schmelze, mit jedem neuen Erstarren, mit jeder neuen Bewegung des Geflechts.
Und so lehren die Ruuniqu, dass das Schicksal aller Dinge in diesem unaufhörlichen Wechsel liegt—in der Stille von Hriimuuk und dem strahlenden Ruf von Nagivnuu, im stillen Widerstand des Eises und im feurigen Glanz des Lichts. Und bis heute erzählen die Nordkarlen diese Geschichte, wenn der erste Schnee fällt oder wenn das Licht über dem Horizont flackert, denn sie wissen: Keine Dunkelheit bleibt ewig, kein Licht währt ohne Schatten, doch zusammen formen sie das Geflecht von Lutuviima—unzerbrechlich und ewig.