Das Erwachen der Welt
Es wird erzählt, dass in den frühesten Tagen, als das Meer noch ein geheimnisvoller Spiegel des Unendlichen war, die Elemente in einem urtiefen Tanz miteinander verschmolzen. In jenem schicksalhaften Augenblick gab es weder strikte Trennung von Himmel und Wasser, sondern beide lagen einander wie sanfte Melodien im Geist der Welt nahe. Zwischen den schimmernden Wellen und funkelnden Sternen erhoben sich die ersten Kräfte – nicht nacheinander, sondern als lebendige Einheit, in der kosmische Energie und tierischer Geist untrennbar miteinander verflochten waren. Aus diesem fließenden Durcheinander setzten sich die Urklänge fort und gebaren die Götter, deren Namen in den Gesängen des Windes und dem Rauschen der Gezeiten verewigt wurden. So sollten alle Geschöpfe der Welt fortan Teil eines großen, mystischen Zusammenklangs sein.
In jener sagenumwobenen Nacht erhob sich gleichzeitig Nuörtis, die endlose Flut, und Kiauril, die stolze Wächterin des Ozeans in Gestalt eines majestätischen Orcas. Noch ehe sich der Blick auf den nächtlichen Firmament richtete, erklang der Gesang der Sternenruferin Vaakil, deren Lichtstrahlen die Schicksalsfäden webten, während Jöytan, der weise Nordkaper, mit seinen tiefen, melancholischen Tönen das Wissen der Gezeiten verkündete. Als ob der Himmel selbst den Herzschlag des Meeres fühlen wollte, erhob sich der brennende Sturm Raihkoi, dessen donnernde Macht den Tanz der Elemente leitete, während aus den Schatten die geheimnisvolle Väistur – die Verkörperung der rätselhaften Tiefen – leise zu flüstern begann. Gleichzeitig hauchten Kiindar, geboren aus der strahlenden Reinheit eines Belugawals, und Huulken, der mächtige Seelöwe des Zusammenhalts, Leben und Hoffnung in die entstehenden Inseln. Nicht zuletzt sandte der scharfsinnige Beschützer Köhtal, in der Gestalt eines Riesenhais, seinen schützenden Schatten über jene, die mutig genug waren, den Ozean zu befahren.
Man sagt, dass dieser kosmische Tanz nie endete – ein ewiger Dialog zwischen Licht und Schatten, zwischen der Unendlichkeit des Wassers und den lebendigen Geistern der Tierwelt. In jeder Brandung, in jedem Flüstern des Windes lebten die Götter fort: Nuörtis und Kiauril, Vaakil und Jöytan, Raihkoi und Väistur, Kiindar, Huulken und Köhtal – alle vereint als ein leuchtendes, unzertrennliches Pantheon. Die Weisen der Rowarkar glauben, dass die Symphonie dieser Kräfte heute in jedem Wellenschlag und jedem Sternenlicht weiterklingt und den Menschen den Weg weist. In ihren Ritualen und Liedern wird diese uralte Legende immer wieder neu besungen, denn sie lehrt, dass wahre Macht und Weisheit im Zusammenwirken aller Elemente und Geschöpfe liegen. So verankern sich die geheimnisvollen Namen der Götter in der Seele des Volkes, das in Harmonie mit dem ewigen Tanz von Natur und Geist lebt – ein Zeugnis des beginnenden Augenblicks, als Allem Eins wurde.