Moustique saba Eysel Character in Mein DSA | World Anvil
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Moustique saba Eysel

Moustique wurde am 18. Phex des Jahres 1003 BF (10 Hal) in der schönen und geschäftigen Stadt Fasar als Tochter des Gauklers Leto Antarinos von den Zyklopeninseln (ein großer Name für einen kleinen Mann) und der novadischen Händlerstochter Eysel saba Suleyman geboren, die jedoch wegen ihrer Liebe zu dem freundlichen und liebevollen, leider aber kleinwüchsigen und vor allem erfolglosen und somit mittellosen und – was überhaupt am schlimmsten war – ungläubigen Leto von ihrer Familie verstoßen worden war. Seinen eigentümlichen Namen erhielt das Mädchen nach einem Wort, das Eysel einmal auf dem Basar von einer durchreisenden Elfe aufgeschnappt hatte. Sie wusste zwar nicht, was es bedeutete, aber es klang schön, exotisch & außergewöhnlich, alles, was ihre Tochter war und sein sollte. Die kleine Familie lebte ärmlich und unter schwierigen Umständen, aber generell glücklich in einer Hütte etwas abseits dessen, was der Gelegenheitsbesucher der Stadt zu sehen bekommt. Hatten sie anfangs noch überlegt, gemeinsam als Gaukler durch die Lande zu ziehen, war die Befürchtung doch zu groß, ohne den Schutz einer größeren Truppe eher früher als später in Sklaverei zu enden, zumal Eysel zwar durchaus Bildung genossen hatte, jedoch nicht viel vorzuweisen hatte, das sich zur Unterhaltung der Menschen eignen würde. So blieb Leto bei Frau und Kind, zog Tag um Tag und manchmal Nacht um Nacht über die Plätze und durch die Gasthäuser Fasars, um genug Geld zu verdienen, um seine Lieben zu erhalten, dabei immer bemüht (und dank seiner silbernen Zunge und ungefährlichen Erscheinung zumindest darin erfolgreich), niemandem in dem Gemisch von Garden, Gilden und zwielichtigen Gestalten auf die Füße zu treten.     Nach etwa einem halben Jahr jedoch verließ das Glück die junge Familie: Der gerade achtundzwanzigjährige Leto erkrankte an der Blauen Keuche und wurde rasend schnell von der Krankheit dahingerafft. Eysel, die ihn gepflegt und viel von ihrem Ersparten für Medizin ausgegeben hatte, blieb allein mit Moustique zurück und hatte sich zu allem Überfluss mit dem Blutigen Rotz angesteckt. Selbst trotz der Unterstützung einiger Nachbarn und Freunde blieb Eysel, die stets nur den Haushalt geführt hatte, keine Wahl, als nach und nach alles Hab und Gut zu verkaufen, um sich und Moustique ernähren zu können – bis hin zu der Hütte, die Leto für sie drei gebaut hatte. Sie versuchte zwar, Arbeit zu finden, aber selbst wenn ihr jemand einmal als Näherin, Schank- oder Dienstmagd eine Chance gab, konnte sie mit ihrer schwachen Gesundheit und Konstitution die Anstellung nie lange behalten. Je kränker sie wurde, umso schwerer fand sie Arbeit, und je mehr ihre Hoffnungen schwanden, umso kränker wurde sie wiederum – es war wie die Schlange, die sich in den Schwanz biss. Letztlich blieb Eysel nur noch das Betteln als Broterwerb. Moustique und sie lebten auf der Straße, schliefen jeden Tag woanders, in Hauseingängen oder verlassenen Gebäuden, oftmals vertrieben von anderen Mittellosen, denen sie nichts entgegenzusetzen hatten. So vergingen fast drei Jahre, in denen Eysel nur die Sorge um ihre Tochter am Leben erhielt. Mehrmals kam ihr der Gedanke, das Kind zu seinem eigenen Wohl wegzugeben, in ein besseres Leben, sie hatte sogar schon überlegt, es auf den Stufen eines Tempels der Ungläubigen abzulegen; doch immer hielt sie die Tatsache zurück, dass Moustique alles war, das ihr von Leto geblieben war, und allein das machte das Mädchen zu Eysels größtem Schatz.     Hoffnung kehrte erst zurück, als die Bettlerin zum ersten Mal die Predigten eines Mannes namens Ben Aram hörte. Einstmals Kaufmann, wie man sich erzählte, prophezeite er einen großen Krieg, dass Al'Anfa in der Khom einfallen und die Lande der Rechtgläubigen mit Tod und Brand heimsuchen würde, und dass die Ärmsten der Armen am meisten zu leiden haben würden, wenn sie nicht fortgehen und eine sichere Zuflucht finden würden. Das Hirn von der Sonne verbrannt, sagten die einen, von Rastullah offenbart, sagten die anderen, und nicht wenige unter den Ärmsten der Armen hingen an seinen Lippen und erklärten sich bereit, ihm zu folgen. Manche – viele – aus Angst vor den Al'Anfanern, andere – so wie Eysel – aus der Hoffnung heraus, in dieser Zuflucht ein bescheidenes, aber immer noch besseres und vor allem sicheres Leben zu finden. Die Tatsache, dass sich Menschen aller Glaubensrichtungen Ben Aram anschlossen, bestärkte Eysel in ihrer Ansicht, dass er von Rastullah gesandt war, erst recht, als sogar eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Glücksritter, bestehend aus Thorwalern, Mittelreichern, Liebfeldern, Elfen, Zwergen, Mohas und Nivesen unter der Führung einer Priesterin der Travia ihm ihre Hilfe anboten. Bei einem großen Pferderennen im Hippodrom gewannen sie für ihn dringend benötigte Kamele, halfen beim Besorgen von Vorräten und beschützten den Zug der Bettler auf dem langen Marsch in und durch die Khom vor wilden Tieren, feindseligen Novadi-Stämmen und den Unbarmherzigkeiten der Wüste. Besonders eine der Ungläubigen aus dem Gefolge des Kapitäns Foggwulf, Fortuna von Ankoum, eine Bogenschützin von den Zyklopeninseln (von denen Eysel nur von Leto gehört hatte), kümmerte sich besonders um Moustique und ihre Mutter, gab acht, dass sie nicht zu sehr zurückfielen, teilte ihre Nahrungs- und Wasserrationen mit ihnen und half ihnen wenn notwendig sogar mit heilkräftigen Kräutern aus. Eysel wusste nicht, womit sie so viel Güte verdient hatte – mehr als sie von anderen Rechtgläubigen je erfahren hatte – aber ihr gegenüber gestand Fortuna ein, dass sie selbst schon seit sehr langer Zeit Mutter werden wollte, aber keine Kinder bekommen konnte. Und an der kleinen Moustique, diesem schüchternen, aber aufgeweckten Mädchen, das mit seinen gerade mal drei Jahren bereits alle 99 Gesetze aufsagen konnte, hatte sie, wie sie es selbst ausdrückte, "einen Narren gefressen". So wurde Fortuna zu einer engen Vertrauten der beiden, sowohl Moustique als auch ihre Mutter betrachteten sie als ihren persönlichen Schutzengel. Als die Strapazen der Reise schon nach wenigen Tagen die kränkelnde Eysel immer mehr schwächten und sie zusammenzubrechen drohte, ließ Fortuna sie und Moustique auf ihrem Kamel reiten und trug das Mädchen über weite Strecken selbst auf dem Arm. In manchen Nächten, wenn Eysel schlief, legte sie ihr die Hand auf die Brust, und Moustique sah ein goldenes Licht fließen – ein Heilzauber, wie Fortuna ihr verriet, ein wenig Zauberei, die sie aufgeschnappt hatte, und die ihrer beider kleines Geheimnis bleiben sollte. Doch leider war aller Aufwand vergebens, spätestens als Eysel am Khomfieber erkrankte. Wie schon zuvor Leto konnte die geschwächte Novadi der Krankheit nicht lange standhalten. Binnen nur zwei Tagen war klar, dass sie trotz aller Bemühungen nicht überleben würde, und an ihrem Sterbelager gab sie Moustique in Fortunas Hände, verbunden mit dem Versprechen, dass sie das Mädchen wie ihre eigene Tochter lieben würde. Ein Versprechen, dass diese zwar zögerlich, aber aus vollem Herzen gab. Fortuna war nicht sicher, ob das kleine Mädchen schon verstand, was hier passierte, doch Moustique verstand sehr wohl. Ihre Mama war zu Rastullah gegangen, so wie ihr Papa auch schon. Sie hoffte, dass die beiden dort wieder zusammen waren und sich endlich wieder umarmen konnten, so wie Mama es sich immer gewünscht hatte. Aber sie war jetzt allein, und das machte ihr Angst, aber Fortuna versprach, auf sie aufzupassen, und sie mochte Fortuna sehr gern. Bevor sie den Leichnam aufgebahrt in der Wüste hinterließen, gab Moustique ihrer Mutter noch einen letzten Kuss, dann musste der Zug der Bettler weiter.     Zu Anfang änderte sich nicht viel für das kleine Mädchen, die Wüste sah aus wie immer, sie ritt weiter auf dem Kamel, und hin und wieder wurde sie getragen, aber mit den Tagen vermisste sie ihre Mutter immer mehr. Und jedesmal, wenn sie zu Fortuna sagte, dass sie zu ihrer Mama wollte, musste diese ihr erklären, dass dies nicht ging. Aber Moustique wusste das, sie wusste das genau, auch ohne dass man es ihr immer wieder sagte, und dass man es ihr immer wieder sagte, machte das Traurigsein noch umso schlimmer, und das machte sie wütend! Sie war traurig, und sie war wütend! Mit einem frustrierten Aufschrei lief sie davon, sie wollte einfach nur weg! Aber nur bis zum letzten Kamel der Karawane, denn dahinter war die Wüste, und im Dunkeln war die gruselig. Sie warf sich gegen das liegende Dromedar und trommelte mit ihren kleinen Fäusten gegen den Höcker, während sich endlich die Tränen unkontrolliert Bahn brachen. Irgendwann fühlte sie eine sanfte Hand, die sich um ihre Schultern legte, und ohne zu zögern warf sie sich an die Brust Fortunas, die sacht ihren Kopf streichelte und ihr das Lied vorsang, das ihre Mutter auch so gern gesungen hatte. Es fühlte sich wirklich wieder ein bisschen wie zuhause an. Als sie sich ausgeweint hatte, strich ihr Fortuna einige ihrer schmutzigen wilden blonden Locken aus dem Gesicht. Dann sah sie in Moustiques aufmerksame graugrüne Augen, und sagte: "Ich weiß, dass Du sehr traurig bist. Und dass Dir Deine Mama fehlt. Aber ich kann sie Dir nicht zurückgeben. Glaub mir, wenn ich es könnte, ich würde es tun. Aber das geht eben nicht. Und das tut mir sehr leid. Aber ich verstehe Dich. Ich habe auch schon Menschen verloren, die ich geliebt habe, und das ist scheußlich. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich kenne dieses Gefühl, dieses traurige und zugleich wütende Gefühl. Dieses Gefühl, dass man auf alles einschlagen möchte, bis alles wieder richtig herum ist. Aber weißt Du, was das ist? Das ist Angst, nichts weiter. Und Angst vergeht." Fortuna machte eine Pause, und Moustique rollte sich auf ihrem Schoß zusammen. "Niemand will, dass Dinge sich ändern", fuhr Fortuna sanft mit ihrer tiefen Stimme fort. "Aber das tun sie. Immer. Manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Aber ich verspreche Dir, ich werde immer da sein, und ich passe auf Dich auf. Dir wird bestimmt nichts Schlimmes geschehen, dafür werde ich sorgen. Du brauchst keine Angst zu haben. Die Welt kann ein scheußlicher Ort sein, aber auch wunderschön, atemberaubend, voller Wunder."     Wie recht sie hatte, das erfuhr Moustique in den nächsten Monden, denn auf der Reise mit Fortuna und ihren Gefährten sah das kleine Mädchen Wunder, wie sie die meisten Menschen ihr ganzes Leben nicht zu sehen bekommen, und von denen sie die wenigsten verstand. Eine Ruinenstadt in der Wüste, mit einem fliegenden Rosentempel, beschützt von einem geheimnisvollen Stamm, eine neu gegründete Siedlung im Dschungel, böse Echsenwesen, die sie dunklen Göttern opfern wollten, ein nebelverhangenes Meer mit verzauberten Inseln, eine rätselhafter als die andere, eine gewaltige Schlacht wie aus Märchen und Alpträumen zugleich, und ein unwirkliches Land, in dem sie selbst ein fliegendes Licht war. Fortuna hielt ihr Versprechen und kümmerte sich um Moustique als wäre sie ihr eigenes Kind, das Mädchen dankte es ihr mit blindem Vertrauen und begann tatsächlich, sie als seine neue Mutter zu betrachten. Auch die Tatsache, dass nach dem Besuch im Land der fliegenden Lichter Fortuna nicht mehr Fortuna hieß, sondern Venus und ganz anders aussah als zuvor, viel jünger und mit roten Haaren, konnte daran nicht dauerhaft etwas ändern, denn auch wenn sie nicht so ganz genau verstand, was das für Zauberei war, die das alles machte, Moustique konnte spüren, dass das immer noch die selbe Frau war, die ihr versprochen hatte, auf sie acht zu geben.     Als die Wettfahrt mit dem Kapitän Foggwulf zuende war (er hatte wohl gewonnen), gab es dann eine große Feier im Barbarenland Thorwal, während der Fortuna, äh, Venus, Moustique beiseite nahm und ihr wieder etwas erklärte, das sie nicht so ganz verstand. Dass sie bald weggeholt werden würde, und dass sie sie gerne mitnehmen möchte, aber nicht sicher war, ob das funktioniert. "Ich habe das noch nie vorher versucht, es ist eine sehr seltene Art von Magie. Ich werde Deine Gedanken und meine Gedanken vermischen, sodass man nicht mehr auseinanderhalten kann, wo das eine aufhört und das andere anfängt, verstehst du?"
"So wie Raluf Bier und Ziegenmilch mischt?"
Venus musste lachen. "Ja, so ungefähr. Aber Kleines, ich weiß nicht, ob das klappt, und es kann sein, dass ich verschwinde und du hierbleiben musst. Falls das passiert…" Moustique bemühte sich, die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Würde Venus sie jetzt doch auch wieder alleine zurücklassen? Die Frau streichelte ihr beruhigend über die Wange. "… dann möchte ich, dass du mit Thursan mitgehst, in Ordnung?"
"Warum kann ich nicht bei dir bleiben?" jammerte das Mädchen.
"Schätzchen, ich will ja auch, dass wir zusammen bleiben, und ich werde alles tun, was ich kann, das verspreche ich dir. Und wenn alles klappt, dann gehen wir gemeinsam an einen anderen Ort, ein neues Zuhause." Moustique versuchte erfolglos, ein Schluchzen zu unterdrücken. Venus deutete auf den bärtigen Ritter, der einige Schritt entfernt am Rand des Festkreises stand und wartete. "Das ist nur für den Fall…"
"Kann ich dann nicht lieber bei Onkel Phönix bleiben?" Sie mochte den Ritter Thursan schon gern, aber der Zauberer war ihr lieber. Der war nicht so alt und sagte immer so lustige Sachen, und dann grinsten und lachten alle.
"Onkel Phönix? Liebes, Phönix kann sich nicht um Dich kümmern, der hat ganz andere Dinge im Kopf. Saria zum Beispiel. Aber Thursan schon. Und falls ich verschwinde, kann Thursan mich wiederfinden, das kann Phönix nicht." Moustique machte eine lange Pause. Sie hielt den Atem an, damit sie nicht nochmal schluchzen musste, sie wollte tapfer sein. Dann nickte sie.
"Aber jetzt wollen wir erst einmal sehen, dass es gar nicht erst soweit kommt, hm?" Venus schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Moustique nickte wieder. "Vertraust du mir?" Nicken. Das war eine häufige Phrase zwischen den beiden geworden, quasi "ihr Ding". Dann begann Venus wieder das Lied zu singen, das Moustique so beruhigte, und sie schloss die Augen. Weiche Fingerspitzen legten sich auf ihr Gesicht, und alles in ihrem Kopf begann sich zu verschwurbeln. Gedanken und Erinnerungen vermischten sich mit welchen, die nicht ihre eigenen waren, aber sie konnte nichts davon erfassen. Sie konnte spüren, dass Venus – Fortuna – Venus – in ihrem Kopf war, aber das alles ging so schnell, und es war so viel, dass ihr davon schwindlig wurde und sie glaubte, nicht mehr gerade stehen zu können. Sie wusste nicht, ob das normal war, sie wusste nicht mal, ob da überhaupt noch ein Fußboden unter ihr war, aber sie vertraute Venus. Sie spürte aber auch deren Furcht, und den Drang zur Eile, der immer heftiger wurde, und dann, als hätte sie sich 99mal auf dem Fuß gedreht, hatte sie das Gefühl, zu fallen, und alles wurde schwarz. Dann wurde alles grün. Dann wieder schwarz. Und dann rot. Moustique hatte nicht die geringste Ahnung, was gerade passiert war, aber als sie erwachte, war ihr Kopf nicht mehr verschwurbelt, Venus trug sie auf dem Arm, und sie gingen einen langen, runden Felsgang nach oben, dessen unteres Ende orange leuchtete. Es war fürchterlich warm, aber das legte sich, je weiter sie nach oben kamen. Venus flüsterte ihr zu: "Alles in Ordnung, Liebes, alles in Ordnung. Es hat geklappt, wir sind zu Hause", und ein erleichtertes Zittern schwang in ihrer Stimme mit. Moustique war nur froh, dass sie noch zusammen waren, und drückte sich dankbar ganz fest an ihre neue Mutter.     Im vergangenen Jahr hatte Moustique so viele Veränderungen mitgemacht, dass es ihr relativ leicht fiel, sich an ihr neues Zuhause zu gewöhnen. Sie waren nun im Orkland, ein einem versteckten Tal, in dessen Mitte sie in einem großen steinernen Turm lebten. Venus verriet ihr, dass sie eine mächtige Magierin war, viele hundert Jahre alt, und unter vielen Namen bekannt – der bekannteste davon war Shana vom Schwarzen Turm – aber für Moustique war sie weiter einfach nur Venus, und das war ihr auch sehr recht. Ihre Magie half ihr dabei, jünger auszusehen als sie war, und die Abgeschiedenheit brauchte sie für ihre Studien. Aber ganz allein waren sie nicht. Da war Cina, die Frau aus Ton, die alle Arbeit machte, da waren die Hunde, die Pferde, der Rabe Nachtschwinge, und die Orks, die das Tal durchstreiften und bewachten, und die Zwerge, die am Rand des Tals in den Bergen lebten, und gelegentlich kamen auch einige andere Leute vorbei, auch wenn das nicht so oft vorkam. Es dauerte ein Weilchen, bis sich alles eingespielt hatte, auch für Venus war nun alles anders, hatte sie doch jahrhundertelang alleine gelebt. Da sie sich aber immer ein Kind gewünscht hatte, fiel es ihr nicht schwer, hier und da die Zeit für ihre Forschungen und Experimente zu kürzen und sich stattdessen um ihre Adoptivtochter zu kümmern. Moustique hatte nie zuvor so viel Zeit zum Spielen gehabt, aber dafür war sie es gewohnt gewesen, sich die Hände schmutzig zu machen. Nun konnte sie im Haushalt helfen, wenn sie das wollte, musste es aber nicht, stattdessen legte Venus Wert darauf, dass sie spannende Dinge lernte: Angefangen mit Lesen und Schreiben, Rechnen und Zeichnen, Götter und Länder Aventuriens und deren Geschichte, deren Völker und Kunst, die Sprachen der Zwerge und Orks, … All das versuchte Venus ihr nach und nach beizubringen, nicht zu viel auf einmal, aber kontiunierlich und geduldig. Moustique interessierte zwar nicht alles gleichermaßen, aber ihr gefiel die Vorstellung, klug zu sein. Und über den Lehrstoff hinaus erfuhr sie auch einiges mehr über ihre Ziehmutter selbst: Dass sie sich mit allen – und zwar wirklich ALLEN - Spielarten der Magie befasste, auch mit Dämonen und anderen bösen Dingen, und dass sie mitunter gerne lange Reisen unternahm, wobei sie Moustique wann immer das ging mit sich nahm, meistens in Verkleidung oder manchmal auch unsichtbar, was beides ein Riesenspaß war. Das Wichtigste aber erklärte Venus ihr sehr bald, nämlich dass es gelegentlich vorkam, dass sie verschwand, sich buchstäblich in Luft auflöste und manchmal erst Tage, Wochen oder Monde später wieder auftauchte. Es war etwas, worüber sie keine Kontrolle hatte, und somit Moustique auch nicht auf diese Abenteuer mitnehmen konnte. Die ersten paar Male, als das passierte, waren für das Mädchen nicht einfach, aber da Venus von diesen Eskapaden immer wohlbehalten zurückkehrte (und weil der Kleinen ohnehin nichts anderes übrigblieb), akzeptierte sie dies und lernte so auch früh Selbständigkeit – für Venus ein positiver Nebeneffekt.     Venus liebte Moustique mit jedem Tag mehr, sofern das überhaupt möglich war, und das Mädchen erwiderte diese Liebe. Für sie war Venus ihre neue Mutter, und die Erinnerung an Eysel verblasste zusehends, und damit auch die Trauer. Nur manchmal träumte sie noch von Mama, und auch wenn Venus anfangs unsicher war, wie sie dem Kind das erklären sollte, entschloss sie sich, ihr die Wahrheit zu sagen und die Erinnerung an die junge Novadi in ihrer Tochter am Leben zu erhalten. Bei aller Liebe und Aufmerksamkeit, die sie dem Kind schenkte, entging der mächtigen Magiern jedoch ein wichtiges Detail. Es brauchte einen jungen Magier namens Phönix Peradan, den Venus schon von ihren Abenteuern mit Kapitän Foggwulf kannte, um festzustellen, dass Moustique magisch begabt war. Als sie im Jahr 996 BF (3Hal) eine Reise nach Bethana machten, um sich über einen Bücherschatz zu informieren, in dessen Besitz die dortige Akademie gerade gekommen war, war das ohnehin etwas heikel, weil – was Moustique zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste – sie nach der Feier in Thorwal nicht nur an einen anderen Ort, sondern auch in eine andere Zeit zurückgereist waren, weshalb Foggwulfs Wettfahrt eigentlich noch nicht stattgefunden hatte und Moustique eigentlich noch nicht einmal geboren war. Darum hatte Venus sicherheitshalber einen Teil des Gedächtnisses der Sechsjährigen unterdrückt, damit sie nicht aus Versehen mit irgendetwas herausplatzte, das noch niemand wissen sollte oder konnte. Die Magierin hatte allerdings nicht gewusst, dass dieser Bücherschatz ausgerechnet von Phönix eingebracht worden war, der ihn auch verwaltete und an dem sie deshalb nicht vorbeikam. Da er Venus zu diesem Zeitpunkt noch nie begegnet war, hielt sie es für unproblematisch, ihm etwas vorzuspielen. Doch hatte sie seinen akademischen Charme und nicht zuletzt sein ansprechendes Äußeres unterschätzt, und schnell war klar, dass sich hier eine Studienromanze entwickelte, in deren Verlauf sie ihm natürlich auch Moustique vorstellen musste. Er war dann schließlich derjenige, der erkannte, was ihr nie aufgefallen war – Moustiques arkanen Funken. Von da an nahm Venus Moustique auch in arkaner Hinsicht unter ihre Fittiche. Sie schalt sich selbst, weil sie schon so viel Zeit vergeudet hatte, darum zog sie die Schrauben ihrer Ausbildung anfangs etwas zu streng an. Moustique, die zuerst begeistert gelernt hatte, war nach kurzer Zeit nur noch bemüht, es ihrer Mutter recht zu machen, hielt dem Druck jedoch nicht lange stand. Erst als Venus bemerkte, dass das Kind dünner und schwächer wurde, weil sie zu wenig aß und schlief, lockerte sie den neuen Lehrplan und gab Moustiques Enthusiasmus Gelegenheit, zurückzukehren. Und die war von da an nicht nur gelehrig, sondern auch begierig, zu lernen. Nach und nach verstand sie so viele Dinge, von denen sie zuvor schon gehört hatte, begriff, wie Dinge funktionierten, und lernte, Möglichkeiten zu sehen. Mehr als einmal war ihr unbedarfter Blick auf bestimmte Dinge ein Anstoß für Venus, in ihren Forschungen eine andere Methode zu versuchen, neue Wege zu gehen, an die sie selbst nicht gedacht hatte, wo ihr ihr altes Wissen manchmal sogar im Weg gestanden hatte, und Moustiques junge, frische Perspektive ihren Geist in die richtige Richtung lenkte. Allerdings begann die Scholarin auch andere Dinge zu begreifen, nämlich die Gefahren gewisser Magieformen, die sie vorher nie in Frage gestellt hatte. Gefahren nicht nur für den Zauberwirkenden, sondern auch für andere Lebewesen, seine Umgebung und das Gefüge der Welt. Sie studierte die darauf gründenden verschiedenen Denkweisen, Philosophien und ethischen Prinzipien von Zauberkundigen, und ihr wurde jetzt erst so richtig bewusst, dass ihre Mutter dem Weg der Linken Hand folgte – sie war eine Schwarzmagierin. Darüber hatten sie noch nie gesprochen. Aber jetzt taten sie es. Als Kind hatte Moustique einfach akzeptiert, dass ihre Mutter Geister und Dämonen beschwören konnte, die Körper von Toten wiedererwecken und die Zeit manipulieren. Doch nun stellte sie infrage, ob all das richtig war, ob es die Risiken wert war, und die Antworten, die Venus ihr gab, waren bei weitem nicht immer zufriedenstellend. Gerade Venus' Haupt-Interessensgebiet, die Dämonologie, bereitete Moustique Sorgen. Wenn ihre Mutter wieder einmal "außer Haus war", wie sie deren wundersames (und ihrer Meinung nach viel zu wenig erforschtes) Verschwinden immer nannte, nutzte sie die Zeit und studierte die Bücher, von denen Venus das sonst nicht so gerne sah, auch wenn sie ihr keines davon wirklich verboten hatte. Sie informierte sich ausgiebig über das Wesen von Dämonen, deren Kampf gegen und Wechselspiel mit den Göttern, und die Auswirkung all dessen auf die Bewohner der dritten Sphäre. Immer mehr gelangte sie zu der Ansicht, dass ihre Mutter mit Dingen spielte, die sie irgendwann nicht mehr würde kontrollieren können, und die stattdessen sie kontrollieren würden. Die unterschiedlichen Ansichten der beiden, was Richtig oder Falsch war, Gut und Böse, führten immer öfter zu Diskussionen, die in Streitgesprächen endeten, letztlich rauften sie sich aber immer wieder zusammen, konnten sie doch auf einer sachlichen, intellektuellen Ebene den Standpunkt der jeweils anderen durchaus nachvollziehen. Vielleicht war auch ein bisschen jugendliche Rebellion dabei, aber Moustique machte sich vor allem Sorgen um ihre Mutter. Sie wollte einfach nicht, dass sie ihr Leben oder gar ihre Seele verlor, und vielleicht auch noch die Schuld für den Tod (oder Schlimmeres) anderer auf sich lud, nur um noch ein bisschen mehr Wissen an sich zu bringen, das es vielleicht gar nicht wert war. Und Venus verstand diese Sorge, war aber der Meinung, dass ein Kind ihres Alters unmöglich begreifen könne, wie vorsichtig, wie gut vorbereitet, und wie mächtig eine Magierin mit tausend Jahren Erfahrung tatsächlich ist. Und sie wollte sich auch von ihrer Tochter nicht in ihrem Forschungsdrang einschränken lassen, denn ihrer Ansicht nach war jedes Wissen das Risiko wert.
Egal, wie viele Argumente Moustique auch vorbrachte, vom Codex Albyricus bis hin zu den Geboten der Zwölfgötter, Venus hatte immer einen passenden Konter parat. Einerseits machte es Moustique wahnsinnig, andererseits fand sie das aber auch unglaublich spannend, denn dadurch lernte sie so viel, und noch mehr bei dem Versuch, ihre Mutter beim nächsten Disput auszustechen. Mittlerweile war Moustique zu einer jungen Frau herangewachsen, und bis auf diese philosophischen Differenzen hatten sie und Venus ein gutes Verhältnis. In Abwesenheit ihrer Mutter vergrub sich die Jungmagierin in den Unmengen an Büchern, die die Bibliothek zu bieten hatte, geriet teilweise vom Hundertsten ins Tausendste und lernte so weit mehr als nur magische, kosmologische und rechtliche Dinge. Eigentlich mochte sie dieses Leben. Selbst als Venus von einer ihrer ungewollten Exkursionen noch weiter verjüngt zurückkam – im Körper eines etwa achtjährigen Kindes, ein Zustand, von dem sie versicherte, dass sie ihn beheben würde – hätte Moustique sich auch daran noch gewöhnen können. Als jedoch Wochen vergangen waren und Venus langsam die Geduld verlor, eröffnete sie eines Tages im Hesinde 1008 BF (15 Hal) beim Abendessen, dass sie beschlossen hatte, einen Pakt mit dem Erzdämon Amazeroth einzugehen. Moustique war so fassungslos, dass sie zuerst kein Wort hervorbrachte. Erst als Venus ganz sachlich erläuterte, dass sie noch nach einer geeigneten Sternenkonstellation forschte, brach es aus dem Mädchen hervor: "Du willst was? Bist du jetzt ganz verrückt geworden?" Venus warf ihr einen strengen nicht-in-diesem-Ton-junge-Dame Blick zu, und wollte damit eigentlich über diese Frechheit hinweggehen, aber das funktionierte diesmal nicht. Für Moustique ging das einfach zu weit. Die ganze Situation war so… bizarr. Hier saß sie am Tisch mit einem Mädchen, das man für ihre kleine Schwester halten konnte, und die erzählte ihr von ihren Plänen für einen Dämonenpakt! Was dachte sie sich eigentlich dabei? Dachte sie überhaupt? Moustique versuchte Argumente zu finden, die endlich zu ihrer Mutter durchdrangen, aber die wollte scheinbar einfach nicht begreifen, dass dieser Schritt weit über alles hinausging, was sie bisher getan hatte. Das hier ging zu weit! Bedachte sie die Folgen nicht?
"… und du wirst auch nie wieder einen Tempel betreten können!" Dabei waren sie in jeder Stadt, die sie besucht hatten, immer gemeinsam in zumindest einen Tempel gegangen, sie hatte das geliebt!
"Diese Dinge werden reichlich übertrieben, Kleines." Venus goss in aller Seelenruhe Tee ein. "Erstens stimmt das so nicht ganz, denn das gälte nur für Tempel der Hesinde, und zweitens wäre es nicht unmöglich, sondern nur schwierig. Und vermutlich schmerzhaft." Moustique konnte nicht glauben was sie da hörte, sie starrte Venus mit offenem Mund an. "Außerdem, Schätzchen, habe ich in meinem Leben schon so viele Tempel besucht, …"
"Du weißt genau, was ich meine!" unterbrach sie sie scharf und vermutlich etwas zu laut. "Das kannst Du einfach nicht tun!" Sie rang um Worte. Und spätesten da war ihr klar, dass dieser Streit nicht so enden würde wie ihre bisherigen. "Weißt du eigentlich, wie ernst sowas ist??? Das geht gegen alle Gesetze der Natur und des Sphärengefüges! Ganz zu schweigen von den Göttern! Es… es könnte sein, dass Hesinde selbst eingreift!!!" Sie stellte ihre Teetasse, aus der sie noch nicht einmal genippt hatte, so heftig ab, dass die Untertasse schepperte, der Inhalt überschwappte und beinahe etwas abgesplittert wäre. Doch Venus seufzte nur und sagte: "Ach Schätzchen", und das auch noch in diesem mitleidigen Tonfall!
"Vero hanc imbecillitatem perexsecutere vult!?" warf ihr Moustique um die Ohren, wohl wissend, dass Bosparano für Venus die Königin der Sprachen war. Vielleicht merkte sie so, wie ernst sie es meinte. Dann schob sie sofort ihr Essen von sich weg und stand auf.
"Ich werde nicht hierbleiben und zusehen, wie Du Dich zugrunde richtest! Ich… ich weiß, ich kann Dich nicht davon abhalten, zu tun, was… DAS zu tun. Aber erwarte bloß nicht, dass ich abwarte, bis aus unserem schönen Tal eine Pforte des Grauens wird!" Damit stapfte sie zur Tür. Auf der Schwelle drehte sie sich nochmal auf dem Absatz um, mit Tränen in den Augen, halb aus Zorn, halb aus Enttäuschung, und sie erstickte Venus Erwiderung im Keim: "Und glaub ja nicht, ich werde da sein, wenn sie Deinen Scheiterhaufen anzünden!" Denn das mit anzusehen, würde mich innerlich zerbrechen!
Das Abendessen war also dahin, Moustique sperrte sich in ihrem Zimmer ein, und nach ein paar zaghaften Versuchen, sie mit Klopfen und freundlichen Worten aus der Reserve zu locken, ließ Venus es bleiben und beschloss, ihre Tochter erst einmal abkühlen zu lassen.
Moustique aber packte ihre Sachen. Sie wusste noch nicht wohin, aber sie war fest entschlossen, ihre Drohung wahr zu machen und fortzugehen. Sie war zwar erst fünfzehn, aber sie wusste genug von der Welt, um sich zurechtzufinden. Und dass sie Magierin war, das musste ja keiner erfahren, schließlich war sie gildenlos, auch wenn sie eine eigentlich abgeschlossene Ausbildung hatte. Aber sie konnte ja schlecht jemandem verraten, wer sie ausgebildet hatte. Gut ein Dutzend Mal räumte sie ihre Tasche ein und wieder aus, weil nicht alles hineinpasste oder sie andere, nützlichere Dinge fand, die man mitnehmen musste. Als sie endlich fertig war, stand Mada schon hoch am Himmel, und sie war müde. Sie seufzte und warf noch einmal einen Blick auf ihr heimisches Bett. Nur noch eine Nacht, und morgen früh würde sie gehen. Geweckt wurde sie von einem Sonnenstrahl, der vom Schnee auf ihrem Fenstersims reflektiert wurde. Sie wusch und kämmte sich und wappnete sich dafür, ihre Entscheidung zu verteidigen, erwartete sie doch jeden Moment ihre Mutter an der Tür. Doch die kam nicht. Moustique schnappte ihre Sachen, umwickelte noch ihren Stab mit Lederriemen wie einen herkömmlichen Kampfstab, damit er nicht für jeden als Zauberstab erkenntlich war, dann ging sie nach unten. Mutter war nirgends zu sehen. Vermutlich war sie in einem der Räume, die nicht auf dem Weg nach draußen lagen. Ein wenig enttäuscht war Moustique schon, dass Venus sie nicht aufhalten wollte, aber der Trotz ließ sie an ihrer Entscheidung festhalten. Sie gab ihr noch ein wenig mehr Zeit, indem sie eine Abschiedsnotiz verfasste und im Salon hinterließ, die besagte: "Eigentlich ist alles gesagt. Ich liebe Dich, aber hier kann ich nicht mehr bleiben. Leb wohl, Mutter. Moustique. P.S.: Versuch nicht, mich zu finden, ich komme nie mehr zurück." Aber auch diese Chance verstrich, ohne dass Venus auftauchte, und Moustique würden den Difar tun und sie auch noch suchen. Stattdessen holte sie ihr Lieblingspferd Wüstenwind aus dem Stall und ritt mit ihm so schnell sie konnte zum Rand des Tals, zu dem Pass, durch den Besucher kommen und gehen mussten. Von dort musste sie ihn wieder zurückschicken, denn im Gegensatz zu ihr konnte Wüstenwind das Tal nicht verlassen.     Zu Fuß bahnte sie sich ihren Weg weiter durch die Steppen und kargen Wälder des Orklandes und Svellttals, bis sie schließlich Lowangen erreichte. Es war Jahre her, dass sie hier gewesen war, überhaupt in irgendeiner Stadt. Sie war fasziniert und überwältigt von der Menge an Menschen, die sich hier tummelten, und auch die Andersartigkeit der Gebäude (im Vergleich zu Venus' Turm) fesselte sie. Es gab so viel zu bestaunen und zu bewundern, dass sie erst zu spät bemerkte, dass sie viel zu wenig Geld mitgenommen hatte. Der Abend nahte und sie suchte ein Nachtlager, aber ihr Beutel war praktisch leer. Sie fragte sich bei den Einheimischen durch, wo sie denn ein preiswertes Quartier finden könnte, dabei geriet sie mit einem alten Krämer ins Gespräch. Malek Penz – er mochte so fünfzig oder älter sein – meinte, sie erinnere ihn an seine Tochter, die vor vielen Jahren bei einem Feuer umgekommen war, ebenso wie seine beiden Söhne und seine Frau, weshalb er nun allein in einem für ihn viel zu großen Haus lebte. Er bot ihr an, dort zu nächtigen, damit wenigstens eines der leeren Zimmer für kurze Zeit mit Leben gefüllt würde. Dankbar nahm Moustique an, so konnte sie in Ruhe nachdenken, wie es weitergehen sollte, und täte dem freundlichen alten Mann noch einen Gefallen. In seiner beheizten Wohnstube bereitete er ein schmackhaftes Mahl für sie beide zu, sie tranken Wein und unterhielten sich. Sie erfuhr, dass das verhängnisvolle Feuer damals zwar nur in seinem Laden gebrannt und auch nicht viel zerstört hatte, aber es war dadurch auch erst sehr spät bemerkt worden, und so hatte der Rauch seine Familie und beinahe auch ihn selbst erstickt. Wenn es in Frühjahr und Herbst besonders feucht war, oder Gase aus den Sümpfen in der Luft lagen, konnte er es immer noch in der Brust spüren. Moustique tat der alte Mann leid. Er war einsam und traurig, und sie überlegte, ob sie eine Zeit lang bei ihm bleiben und ihm Gesellschaft leisten sollte. Aber fürs erste wollte sie ihn nur auf andere Gedanken bringen, darum wechselte sie das Gesprächsthema. Über das andere würde sie erstmal eine Nacht schlafen. Nachdem sie gemeinsam noch ein Schnäpschen getrunken und er ihr auch ein Kartenspiel namens Schnarps beigebracht hatte, zeigte er ihr dann das Zimmer seiner Tochter: Es war klein, simpel eingerichtet, aber gut gepflegt – offensichtlich legte er Wert darauf, die Räume gut in Schuss zu halten, vermutlich zu Ehren seiner Familie. Moustique bedankte sich artig in Travias Namen, wünschte ihm eine gesegnete Nacht, dann zog sie sich aus und legte sie sich mit schwerem Kopf und bleiernen Gliedern schlafen. Nur zur Hälfte bekam sie mit, wie wenig später die Türe aufging und jemand hereinschlüpfte. Erst als er über ihr war und seine gierige Hand unter ihr Brusttuch schob, wurde sie langsam wach. Selbst bei dem wenigen Licht, das durch die Ritzen der Fensterläden fiel, konnte sie Penz erkennen. Sie roch noch das Essen und den Alkohol des Abends an dem alten Mann, den sie bisher so nett gefunden hatte, und der nun lüstern über ihren noch jungfräulichen Körper herfiel. Er flüsterte Dinge, die sie nicht verstehen, nicht einmal hören wollte. Seine Hände waren grob und fahrig, und sie waren überall dort, wo Moustique sie nicht haben wollte. Sie versuchte ihn von sich zu stoßen, doch sein Körper lag auf ihr wie ein schwerer Sack Mehl. Sie versuchte ihn zu schlagen, aber er spürte es nicht einmal. Sie versuchte ihn zu kratzen, doch eine seiner Hände reichte aus, um ihre beiden festzuhalten. Sie versuchte sich auf einen Zauber zu konzentrieren, irgendeinen Zauber, aber ihr Geist war wie betäubt, und in ihren Gedanken war nur ein Wort: Nein! Kein Bosparano, keine Formeln, nur Nein! Sie schrie dieses Nein hinaus, doch dann spürte sie sein unrasiertes Gesicht über ihre Lippen kratzen, spürte seine gierige Zunge an ihrem Mund, in ihrem Mund. Nichts half, sie konnte ihn nicht daran hindern. Nachdem er seine Lust an ihr gestillt hatte, küsste er sie noch einmal auf die Stirn und streichelte ihre Wange. Wie Hohn, ignorierte er doch ihre Tränen, ihr Zittern und ihr Wimmern, als er hinausging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Moustique blieb allein zurück im Dunkeln, ihr Körper und ihre Seele ein einziger Schmerz.
Stunden vergingen, bevor sie die Kraft fand, sich aus ihrer eingerollten Haltung zu lösen. Es begann schon hell zu werden, als sie ihre lädierte Unterwäsche einsammelte und sich von den blutigen Laken erhob. Sie traute sich nicht, sich zu waschen, eigentlich hatte sie Angst davor, überhaupt irgendwelche Geräusche zu machen und so den alten Mann herzulocken. So leise wie möglich schob sie ihre steifen Glieder wieder in ihr Gewand, und vorsichtig um jede Ecke spähend schlich sie sich aus dem Haus, … und dann rannte sie. Sie rannte soweit sie ihre Füße trugen, durch die Gassen und das gerade geöffnete Stadttor, die Straße entlang, … Erst ein Stein oder eine Wurzel oder irgensodetwas stoppte sie: Sie fiel, ihr Stab flog in hohem Bogen davon, und sie lag bäuchlings im Schnee. Wieder quollen Tränen in ihr hoch, der Schmerz ihrer Arme und Beine hatte sich in der Kälte verloren, doch den Schmerz der Demütigung spürte sie immer noch heiß in ihrer Brust und in ihrem Unterleib. Ein frustrierter Schrei entrang sich ihrer Kehle. Als sie einige Augenblicke später – die Sonne hatte gerade begonnen, sich über den Horizont zu schieben – ihre Sinne wieder halbwegs beieinander hatte und sich umsah, war sie froh, dass niemand in der Nähe gewesen war, um sie zu hören. Sie sammelte ihre verstreuten Sachen wieder ein, schlug und wischte sich den Schnee von der Kleidung und machte sich humpelnd auf den Weg. Weg von der Straße, weg von den Menschen; sie hoffte inständig, niemandem zu begegnen – die Vorstellung, in der Nähe von Menschen zu sein, fand sie zur Zeit unerträglich. Weg von Lowangen, weg aus dem Svelltland; vielleicht, wenn sie das Mittelreich erreichte, konnte sie sich wieder in zivilisiertem Gebiet wägen.   Tatsächlich schaffte sie es, sich bis in Grenznähe durch die Wildnis zu schlagen, und Menschen – Siedlungen, Holzfällerlager, Köhlerhütten und selbst einsame Jäger am Lagerfeuer – und erst recht die Orks des Finsterkamms zu meiden. Doch spätestens in der Nähe von Greifenfurt wurden die Dörfer und Felder so dicht, dass es kaum möglich war, diesen zu entrinnen. Da sie auf der falschen Seite der Breite gelandet war, durchquerte Moustique die Furt und brachte die Stadt so schnell wie möglich hinter sich – ein Leichtes, da sie immer noch kein Geld hatte – und hielt sich auch in den Dörfern und Städten, die sie danach besuchte nie länger auf als notwendig. Sie schlief in unbewachten Ställen oder unter freiem Himmel – praktisch wie eine Bettlerin – aber zumindest gewöhnte sie sich langsam wieder an die Anwesenheit anderer Menschen; als sie den Reichsforst hinter sich gelassen hatte, konnte sie sich wenigstens wieder normal mit ihnen unterhalten, ohne dass ihre Instinkte ihr zur Flucht rieten. Für eine Metropole wie Gareth jedoch war sie noch nicht bereit. Das wusste sie in dem Augenblick, als sie dessen Mauern von weitem sah. Die Faszination für so große Städte wurde immer noch von Angst überschattet. Ja, die Welt konnte ein scheußlicher Ort sein, das hatte Moustique am eigenen Leib erfahren. Sie hoffte nur, dass es ihr eines Tages gelingen würde, auch das Wundervolle wieder zu sehen.
SPIELER-CHARAKTER
Welt(en) Aventurien 1

Tsatag 18.PHE 1003 BF*
Geburtsort Fasar
Größe 1,55 Schritt
Gewicht 55 Stein
Haarfarbe blond
Augenfarbe graugrün
Mutter Eysel saba Suleyman
(verstorben)
Vater Leto Antarinos
(verstorben)
Ziehmutter Shana vom Schwarzen Turm
Children

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