Die Verbannung

Die Stille des Eises – Das Ritual des Vergessens

Die Bedeutung des Rituals

Das Ritual des Vergessens ist die schwerste Strafe, die ein Frostmensch erfahren kann. Es wird nicht für leichte Vergehen oder persönliche Konflikte angewendet, sondern ausschließlich für Taten, die die Gemeinschaft unwiderruflich verletzen. Dazu gehören Mord, schwere körperliche Verletzungen, Verrat oder andere Vergehen, die das Fundament der Gemeinschaft erschüttern.

Ein Frostmensch existiert nicht unabhängig. Wenn jemand sich gegen die Gemeinschaft wendet, wird ihm nicht nur sein Platz genommen—sondern seine Identität. Das Ritual des Vergessens löscht ihn aus der Geschichte, nicht durch Gewalt, sondern durch das vollständige Entfernen seiner Existenz aus den Erinnerungen der Frostmenschen.

Der Kreis des Abschieds

Die Mitglieder der Gemeinschaft versammeln sich in einem Halbkreis um den Verurteilten. Es gibt keine Worte, keine Ansprachen. Jeder steht schweigend, mit Blick auf die Person, die verurteilt wurde. Vor dem Verurteilten befindet sich eine Eisplatte—die gleiche, die seit seiner Geburt seinen Namen trägt. Jeder Frostmensch wird mit seinem Namen im Eis verewigt, doch heute wird dieser Name entfernt.

Ein Sprecher hebt die Hand. Dies ist das Signal für den Magier, der das Ritual vollzieht. Ohne ein weiteres Wort legt er seine Hand auf die Platte. Es gibt keine zusätzliche Erklärung, keine Verteidigung. Die Entscheidung wurde zuvor getroffen, und das Ritual ist lediglich die Vollstreckung des Urteils.

Das Löschen des Namens

Der Magier beginnt das Ritual mit einem lautlosen Flüstern. Es ist kein Zauber, sondern ein bewusster, kontrollierter Akt. Das Eis reagiert sofort auf seine Berührung. Die Platte beginnt zu beben, und langsam beginnt der Name zu verblassen. Er wird nicht zerstört, nicht herausgebrochen. Stattdessen verschwindet er Stück für Stück, bis keine Spur mehr bleibt. Das Eis selbst entfernt ihn, als hätte er nie existiert.

Von diesem Moment an wird der Name nicht mehr gesprochen. Niemand wird sich mehr an ihn erinnern.

Das Ende des Rituals

Sobald der Name erloschen ist, dreht sich die Gemeinschaft langsam um. Niemand sieht den Verurteilten an. Niemand spricht ihn an. Niemand wird ihn je wieder erwähnen. Er steht noch dort, aber für die Frostmenschen ist er nicht mehr da.

Das Ritual ist damit abgeschlossen. Die Gemeinschaft verlässt den Ort und kehrt zurück in die Stadt, während der Verurteilte allein zurückbleibt. Er kann gehen, kann bleiben—doch in den Augen der Gemeinschaft existiert er nicht mehr.

by Bing Image Creator