Hochzeit - Hidron & Kinara Prose in Iranthi | World Anvil

Hochzeit - Hidron & Kinara

Inhaltsverzeichnis     1. Der Morgen am Tag der Hochzeit     1.1 Zurück nach Trallop     1.2 Der Morgen – Hidrons Zimmer     1.3 Der Morgen – Kinaras Zimmer     1.4 Der Morgen – Linai und Selinde     1.5 Der Morgen – Deaszeah     1.6 Auf dem Weg zum Tempel     2. Die Zeremonie     2.1 Der Aufbruch zur Burg     2.2 Hidrons und Kinaras Zimmer     2.3 Das Fest     3. Der Morgen nach der Hochzeit           1. Der Morgen am Tag der Hochzeit     1.1 Zurück nach Trallop     Es war kurz nach Sonnenaufgang, als drei Frauen ein kleines Wäldchen verließen. Auf ihrem Weg zur Bärenburg zu Trallop gerieten zwei von ihnen öfters ins Wanken – die Nachwirkungen eines besonderen Tees, den die dritte Frau ihnen am Abend vorher zu trinken gab. Unter ihren Füßen knirschte und knackte der festgefrorene Schnee, welcher das gesamte Land bis hin zu Garethien bedeckte. Die drei lehnten das Angebot einer Mitnahme durch einen ihnen bekannten Fuhrmann, welcher Gemüse geladen hatte, ab. Zwei Meilen noch bis Trallop, und ein wenig Beinarbeit sollte den restlichen Einfluss des Tees vertreiben. Außerdem, konnten sie so den Duft von mehren Sack[Fußnote 1] Kohl meiden.     Sie wanderten auf dem Seeweg, einer Straße, welche Trallop mit Olat verband und entlang des Südufers des Neunaugensees verlief.     Zu ihrer linken Seite erstreckte sich eben jener See, ein Gewässer auf dem die Seefahrt aufgrund einer Kreaturenart, welche ihm ihren Namen gab, zum erliegen kam: die Neunaugen.     Aus dieser Position sah er recht beschaulich aus – kleine Eisschollen lösten sich stetig vom Ufer und trieben glitzernd im Licht der Morgensonne umher. Der See war so riesig, dass man das ferne Ufer trotz klarer Sicht kaum erkennen konnte.     Immer wieder betrachtete die kleinste der Drei ihr Handgelenk. Dort wurde ihr von der Dunkelhaarigen unter Durchführung eines okkulten Rituals, bei dem der erwähnte Tee eine Rolle spielte, ein Zeichen als Geschenk eintätowiert. Dieses Tattoo ermöglicht der Trägerin eine erhöhte Empathie gegenüber ihren beiden Freundinnen.     Noch bevor sie eines der Stadttore von Trallop erreichten, blieb die Tätowierte stehen und aktivierte das Zeichen – stieg doch die Neugierde unterwegs zu sehr an es auszuprobieren. Die Fähigkeit, welche das Tattoo mit sich brachte, nannte sich Bund der Freundschaft und der Träger konnte sie mit einem flüchtigen Gedanken aktivieren.     Und so aktivierte Kinara, wenige Minuten vor den Toren der Stadt, diese Fähigkeit.     „Dea? Isra? ...“, sie schaute beide an, „es gibt doch keine Probleme mit der Hochzeit, welche ihr mir verschwiegen habt?“     Kinara schämte sich augenblicklich, nachdem sie diese Worte aussprach. ‚Du zeigst jetzt so gar kein Vertrauen‘, dachte sie grimmig.     „Nein, soweit es mir bekannt ist, gibt es keine Probleme wegen der Hochzeit. Es wird bestimmt ganz wunderbar. Wenn wir denn nun langsam mal weiter gehen, ohne Braut wird das sonst nichts“, erwiderte Deaszeah.     Kinara seufzte lauter als beabsichtigt. Isra hob ihre Augenbrauen.     „Gut, lasst uns weiter gehen!“     Ein Gelbfuchs schaute ihnen neugierig hinterher.         Die Sonne stand mittlerweile eine Handbreit über den Horizont und der Himmel war in ein kaltes, tiefes Blau gefärbt. Ein Blick nach Osten zeigte die Spitzen des gut hundert Kilometer entfernten Gebirges Rote Sichel. Über den Gebirgsspitzen hatte sich eine langgezogene Wolkendecke geformt, und eine frische Brise, welche dieses Mal nicht die sonst gewohnte Kälte mit sich brachte, wehte den Dreien aus jener Richtung entgegen.     „Sieht nach einem Unwetter aus, welches in unsere Richtung zieht“, bemerkte Isra.     Eine Minute später passierten sie das Dreileuentor[Fußnote 2].         1.2 Der Morgen – Hidrons Zimmer     Unterdessen, in einem Gemach der Bärenburg, saßen zwei Männer und grübelten über eine spezielle Unannehmlichkeit. Der größere von beiden, ein Zweimetermann, schritt dabei auf und ab.     „Hidron, jetzt beruhige dich! Lass einfach Dea oder Isra diesen Zauber brechen oder zumindest für eine Zeitlang unterdrücken“, gab der Kleinere zu bedenken.     Hidron blieb stehen und schaute seinen Gefährten an. „Und was soll ich sagen? ... Dea, Isra, könnte eine von euch mir bitte helfen mit meiner steifen Latte?“     Krätz hielt sich die Hände vors Gesicht, um seinen Lachanfall zu verbergen.     Hidron setzte sich wieder hin. „Kinara wird das gar nicht amüsant finden. Der Händler sollte sich was schämen, mir so ein Teil verkauft zu haben!“     Ohne weitere Worte zu wechseln, saßen die Männer noch eine Zeitlang einfach so da, bis es an der Tür klopfte.     „Hidron? Bist du da?“ Es war Kinara.     Mit einem Ruck stand der Hühne auf und schaute aus dem Fenster, sein Rücken der Tür zugewandt. „Komm rein!“     Und das tat sie.     Krätz Blicke wechselten angespannt zwischen Hidron und Kinara hin und her.     „Guten Morgen ihr beiden. Dein Waffenrock lag bei mir im Zimmer. Hast du mein Schwert gesehen?“     Hidron drehte sich nicht um und schaute weiter in die Ferne.     „Guten Morgen. Danke, ich ziehe ihn gleich an. Ja, habe ich.“     Kinara legte den Waffenrock sorgsam über einen freien Stuhl und stellte sich hinter Hidron. Ihr heiteres Gesicht fing an, ein paar Sorgenfalten zu zeigen.     „Siehst du irgendetwas Interessantes dort draußen oder warum schaust du mich nicht an?“     Sie fing an, ihn von hinten zu umarmen. Der Größenunterschied ließ nur zu, dass sie ihre Arme um seine Hüfte und Taille legen konnte – bis sie mit etwas in Berührung kam.     Hidron zuckte zusammen. Kinaras Hand blieb an etwas hängen.     „Deine Freude, mich zu sehen ist ja sehr offenkundig Hidron!“     Ihr Verlobter schwieg.     Kinaras Augen verfolgten Krätz, der gerade dabei war, das Zimmer unauffällig zu verlassen.     „Wohin Krätz?“     Ihr Gefährte verharrte in seiner Bewegung. „Ich ... äh ... muss nach einer Synthese im Keller schauen. Ist alles sehr ... zeitkritisch.“     Kinara entfernte sich einen Schritt weit von Hidron. „Das Einzige, was gleich zeitkritisch wird, bin ich! Was hat es mit Hidrons ... Ding auf sich? Hast du ihm etwas von deinem Zeugs gegeben? Nicht, dass ich vielleicht, könnte sein, vermutlich, wahrscheinlich, etwas grundsätzlich dagegen hätte, wenn du ihn mit Sachen versorgst, aber doch nicht so etwas! Und das am Tag unserer Hochzeit!“     Krätz schüttelte den Kopf. „Frag ihn selbst ... ich muss los!“ Kinara wollte ihn aufhalten, aber ihre Hand griff nur in die Luft. Dann war er auch schon verschwunden.     „Ich äh ...“, Hidron drehte sich um und lächelte Kinara an, „... Der Ring ist schuld.“     Kinara betrachtete Hidrons Schritt.     „Du hast dir einen Ring darüber gesteckt? ... Wieso???“     „Nein, hier ...“, Hidron hob seine Hand und deutete auf den Kupferring, welcher auf seinem kleinen Finger steckte.     „Wo hast du den denn her? Nimm ihn ab! Das geht gar nicht!“     „Von einem Krämer für magisches Zeugs. Es ist nicht meine Schuld. Ich habe den Ring nur erworben, weil ich ihn hübsch fand. Er ist aber verflucht und deswegen bekomme ich ihn nicht ab! Auch nicht mit Seife. Er hat sich magisch festgefressen.“ Das Detail, dass er beabsichtigt hatte, ihr diesen Ring als Geschenk zu machen, ließ er lieber aus. Wobei sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ihm gar nicht böse wäre – er hatte nur keine Lust, für noch mehr Diskussionsmaterial zu sorgen gegenüber einer Schwangeren.     „Ich hole meinen Werkzeugkoffer. Dann schneide ich den Ring mit der Zange ab.“ Kinara drehte sich um und verließ das Zimmer.     Hidron setzte sich wieder hin und wartete.     Auf dem Weg zu ihrem Zimmer blieb Kinara stehen. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf und sie machte kehrt.     „Ich habe es mir anders überlegt. Wir fragen Dea oder Isra ob sie imstande sind die Magie zu brechen oder zu unterdrücken. Unterdrücken ist besser, weil es manchmal böse endet, wenn man versucht, Gegenstandsmagie zu brechen. Ich möchte ja nicht, dass freigesetzte Magie dir Schaden zufügt. Möglicherweise passiert so etwas auch beim Schneiden. Außerdem ... vielleicht enthält der Ring ... zusätzlich andere Magie, ... Nützliche.“     Kinara bemerkte nicht, dass ihre Wangen einen roten Farbton annahmen. Sie war eine schlechte Lügnerin.     Beide brauchten nicht lange warten, denn aus dem Flur drangen die immer lauter werdenden Stimmen von Dea und Isra in ihr Zimmer.     Kinara riss die Tür auf. „Wie praktisch, dann brauche ich euch nicht suchen. Wir benötigen eure Hilfe!“     Beide erschraken kurz, nickten dann und folgten ihr ins Zimmer. Hidron hatte sich in der Zwischenzeit wieder dem Fenster zugewandt.     „Ich glaube, ich weiß schon, um was es geht“, warf Deaszeah ein.     Mit verwirrten Gesichtsausdruck blickte Kinara beide an. „Ihr wusstet davon und habt mir nichts gesagt?“     Sie erinnerte sich, als sie den Bund der Freundschaft aktivierte. ‚Ach, das haben die mir verschwiegen’, dachte Kinara.     „Wir wollten dich nicht mit Sorgen belasten“, gab Isra als Antwort.     „Zumal du in letzter Zeit sehr empfindsam bist. Ich will nicht sagen cholerisch. Doch eigentlich schon, aber nicht negativ cholerisch. Eher so etwas wie eine ungehaltene Stimmungsstabilität. Liegt mit Sicherheit an deiner Schwangerschaft, nicht wahr Isra?“, ergänzte Deaszeah und schaute Isra mit Nachdruck an.     „Natürlich, ja, eine Schwangerschaft ändert das Gemüt ein wenig“, bestätigte Isra.     Die Schwangere seufzte. „Also könnt ihr nun das Problem lösen? Ich möchte nicht mit einem Handtuchhalter in den Tempel hineinspazieren.“     Beide ihrer Freundinnen nickten.     Kinara schaute Isra an. „Musst du ihn dafür anfassen?“     Isra verdrehte ihre Augen „Ja, Kinara. Am Ziel des Zaubers.“     Kinara verzog ihr Gesicht und wandte sich dann an Deaszeah: „Und du? Musst du ihn dafür auch anfassen?“     „Nein, ich muss ihn nur sehen. ... Also Hidron selbst ... nicht den Handtuchhalter“, erklärte ihr Deaszeah, während sie einen Lacher weggrunzte.     „Gut!“, bemerkte Kinara, „Dea, unterdrück erstmal den Zauber bitte!“     „Das werde ich versuchen. Ich hätte ihn eh nicht brechen können. Magische Gegenstände lassen sich nur in ihrer Wirkung temporär unterdrücken. Um die Magie aufzulösen bräuchte es einer Disjunktion, so etwas kann ich noch nicht. Eine Disjunktion löst die Magie von Gegenständen in ihre einzelnen Bestandteile auf. Bei Gegenständen bricht man also keine Zauber, sondern man disjunktiert sie.“     „Dis ... junk ... tiert“, Kinaras Lippen formten lautlos das Wort. „Das macht nichts. Wie lange hält die Dämpfung an?“     Deaszeah zuckte mit den Schultern. „So genau ist das nicht berechenbar. Vielleicht ein paar Sekunden – eine halbe Minute. Diese Magie hier ist ja nicht wirklich sehr mächtig. Solange ich mich darauf konzentriere, die arkanen Strömungen ephemer zu intermittieren, sollte der Effekt gedämpft sein.“     „Nur eine halbe Minute? Dann dämpfe bitte die gesamte Zeit während der Zeremonie. Schaffst du das? Aber, teste es bitte jetzt aus, bevor es nicht klappt und Isra ... äh ... Hand anlegen müsste.“     Die drei Freundinnen schauten sich für einige Sekunden an und brachen dann in Gelächter aus. Deaszeah musste sich ihre Haare anschließend aus dem Gesicht streichen.     „Das ist alles so bescheuert, wisst ihr das?“, gackerte Kinara und setzte fort: „Ich stelle mir gerade vor, wie Isra ihm die ganze Zeit in den Schritt fassen müsste, damit sein Ding wieder schlaff wird. Wobei, bleibt es dann wirklich schlaff?“     Isra verdrehte ihre Augen und Hidron, der immer noch die verschneite Landschaft genoss, seufzte laut. Deaszeah stand mit Tränen in den Augen auf.     „Ich fange dann mal an.“     Ihre Haare begannen leicht aufzuwallen. Um Hidron bildete sich eine magentafarbene kristalline Sphäre, welche direkt nach ihrem Entstehen in tausende Splitter zerbarst, welche ihn dann langsam umkreisten nur um sich anschließend wieder zusammenzufügen. Die durch die Sphäre verursachten Reflexionen und Dispersionen des in das Zimmer hineinstrahlenden Sonnenlichtes ließen tausende Lichtpunkte an den Wänden entstehen.     Hidron fasste sich in den Schritt und atmete erleichtert auf. „Es hat funktioniert. Danke!“     Deaszeah nickte zufrieden. „Natürlich hat es das! Ich werde dir diese Kraft beizeiten beibringen und mit dir dann zusammen repetieren. Aber vielleicht lässt du sicherheitshalber Kinara dein ... deine Problemstelle nochmal nachprüfen.“     Ihre Freundin gab ihr einen leichten Schlag auf den Hinterkopf und welche darauf mit einem breiten Grinsen reagierte.     „Geht das auch ohne dieses ... Lichterschauspiel?“, hinterfragte Kinara mit einem Stirnrunzeln.     „Ja, aber dazu müsste ich mich stärker konzentrieren. Möglicherweise verliere ich dabei zeitweise die Kontrolle vollständig. Diese Kraft ist mir neu und ich bräuchte da mehr Übung.“ Deaszeah presste ihre Lippen zusammen.     „Das ist schon in Ordnung Dea“, erwiderte Kinara, „ich möchte nicht, dass du dich während der gesamten Zeremonie unwohl fühlst. Wenn es zu kraftraubend wird, beende einfach die Dämpfung.“     „Habe verstanden. Bevor das aber alles zu albern wird, strenge ich mich lieber an. ... Gut, nachdem das nun geklärt ist, gehe ich wieder auf meinen Kontrollgang und frage mich durch, ob ich hier oder da helfen kann. Isra bleibt solange bei dir Kinara. Und Krätz bei Hidron.“         Krätz stolperte in den Raum hinein, als Deaszeah die Tür öffnete. Sie verpasste ihn beim Rausgehen eine Kopfnuss aufgrund des Lauschangriffes.     Kinara und Isra machten sie auch auf dem Weg.     „Wir sollten unsere Waffenröcke anlegen Hidron. Krätz, hilf ihm bitte dabei! Ich bin dann mit Isra auf meinem Zimmer.“     Krätz kratzte sich die Kopfnuss weg und nahm das Kleidungsstück in die Hände, welches trotz seiner ausgestreckten Arme noch den Boden berührte. Er blickte Hidron fragend an und stieg dann auf einen Tisch.     Kinara hatte die Waffenröcke selber angefertigt. Bis auf ihre Größen sind beide Kleidungsstücke identisch. Sie hatte sich für einen Schnitt entschieden, welcher eher einer Mischung aus Tappert und Waffenrock ähnelte. Dies begründete sie damit, dass während der Hochzeitszeremonie keine Rüstung darunter getragen wird und das Erscheinungsbild sonst dürftig aussähe. Demzufolge hatte sie zusätzlich Ärmel angenäht.     Auf ein großräumiges Bestücken der üblicherweise angenieteten Metallplättchen an der Innenseite hatte sie auch verzichtet. Sie ließ es sich jedoch nicht nehmen, diese Metallplättchen an der Außenseite zu befestigen, somit wurde aus dem Tappert-Waffenrock ein Tappert-Plattenrock, wenn man so will – auch wenn nur teilweise. In diesem Fall flankierten die Plättchen nur den Saum des vorderen Teiles des Kleidungsstückes, anstelle einer vollflächigen Anbringung. Für Plättchen aus massivem Gold war nicht genug Material vorhanden (doch schon, aber Kinara hatte für das Material beider Waffenröcke bereits einhundert Dukaten investiert), und so verzierte sie die Metallplättchen, welche aus Eisen bestanden, mit Blattgold.     Die Plättchen wiesen zwei unterschiedliche Stanzungen auf: eine mit einer Zusammenführung des heiligen Symboles[Fußnote 3] Iomedaes und Rondras, ein Schwertkreuz auf einer Sonne und Schild. Das andere Symbol war das von Kor: ein Schwertkreuz mit Blutstropfen in einem Trigon.     Jedes dieser Plättchen war so klein wie ein Fingernagel und fest mit dem Damast vernietet, direkt neben dem Saum. Des Weiteren hat Kinara alle Kanten der Wappenröcke mit goldenen Paspeln versehen.     Auf der Brust prangten die beiden Stickereien eines Löwen und eines Mantikors – beide mit goldenen Garn gestickt. Der Grundstoff im Gesamten war recht schwer und als fünf-schäftiger Atlas gebunden, und zeigte dort auch die beiden heiligen Tiere der Rondra und des Kors als handflächengroße Motive, in etwas hellerem Indigo, als der dunklere Hintergrund. Kinara musste dafür einen Webstuhl modifizieren.         Kinara hatte deutlich Krätz angewiesen darauf zu achten, dass Hidron den Waffenrock nicht zerknittert während des Anziehens.     Schweißperlen bildeten sich auf Krätz Stirn, als Hidron ein wenig ruppig mit dem Kleidungsstück umging, in dem Versuch es anzulegen, wie ein schnödes Nachtgewand.     „Passt gut, nicht wahr Krätz?“     Mit einem Seufzen sprang Krätz vom Tisch. „Da hat Kinara bei dir gut Maß genommen. Aber, ist dir eigentlich aufgefallen, dass sie jetzt ein Tattoo am Handgelenk trägt? Hatte sie das schon immer?“     „Nicht, dass ich wüsste“, begegnete Hidron.     „Was ist denn das für eine Antwort? So etwas beantwortet man mit einem Ja oder einem Nein. Du wirst sie gleich heiraten und weißt nicht, ob sie so etwas vorher trug? Ihr macht mir es nicht leicht, Alchemie für euch zu praktizieren. Solche Abweichungen muss ich wissen. Ich habe mich damals darauf eingestellt Menschen, Elfen, Zwerge, Halblinge, Gnome und meine Spezies als meine Versu ... als Zielpersonen für meine Alchemie zu haben. Jetzt habe ich einen Tiefling, eine Aasimar und eine Schwangere. Habe sowieso schon von Isra einen Einlauf bekommen, dass ich wegen Kinaras Schwangerschaft aufpassen muss. Dann sind zwei von euch noch psionisch veranlagt. Ok, also du weißt es auch nicht mit dem Tattoo. Ist aber erstmal nicht so wichtig. Ich frage sie später danach.“     Nachdem Krätz sein Lamento ins Finale führte, fing er an, Hidrons Waffenrock zu inspizieren und glatt zu streichen.     „Vielleicht sind ja einige Jungfern mit auf der Hochzeitsfeier“, bemerkte Hidron und schaute Krätz an, welcher ihn danach ein wenig verständnislos anblickte.     „Hast du mich mal betrachtet Hidron? Schau genau hin! Ich sehe dank dieses göttlichen Wunders von Praios aus wie ein zwölfjähriger Menschenbengel!“, klagte Krätz.     „Die hier in Weiden sollen ja selbst schon Zwölfjährige verheiraten“, warf Hidron ein.     „Das stimmt, aber das macht der Adel. Komische Sitten Kinder zu verheiraten,“ Krätz schüttelte seinen Kopf, welchen Hidron dann tätschelte.     „Wäre es dir lieber, wenn das Wunder jetzt aufhören würde zu wirken?“     „Was? Nein! Natürlich nicht! Wobei ... Ich könnte beim Anbändeln erwähnen, was für einen tollen Schwanz ich doch habe ...“     Hidron musste lachen.     „Weißt du Hidron ... Kinara liebt dich sehr. Als ich ein paar meiner Aufzeichnungen gesucht habe, kamen zufällig ein paar ihrer Notizen und Bücher in mein Blickfeld. Ich musste diese kurz überfliegen, um sicher zu sein, dass es nicht meine waren. Mehrfachkontrolle ist immer sicherer.“     Hidron schaute Krätz mit einer Mischung aus Neugierde und Verblüffung an. „Du hast ihre Tagebücher gelesen und warst dir dann erst nach, sagen wir, dreihundert Seiten sicher, dass es nicht deine Aufzeichnungen waren?“     „Zweitausendeinhundertelf Seiten auf sechs Bücher verteilt. Sie schreibt, seitdem sie von Zuhause fort ist täglich durchschnittlich eine Seite voll, wobei sie, seitdem sie mit uns zusammen ist, anfing mehr zu schreiben. Vor allem über dich. Dein Name wird übrigens neunhundertvierundzwanzig Mal erwähnt. Letzter Eintrag war vorgestern. ... Jetzt schau mich nicht so an!“, gab Krätz gekränkt wieder. „Nicht auszudenken, wenn ein Blatt meiner Formelsammlung zufällig in einem ihrer Bücher landen sollte!“     „In Büchern, welche mit einem Schloss abgesichert sind?“     „Ja.“     Beide schauten aus dem Fenster und beobachteten wie vier Frauen einen kleinen Karren aus der Burg zogen. „Was schreibt sie denn so über mich?“     Krätz grinste und fing an: „Also da wäre ...“         1.3 Der Morgen – Kinaras Zimmer     „Wo ist mein Schwert? Ich habe es doch dort angelehnt. Hidrons Antwort war ein Ja, habe ich. Warum kennt er die Absicht einer implizierten Fragestellung nicht? ... Helvíti! Af hverju getur hann ekki bara hlustað eða skilið hvað ég meina? Fordæmdir menn! Allir ættu að þvo höfuðið!!! ...“, Kinara schaute sich hektisch im Zimmer um, auf der Suche nach ihrer Waffe, während sie auf Skald weiter fluchte.     „Wir haben es Selinde gegeben. Ihr erhaltet eure Waffen während der Zeremonie. Und ich habe keine Ahnung, was du mit impliziert meinst, oder mit diesem Fordaimdir oder dem Höwedifs“, beschwichtigte Isra sie. Was ihr auch gelang.     Im Gegensatz zu Krätz brauchte Kinaras Bundzeugin nicht auf einen Tisch steigen, um ihr mit dem Waffenrock zu helfen. Dennoch streckte sich Isra, damit nichts verknitterte. Es gab außerdem eine Anweisung der Rondra-Tempelvorsteherin Selinde von Trallop, dass Kinara einen halben Brustharnisch (eigentlich war es ein recht breiter Kettengürtel) unter dem Waffenrock tragen musste. War es für Selinde doch das erste, jedenfalls offenkundige, Mal, eine Schwangere zu trauen. ... Hidron brauchte, wen wundert's, keinen zu tragen.     Kinara schaute aus dem Fenster, während ihre Freundin den Waffenrock zurechtzupfte.     Nachdem Isra fertig war, stand ihre Freundin einfach nur ausdruckslos da und schaute in die Ferne.     Die Sonne war mittlerweile vier handbreit über den Horizont gewandert und das goldene Licht schien auf ihr Gesicht.     „Isra, weißt du, warum wir hier sind?“     Isra schüttelte den Kopf und holte tief Luft, denn sie wusste, dass Kinara sich nicht mit einer kurzen Antwort zufriedengab.     „Da ich davon ausgehe, mit hier meinst du nicht dieses Zimmer, sondern diese Welt, kann ich nur sagen: Wir wissen es nicht Kinara. Es ist nicht auszuschließen, dass es jemand weiß. Und diejenige Person werden wir möglicherweise nie zu Gesicht bekommen. Du möchtest wieder zurück. Deine Familie wiedersehen. Das weiß und verstehe ich. Aber du hast dich für die Reise entschieden. Jetzt bist du dir nicht mehr so sicher und zweifelst an dieser Entscheidung. Aber das ist normal. Jeder Reisende hat Zweifel auf seinen Wegen. Die meisten entscheiden sich für die gut gepflegten Wege. Jene Wege, die auch mit Wegweisern ausgeschmückt sind. Da weiß man, was einen erwartet. Du, aber auch Dea, Hidron, Krätz und ich, wir nehmen den beschwerlichen Weg, der mit Schlaglöchern übersät ist, von Wegelagerern heimgesucht, durch tiefe dunkle Wälder führt und über Riffe der Meere führt. Und es stehen keine Schilder an Wegesrändern und Kreuzungen. Aber wir treffen auf diesen Wegen jene, die sich verirrt haben, verletzt wurden – jene, die Hilfe brauchen. Was uns am Ende erwartet? Das weiß niemand. Vielleicht ein Hafen oder gar ein Abgrund. Wir wissen aber, dass wir jenen helfen konnten, die auf den für sich falsch gewählten Wegen gewandelt sind.“     Ihre Freundin zeigte keine Reaktion.     Isra begann Kinaras Haare zu kämmen und fing an zu intonieren:     „Wir sitzen alle im gleichen Boot     und reisen quer durch die Zeit.     Wir fahren alle im gleichen Boot     und keiner weiß wie weit.     Der eine schläft, der andere klagt,     ein Dritter redet viel.     Das Boot, das durch die Jahre jagt,     kommt niemals an sein Ziel.     Wir packen aus, wir packen ein.     Wir finden keinen Sinn.     Wo werden wir wohl morgen sein?     Kinara steigt ins Boot hinein,     und lächelt vor sich hin.     Auch sie weiß nicht wohin sie will     und schaut lang aufs Meer hinaus.     Da heult das Signalhorn schrill.     Das Boot fährt langsam und hält still,     die Toten steigen aus.     Und stehen stumm,     am Hafen der Vergangenheit.     Das Boot fährt weiter, es jagt durch die Zeit,     und keiner weiß, warum.“     Isra ist nun soweit mit Kinaras Haaren, dass sie anfängt, diese zu flechten.     Noch nachdenklicher als zuvor blickt die kleine Nordfrau aus dem Fenster. „Isra, hast du Geschichten gelesen? Ich meine solche, wo eine oder mehrere Person etwas bewirken. Egal was. Irgendjemand denkt sich doch solche Geschichten aus und bringt dann die Wörter zu Papier. Meinst du, jemand schreibt auch unsere Geschichte? Das wir all das, was wir tun, sagen denken und fühlen durch jemanden geschrieben wird? Du kennst doch Meri, für eine einfache Burgmagd scheint sie mir sehr abgeklärt zu sein. Ich möchte sie damit nicht denunzieren. Hat sie doch neulich geantwortet, als ich mit Hidron zusammen unsere neue Sprache trainierte. Sie hat in dieser Sprache geantwortet, als ich Hidron eine Frage stellte. Und sie hat auch in einem Buch etwas niedergeschrieben, dessen Einband mir sehr sonderbar vorkam – eine grobe Lederstruktur mit einer metallenen Eule eingelassen. Ich würde das Buch zu gerne mal lesen.“     Für einen Moment hörte Isra mit dem Flechten auf. „Du hast eine sehr sonderbare Weltsicht Kinara. Manche sagen, es wären Götter, welche unser Schicksal bestimmen. In gewisser Weise tun sie das auch. Aber manche nicht mehr oder weniger, als es Sterbliche tun. Du meinst, wenn jemand eine Geschichte schreibt, dass diese in einer gewissen Ebene ein Eigenleben führt? Das ist möglich. Aber was ist mit der Geschichte des Geschichtsschreibers? Schreibt diese Geschichte auch jemand? Wer hält als Letztes die Schreibfeder? Und was Meri betrifft, dein ganzer Kram liegt ja verteilt hier in der ganzen Burg herum. Die hat sich bestimmt einige Schriften davon angesehen. Und hier in dieser Welt gibts auch andere Sorten Bücher. Vielleicht führt Meri ganz einfach, genauso wie du, ein Tagebuch. Abgesehen von alldem, du heiratest heute Kinara, lass deine Gedanken nicht allzuweit auf Wanderschaft gehen. Bleibe heute hier und in diesem Moment. Wir können uns auf unserer Reise nach Rommilys genug darüber unterhalten. Und jetzt hilf mir mal mit deinen Haaren. Ich weiß immer noch nicht, wie ich diese verdammten Bänder dort einarbeiten soll!“     Kinara nahm ihr die Bänder ab und befestigte diese selbst in ihrem Haar.     „In gut einer Stunde ist es soweit, dann heirate ich. Ich dachte immer ... ich weiß selbst nicht, was ich dachte. Jemanden aus meinem Dorf zu heiraten? Nein, das nicht. Eher erst in ein paar Jahren zu heiraten.“     Mit eindringlichem Blick schaute Isra Kinara an: „Du bist schwanger und da heiratet man vorher. Eigentlich noch bevor man schwanger wird. Es ist hier und dort auch wo wir herkommen Tradition. Einige Gegenden haben sicherlich auch etwas lockere Traditionen in dieser Hinsicht. Aber sag mir jetzt nicht, dass du nicht wusstest, dass man schwanger von bestimmten Aktionen werden kann!“     Kinara errötete und schaute verlegen zu Boden: „Nein! Ach quatsch!“     Isra legte besorgte ihre Stirn in Falten: „Bist du dir unsicher?“     „Das ist es nicht. Es ist gar nichts. Nur...“ Kinara schaute erneut aus dem Fenster.     „Nur was?“, fragte Isra erneut.     „Ich ... Er ...“     „Du liebst ihn doch Kinara? Sag mir jetzt nicht, dass du nicht so fühlst und das hier alles nur mitmachst, weil man es so macht. Scheiß auf Tradition in diesem Fall! Also?“     Kinara drehte sich zu Isra um: „Ich liebe ihn. Aber ich habe Angst, Isra. Angst, dass jemand ihn verletzt oder euch verletzt. Das will ich nicht. Ich habe Angst, dass man euch mir wegnimmt. Ich habe Angst, dass so etwas mit meinen Kindern passieren könnte. Seit ich schwanger bin, liege ich nachts öfters wach. Dann sehe und höre ich sie. Aber nicht meine Kinder. Damals ... Ihre Schreie, welche immer höher wurden, als mehr und mehr Knochen brachen. Ich habe sie dorthin geführt. Sie haben mir vertraut. Dann sehe ich wieder Rania vor mir. Ich stelle mir immer wieder vor, wie sie lebendig in einen dieser großen kochenden Kessel in Weißthron geworfen wird. Sehe, wie sich ihr Fleisch löst. Höre sie nach meinen Namen schreien. ... Wird das alles jemals aufhören?“     ‚Oh bei Irori[Fußnote 4] und Hathor[Fußnote 5]! Letzterer lass ihr doch ein wenig Freude zukommen! Seit sie schwanger ist, fängt sie mit diesen Sachen immer und immer wieder an. Ich sollte mich mal morgen mit Schwester Linai ausgiebig unterhalten‘, dachte Isra und legte beruhigend ihre Hände um Kinaras. Doch es half nichts. Kinara zitterte weiter und fing an zu weinen. Also entschloss sich Isra das zu tun, was sie sonst nur in schweren Fällen einsetzen sollte, dies war vielleicht sogar einer: den Dorn der Furchtlosigkeit[Fußnote 6]. Sie beobachtete Kinara für ein paar Sekunden und erkannte dann, wo sie ihn wirken lassen sollte. Direkt über Kinaras Brustbein. Dort resonierte die akashische Kraft momentan wie ein Berserker. Glücklicherweise musste sie dazu nicht den Waffenrock durchstechen. Er hinterlässt auf nicht lebendigem Material sonderbare Muster. Es handelt sich dabei auch nicht wirklich um einen gegenständlichen Dorn.     Mit einer schnellen Bewegung stach sie den Dorn direkt ins Fleisch. Kinara erschrak kurz, und ihre Augen bewegten sich eine Zeitlang hektisch von einer Zimmerecke zur nächsten. ...     „Was hast du gemacht Isra?“ fragte Kinara auf einmal begeistert, fast schon euphorisch.     „Ich hatte vor, dir ein wenig die Ängste zu nehmen. So wie es aussieht, habe ich sie dir nicht nur komplett genommen, sondern dich auch beflügelt. Außerdem, ich habe dir ja gesagt, lass deine Gedanken nicht immer so weit wandern. Wir können alle auf uns gut aufpassen. Wir haben uns in den letzten ein zwei Jahren erstaunlich gebessert. Erinnerst du dich an das Ereignis am Nachtschattenturm? Die Gegner, bis auf ein paar Ausnahmen, haben fast nur dich verprügelt. Ja, und die Ausnahmen konnte keiner verhindern. Rede dir nicht ein, dass du hättest es verhindern können. Das wird nie gehen. Außerdem gibts du mir viel zu tun. Aber ich heile dich gerne, auch wenn ich dich nur ungern verletzt sehe.“     Beide saßen noch eine Zeitlang im Zimmer und beobachteten wie eine einzelne kleine Wolke an dem sonst wolkenlosen, blauen Himmel Richtung Westen vorbeizog. Kinara lächelte vor sich hin.     „Wir sollten bei Hidron und Krätz vorbeischauen.“     Isra nickte und stand zusammen mit Kinara auf.         1.4 Der Morgen – Linai und Selinde     Währendessen in der Sakristei der Halle der Orkenwehr:     „Es ist mir wahrlich eine Freude die beiden mit eurer Unterstützung zusammen zu trauen, Selinde“, teilte Schwester Linai mit.     „Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Mutter Linai.“     „Nur noch Schwester Linai, Selinde.“     „Ihr werdet stets für mich in de facto eine Mutter sein, unabhängig von den Rängen der Traviakirche. Da ich es nicht anstrebe, abseits dessen, jemanden mit falschen Betitelungen in Bedrängnis zu bringen, rede ich euch freilich mit Schwester Linai an“, Selinde zeigte der ehemaligen Praetorin[Fußnote 7] der Traviakirche ein Lächeln, welches erwidert wurde.     „Schwester, seid ihr sicher, dass wir die beiden neben dem heiligen Eid auf den Rondrabund mit Rondras Gunst und Segen und Travias Huld und Segen auch diese zwei Texte hier schwören lassen sollen? Sie sind etwas ... ominös.“ Sie zeigte Schwester Linai ein Schriftstück.     „Mein Kin ...“, Schwester Linai zögerte einen Moment, „... meine Schwester, ein jeder hat so seine persönlichen Traditionen. Solange sie niemanden Schaden zufügen, können wir mit gutem Gewissen dem zustimmen.“     „Ich vertraue eurem Urteil, Schwester Linai. Aber noch etwas anderes: Bezüglich der Waffenwahl für den Tanz – wir konnten Hidron schon vor dem Einüben schnell umstimmen, dass seine Waffe eine nicht wirklich gute Wahl wäre. Als was wird sie überhaupt bezeichnet?“     „Ich erinnere mich, als Kinara mal den Namen Tetsubo erwähnte“, Schwester Linai zuckte nur mit den Schultern, „also haben beide mit Schwertern ihren Tanz eingeprobt?“     „Ja, haben sie“, gab Selinde als Antwort, „ich untersagte es jedoch Kinara, ohne Schutz zu üben. Sie wird diesen Kettengürtel während des Tanzes tragen, jedenfalls unter ihrem Waffenrock.“     „Ich hätte die gleiche Entscheidung getroffen“, pflichtete Schwester Linai ihr bei. „Etwas prekär der Umstand ihrer Schwangerschaft in Bezug auf den Tanz. Das Paar hat sich für den Rondra- und Traviabund entschieden. Ich maße mir nicht an zu sagen, dass in diesem Falle der alleiniger Traviabund meine Sorgen etwas schmälern Würde.“ Schwester Linai zeigte ein leichtes Grinsen auf ihrem Gesicht.     Selinde musste lachen.     „Ihr habt es aber gesagt. Ich teile eure Sorgen Schwester. Aber seid unbesorgt, Kinara und den ungeborenen Kindern wird nichts passieren. Manchmal kann man eine Tradition oder ein Ritual leicht biegen, ohne es zu brechen. Und der Kettengürtel für eine Schwangere liegt bezüglich dessen im Toleranzbereich. Außerdem sind beide fähige Kämpfer. Sie lernten schnell den Ablauf, welcher im Rondrarium[Fußnote 8] verzeichnet steht. Hidron wird ein Zeremonieschwert benutzen, welches das Brautpaar in gemeinsamer Arbeit vor ein paar Wochen selbst geschmiedet hat. Beide lassen es dann als Spende im Tempel. ... Wie hat Isra es eigentlich geschafft, in Erfahrung zu bringen, dass Kinara Zwillinge bekommt?“     „Sehr großzügig von den beiden mit der Spende. Wie Isra es geschafft hat? Das ist mir auch ein Rätsel. Vielleicht konnte sie drei Herzen schlagen hören. Sie kann ja selbst durch eine dicke Steinwand jemandes Atem hören. Aber, gehen wir nochmal die Chronik der beiden durch Selinde?“ Schwester Linai zeigte auf ein Buch, welches neben zwei Schwertern und dem Ring- und Bänderkissen auf einem wuchtigen Eichentisch lag.     „Ja, sollten wir. Auch hier habe ich einige obskure Fakten entdeckt. Was heißt einige? Man könnte meinen, das Brautpaar und die Bundzeugen seien aus einer anderen Welt.“ Selinde zog eine Augenbraue hoch und schaute Schwester Linai an.     „Die Welt ist groß Selinde“, erwiderte die Schwester mit einem Lächeln.     Die Rondrageweihte schaute die Traviageweihte einen Moment lang stillschweigend an und widmete sich dann dem Buch: „Zunächst die Braut: Kinara Emiliannvor-Salomasia-Estrina-Dottir Tunga’Falrik’Vinvr-Til-Hirða Bellanderby, Ritterin der Adlerritter, Ritterin der Stahlfalken, Ritterin der Scharlachroten Wachen, Ritterin des Bärenordens. Geboren am zweiten Sarenith im Jahre 3828 nach Absalomer Zeitrechnung in Vennesverg in den Ländern der Lindwurmkönige. Rasse: Mensch. Bürgerin des Herzogtumes Weiden. Zu den Eltern gibt es keine Eintragung.     Der Bräutigam: Hidron Isindal, Ritter des Bärenordens. Geboren am siebten Abadius im Jahre 3825 nach Absalomer Zeitrechnung in Rätselhafen in Varisia. Rasse: Mensch. Bürgerin des Herzogtumes Weiden. Auch keine Eintragungen zu seinen Eltern.     Die Bundzeugin der Braut: Ishra Va Mylon Aleayn Aldhahabia, Ritterin der Scharlachroten Wachen, Ritterin des Bärenordens. Geboren am 13. Choiak 1902[Fußnote 9] in Kairo in Ägypten. Rasse: Aasimar.     Der Bundzeuge des Bräutigams: Krätz, Ritter des Bärenordens. Geboren am 14. Abadius 3832 nach Absalomer Zeitrechnung in Almas in Andoran. Rasse: Menschlich? Auch hier keine Daten zu den Eltern.“     Selinde schaute Schwester Linai eindringlich an. „Ich kann vieles hiervon nicht in der Zeremonie vortragen. Was ich aber mache, ist ihre Namen zu nennen, gekürzt, und, dass sie Bürger des Herzogtumes Weidens und Ritter des Bärenordens sind. Alles andere führt zu Verwirrung. Oder was meint ihr? Im Endeffekt müssen sie ja ihre Namen nennen für das Anliegen.“     Schwester Linai wirkte nachdenklich. „Eigentlich bin ich der Meinung, es sollte vollständig ausgesprochen werden. Die beiden gehen keinen Geheimbund ein, noch werden sie durch einen Geheimbund getraut. Falls jemand mit den Begriffen nichts anfangen kann, möge er sich später an mich wenden. Die meisten sehen die Fünf eh als fremdländisch an. Und die meisten kennen nur Weiden und dessen Grenzländer. Und es sind diese Fünf, welche sich in einer fremden Welt befinden – sich der Kultur, der Sprache, den Gepflogenheiten und all dem anpassen. Ja, jetzt wisst ihr es auch Selinde. Kinara hat mir von ihrer Familie erzählt. Sie wird sie vielleicht nie mehr wiedersehen Selinde. Das weiß keiner so genau. Isra wurde jetzt schon zweiten Mal in eine andere Welt befördert. Wir sollten gegenüber diesen Fremdweltlern ein wenig toleranter werden. Die Götter führten sie zu uns. Es sind die Prophezeiten. Aber ja, es ist natürlich bequemer vor der Wahrheit die Augen zu verschließen. Dennoch, brennt manchmal die Wahrheit heißer als ein Herdfeuer, so dass man lieber nicht seine Hand darauf legen sollte.“ Mutter Linai wirkte zufrieden mit ihrer Aussage.     Selinde nickte ihr zu.     „Da gibts nichts zu erwidern. Ich werde also die Wahrheit etwas verbergen[Fußnote 10]. Wir wollen ja nicht, dass sich die Unbedarften die Hände an ihr verbrennen.“     Beide Frauen verließen daraufhin die Sakristei und brachten die Zeremoniegegenstände in die Haupthalle. Von draußen drang der Geruch gebratenen Fleisches in den Tempel.         1.5 Der Morgen – Deaszeah     Deaszeah nahm etwas in die Hand, was durchaus als Klemmbrett bezeichnet werden konnte und befestigte daran ein Blatt Papier. Sie hatte vor, in der Küche, dem Speisesaal, dem Tempel und bei den Spielleuten vorbeizuschauen. Nicht, dass sie es nötig gehabt hätte Informationen für sich zu Papier zu bringen – Sie hatt ein ausgezeichnetes Erinnerungsvermögen, da braucht sie solche ordinären Schreibutensilien nicht. Aber sie wirkte damit etwas präsenter auf die Leute. Und die Leute werden arbeitsamer, wenn sie jemanden sehen, der Notizen zu ihrer Arbeit niederschreibt.     In der Küche waren Meri und vier andere Frauen damit beschäftigt das Bankett vorzubereiten. Das eigenst für die Zeremonie erlegte Reh, lag in Stücken auf einer der Arbeitsplatten. Brun Wolfsgrimm, ein Weidener Waidmann, dessen Jagdgründe östlich des Finsterbaches und westlich des Pandarils lagen, hatte es vor einigen Tagen geschossen.     „Oh hallo Dea, guten Morgen!“, Meri schaute von einem von ihr filetierten und fast einen Meter langen Neunauge auf – ein fischähnliches Tier, das zumindest in Weiden als Delikatesse gilt, und im, wie der Name suggeriert, Neunaugensee zu finden ist.     „Guten Morgen. Wie ich erkenne, seid ihr alle fleißig. Läuft alles gut? Braucht ihr meine Hilfe?“, fragte Deaszeah.     Meri zeigte mit dem Daumen nach oben. „Bis jetzt alles anstandslos. Ihr seid eine Ritterin Deaszeah, da kann ich euch nicht zu irgendwelchen Küchenarbeiten bitten oder gar verpflichten! ... Wobei ... einen Moment ...“ Die Burgmagd wendet sich an ihre vier Küchenkräfte: „Permine, Fiya, Alrike und Henny, würdet ihr bitte das Bratgestell zusammen mit diesem Korb in die Halle der Orkenwehr bringen?“     Die vier Frauen nickten und machten sich an die Arbeit. Meri wandte sich wieder an Deaszeah: „Ich entschuldige mich im Voraus euch, um so etwas zu bitten, aber ich habe gesehen, mit welchen Mitteln ihr kämpft und ich habe mir gedacht ... nun ja, es könnte den Garvorgang hier beschleunigen. Ich weiß momentan nicht, wie ich diesen Bratspieß hier zeitgerecht gegart bekommen sollte. Würdet ihr ...“     Sie hob den Bratspieß an, wuchtete ihn um und streifte eines der beiden Hörner von Deaszeah. So nahm Deaszeah an, es gespürt zu haben.     „Entschuldigung, ich kann manchmal ...“, sie betrachtete Deaszeah genauer, „... tapsig sein. Ich habe euch doch nicht verletzt?“     Deaszeah schüttelte den Kopf. Als Meri wegsah, fasste sich der Tiefling[Fußnote 11] in Menschengestalt an ihre, für andere nicht existenten, Hörner.     ‚Eine winzige Macke? Das kann nicht sein‘, dachte sich Deaszeah, denn nur sie selbst kann ihre Hörner anfassen und sehen, für andere sind sie gar nicht da. ‚Bestimmt nur eine Einbildung.‘     Sie schaute sich den Spieß an. „Ich fürchte, das Ergebnis wird in keiner Weise einem Rösten ähneln. Ich habe es einmal an Kartoffeln ausprobiert. Die sind einfach nur auseinandergefallen. Es funktioniert auch eher nur bei Kreaturen. Ich sehe da bestimmte, wie soll ich das erklären, Muster? Jede Spezies hat so ihre eigenen Muster. Menschen, Elfen, Fische, Ratten, usw.. Eine Kartoffel hat keines dieser Muster, genauso wenig wie ein Stein oder totes Fleisch.“     „Hmmm ... wie schade!“, Meri stützte ihr Kinn auf ihrer Hand ab, „... vielleicht ist es besser, wir verschwenden nicht den schönen Braten wegen eines Experimentes.“     „Ganz meine Meinung Meri“, stimmte Deaszeah zu und ihr Blick blieb an einer Schüssel haften. „Ist das dort Rosenkohl, warum sind da rote Sprenkel drauf?“     „Dschelef wollte, dass ich das Gericht so zubereite. Er meinte, damit was vorzuhaben.“     Deaszeah nickte. „Dinge gibts! Gut. Ich schaue in der Schänke vorbei, ob die Spielleute nüchtern sind. Wir sehen uns spätestens auf dem Fest.“     „Bis später Dea.“     Deaszeah begab sich sodann zur Schenke, welche unmittelbar nördlich der Bärenburg in der Nähe des großen Marktes lag und den Namen Norderwacht trug. Unterwegs überholte sie die vier Küchengehilfinnen, welche auf einem kleinen Karren einen Grill, mitsamt Grillgut transportierten.     Deaszeah erreichte die Schenke in nur wenigen Minuten. Die alte Laya, die Wirtin, begrüßte sie und deutete auf drei Männer, welche dabei waren sich im Schankraum vorzubereiten.     ‚Puh, alle nüchtern, gut gelaunt und tüchtig‘, dachte Deaszeah erleichtert.     Die drei Musikanten standen auf und verneigten sich. Der Fiedler ergriff das Wort: „Wohlgeborene[Fußnote 12] Deaszeah Arrit, eure Gesellschaft ist uns wieder einmal eine Ehre. Wie ihr seht, sind wir für das bevorstehende Fest bestens vorbereitet.“     „Das ist gut. Ich wollte nur nachschauen, ob es euch an nichts fehlt.“, gab Deaszeah zu verstehen und hielt ihr Klemmbrett samt Stift in den Händen.     „Wir sind, dank euch, bestens versorgt.“     „Gut, dann werde ich mich weiter um die Vorbereitungen kümmern. Ihr kennt ja das Prozedere?“     „Gewiss, meine hohe Dame[Fußnote 13].“ Deaszeah nickte und verabschiedete sich.     Es waren mittlerweile nur noch anderthalb Stunden bis Mittag, als ein Rondrageweihter, mit einem Blatt Papier in der Hand, das Burggelände betreten wollte. Er erblickte Deaszeah und steuerte direkt auf sie zu.     „Guten Morgen! Das trifft sich gut! Ich habe hier eine Nachricht von der Tempelvorsteherin an euch und Krätz.“     Deaszeah nahm die Nachricht in Empfang und las sie sogleich. Sie entschied, dass es doch nicht nötig wäre, den Tempel noch einen Besuch abzustatten und machte sich direkt zu ihrem Zimmer in der Bärenburg auf.     Es standen ein paar Änderungen bezüglich der Ansprache der Bundzeugen drin. Man hatte einige Sachen gestrichen und sich auf den Kern beschränkt. Ihr solls recht sein – sie musste nur noch Krätz informieren.     Eine halbe Stunde später verließ sie dann neu eingekleidet ihr Gemach und gesellte sich zu ihren vier Gefährten, welche zusammen im Flur ein Stockwerk über ihr standen.         1.6 Auf dem Weg zum Tempel     Deaszeahs Blick blieb an Kinara und Hidron haften, denn diese trugen ihre Waffenröcke zum ersten Mal im Beisein ihrer Freundin. „Kinara, Hidron, ihr seht so hinreißend in euren Trachten aus. Du hast die Waffenröcke wirklich selbst geschneidert? So etwas musst du mir beizeiten mal beibringen!“     Deaszeah bemerkte, dass Kinara gut gelaunt war – wirklich sehr sehr gut gelaunt, und fragte sich, ob es an dem heutigen Ereignis liegt, ihrer Schwangerschaft, etwas ganz anderem oder einer Mischung aus alldem. Vielleicht lag es an Isra, immerhin war sie mit ihr die letzte Stunde zusammen gewesen. Hidron wirkte zwar auch gut gelaunt, jedoch zeigte sich seine stete Unbekümmertheit auch hier wieder.     „Danke Dea, aber meine Güte, du siehst auch toll in diesem Kleid aus. Deine Schuhe gefallen mir auch. Die habe ich ja noch nie gesehen. Und danke nochmal für das Tattoo. Es ist wahrhaftig schön geworden – das Muster mutet so elysisch an. Du bist echt eine wunderbare Freundin. Weißt du, dass ich auch deine Art mit anderen Leuten umzugehen sehr schätze. Du bleibst immer so ruhig und greifst auch nicht sofort zu den Waffen. Wobei deine Waffe ist ja total abgedreht. Der Tag ist so schön. Ist er auch für dich schön? Ich hoffe, er ist für euch alle schön. Krätz wie sieht es bei dir aus? Findest du den Tag auch schön? Vor allem, der blaue Himmel. So einen habe ich lange nicht mehr gesehen. Wie in meiner Heimat. Aber meine Heimat seid ja jetzt ihr. Ich freue mich so ...“     Kinara wippte die ganze Zeit auf ihren Zehenspitzen auf und ab und plapperte weiter wie ein Wasserfall. Deaszeah schaute Isra verdutzt an und flüsterte ihr zu: „Was hast du mit ihr gemacht?“     „Ich habe ihr die Ängste und Sorgen genommen, jedenfalls für die nächste Stunde“, erklärte Isra und legte dabei eine Hand auf ihre eigene Stirn.     „Drogen?“, fragte Deaszeah im Flüsterton.     „Du meine Güte, nein! Ich erkläre es dir später genauer.“     Die Heilerin hielt ihre eigene Hand fest und betrachtete abermals die dort klaffende akashische Leere, welcher ihr die Anwendung des Dornes der Furchtlosigkeit hinterlassen hatte, als dieser ihre Kraft aufnahm. Jetzt spürte sie auch selbst Kinaras Ängste und Sorgen, konnte aber aufgrund ihrer sehr hohen Willenskraft dem vergleichsweise gut entgegenwirken. ‚Bei Irori, das ist ja schrecklich! Die Arme. Ich hoffe, ihr wird in naher Zukunft kein unglückseliges Ereignis widerfahren. Wenn etwas mit der Schwangerschaft schiefläuft, das wäre dann das letzte Bisschen, was noch gefehlt hat. Ich kann Kinaras Geisteszustand nicht immer beschützen und umsorgen. Beizeiten und auf der Reise nach Rommilys sollte ich wohl bei der Boronkirche das Gespräch suchen, denn ich ahne nichts Gutes, und habe gehört, dass die Boronanhänger sich mit solchen Dingen auskennen könnten. Schwester Linai wird sicherlich auch etwas helfen können, aber sie begleitet uns ja nicht auf der Reise. Jedenfalls wäre das eine bessere Lösung, als Akasha[Fußnote 14] zu benutzen – zu unergiebig auf Dauer. Hidron scheint auch jetzt ihr Ankerpunkt zu sein, aber sie will vor ihm keine Schwäche zeigen. Verflixt, ich hätte mich in Sothis[Fußnote 15] in die Disziplin des Strahlenden Morgens mehr einarbeiten sollen. Jetzt muss ich mir das alles mühsam zusammenarbeiten! Jedenfalls sollte ich auch vorerst mit Kinara das Gespräch suchen ... vorsichtig!‘     Die Gruppe hatte mittlerweile die Burg verlassen auf dem Weg zum Rondra-Tempel. Kinara plapperte immer noch. Doch als Hidron ihre Hand nahm, wurde sie ruhiger und lächelte vor sich hin. Deaszeah erzählte Krätz beiläufig von den Änderungen der Bundzeugenansprache. Als er dann meinte, er hätte den Zettel schon längst gelesen, schaute Deaszeah ihre Hand an und bemerkte, dass sie eben jenen Zettel die ganze Zeit mit sich führte, aber irgendjemand ihr diesen unbemerkt entrissen, gelesen und dann wieder zurück in ihre Hand geschoben hat. Sie wusste natürlich wer.     Die Gruppe passierte das nördliche Tor des Gebäudekomplexes, zu dem auch der Rondra-Tempel gehörte. Dort wurden sie von zwei vollgerüsteten Rondrageweihten in Empfang genommen und zum Eingangsbereich der Halle der Orkenwehr[Fußnote 16] eskortiert.     Mittlerweile hatte der morgendliche ferne Streifen an Wolken aus dem Gebirge der roten Sichel bereits die Hälfte des Himmels eingenommen und breitete sich Minute um Minute weiter aus.     Der Tempel der Rondra, Bernhelms Halle der Orkenwehr lag im Stadtteil Hohenufern. Er war Bestandteil eines Gebäudekomplexes, welcher zusätzlich die Ordensburg des Donnerordens und das südliche Bernhelms Tor umfasste. Die Ordensburg lag direkt gegenüber dem Tempel. Der Komplex wies zusätzlich einen Innenhof auf. Der Tempel der Leuin[Fußnote 17] war ein prachtvoller und zugleich wehrhafter Bau: Strahlend weiße Mauern mit einem von zwei riesigen roten Löwinnen flankierten Eingangsportal.     Eine Handvoll Kinder flitzten im Innenhof hin und her und spielten geräuschvoll Fangen. Eines der Kinder wäre fast mit einem Schwenkgrill kollidiert an dem vier Küchenfrauen standen, rempelte aber stattdessen eine der Frauen an. Mit erhobenem Pfannenwender jagte sie ihrem Angreifer hinterher, bis er schließlich die Flucht in den Tempel ergriff.     Das Portal des Tempels stand weit auf, und einige Gäste schienen sich schon dort eingefunden zu haben. Ein wenig Zeit blieb noch. Hidron zählte flüchtig alle Anwesenden – in etwa sechzig bis siebzig Leute. Hier und da standen noch kleine Grüppchen von Gästen.     Kurze Zeit später nickten die beiden Rondrageweihten dem Brautpaar zu und sagten sich los, um sich dann neben den beiden Löwinnenstatuen zu positionieren. Die restlichen Gäste und Deaszeah begaben sich sodann in die Halle.         2. Die Zeremonie     Hidron und Kinara schritten zwischen den anderen Gästen durch das hohe Portal, dem gegenüber ein gewaltiges bronzenes Standbild der Herrin von Blitz und Donner[Fußnote 18] stand. Die Wände waren geschmückt mit sorgfältig geknüpften Teppichen, die die Taten der Heiligen von Geron bis Yppolita von Kurkum zeigten – einige der Werke schienen noch aus der Zeit vor Bosparans Fall zu stammen, so alt wirkten sie, andere waren frisch hinzugefügt worden. An diesem Tag war das Webtuch der Heiligen Thalionmel auf ihrer einsamen Wacht gegen ein hundertfaches Heer von Ungläubigen auf der Brücke von Neetha mit Blüten des Winterschneeballs geschmückt.     Hidron und Kinara waren gewandet in ihre indigoblauen Wappenröcke mit goldenen Löwen und Mantikore als Stickereien auf der Brust. Zudem Mäntel in gleicher Farbwahl.     Neben den beiden Brautleuten warteten Isra Vamylon als Brautführerin und Krätz als Bräutigamsführer, die die beiden vor den Altar des Tempels und die Tempelvorsteherin Selinde von Trallop, welche das Gewand einer rondrianischen Hochgeweihten trug, führen sollten.     Einige Personen aus dem Weidener Adel, sowie Hochadel hatten sich komplett eingefunden, als da waren Herzog Waldemar von Löwenhaupt, seine Frau Yolina von Aralzin, ihrer beider Tochter Walpurga von Löwenhaupt, ihr Mann Dietrad von Ehrenstein, deren gemeinsamer, wenige Wochen alte Sohn Arlan von Löwenhaupt. Des Weiteren befanden sich Dschelef Ibn Jassafer, ein Verbündeter der Beiden und ihrer Gefährten, ihr ehemaliger Wagenführer Boril Bagoltin, Stallmeister Thomas, sowie auch Meri und ihre vier Küchengehilfinnen, einige Ritter des Bärenordens und des Donnerordens, sowie ein paar Schaulustige unter den Anwesenden. Viele hatten auch ihre Kinder mitgebracht. Insgesamt wurden es etwa doch hundert Leute.     Die für Hidron wohl mit wichtigste Person für dieses Ereignis, seine Braut und seine Bundzeugen mal ausgenommen, war wohl Deaszeah, welche dafür Sorge trug, dass der Zauber des verfluchten Versteifungsringes unterdrückt wurde. Unter allen Anwesenden waren es in der Tat ihre drei Gefährten, welche für das Hochzeitspaar die größte Bedeutung innehatten.     Isra bemerkte, dass die Akashalücke sich längst bei ihr geschlossen hatte und ihre Blicke wanderten ruckartig zu Kinara, mit der Befürchtung sie könnte wieder in Schwermut gefallen sein. Dem war aber nicht so – sie strahlte immer noch und Hidron auch. Der Dorn der Furchtlosigkeit hatte schon längst seine Wirkung verloren.         Unter den heiligen Gesängen der Rondrianer wurden die zukünftigen Eheleute vor Selinde von Trallop und Linai Perainiane Arvenspfordt geführt, welche sie mit ernsten Mienen erwarteten.     Mit einem Kniefall erwiesen ihnen die vier Herrschaften die Ehre und trugen ihnen ihr Anliegen vor.     „Euer Hochwürden“, sprach Isra, „Kinara Falrik wünscht, im Namen Rondras, den heiligen Bund der Ehe einzugehen.“     Krätz wiederholte den Wunsch im Namen Hidrons, und die Tempelvorsteherin fragte mit beherzter Stimme: „Wer ist es, der die beiden Eheleute freigibt?“     Ein kräftiger Wind rauschte in die Fensteröffnungen, als Kinaras Gefährtin mit „Isra Vamylon, Ritterin von Weiden und Freundin der Braut!“,     und Hidrons Bräutigamsführer mit „Krätz ... , Ritter von Weiden und Freund des Bräutigams!“, antworteten.     Beide traten sodann zurück.     „Speist vom heiligen Bock, denn auch der Ehebund ist ein Kampf im Namen der Herrin Rondra!“ Selinde reichte beiden ein Stück gebratenes Rehfleisch in den Mund.     „Prüft euch vor den Augen der Göttin und beweist, dass ihr würdig seid, dass euer Bund ihren Segen trägt.“     Und an alle Anwesenden gerichtet, sprach Selinde die rituellen Worte des Rondrariums: „So sollen die Liebenden im leuingefälligen Kampfe das Blut des Anderen vergießen, um den Wert dieser Bande schätzen zu lernen. Und wenn dies geschehen ist, sollen sie fortan mit ihrem Heile und Wohle dafür einstehen, dass dem anderen nimmer mehr ein Leid geschehe.“         Raunen ging durch die Reihen der Gäste, als ein fernes Grollen zu hören war, als die Eheleute ungerüstet von den beiden Bundzeugen ihre Großschwerter erhielten und begannen, sich langsam zu umkreisen.     Zu den Zeilen aus dem Rondrarium, welches die Bundesmeisterin mit heller Stimme zitierte, führten sie eine Reihe von Schlägen gegen den Anderen, die gerade im letzten Augenblick mit der richtigen Wehr pariert wurden, und wer die Konzentration in den Gesichtern der Eheleute betrachtete, konnte sie eher für Feinde denn für Liebende halten.     Derweilen tobte draußen der Sturm, und Regen rauschte heran.     Erste Schweißperlen bildeten sich auf Deaszeahs Stirn, welche emsig mit der Dämpfung beschäftigt war – mit so hoher Konzentration, dass keine Effekte ihrer eigenen Kraft sichtbar waren.     Hidron und Kinara umkreisten einander fast vier Minuten lang und zum Schluss folgte die Besiegelung: Beide ließen die Wehr außer Acht und schlugen sich eine blutige Wunde – das Symbol des letzten Schlages, den sie gegeneinander führen sollten. Mit einem wilden Schrei zog Kinara das Schwert über die Brust ihres Gemahles, so kunstvoll, dass Wappenrock und Haut zerschnitten, er selbst aber nur leicht verletzt wurde.     Der wiederum führte seinen Schlag still und kraftvoll, so dass seine Klinge der Geliebten Haut und Wams über Schulter und Schlüsselbein zerteilte. Isra zuckte zusammen – das zwölfte Mal in den letzten vier Minuten.     „Der Göttin gefällt‘s!“, rief Selinde in die Menge und riss die Arme empor, und unter den Rondra gefällt’s!-Rufen der Menge ließen die Eheleute die Schwerter fallen und sanken einander in die Arme, um ihr Blut zu vereinigen. Der wilde und leidenschaftliche Kuss ließ auf eine unbändige Hochzeitsnacht schließen.         Nun ließen beide voneinander ab und erneut trat Selinde an sie heran. „Heilige Herrin Rondra, höre diesen Schwur und bezeugt und heiligt ihn mit eurem Geiste. Was nun geschworen wird, sei euch anempfohlen. Diese Worte werden freiwillig geschworen, ohne Hintergedanken oder Falschheit, und sollen heilig sein in eurem Angesicht. Wer aber diesen Schwur ablegt, um seine Bedeutung zu entstellen, wer den anderen zwingt oder gar diesen heiligen Schwur bricht, der sei eurer Strafe überantwortet.“     Das Brautpaar trat sich gegenüber und Kinara sprach zuerst die folgenden Worte:     „Herrin Rondra, Beherrscherin des Sturmes, vor dir leiste ich dieses Gelübde: Wie mein Schwert an meiner Seite stehe ich von nun an Hidron zur Seite. Aufrecht und stolz will ich gemeinsam mit ihm kämpfen, denn sein Kampf soll auch mein Kampf sein. Wer Hidron fordert, der fordert auch mich, denn in deinem Namen stehen wir uns näher als Bruder und Schwester, als Vater und Sohn, Mutter und Tochter. Meine Klinge soll Hidron dienen, und niemals wieder werde ich sie ziehen wider ihn. Seite an Seite mit dir, Hidron, bis in Rondras Hallen.“     Ebenso tat es Hidron im Namen Kinaras.         Nun ergriff Schwester Linai das Wort: „Heute wird den Beiden nicht nur der Segen Rondras zu teil, sondern auch der, von Mutter Travia. Ich bitte nun die beiden, welche heute Mutter Travia anrufen, um Zeuge des Bundes zwischen ihnen zu sein, erneut vorzutreten.“     Hidron und Kinara traten vor Linai, welche bereits ein Kissen in ihren Händen hielt, auf dem zwei Ringe und zwei Bänder lagen. „Haltet eure Hände und willigt in die Worte der heiligen Mutter ein.“     Linai begann, mit den beiden Bändern die Hände des Brautpaares zusammenzubinden.     „Wir wollen leben wie die Wildgänse, einander treu sein und nie allein“, rezitierte Linai.     Hidron und Kinara antworteten mit: „So sei es.“     „Wir wollen jedem Fremden Heimstatt bieten.“     „So sei es.“     „Wir wollen unser Heim ehren und pflegen.“     „So sei es.“     „Wir wollen den Verfolgten Schutz gewähren.“     „So sei es.“     „Wir wollen Sitte und Moral im Sinne Travias bewahren.“     So sei es.     „Und nach unserem Tode auf einander warten in Travias Herberge.“     „So sei es.“     „Die Familie ist unser Hort; Sitte und Anstand unser Gesetz.“     „So sei es.“     „Die Heimstatt ist unsere Zuflucht.“     „So sei es.“     „Der Reisende ist uns ein Freund.“     „So sei es.“     „Die Treue umschließt den ewigen Bund.“     „So sei es.“     „Wir sind ein Teil der himmlischen Familie.“     „So sei es, ja so sei es.“     Linai nahm wieder die Bänder wieder an sich und überreichte die Ringe, welche sich beide gegenseitig aufsetzten.     Erneut trat Selinde vor die Beiden und richtete ein paar Worte an die Anwesenden: „Kinara und Hidron wünschten sich, jeder für den anderen einen weiteren Schwur zu leisten, so wie es in ihrer Heimat üblich ist. Mögen die Beiden diese nun leisten!“     Hidron stand vor Kinara, schaute sie an, nahm ihre Hand und rezitierte folgenden Schwur:     „Und plötzlich bist du da. Ich könnte versprechen dich zu lieben und zu ehren. Ich könnte versprechen, in Gesundheit und in Krankheit für dich da zu sein. Ich könnte sagen, bis dass der Tod uns scheidet. Aber das werd ich nicht. Das wäre ein Versprechen für optimistische Paare. Für Menschen, die voller Hoffnungen sind. Aber ich stehe hier an meinem Hochzeitstag nicht optimistisch und voller Hoffnungen.     Ich bin nicht optimistisch. Ich bin nicht voller Hoffnungen. Ich bin mir sicher. Ich bin bereit. Ich weiß es. Ich bin ein Herzmann: Ich nehme Herzen auseinander und ich setze sie wieder zusammen. Ich halte sie in meinen Händen. Ich bin ein Herzmann. Daher weiß ich das genau: Du bist mein Partner, meine Geliebte und meine allerbeste Freundin. Mein Herz, mein Herz, schlägt für dich und an diesem Tag, am Tag unserer Hochzeit, verspreche ich dir Folgendes: Ich verspreche dir mein Herz in deine Hände zu legen. Ich verspreche dir mich!“[Fußnote 19]Hidron und Kinara standen immer noch von Angesicht zu Angesicht gegenüber und nun war es Kinara, die ihren persönlichen Schwur leistete: „Ich schwöre alle Götter und alle Schöpfungen der Geschichte der Demiurgen von Avaroth, der Raufbolde von Disputa, der Drachen von Ur’Uuva, der Duellanten von Kar Bracheng, der Vergänglichen von Lumalabay, der Gefallenen von Caido, der Grabwächter von Lathaerum, der Erinnerungen von Iranti, der Mächtigen von Cor Eldoris, der Alpträume von Sharlandra, der Beschützer von Melekessa, der Schnellen von Hen Kuai, der Resoluten von Vendosur, der Plänkler von Pertempuran, der Scharfschützen von Mergan, der Spezialisten von Tortores, der Sturmbringer von Menelya, der Zwillinge von Mahoe, der Giftigen von Mejele Ti, der Beobachter von Laniakea, der Kriegsherren von Senapati und der Wilden von Jengali, als Zeugen anrufend, dass ich nach bestem Vermögen und Urteil diesen Schwur erfüllen werde: Hidron Isindal, geboren an den Gestaden der Geschichte der Beschützer im Jahrhundert vor der vereinten Weltenchronik, mit dem ich dieses Ehebündnis eingehe, meine ewige Treue, Loyalität, Unterstützung, Offenheit und Liebe, dass ich meine Wahrheit ihm stets offenbare, dass ich mich für ihn aufopfern werde, sollte sein Leben in Gefahr sein, und dass ich keine Handlung vornehmen werde, welche ihm zum Nachteil gereichen würde. All dies für ihn, als auch für unsere gemeinsamen Nachkommen.“     Die meisten der Anwesenden blickten verwirrt, als Kinara mit ihrem Schwur fertig war, wussten sie nicht recht etwas damit anzufangen.     Einem sehr aufmerksamen magisch begabten Beobachter wäre vielleicht aufgefallen, dass sich, während der Eidsprache eine Macht zeigte, welche sich mit keiner bekannten Form des Übernatürlichen beschreiben ließe.     Es war Dschelef, welcher sich hastig Notizen machte, ohne dass es jemand mitbekommen hätte. Irgendwann müsste Kinara ihm die Worte genauer erklären, denn er selbst war es, welcher vier dieser Worte einmal irgendwo gelesen und auch gehört hatte. Er wusste nur nicht mehr wo. Sein Bauchgefühl wies ihn auf eine immense in sehr ferner Zukunft liegende Wichtigkeit hin.     Meri, die vermeintliche Burgmaid, beobachtete Dschelef, während dieser sein kleines Büchlein hervorholte, welches der Größe eines typischen Vademecums[Fußnote 20] entsprach, um darin unauffällig seine Notizen zu machen. ‚Kinara hat einen der Anker gelegt. Das ist gut. Jetzt darf die Geschichte sich hier entfalten und hat zusätzliche Auswirkungen auf Cor Eldoris. Ich weiß, dass du über mich in diesem Augenblick schreibst ... Und Laniakeas Anker fügt sich auch gut in die Chronik ein. Die Autoren müssten nur noch etwas mehr Ehrgeiz an den Tag legen. ... Wir leben alle in verschiedenen Welten, doch wir haben nur diese eine‘, dachte sich Meri.     Damit war auch die Zeremonie beendet und einige der Anwesenden steuerten direkt auf das Brautpaar zu.         2.1 Der Aufbruch zur Burg     Unter Johlen wurden Hidron und Kinara gepackt und aus dem Tempel Richtung Bärenburg getragen. Deaszeah war mittlerweile so sehr erschöpft, dass sie etwas riskierte, im Glauben ihre Konzentration sei momentan nicht stark genug, um den Zauberbann zu dämpfen: Und so unterdrückte sie zusätzlich die visuellen Effekte ihrer eigenen Kraft. Mit prekären Folgen. Denn, die visuellen Effekte äußerten sich nicht als Kristallsphäre hier im Tempel, sondern Blitze zuckten einige Sekunden lang hinauf zur Decke des Tempels. Zunächst herrschte unter den Anwesenden Stille, gefolgt von einem Raunen, welches dann in ein Jubeln überging. Offensichtlich hielten es die Rondragläubigen für eine Art göttliches Zeichen. Denn auch draußen blitzte und donnerte es aus der Ferne. Ein junger Ritter des Donnerordens geriet ins Taumeln, als sein Blick an der Tempeldecke haften blieb und er versuchte sich an Deaszeah zu klammern, riss sie dann jedoch um und landete auf ihr – zum Glück ungerüstet. Sie verlor beim Aufprall schlagartig ihre Konzentration und der Zauber des verfluchten Ringes wurde nicht mehr gedämpft. Hidrons drittes Bein erhob sich im rechten Winkel. Und da man ihn überkopf trug, war dies für alle Anwesenden eklatant zu sehen.     Die Menge johlte und lachte noch lauter. Einige der Männer klopften Hidron auf die Schulter. Der Zweimetermann schloss für einen Moment die Augen und seine Wangen wurden rot.     Kinara bekam davon erstmal nicht viel mit. Als sie aber einen Moment später Deaszeah erblickte, wie sie von einem Mann, der sich mehrmals bei ihr entschuldigte, wieder auf die Beine gezogen wurde, schaute die getragene Braut sich erneut um. Ihr Blick fiel auf Hidron und sie sah direkt wieder Deaszeah an. Diese zuckte nur mit den Schultern und verzog dann leicht ihren Mund. Kinara stöhnte innerlich auf.         Das Gewitter war noch nicht heran, als das Ehepaar mit den Feiernden zur Bärenburg zog – der Schneeregen aber wohl, der sich zu einem regelrechten Graupelsturm gesteigert hatte, so dass man schließlich lachend und nass in der Herzogenhalle der Bärenburg anlangte.         2.2 Hidrons und Kinaras Zimmer     Die Eheleute wurden weiter unter dem Johlen der Gäste und Spielleute durch die Gänge der Bärenburg getragen. Einer der Burschen, welcher wohl in Kinaras Alter wäre, hätte sie nicht die chronale Verzerrung in Dragenfeld erlitten, tat kund: „So gehen denn der Pfau und der Drache[Fußnote 21] in ihr Gemach.“     Das brachte ihm eine Kopfnuss seiner Mutter, eine Ritterin des Donnerordens, ein.     „Aua! Es sei einem doch wohl gestattet mal einen rahjagefälligen[Fußnote 22] Satz zu äußern!“     Die Mutter schüttelte nur den Kopf.     Hidron und Kinara hatten keine Ahnung, was dieser Satz zu bedeuten hatte – Letztere machte sich sicherheitshalber eine geistige Notiz.     Wo bei Kinara nur zwei Frauen nötig waren um sie durch die Gänge der Burg zu tragen, brauchte es für Hidron teilweise sechs Männer bis man des Brautpaares Gemach erreichte.     Dort wurden sie auf das in der Zwischenzeit hübsch hergerichtete Bett befördert. Während des Tragens hatten einige der Frauen Kinara bis auf ihr Untergewand entkleidet. An Hidron schien sich wohl doch keiner ranzutrauen.     Diese Sitten wirkten auf die Gefährten sehr befremdlich, doch so rau waren diese hier nun mal.     Deaszeah, Isra und Krätz verließen als letzte der Träger den Raum. Isra schaute Hidron ermahnend an und tippte dabei gleichzeitig auf ihre Heilertasche, welche sie als Gürtel trug. „Ich will die gleich nicht nutzen müssen!“ Dann schloss sie die Tür.     Zwei Stunden durften die Vermählten nun nutzen, um die Ehe zu vollziehen und Rahja[Fußnote 23] zu opfern[Fußnote 24], während sich die geladenen Gäste schon einmal warmfeierten.         Man hatte auch das Zimmer für die beiden ein wenig hergerichtet – die Blendläden waren geschlossen und es brannte eine Reihe von Kerzen auf der Kommode. Eine Holzkiste aus Rosenholz stand in der Nähe des Bettes. Ihr Deckel zeigte das Symbol[Fußnote 25] Rahjas in goldener Farbe. Es war Isras Hochzeitsgeschenk und Kinara ahnte schon, welchen Inhalt sie zu Gesicht bekämen, sollten sie den Deckel anheben. Der kleine Kamin war noch vor ihrer Ankunft in der Burg angezündet – und so war das Zimmer recht warm. Die Frischverheirateten schenkten der Kiste erstmal keine weitere Beachtung.     Während Hidron sich auszog, saß Kinara noch immer gehemmt und halb entblößt auf ihrem mit Blütenblättern von roten Schneerosen bestreuten Bett. Wo die Hochzeit und ihre Zeremonie auf Rondra- und Traviaart ritualisiert wurde, sollten diese zwei Stunden nun der Rahja zugesprochen werden.     Kinara betrachtete ihrer beider Wappenröcken, welche über eine Stuhllehne gelegt worden waren, und vernahm etwas wehmütig die beiden Schnitte, welche die letzten beiden zeremoniellen Schläge angerichtet hatten. Auch wenn der Stoff an dieser Stelle beschädigt war, so waren diese Schnitte ein Zeichen ihres Ehebundes. Sie würden die Gewänder gleich auf dem Fest erneut tragen.     Kinara nahm eines der Rosenblätter, schob es sich in den Mund und begann darauf herumzukauen. Sie fühlte sich unwohl und unter Druck gesetzt.     ‚Müssen wir das jetzt tun?‘, dachte sie sich und nahm Hidron, während dieser sich seiner Kleidung entledigte, in Augenschein.     Ein zweites Blütenblatt wanderte in ihren Mund. Hidron drehte sich um, realisierte Kinaras Gemütszustand und nahm sie in die Arme. Seine Finger glitten durch ihr Haar. Sie stieß einen Seufzer aus.     „Meine Mondblume, wir müssen nichts machen wo wir beide nicht zustimmen.“     Hidron spürte, wie seine Liebste zitterte, und er würde normalerweise nun seine sexuellen Triebe unterdrücken und von Kinara ablassen, doch er war gerade so scharf auf sie, dass er den Gedanken sie jetzt zu nehmen nicht beiseiteschieben konnte. Er löste ihren Haarknoten, so dass ihr fast taillenlanges Haar ihren Rücken herunterglitt, und wagte sich etwas, was er sich bei ihr noch nie gewagt hatte: Er packte das lose Haar, zusammen mit ihren beiden Ährenzöpfen – und zog sie nach hinten. Sie schrie auf. Als Antwort verpasste er ihr eine Ohrfeige und zog noch fester an ihren Haaren. Erneut schrie sie, diesmal lauter und vehementer. „HIDRON!? WAS MACHS...“     Er packte ihre Hand, mit der sie versuchte, ihn wegzuschieben, und zwang Kinara mit einem Ruck auf die Knie.     Die Rosenblätter stoben durch den Aufprall in alle Richtungen davon. Sie keuchte auf.     Und noch immer versuchte sie, sich mit ihrem freien Arm zu wehren – es half nichts, seine Arme waren länger und er viel stärker. Hidron sah und spürte, wie sie mit ihren Fingerspitzen versuchte, sich an seinem Unterarm festzukrallen und ihn zu kratzen, doch ihre kurzen Nägel störten ihn nicht.     Er ließ Kinara in dieser Position eine Zeitlang verharren, bis sie keinen Widerstand mehr leistete.     Ihr Atem ging schwer.     „Kinara?“, fragte er sie unsicherer als beabsichtigt.     Sie antwortete nicht.     Er lockerte seinen Griff.     Immer noch keine Antwort.     Er nahm seine Hände gänzlich von ihr.     Hätte er ihr Gesicht gesehen, hätte er bemerkt, dass sie schmunzelte.     Sie drehte sich um und zog ihn zu sich heran.     „So wie gerade eben gefällst du mir sehr gut.“     [...]     Etwa eine Stunde später schauten sich die beiden die Holzkiste an, welche Isra ihnen zur Hochzeit geschenkt hatte. Eine schlichte, aber elegante Kiste mit dem Symbole Rahjas auf ihrem Deckel.     Man muss es Isra vergönnen, dass der Inhalt in keiner Weise von ihr selbst ausgewählt wurde, noch hatte sie eine ausgeprägte Vorstellung von den Lehren der Rahja, auch wenn ihr Besuch vor einer Woche im Tempel etwas anderes vermuten ließe.     Und für genau diesen Besuch springen wir in der Geschichte ein paar Tage zurück:         Es war der 25. Firun – eine Woche vor der Hochzeit. Isra verzagte ein wenig in Anbetracht der Wahl eines Hochzeitsgeschenkes. Zwar kannte sie ihre Freundin recht gut, Hidron eher weniger, und beide als Paar erforderte eine andere Betrachtungsweise hinsichtlich einer Geschenkwahl. Haushaltsgegenstände? Weißwaren für ihre Kinder? Kunstgegenstände? Nein, es sollte etwas anderes sein. Handwerklich war sie eher ungeschickt – ein persönlich angefertigtes Präsent entfiel sonach aus der Selektion.     Als Isra sich früh morgens einem Rundgang durch die Altstadt widmete, blieb ihr Blick an einem kirschblütenweiß getünchtem Gebäude haften. Das Dach zierte eine kupferfarbene Kuppel, welche das Licht der Morgensonne metallisch Rot reflektierte – Der Tempel der Rahja.     Sie mochte keine Tempel. Nicht wegen der Götter, sondern die Gebäude an sich riefen in ihr Unbehagen hervor – der Grund dafür entzog sich jedoch ihrer Kenntnis. So etwas wie eine Art Grundahnung war zwar da, sie ging von einem frühkindlichen Trauma aus, aber die Feinheiten und Details ihrer Beklommenheit lagen im Verborgenen für ihre Auffassungsgabe. Mit den hiesigen Göttern war sie nicht wirklich vertraut. Einzig mit der Göttin Rondra stand sie, dank Kinara, ein wenig im Wissensbunde.     Der Tempel vor ihr nannte sich das Haus der Sinnen und der Freude.     ‚War Rahja nicht die Göttin der Liebe? Vielleicht finde ich dort etwas Passendes für die Beiden‘, dachte sich Isra und steuerte auf den Eingang zu.     Noch bevor sie das Portal mit einem letzten Schritt erreichte, tat es sich scheinbar von selbst auf und stand eine handbreit offen. Sie hörte eine Stimme aus dem Inneren: „Ich bringe die beiden Geldbeutel noch eben zum Efferd-Tempel[Fußnote 26].“     Dann wurde das Portal aufgerissen, und eine junge Frau prallte mit ihr zusammen, so dass einer ihrer Geldbeutel ungeschickt zu Boden fiel und sein Inhalt sich auf die Eingangstreppe des Tempels ergoss.     „Tut mir so leid meine Süße!“, keuchte die Frau.     ‚Meine Süße?‘, fragte sich Isra, so hat sie noch nie jemand genannt.     Das Gesicht der Frau erhellte sich. „Isra? Ach ihr seid es! Danke nochmal für neulich! Wegen euch kann ich wieder meiner Arbeit nachgehen.“     „Nichts zu danken Fedosja. Lasst mich euch helfen!“     Beide sammelten die Münzen auf. Isra zählte 215 Dukaten zuzüglich einiger im Beutel.     ‚Arbeit? ... Oh!‘, und so kam Isra doch die Eingebung.     „Was verschlägt euch denn zu unserem Haus?“, fragte die Bornländerin.     „Ich suche noch ein Geschenk für meine beiden Freunde, welche in einer Woche heiraten.“     „Da seid ihr hier genau richtig!“, platze es aus der jungen Frau heraus. „Ulman kann euch dabei behilflich sein. Ihm ist eh gerade langweilig und ihr wäret die perfekte Ablenkung für seine ... meldet euch einfach bei ihm.“     Isra nickte zögernd und beide Frauen verabschiedeten sich voneinander.     ‚Für seine WAS?‘     Dann betrat sie den Vorraum des Tempels und staunte nicht schlecht, als sie die tropischen Gewächse sah, welche hier überall gediehen.     Ein wirklich sehr attraktives, gutaussehendes Mannsbild war gerade damit beschäftigt die Schlingen einer roten Pfeilblüte zu beschneiden. Er legte dabei behutsam die mit abgeschnittenen Blüten in einen kleinen Eimer.     Isras Blicke blieben an dem Mann haften wie eine Mücke in einem klebrigen Spinnennetz.     Als er sie erblickte, schaute sie reflexartig weg und ihre Knie wurden ein wenig weicher.     „Eine Schönheit ehrt uns mit ihren Besuch!“     Isra entdeckte keinerlei Sarkasmus in seinen Worten. ‚Verdammt!‘     „Die hohe Frau Isra Vamylon! Mein Name ist Ulman“, er verbeugte sich so weit nach vorne, dass nicht mehr viel fehlte und Isra einen Schritt hätte zurückgehen müssen um sein Gesicht nicht in ihrem Dekolletee vergraben zu sehen ... und zu spüren.     ‚Friert er gar nicht? Und warum schwitzt er?‘, dachte sie sich, als sie seinen entblößten, eingeölten genauer Oberkörper betrachtete.     Viel zu genau. Denn Ulman war sich selbstverständlich ihrer Blicke bewusst.     „Ihr bereitet mir viel Freude mit dieser Begegnung. Welche Dienste ersucht denn die liebreizende Isra hier in diesem Hause?“     Ulman trat mit einem eleganten Schritt an sie heran und befestigte eine der Blüten in ihrem Haar. Sie spürte die Wärme seines Körpers.     Isras Instinkte der Abwehr waren ausgeschaltet. Jedenfalls teilweise.     Mit so einem hatte sie nicht gerechnet.     „Wir ... Ich ... Hochzeit ... Also ... Ich meine, ... Ich suche etwas.“     „Was da wäre?“, fragte der Hübsche.     „Etwas für die Beiden.“     „Was für für ein Etwas und welche beiden?“     Er stand nur einen halben Schritt von ihr entfernt und sie nahm den Geruch seines Parfümes wahr. Wenn sie jetzt einen Schritt zurückginge, würde sie nur Willensschwäche offenbaren.     „Kinara und Hidron. ... Geschenk.“     „Das sind eure Freunde, welche in einer Woche den Bund der Ehe eingehen werden, wenn ich mich recht entsinne?“     „Ja ... “     Isra spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie regelte ihren Puls mit purer Willenskraft wieder herunter. Was ihr diesmal nicht so leicht fiel. Eine andere Frau, die diesen Mann zum ersten Mal so begegnet wäre, wäre vielleicht im Erregungsschwindel zu Boden gestürzt und hätte sich wahrscheinlich die Kleider vom Leib gerissen.     „Ich hätte Vieles für die beiden zur Auswahl, habt ihr an etwas Bestimmtes gedacht?“     „Ich weiß nicht ... vielleicht etwas ... Schönes?“, Isra räusperte ihre hohe Stimme weg.     „Wir haben hier nur Schönes und seit ein paar Minuten sogar eine Schönheit mehr.“     Er zwinkerte ihr zu, nahm ihre Hand und sie verspürte nun etwas, was sie nicht so relativ einfach mäßigen konnte wie den erhöhten Herzschlag. Mit ihren überdurchschnittlichen Wahrnehmungsfähigkeiten bemerkte sie, dass Ulman seinen Geruchssinn verstärkt einsetzte, nachdem er ihre Hand berührte. Sie presste ihre Oberschenkel zusammen[Fußnote 27].     ‚Ich hätte einfach ein paar Socken kaufen sollen!’, stöhnte sie innerlich auf.     Wenige Sekunden später führte er sie in das Zentrum des Tempels – ein größerer Raum, der mit Wandbehängen, die bestimmte Szenen darstellten, verziert war. Dutzende bestickte und farbige Kissen, eine große Ansammlung exotischer Pflanzen, Rosengestecke, eine Statue der Rahja, sechs Chaiselounges und diverse andere, hauptsächlich in roten Farbtönen gehaltene Dekorationen, bildeten das Interieur.     Auf einer der Liegen räkelte sich eine reizvolle, beinahe vollständig entblößte Frau und las in einem kleinen Buch. Sie bemerkte Isra, lächelte sie an und winkte ihr zur Begrüßung zu. Die Aasimar[Fußnote 28] hob kurz ihre Hand und winkte zurück, schaute dann schnell verlegen woanders hin, wobei sie jedoch kaum etwas zu Gesicht bekam, was nicht wenigstens im entferntesten Sinne mit Laszivitäten zu tun gehabt hätte.     Noch immer mit Isra händehaltend steuerte Ulman mit ihr auf eine der Chaiselounges zu und bat sie, Platz zu nehmen. Sie setzte sich hin und presste ihre Beine wieder zusammen.     Die andere Frau saß ihr halb liegend direkt gegenüber und schaute sie fortwährend mit verführerischen Blicken an.     Ulman goss aus einer Karaffe Wein für sich und Isra ein und nahm neben ihr Platz, ein wenig zu nah für ihren Geschmack. Isra spürte das auf sie gerichtete Augenpaar der anderen Frau und zog ihr Gewand zurecht.     „Wein?“     „...Was? Ja.“ Isra nahm das Glas – Ulmans Finger berührten dabei ihre, sie atmete dabei unterbewusst lauter aus, als ihr lieb war und nahm dann einen tiefen Schluck.     „Erzählt mir ein wenig von euch Isra! Ich habe gehört, insbesondere von Fedosja, eure Heilkünste wären bemerkenswert.“     Sie fing an zu wie ein Wasserfall zu reden: „Also, ich habe noch keinen Partner. Und aktiv suche ich auch nicht. Wobei, den ein oder anderen habe oder hatte ich schon ins Auge gefasst. Manchmal liege ich abends alleine in meinem Bett ...“, Isra klappte ihren Mund zusammen, ‚was bin ich denn für eine Idiotin? Warum ich plapper ich das alles aus?‘, sie setzte fort, „ ... und denke stets über neue medizinische Techniken und Heilmethoden nach. Ja, ich kann vermutlich ganz gut heilen. Wie dem auch sei, das tut gar nichts zu Sache. Fakt ist, ich brauche ein Hochzeitsgeschenk und wäre bereit, etwa zweihundert Dukaten dafür auszugeben – plus minus. Danke für eure Kooperation!“     Sie wirkte zufrieden mit sich selbst, ihre Fassung wiedererlangt zu haben. Ihr Gegenüber schaute sie mit einem Lächeln an und überlegte kurz.     „Wir könnten euch eine Zusammenstellung diverser rahjagefälliger Waren anbieten. Oder wir suchen etwas gemeinsam aus. ... May, würdest du bitte für uns den Spielkasten herbringen?“     Isra fiel fast von der Liege. „Ja. NEIN! Also, stellt mir bitte einfach etwas weit gefächertes zusammen! Nicht nötig, dass wir das alles im Detail besprechen.“     May setzte sich wieder hin.     Ulman nickte und grübelte. ‚Sie ist sehr willensstark und ziert sich. Das erregt mich umso mehr. Außerdem weiß sie sich rahjagefällig zu kleiden, und das im Winter. Ich werde ihr die Bestellung mit den Geschenken höchstpersönlich vorbeibringen.‘     Isra stand wieder auf. „Danke für den Wein. Werden die Sachen geliefert, oder muss ich sie abholen?“     „Wir werden sie euch bringen lassen. Heute Abend. Seid ihr gegen Sonnenuntergang auf eurem Burgzimmer anzutreffen?“     „Ja. ... Ich muss nun los und ... ein paar Kranke pflegen. Einen schönen Tag wünsche ich!“     Ulman wirkte etwas enttäuscht, konnte aber ihrem für ihn offensichtlichen Feigenblatt[Fußnote 29] nichts entgegensetzen.     Kurz bevor Isra den Ausgang erreichte, rief er ihr abschließend zu: „Noch etwas! Sorgt bitte dafür, dass ihr heute Abend alleine auf eurem Zimmer seid!“     Isra wäre fast gestolpert, hob dann aber ihre Hand zum Abschied, verließ das Haus der Sinnen und der Freude und erschrak, denn der alte Markt, der an den Rahja-Tempel angrenzte, war bereits mit Händlern, ihren Ständen und Käufern bevölkert.     ‚Wie lange um alles in der Welt war ich da drin?‘     Schwester Linai entdeckte Isra, als diese gerade dabei war, den Eingangsbereich des Tempels zu verlassen, und winkte ihr zu.     ‚Heute ist nicht mein Tag‘, jammerte Isra innerlich. Sie bemerkte, dass Linai eine wartende Körperhaltung eingenommen hatte. Mit einem Seufzen, gefolgt von einem Lächeln näherte sie sich der ehemaligen Praetorin der Travia-Kirche.     „Einen schönen guten Morgen Isra!“     Isra erwiderte den Gruß und versuchte so zu wirken, als wäre sie in Eile.     „Ich möchte euch nicht lange aufhalten“, gab Linai von sich und kramte etwas aus ihrer Tasche, „wäret ihr so freundlich und überbringt diese zwei Spulen Kinara?“ Sie hielt zwei goldene Garnspulen in den Händen.     Isra stimmte zu und wollte sich gerade verabschieden, als Linai noch anmerkte: „Blumen stehen euch gut.“     Isras Wangen färbten sich ein wenig rot, „Äh ... ich ... danke!“     Linai schmunzelte ein wenig und Isra empfahl sich.     Als der Tempel und der Markt außer Sicht waren, lehnte sie sich an eine Mauer, ließ sich auf eine vorstehende Kante gleiten. Dann zog sie etwas Wurzelartiges aus ihrer Heilertasche und kaute darauf herum, während sie die Blume aus ihrem Haar entfernte und danach in ihrer Hand hin und her drehte. ‚Kinara wird mich köpfen! ... Habe ich der Linai gesagt, ich wollte dort im Tempel nur ein Geschenk kaufen? ... Ahhh!‘     Auf ihrem restlichen Weg zur Bärenburg spielte sie die Szene im Tempel mindestens ein dutzend Mal in ihrem Kopf nach. ‚... alleine auf eurem Zimmer seid.‘         – Eine Woche später und zurück in Hidrons und Kinaras Zimmer. –         Ein süßlicher rosenartiger Duft strömte den beiden entgegen, als sie den Deckel der Kiste aufklappten. Kinara humpelte einen Schritt zurück, so als würde Belkelel[Fußnote 30] persönlich aus dieser Kiste springen und sie angreifen.     Der Großteil des Kisteninhaltes war in Seidentüchern- und beuteln verstaut, die Bücher jedoch nicht. Kinara nahm sich eines der literarischen Werke und las den Titel vor: „Rahjasutra.    Das Buch war in rotes Leder gebunden und der Einband mit einem kreisförmigen Muster, welches Rosenblüten und Weintrauben zeigte, verziert. Sie klappte das Buch an einer zufälligen Stelle auf und las vor: „Der Schlüssel zu deiner Lust ist die Göttin in dir, deren Leidenschaft du erwecken musst. Gelingt es dir, wird ihre Ekstase dich auf eine Woge der Lust heben und dich hinforttragen, hinauf zu ihren höchsten Gipfeln.    Sie schlug eine weitere Seite auf.    Und dann sah er mich an mit hochrotem Kopf und ließ sich auf alle Viere sinken. Ich starrte wie eine Gazelle auf ihren Jäger und wusste nicht recht, was ich tun sollte. ›Bestrafe mich, Herrin‹, flüsterte er heiser, und als ich noch immer nicht verstand, entblößte er seine makellose Kehrseite, die geformt war wie ein praller, rosiger Apfel. Sein Gemächt aber war steif und hart, und ich konnte seine Lust erahnen, ...    Sie klappte das Buch wieder zu, räusperte sich und griff sich einen der Seidenbeutel. Sie zog etwas Unförmiges heraus, was aussah wie ein Pilz.     „Für was soll das denn gut sein?“, fragte Kinara und hielt das Dingen vor Hidrons Nase.     „Keine Ahnung“, log er, „Vielleicht ein Mörser.“     Kinara bekam den richtigen Gedankenblitz und warf das Teil wieder in die Kiste.     ‚Oh Isra, du bekommst von mir was zu hören! Die ach so prüde Isra!‘, dachte sich Kinara.     Hidron öffneten einen weiteren seidenen Beutel, auf dem sich auch das stilisierte Rahja-Symbol, diesmal als Stickerei, zeigte, zog eine einen Spann[Fußnote 31] lange rote Kerze heraus und stellte sie auf einen kleinen Schemel.     „Sollen wir sie anzünden?“, fragte er Kinara.     „Mach mal!“     Beide setzten sich auf den Boden – zwischen ihnen die Kerze ...     „Riecht ein wenig nach ...“, Hidron schnupperte, zuckte aber dann mit den Schultern.     Beide schauten die Kerze ein paar Minuten an, bis Kinara ein verblüfftes Gesicht machte.     „Die brennt ganz schön schnell ab! Was hat man davon, wenn so eine Kerze nur eine halbe Stunde brennt? Wir sollten sie erstmal löschen.“     Hidron zuckte erneut mit den Achseln und pustete dann mit zu viel Kraft die Kerze aus, so dass gut eine Unze[Fußnote 32] Wachs in Kinara Gesicht und auf ihre Brust spritze.     „Aua!“, sie sprang auf.     Hidron verzog sein Gesicht, bereit, eine Entschuldigung zu äußern, doch fast im selben Moment wurde die Tür aufgerissen und ein paar Frauen, mit Deaszeah und Isra im Anhang, in das Zimmer platzten.     Die zwei Stunden waren um, und Hidron und Kinara hatten anscheinend das Zeitgefühl verloren.     Eine wahrlich peinliche Situation für beide. Nicht so für die anderen Beteiligten. Hidron klappte schnell den Deckel der Kiste zu, um den restlichen Inhalt[Fußnote 33] vor den Blicken der anderen zu verbergen. Fast im selben Moment riss er auch eine Decke an sich, ohne zu merken, dass Kinara nach dieser griff, und bedeckte damit seine Scham. Kinara hingegen schaute nur entsetzt, als das Textil vor ihren Augen weggeschnappt wurde, hatte aber keine Zeit Hidron zu tadeln und bedeckte schnell ihre Blöße mit ihren Händen.     Nachdem nun Deaszeah und Isra es geschafft hatten, das Zimmer nach den ganzen anderen ungezügelten Frauen zu betreten, blieben sie erstmal ein paar Sekunden entgeistert stehen. Kinaras Gesicht und Brust waren mit roten Flecken übersäht. Isra dachte zunächst an Blut, setzte dann direkt einen an Hidron bestimmten bösen Blick auf und griff nach ihrer Heilertasche, hielt aber inne, als sie erkannte, was es wirklich war. Würde man ihren Blick mit einem Fragezeichen figurativ ausschmücken, müsste man mindestens drei von ihnen anwenden.     Die Frauen schnappten sich Kinara, wickelten sie in ein Tuch und brachten sie und Hidron ins Bad, um sie dort zu waschen und anzukleiden. Kinaras Protest, sie könne sich doch selbst waschen, wurde geflissentlich von den Waschfrauen überhört. Man kleidete danach beide wieder in ihre Gewänder, welche sie auch während der Zeremonie trugen. Anschließend wurden sie wieder auf die Feier zurückgeholt.         2.3 Das Fest     Kichernd und lachend zogen einige junge Mädchen den Ehemann in die Festhalle, während die Gemahlin von den jungen Burschen umringt wurde. Die Spielleute griffen in die Saiten und spielten mit Fidel, Leier und Untertrommel zu einem fröhlichen Tanz auf, in den sich die Brautleute mit ihren Freunden ausgelassen einreihten.     Hidron wurde, mehr oder weniger, die gesamte Zeit von Kinara beschirmt. Nicht weil sie auf andere Tanzpartner eifersüchtig gewesen wäre, sondern um Hidrons doch sehr sichtbare Beule gegenüber den Blicken anderer verdeckt zu halten. Trotz allem musste er sich des Öfteren Bemerkungen, wie „Möchte da jemand wieder mit seiner Braut aufs Zimmer?“, oder „Rahja scheint euch wohlgesonnen zu sein“, gefallen lassen. Kinaras Gesicht wurde zunehmend röter aus Scham.     Natürlich ließen es sich der Herzog Waldemar von Löwenstein, Dietrad von Ehrenstein und ein paar diverse Ritter, mit denen das Brautpaar in den letzten Wochen vor der Hochzeit öfters einige Kampftechniken praktizierten, nicht nehmen, auch mit der Braut zu tanzen.     Aber auch der Bräutigam stellte sich tapfer seinen Tanzgefechtspartnerinnen, wie Dea, Isra und sogar der Frau des Herzoges: Yolina von Aralzin. Letztere errötete keineswegs, sondern schmunzelte in sich hinein. Die fast sechzigjährige Frau, welche fast so groß wie ein Troll war, umfasste Hidrons Oberarm mit ihren Pranken und forderte ihn zu einem Armdrücken für später heraus.     Es sei angemerkt, dass keines der Kinder mit Hidron getanzt hat – denn Deaszeah fiel es beileibe zu schwer, ihre Konzentration für die Zauberdämpfung hier aufrecht zu halten.     Nachdem Kinara von ihrem vorletzten Tanzpartner, einem Mitglied des Donnerordens, welcher ihr beinahe bei jedem zweiten Schritt auf die Füße trat, entlassen wurde, stand sie wieder an Hidrons Seite. Seit Beginn des Einstimmungstanzes wurde ihr Atem von Minute zu Minute schwerer. Und als nach gut einer Stunde sich dieser Tanz dem Ende zuneigte, keuchte sie: „Das ist anstrengender als zu kämpfen“, und hielt sich an Hidron fest. „Ich muss mich hinsetzen!“     Jedoch, reihte sich ein weiterer Mann, diesmal sollte es der letzte Tanzpartner gewesen sein, ein und reichte ihr die Hand. Und wie es die Etikette vorschrieb, durfte sie diesen Wunsch nicht abschlagen.     Es war ein bärtiger älterer Ritter, wohl einer vom Bärenorden. Sein Gesicht kam ihr bekannt vor, aber sie konnte es nicht genau zuordnen. Er tanzte gut und wirbelte Kinara sogar mehrmals herum.     Nach kurzer Zeit bildeten sich in ihrem Blickfeld schwarze Punkte und als sich ihre Sicht kurz verfinsterte, sah sie zwar immer noch ihren Tanzpartner, doch seine Gesichtszüge wirkten anders.     Kinara fuhr zusammen.     Es war das Gesicht des Mannes, welcher aus dem Kessel im Nachtschattenturm stieg.     Ihr Auge begann zu schmerzen und sie schrie kurz auf und stieß den Mann von sich weg. Er stolperte leicht nach hinten und schaute, ebenso wie ein paar andere Tanzende, sie verwirrt an. Dschelef sprang von seinem Stuhl auf und blickte alarmiert in Richtung des Geschehens. Deaszeah und Isra bekamen all dies auch mit, wirkten aber gelassen – trotzdem, die Kryptikerin[Fußnote 34] stellte ihre dissonante Einstimmung instinktiv auf Menschen ein und Isra suchte mit ihren Sinnen den gesamten Saal ab. Die anderen, nicht unmittelbar in Kinaras Nähe stehenden Gäste, nahmen diesen Zwischenfall gar nicht zur Kenntnis.     Kinara bemerkte jedoch schnell, dass sie Opfer der eigenen Wahnvorstellung war, und reagierte unwillkürlich mit vorgetäuschten Bauchschmerzen – Schmerzen hatte sie ja so oder so, jedenfalls an ihrem Auge, und ihre Schwangerschaft war den meisten der Anwesenden bekannt.     Sie entschuldigte sich bei ihrem Tanzpartner, der aber machte ihr keine Vorwürfe, sondern bat selber um Verzeihung und bot ihr mehr als besorgt seine Hilfe an. Die brauchte sie in zweierlei Hinsicht nicht, denn Hidron war ihr sofort zur Seite und die Bauchschmerzen waren eh nur vorgetäuscht.     Die Schmerzen am Auge ließen nach, während Hidron Kinara in seine Arme nahm.     „Geht es dir gut?“     Kinara nickte.     „Wie wäre es, wenn wir eine Pause einlegen? Anscheinend wollen unsere Gäste uns beschenken.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihren ehemaligen Kutscher Boril Bagoltin, welcher ein kleines verschnürtes Päckchen in den Händen hielt und hin- und herdrehte. Kinara nickte, sichtlich erschöpft.     „Ja, setzen wir uns, und nach den Geschenken sollten wir das Bankett eröffnen.“     Hidron vernahm ein leichtes Knurren aus der Magengegend seiner Frau.         Man hatte für das Hochzeitspaar und deren Gefährten einen eigenen Tisch hergerichtet. Ein Blumenarrangement aus Blausternen und Schneerosen schlängelte sich um die acht Kerzenständer, in denen dicke Honigkerzen brannten. Zu Kinaras rechter Seite saßen Deaszeah und Isra und zu Hidrons linker Seite Krätz. So saßen sie vorerst ein paar Minuten, um wieder zu Atem zu kommen. Dann sprach Hidron sie an: „Mein Schatz, ich möchte dir gerne ein Geschenk machen.“ Er stand auf und nahm Kinaras Schwert, welches zusammen mit seinem Tetsubo direkt hinter ihnen an der Wand lehnte, und überreichte es ihr.     Kinara stand langsam auf. „... Mein Schwert?“     Hidron deutete auf die Innenseite des Knaufes. Kinara schaute sich den Knauf genauer an: „Da ist irgendwas eingraviert. Hast du das gemacht Hidron?“     „Machen lassen“, erwiderte Hidron.     Kinaras Miene erhellte sich. „Was bewirkt sie? Eine Verzauberung?“     Hidron lächelte Kinara an. „Das wirst du vielleicht bei den Übungsgefechten gleich herausfinden. Ich glaube, wir werden heute Abend ein paar Schaukämpfe veranstalten müssen.“.     „Das ist gemein mir so eine Information vorzuenthalten!“, schmollte sie verspielt, „Aber das ist lieb von dir, dass du mir etwas schenkst. Vielen Dank mein Schatz!“ Sie küsste und umarmte ihn.     Nachdem sie wieder voneinander ließen, wandte sich Kinara an Deaszeah und Isra im Flüsterton: „Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass er mir was schenken wird? Ich habe jetzt nichts für ihn! Was mache ich denn jetzt? ... Ich könnte ... könnte ... nein ... oder doch?“     Deaszeah und Isra schauten ihre Freundin lächelnd an und zuckten dann mit den Schultern. „Also für uns ist dieser Brauch auch neu, dass sich die Brautpaare gegenseitig etwas schenken. Aber es macht ihm Freude, wenn du dich freust.“     „Mir ja auch wenn er sich über ein Geschenk von mir freut,“ bemerkte Kinara, „aber was ist, wenn er deswegen traurig wird, weil er von mir nichts bekommt?“     Hidron beobachtete Kinara, wie sie mit den beiden flüsterte. Kinara lächelte ihn an und stand auf. „Mein Sonnenschein, auch ich habe etwas für dich.“     Hidron erhob sich ebenfalls. Kinara nahm seine Hand, auf dem der Ring des Weltenschleiers steckte.     „Schließ bitte deine Augen!“     Beide schlossen ihre Augen. Die Musik der Spielleute wurde leiser, bis sie ganz verschwand. Der Duft der Honigkerzen verflog. Das Einzige was Hidron noch fühlen konnte, war Kinaras Hand, die seine festhielt. ...     „Schatz, kannst du mich hören?“     Er bejahte ihre Frage.     „Öffne deine Augen!“     Es war dunkel.     Kinara sprach weiter: „Mein Licht, soll dein Licht sein.“     Ein winziger Lichtschein flackerte zwischen den beiden auf und fing in einem warmen Gelbton an zu pulsieren. Einige Minuten vergingen und beide saßen nun Hand in Hand und ihre Körper berührten sich.     „Lathaerum![Fußnote 35]    Es ertönte ein flüchtiges Geräusch, als ob jemand mit einem feuchten Finger über den Rand eines Glases gleitet. Das Licht erstrahlte und erfüllte ein kleines Zimmer. Hidron bemerkte, dass er und Kinara etwas zusammen in ihren Armen hielten. Er wusste es sofort: Es waren ihre Kinder.     „Dies ist jetzt auch dein Licht, welches die Finsternis in dir vertreibt. Hidron ...“, Kinara schluckte, den Tränen nahe, „immer wenn die Finsternis nach dir greift, berühre das Licht.“     Visionen und Abbilder wurden sichtbar, verschwanden wieder und zogen wie Lichterwolken am Lebensfirmamente Kinaras umher.     Dies ist ihr Wille etwas Gutes zu erschaffen auch in tiefster Nacht.     Hidron nahm wahr, dass vielmehr dahinter steckte, denn sollte er Kinara jemals verraten, würde das Licht schwächer oder restlos seine Existenz erlöschen. Er hatte nun durch den Ring des Weltenschleiers nicht mehr ausschließlich Einsicht in Kinaras Erinnerungen, sondern soeben auch Zugang in und auf ihr Seelenleben als Geschenk empfangen. Er wusste sich nicht zu äußern, spürte er doch das Verlangen all seine Ängste und Schmerzen in ihrem Licht zu lindern.     Beiden saßen wortlos noch eine Weile so da, dann erklang aus der Ferne sehr leise Musik, welche sich in ein Crescendo steigerte und mit einem Duft von Honig begleitet wurde. Das Zimmer und die beiden Kinder verblassten.     Etwas wehmütig schaute Hidron noch in seine Arme. Dann standen beide wieder im Festsaal.[Fußnote 36] Isra hat beide beobachtet, wie sie das Reich des Ringes verließen. Für Außenstehende sah es aus, als wären die Reisenden schlaftrunken oder komplett regungslos. Isra wurde des Akashas beider ansichtig und stieß gedanklich einen gewaltigen Seufzer aus, der eher ein Aufschrei hätte sein können. ‚Dieses Mädel gönnt mir auch keine Ruhe!‘, Isra stellte sich auf dornenreiche Zeiten ein.         Keiner bekam mit, wie Meri ein Buch hervorholte, auf dessen Einband eine metallene Eule eingelassen war, und folgenden Eintrag mit der Feder eines mysteriösen Vogels vornahm: Du hast die Nacht erschaffen, mein Herz ruft zu den Waffen. Verrat steigt aus dem Schatten empor, und die Treue ihre Krone verlor. Getäuscht zu blinder Wut, verdunkelt der freie Mut. Wenn Liebe nur mit Hass gedeiht, die Güte nach Verleumdung schreit. Ein Licht, das in der Dunkelheit schreibt, alles Böse in uns vertreibt.         Das Päarchen saß nun Arm in Arm an seinem Tisch, bis Krätz an Hidrons Waffenrock zupfte. „Ämmm ... hier das ist für euch. Die Linai hat mir den Vorschlag gemacht. Ich hoffe, es ist hilfreich.“     Er stellte einen kleinen Koffer auf den Tisch – der Inhalt klirrte ein wenig. Hidron öffnete ihn und zum Vorschein kamen sechs kleine Glasfläschchen mit Schraubverschlüssen, gummierte Aufsätze und eine kuriose Vorrichtung.     „Eine Schnapsbrennerei?“, fragte Kinara.     „Ähhh, nein nein! Das ist zum ... zum ...“, Krätz schaute sich nervös um und kratzte sich am Kopf. Ein paar Gäste hatten ihre Hälse gereckt um einen Blick auf den Inhalt des Koffers zu werfen. „Also ...“, Krätz räusperte sich.     „Vielleicht demonstrierst du es mal“, schlug Kinara vor.     Ihr Gefährte quiekte panisch auf, nahm dann aber heldenhaft die Vorrichtung in die Hand und ... setzte einen Teil davon auf Kinaras Brust – über ihren Wappenrock. Er griff dann mit der anderen Hand einen faustgroßen Blasebalg und fing an, den Balg rhythmisch zu drücken.     Es vergingen einige Augenblicke, dann blickte er, während seine Hand immer noch pumpte, zu Kinara auf. Die schaute ihn perplex an. Er erwiderte ihren Gesichtsausdruck mit: „So ein ähnliches von mir konstruiertes Gerät habe ich mal bei einer Kuh ausprobiert, aber du hast als Mensch einen anderen Körperbau, jedenfalls da diese ... diese ... Milchdrüsen, und ich fand keine freiwillige Versuchsperson für eine Kalibrierung. Außerdem könnte ich dir die Funktion besser zeigen, wenn du keinen Waffenrock trögest.“     Man muss es Krätz zuteilwerden lassen, dass er in keiner Weise irgendwelche sexuellen Hintergedanken hegte, noch Kinara in Verlegenheit bringen wollte. Es beruhte auch auf Gegenseitigkeit. Krätz war weder Mensch, noch Elf, noch Zwerg. Er gehörte der Spezies des Rattenvolkes an – große Ratten in humanoider Form[Fußnote 37] ...     „Ämm ... das ... das kannst du später machen, aber nicht hier vor den ganzen Leuten. Ich gehe davon aus, dass sie Muttermilch abpumpt und in die Flaschen füllt? Du denkst wirklich mit Krätz. Hidron und ich freuen uns sehr über dieses Geschenk. So kann er auch unsere Kinder stillen ... während ich zum Beispiel nachts weiterschlafe. Danke Krätz!“     Mit einem Grinsen im Gesicht schaute Kinara ihren Mann an. Er hatte sich in der Zwischenzeit wieder an seinen Platz gesetzt und schaute sie ahnungslos an.     Krätz erklärte dann noch ein wenig die Funktionsweise der gesamten Apparatur.         Einer ihrer Verbündeten näherte sich ihrem Tisch. „Meine Freunde, meine Glückwünsche für euren Bund!“ Dschelef stand mit einem in Atlasstoff verschnürten kleinen Bündel vor dem Brautpaar. „Ich möchte euch dieses kleine Geschenk überreichen.“ Er legte das Bündel auf ihren Tisch und entfaltete es. Zum Vorschein kam eine kleine verzierte Öllampe aus Messing.     Hidron strahlte: „So etwas kenne ich! Das ist ein Soßenkännchen! Haben die Leute mit ordentlich Patte[Fußnote 38] bei den Fressgelagen genutzt, da wo ich herkomme.“     Kinara blickte für zwei Sekunden in die Leere und atmete tief durch. Dschelef schaute zwischen beiden hin und her.     „Ja, mein Schatz.“, bekräftigte sie, „die aus meiner Heimat waren dagegen aus Stein und die Soßen sehr oft mit Honig verfeinert.“     „Ämmm ...“, warf Dschelef ein, „bitte nicht mit Soßen befüllen diese Lampe! Es ist eine Dschinnlampe. Der Dschinn, der dort drinnen wohnt ...“     „Ah, davon habe ich schon gehört, dann hat man drei Wünsche oder so frei.“, unterbrach ihn Hidron.     „Nein, das nicht,“, setzte Dschelef fort, „aber er kann für euch drei Botschaften an mich übermitteln, über jegliche Entfernung, und auch die entsprechenden Antworten meinerseits, sollte diese gewünscht sein.“     „Das ist wirklich ein sehr wunderbares Hadije[Fußnote 39] Dschelef“, bedankten sich beide Empfänger gleichsam.     „Dschelef,“, brachte Kinara ergänzend vor und sah sich verstohlen um. Sie setzte mit gedämpfter Stimme fort: „Liegt es im Bereich des Möglichen, meine Familie mit Hilfe des Dschinns zu kontaktieren?“     Dschelefs Miene zeigte Bedauern. „Oh, meine Tochter, es tut mir leid, aber leider kannst du kein Wort damit an deine Familie richten, denn der Dschinn und ich haben ein Abkommen und er kann nur mich drei Mal kontaktieren, bevor er von seiner Schuld erlöst wird.“     Kinara wirkte niedergeschlagen und Hidron legte seine Hand auf ihre Schulter. Dschelef schaute sie beunruhigt an. „Ich wollte euch beide nicht kränken mit dem Geschenk, es tut mir leid, wenn ich es doch getan habe.“ Er macht Anstalten sich tief zu verbeugen, aber Kinara schritt mit ihren Worten dazwischen: „Nein, nein, nicht, Dschelef, das Geschenk ist wunderbar. Es eröffnet uns für unsere Kampagne Optionen des Informationsflusses, welche dringend nötig werden könnten. Ein sehr taktisches Geschenk. Und wir sind beide sehr berührt über diese wertvolle Gabe. Und ich bin es, welche sich für ihre Reaktion entschuldigen sollte.“ Kinara machte auch Anstalten diese Abbitte unterwürfig und wortwörtlich zu beknien. Dschelef unterbrach sie, indem er ihr geschickt keinen Platz ließ: „Meine Tochter, bitte, einigen wir uns darauf, dass es ein Missverständnis war.“     Kinara nickte und war froh, dass sie nicht in einer unendlichen Entschuldigungsverschachtelung den Rest des Tages verbringen musste.     Als Dschelef wieder an seinem Tisch Platz nahm, stieß Kinara Hidron in die Seite: „Du solltest unsere Gäste nicht interpellieren.“     „Inter ... was?“ Hidron schaute sie fragend an, während er immer noch die Dschinnlampe inspizierte.     „Das Wort abschneiden ... dazwischenquatschen ... übers Maul fahren ... jemanden keinen Gedanken zu Ende führen lassen ...“, Kinara klopfte ihm auf die Schulter ... ‚Soßenkännchen‘, dachte sie und kicherte in sich hinein.         Ein weiterer Schenkender näherte sich dem Ehepaar.     „Oh hallo, Boril!“, begrüßte Hidron ihren ehemaligen Kutscher. Kinara reichte ihm die Hand.     „Euere wohlgeborene Kinara Falrik, euer wohlgeborener Hidron Isindal. Ich spreche meine Glückwünsche zur Vermählung aus und möchte dieses bescheidene Geschenk überreichen.“     Kinara nahm es entgegen und öffnete es. Zum Vorschein kamen zwei Tabakpfeifen und ein gefüllter Tabakbeutel.     „Danke Boril! Die können wir gut auf unserer Reise gebrauchen.“     Er nickte ihnen zu und begab sich wieder an seinem Tisch.     „Du rauchst doch gar keine Pfeife“, warf Hidron ein.     „Pscht!“         Als Nächstes stellte sich Selinde vor das Hochzeitspaar. Die Hochgeweihte hatte sich in der Zwischenzeit umgekleidet und stand nun mit einem schlichten, tiefroten Kleid, auf dem sich eine kleine goldene Stickerei eines Löwen auf Herzhöhe zeigte, vor dem Brautpaar. Sie hatte ihre Haare hochgesteckt und mit Hilfe einer Nadel, in Form des Symboles der Göttin Rondra, festgehalten. In ihren Händen hielt sie ein Buch, auf dessen Einband Brevier der zwölfgöttlichen Unterweisung stand.     „Alles Gute euch beiden, möge euch die Leuin auf ewig den Weg weisen. Nehmt dies als mein Geschenk. Ich habe vernommen, ihr seid sehr belesen und dachte mir, ein wenig Götterkunde wird euch sicherlich gefallen.“     Kinara nahm das Buch an, und noch bevor sie sich bedanken konnte, eröffnete Hidron das Wort: „Ich lese eigentlich gar nicht.“     Kinara trat ihm leicht auf die Füße. „Danke euer Hochwürden. Es stimmt, ich lese gerne und freue mich dieses Exemplar lesen zu dürfen. Und ... ich lese Hidron immer vor. Deswegen liest er so gut wie gar nicht mehr.“     Selinde lächelte und verabschiedete sich.         Stallmeister Thomas gesellte sich auch noch kurz zu den beiden und schenkte ihnen zwei Satteldecken und eine Striegelbürste.     Danach traten Walpurga und Dietrad an das Ehepaar heran. Beide wurden flankiert von jeweils einer Burgmagd und die Hände aller vier waren beladen mit diversen Geschenken. Die frisch gebackenen Eltern beglückwünschten Hidron und Kinara zu ihrem Bündnis. Walpurga trug eine Kinderwiege, welche gefüllt war mit Babykleidung.     „Arlan ist schon aus diesen Sachen rausgewachsen. Meine Güte, ich hätte nie gedacht, dass das so schnell geht! Ich habe auch ein paar Sachen für euer Kind neu schneidern lassen..“     „KindER!“, warf Hidron ein.     Walpurga lachte: „Da ist aber jemand beharrlich, was die Zukunft angeht.“     „Vielen Dank Walpurga, vielen Dank Dietrad. Die Wiege ist sehr schön und Kleider auch.“, entgegnete Kinara.     „Da sind zwei drin. Wir haben auch schon Nam... “, erwähnte Hidron und tätschelte dabei Kinaras Bauch.     Sie schnitt ihm das Wort ab: „Es werden Zwillinge. Isra sagte es uns.“     Ihre Freundin spitzte die Ohren, als sie ihren Namen hörte.     „Das freut mich so für euch.“ Walpurga umarmte beide. „... Oh nein, jetzt haben wir euch nur eine Wiege geschenkt. Ich lasse direkt eine Zweite anfertigen.“, fügte Walpurga bestürzt hinzu.     Kinara winkte ab: „Habt keine Sorge, mehr können wir nicht annehmen. Außerdem glaube ich, dass mindestens ein Kind eh immer wach sein wird.“     Selinde und Dietrad grinsten. „Wenn ihr Glück habt, dann schlafen eure so wie unser Arlan – ohne Unterbrechung. Aber hier schaut: Wir wissen, dass ihr bald abreist, diesen kleinen Waschzuber mussten wir euch unbedingt schenken. Ich hoffe, die Schnitzereien gefallen euch.“     Hunderte diverse Tierarten in allen möglichen Szenen – einige davon sehr makaber dargestellt. ‚Der Künstler hatte sich wohl so sehr verausgabt, dass man ihn nach Fertigstellung mit einer Zwangsjacke abholen musste‘, dachte sich Kinara und wandte sich an die beiden Schenkenden: „Er ist wirklich sehr ... schön. Vielen Dank!“     Nun trat Dietrad mit einen schmalen Koffer an Kinara heran: „Ich möchte der Braut noch ein Geschenk machen. Allein schon als Dank für die ganzen Liedtexte, welche sie mir vermacht hat.“     Er überreichte Kinara den Koffer. Sie inspizierte ihn zunächst. Er war aus Birkenholz gefertigt und nicht verziert. Sie öffnete ihn.     „Eine Laute, eine Laute, eine Laute, eine Laute!“, Kinara hüpfte aufgeregt auf der Stelle auf und ab und freute sich wie ein kleines Kind, welches man ein einzigartiges Spielzeug in die Hand drückte.     „Schau mal Hidron ich habe eine Laute! Dea, Isra, Krätz, schaut mal, ich habe eine Laute!“ ...     „Wusstet ihr eigentlich dass, das Wort Laute aus dem tulamidischen abstammt? Dort nennt man sie Al’ûd, was so viel heißt wie das Holz und daraus entwickelte sich hier das Wort Laute.“, erklärte die immer noch ganz euphorische Kinara.     „Wenn ihr wollt, kann ich euch gleich ein wenig unterrichten“, warf Dietrad noch ein, als er und seine Frau sich wieder zurückzogen.     Pling!     „Oh schau mal Dea, sie gibt sogar Töne von sich!“     „Muss daran liegen, dass es ein Musikinstrument ist Kinara.“         Die Ritter des Bärenordens schenkten ihnen alle gemeinsam ein Übungsschwert für ihren Nachwuchs und einen verzierten Dolch.     Ein weiteres Übungsschwert für Kinder schenkte der Donnerorden mitsamt zwei Waffenpflegesets, als Gemeinschaft. So hatten beide Orden, passend und ohne Absprache untereinander, Zwillingsschwerter geschenkt.     Vereinzelte Ritter beider Orden schenkten noch zwölf Zinnteller und Becher. Dazu passendes Zinnbesteck. Zwei einfache Silberpokale, mit dem Wappen des Bärenordens verziert. Eine Eisenpfanne. Ein Eisentopf mit zwölf Maß[Fußnote 40]. Ein Bratspieß aus Eisen. Zwei Paar Schneeschuhe. Drei Wolldecken. Zwei Paar Wollhandschuhe. Eine Stoffpuppe. Zwei Eierbecher, dazu zwei Hühner. Außerdem noch eine Obstschale.     Hidron und Kinara bedankten sich bei allen Schenkenden, auch wenn sie nicht wirklich wussten wohin mit den beiden Glucken.         Nachdem alle Geschenke verteilt wurden, stand der Aufbau für das Bankett auch schon in den Startlöchern. Es musste nur noch aufgetischt werden. Kinara tanzte den Schleiertanz[Fußnote 41] Sich vor Ansprachen drücken. Aber es half nichts, man hatte ihr gesagt, dass von dem Brautpaar eine Ansprache erwartet wird. Kinara wusste aber nicht so richtig, was sie sagen sollte aus dem Stegreif und sie fand es doof, Geschriebenes abzulesen.     Alle Anwesenden befanden sich auf ihren Plätzen und es wurde ruhig im Saal.     Kinara stellte sich hin und knurrte leise in sich hinein, als sie bemerkte, dass sie im Stand ein Stück kleiner war, als sitzend auf dem Stuhl. Hinter dem Blumengesteck, welches ihr Gesichtsfeld ausfüllte, konnte sie kaum eine Rede halten. Yolina, die Frau des Herzogs, schaute Kinara etwas ruhelos an. Denn es war sie, welche den Tisch samt Stühle ausgewählt hat. Anscheinend hatte sie zwar dafür gesorgt, dass der Zweimetermann Hidron bequem Platz nehmen konnte, ohne sich seine Kniescheiben zu stoßen, aber an das Detail, dass Kinara jetzt doch ziemlich verloren wirkte, hat Yolina nicht gedacht. Hidron bemerkte, wie sich seine Gemahlin mehrmals auf die Zehenspitze stellte – die Hoffnung starb zuletzt.     Gerade in dem Moment als Kinara anfing, auf ihren Stuhl zu klettern, fasste Hidron sie unter ihren Achseln und setzte sie sich auf seine Schulter. Zufriedenes Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit, bei dem Gedanken Kinara etwas Gutes getan zu haben. Sie errötete und ließ davon ab sich zu wehren, um eine Verschlimmerung der Situation zu vermeiden. Glücklicherweise hatte Kinara sich dafür entschieden, unter dem Wappenrock kein Kleid zu tragen, sondern eine Hose. Fast jeder der Gäste runzelte seine Stirn. Anders als erwartet fingen sie aber nicht an zu kichern, und ein jeder hatte eine Miene aufgesetzt, welche ein Ich schenke dir, meine volle Aufmerksamkeit verriet.     So viel Respekt war Kinara nicht gewohnt, hatte sie sich schon darauf eingestellt mit Gickeln und Schmunzeln bedacht zu werden. Hidron rührte sich kein Stück und geriet bei Kinaras Federgewicht auch nicht ins Wanken.     ‚Bleib ruhig Kinara! Das sind nicht deine Feinde. Es sind deine Freunde!‘ ... Und da war es wieder, das Wort Freunde. Sie schaute in all ihre Gesichter. ‚Wer wird den nächsten Winter am Hafen der Vergangenheit stehen?‘     Es war zu viel für sie. Trotzdem fing sie an zu sprechen: „Þakka vinum þínum ...“, und verfiel damit in ihre Muttersprache.     Die Gäste schauten sie mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Verständnis an. Als sie es bemerkte, erschrak sie: „ ... Ich ... ich ... ich möchte euch allen danken. ... Danke! ...“     Mehr bekam sie nicht raus. Hidron merkte, wie sein Haupt nass wurde. Kinara presste ihr Gesicht gegen seinen Kopf[Fußnote 42].     Die nächsten paar Sekunden herrschte unangenehme Stille im Saal, welche nur durch ein paar zerstreute Räusperer unterbrochen wurde. Hidron setzte sich mit Kinara auf den Schultern wieder hin. Sie klammerte sich noch immer an ihn fest. Die Gäste merkten unterdessen, dass die Rede, wenn auch eine Kurze, beendet war, und stampften und johlten Kinara zu.     Sie blickte wieder auf und schaute sich die Leute durch einen Tränenschleier an – und ein Lächeln zeigte sich in ihrem Gesicht. Hidron nahm sie wieder von seinen Schultern und begann selbst mit einer Rede.     Er erzählte, wie er Kinara kennengelernt hat. Was er für sie empfand. Und er dankte auch allen, dass sie so zahlreich erschienen waren™. Kinara wirkte erleichtert, dass er durchaus eine gute Rede halten konnte.     Dann war es an der Zeit, dass die Gesellschaft endlich was zwischen die Zähne bekam.         Kinara schaute Hidron voller Argwohn an, als das Bankett, welches obendrein mit einem Buffet glänzte, aufgebaut wurde.[Fußnote 43] Des Weiteren wurden Weinkaraffen, Flaschen mit „teuren Etiketten“, exotische Früchte, welche wahrlich nicht in dieser Klimazone gediehen, aufgetischt. Das Porzellan und Silber waren die Kirsche auf der Torte dieser dukatenschmälernden Dekadenz. Nun nicht wirklich dekadent, aber dennoch schluckte sie, da sie ihrem Hidron die finanzielle Handhabe und Logistik über die Festivität überlassen hatte.     ‚Ich hätte Dea und Isra darum bitten sollen‘, seufzte sie in sich hinein – es war eher ein Jammern.     Aber wie sollte sie ihn kritisieren, wo sie doch selber fast einhundert Dukaten für die Waffenröcke ausgegeben hat? Nur an Material! Das Anfertigen jener war ihre Eigenarbeit.     ‚Dessen ungeachtet ist so ein Kleidungsstück für die Ewigkeit! Eine Flasche Wein, importiert aus einem zweitausend Meilen entfernten Land hingegen ...‘, sie wollte diese Gedankengänge lieber nicht weiterführen, dann die Verzauberung des Schwertes ... ‘     Ihre Hand wanderte automatisch in ihr Haar um an einen der beiden Zöpfe, welche aus einem Chignon[Fußnote 44] entsprangen, zu ziehen – sie griff ins Leere. ‚Ach ja, ...‘, erinnerte sie sich. Stattdessen strich sie ihren Waffenrock glatt. Hidron lächelte sie mal wieder an. Sie lächelte zurück.         Als der Herzog sich erhob, wurde es abermals still im Saal. Waldemar der Bär gab seinem Spitznamen alle Ehre, denn der turmhohe Mann war sogar um einen Finger[Fußnote 45] größer als Hidron. Er und Yolina sprachen ihre Glückwünsche während des Einstimmungstanzes aus. So blieb der Bär an seinem Platze und hielt eine geräuschvolle Ansprache, in der auch schon ein wenig der Met mitschwang.     „ ... Als ich die Beiden, ach, die Fünf zum ersten Mal sah – es war ein kalter Tag und Firun hatte das Land schon fest in seinem Griff – konnte ich meinen Augen kaum trauen. Eine Gruppe Menschen, wie sie verschiedener nicht sein könnten. Aus einem fernen Land ... Ohne zu zögern, nahmen sie sich meines Hilfegesuchs an und erledigten in den darauffolgenden Wochen die Schrecken, welche unser Land heimsuchten, unter Einsatz ihres Lebens ... Und damit noch nicht genug – böse Mächte hatten sich im Nachtschattenturm bei Baliho gezeigt. Auch hier zögerten sie nicht, ihre Hilfe anzubieten, und waren dort auch erfolgreich[Fußnote 46]. Wegen ihrer Leistungen nahm ich sie in den Bärenorden auf. ... Genau solche Leute braucht das Land und genau solche Leute sind das Land! ... Auch wenn ihr die fernen Länder eurer Heimat nennt, so ist Weiden auch eure Heimat! Es ist mir und meiner Frau eine Ehre, euch zu unterstützen und deswegen sauft, speist und tanzt nach Herzenslust, denn dieses Fest ist unser Geschenk an das Hochzeitspaar!“     Kinara atmete bei diesen Worten erleichtert auf. Waldemar setzte seine Rede, nachdem sein Magen sich ein wenig seiner Luft entledigte, fort:     „... Ich muss außerdem sagen ...“,     Yolinas Hand wanderte unbemerkt unter den Tisch,     „ ... Hidron! Du bist ein ganz schön strammer Bursche und du kannst dich glücklich schätzen, eine so tolles, ehrliches, intelligentes, loyales, treues und gutaussehendes[Fußnote 47] Weib an deiner Seite zu haben. Und du Kinara, hast dir einen wirklich starken und zielstrebigen Burschen geangelt. Euer Größenunterschied ist ja, wenn man sich dran gewöhnt hat, kaum wahrnehmbar!“     Deaszeah verschluckte sich ob dieser Aussage fast an einer Weinbeere.     „Und solange es im Be...“,     Waldemar zuckte zusammen, als er Yolinas Ferse und zwickende Finger an seinen Beinen spürte,     „... im Kampf, ... im Kampf auch klappt, ist alles wunderbar. ... Und nun feiert alle schön!“     Nachdem der darauffolgende Applaus verklungen war, machten sich die Diener und Mägde daran aufzutischen.         Zentrale Zutaten der Küche waren klar ersichtlich Rindfleisch, Kohl in beinahe allen Varietäten und Zubereitungsarten, Kartoffeln, Wurzelgemüse, Neunauge und Käse.     Das Mahl bestand aus drei Gängen, wobei die Zwischengänge (und Nachspeisen) als Büffet zur Verfügung standen.     Den ersten Gang bildete ein Tatar vom Rinderfilet mit Meerrettich, Kapern und Sauerteigbrot. Im zweiten Gang servierte man gebratene Rindswurst auf Kartoffelpüree, Welschkraut[Fußnote 48], Preiselbeeren, gebackenen Zwiebeln und Majoransauce. Der dritte und letzte Gang strahlte mit einem Birnen-Mandelstrudel mit Weinbrandschaumcreme, Schokoladenmousse und Birnenragout.     Deaszeah tauschte ihre Mousse mit Kinaras Sabayon.     Das Büffet wartete mit anderen Häppchen auf, wie zum Beispiel: Weißem Käse auf Olivenbrot mit Schnittlauch, Tralloper Krachwurst mit Gewürzgurken, geräucherten Neunauge mit einer Preiselbeervinaigrette, Neunaugenpasteten, geräuchertes Roastbeef mit Traubenchutney, Zwiebel-Lauch Quiches mit Kräutercreme, marinierten Fenchel, Gulaschsuppe von der Rinderbrust mit Paprika und saurer Sahne, und noch einigem mehr.     Der Gedanke an die Kosten der Küche, obwohl der Herzog diese eh übernahm, war bei Kinara schnell verflogen, als sie sich nach dem ersten Gang zusammen mit Krätz über das Büffet hermachte.     Es war wie ein Wettkampf zwischen den beiden, wer den höchsten Berg Essen auf seinen Teller in kürzester Zeit bauen kann.     „Du hättest für uns aber nichts mitbringen brauchen Kinara,“ erwähnte Deaszeah als Kinara wieder zum Tisch zurückkehrte mit ihrem Essensberg.     „Was denn? Ich muss immerhin für drei Leute essen!“     Kinara schirmte dann ihren Teller mit beiden Armen ab und grunzte ihre Freundinnen kurz an.         Nachdem sich die meisten pappsatt gegessen hatten, fingen die Spielleute wieder an ihre Lieder anzustimmen. Hidron und Kinara mischten sich unter das sitzende Volk, um ein wenig zu konversieren.     Kinara hopste freudestrahlend mit ihrer geschenkten Laute in Richtung Dietrad und Walpurga. Letztere war gerade damit beschäftigt Arlan zu stillen. Sie unterhielten sich über alle möglichen Dinge, auch zum Beispiel über das Elternsein und mit Dietrad unterhielt sich Kinara über Musik im Allgemeinen. Sie ließ sich von ihm ein wenig zum Lautenspiel anleiten. Mitten in dieser Lehrstunde überlegte sie kurz und brach dann heraus: „Wie ist das mit der Anordnung der Töne im Griffbrett – wie gehe ich am besten mit der Stimmung nach reinen Quarten und den in der pythagoreischen Stimmung angebrachten Bünden um? An einigen Stellen ergeben sich doch dann entsprechend unreine Oktaven. Wenn ich zum Beispiel die Laute in groß a, klein d, klein g und h, eingestrichen e und a stimme, so müsste ich doch die Oktaven eingestrichen dis mit es und eingestrichen gis mit as um ein pythagoreisches Komma verstimmen? Aber, und das habe ich mich gerade gefragt, dann könnte man doch eine gleichmäßige zwölfstufige Temperatur anstreben. Dann verschwände das problematische Komma und alle Intervalle wären Vielfache des Halbtons von der Größe der Zwölfteloktave. So hätten wir eine Halbton-Näherung von achtzehn zu siebzehn. Oder als Proportionen in Potenzen wäre das die zwölfte Wurzel aus zwei.[Fußnote 49]    Dietrad schaute Kinara ein paar Sekunden lang regungslos an und antwortete mit: „... Ja.“     Seine Frau kicherte. Dschelef der in unmittelbarer Nähe saß und dem Gespräch ein wenig Beachtung schenkte, nickte und dachte sich: ‚Da hat sie natürlich auf mathematischem Wege recht. Ist sie wirklich keine Magierin? Eine sehr sonderbare Frau!‘     „Kinara“, fing Dietrad an, „ihr solltet euch weniger auf ... wissenschaftliche Theorien um das Lautenspiel bemühen, als um die Praxis es zu üben. Ich bin mir sicher, dass, wenn wir uns in einigen Monaten wiedersehen werden, ich mir ein paar Lieder von euch anhören darf. Und wenn ihr mit der Laute genausogut umgehen könnt, wie mit dem Schwert, dann werden es wohl wirklich wunderbare Lieder.“     Kinara errötete leicht. „Ich werde es mir zu Herzen nehmen. Danke für eure motivierenden Worte!“ Sie legte die Laute hin und hielt noch ein paar Minuten Arlan in ihren Armen. „Wenn wir von unserer Reise zurück sind, könnten unsere Kinder gemeinsam spielen.“     Die beiden Eltern lächelten sie an.         Hidron unterhielt sich mit Stallmeister Thomas während Kinara in ihr Gespräch mit Dietrad und Yolina vertieft war. „... und dann habe ich sie an den Haaren gepackt und von hinten genommen. Sie ist ein richtiges Luder“, brachte Hidron hervor.     Stallmeister Thomas nickte. „Meistens sind es die höflichsten Weiber, die am schmutzigsten im Bett sind.“     „Genau, und als sie dann auf mir ...“     Isra bekam das Gespräch aus fast zwanzig Schritt Entfernung gut mit, und wollte erst einen Apfel nach Hidrons Kopf werfen, entschied sich dann aber für etwas anderes und bat Deaszeah um Unterstützung. ...     „Kann ich machen“, teilte sie Isra mit.     Die Kryptikerin fing an, ihre Dämpfung stroboskopisch einzusetzen, so dass Hidrons drittes Bein mal stand, mal hing.     Es klopfte rhythmisch unter Hidrons und des Stallmeisters gemeinsamem Tisch.     „Was war das?“, fragte der Stallmeister.     „Ich glaube mein Schwanz.“     „Ihr könnt mit eurem Schwanz klopfen?“     „Sieht ganz so aus.“     Hidron drehte seinen Kopf zu der Verursacherin hin und sah die beiden Frauen mit vorgehaltenen Händen kichern.         Krätz gesellte sich zu seinem aktuellen Liebling, dem Buffet, welches natürlich noch nicht abgebaut war. Abwechselnd wanderte das Essen entweder in seinen Mund, auf seinen Teller oder, wenn es um die exotischen Speisen und Zutaten ging, in eine seiner Probenfläschchen.     Ein zwei bis drei Jahre älteres Mädchen, beobachtete ihn dabei und stupste ihn schließlich an. „Was machst du denn da?“     „Wer? Ich? Sammel Dinge, die ich vielleicht später noch gebrauchen kann.“     „Falls du später nochmal Hunger bekommst auf deinem Zimmer?“     „Kann sein. Was willst du von mir?“     „Ich ...“, das Mädchen wirkte etwas konsterniert, fasste sich dann aber schnell wieder. „Ich dachte mir, wir nehmen uns ein paar Weintrauben und gehen etwas an die frische Luft ... zusammen?“     Das Praioswunder machte Krätz zwar nicht hübscher, ... eher doch, denn wenn man die Rassenänderung mit einbezieht, sieht er nun mal aus wie ein ganz normaler durchschnittlicher junger Mann. Aber, es änderte natürlich nicht seine Umgangsformen.     „Ich finde die Luft hier drin gar nicht so schlecht. Draußen ist es zu kalt. Und wenn es kalt ist, zieht sich mein Schwanz immer zusammen. Das mag ich nicht so.[Fußnote 50]    Es dauerte nur einen Bruchteil einer Sekunde, bis Krätz dann der Gedanke ‚Arrrgs‘ ihm in den Sinn kam.     „Bitte was?“, fragte das Mädchen verdutzt.     „Das ist nur eine Redensart aus meiner Heimat. Dort tragen die Leute ihre Haare lang und binden sie zu Zöpfen und wenn es kalt ist, dann tragen sie diese eher offen ...“, Krätze hoffte, dass das Mädchen die Ausrede mit dem Schwanz schlucken würde.     „Ach so ist das! Willst du mir nicht mehr von deiner Heimat erzählen? Ich bin mein ganzes Leben nur in Weiden gewesen. Mein Name ist übrigens Torbenia.“     Sie reichte ihm die Hand. Krätz stellte eines seiner Probenfläschen beiseite. „Krätz.“     Sie ließ ihn nicht los und zog ihn Richtung Ausgang. „Komm mit Krätz, mein Mantel ist auch groß genug für uns beide!“     Krätz schaute hilfesuchend nach Hidron. Der aber war in einem Gespräch mit Stallmeister Thomas versunken. Torbenia zog ihn an Deaszeah und Isra vorbei. Auch diese achteten nicht auf seinen hilfesuchenden Blick und kicherten gerade nur. Aus der Ferne konnte er noch ein paar Lautenklänge von Kinaras musikalischen Übungsversuchen hören.     So war der Saal nun um zwei Personen ärmer.         Dietrad ließ es sich auch nicht nehmen seine musikalischen Künste zur Schau zu stellen. So sang er ein selbstverfasstes Lied in Skald[Fußnote 51] und eines in Shoanti[Fußnote 52]. Beide natürlich mit für das Brautpaar deutlich hörbarem Akzent.     Kinara war erstaunt, dass er trotz der wenigen Unterrichtsstunden, welche sie in den letzten Wochen für die Allgemeinheit gab, so schnell die Grundzüge beider Sprachen verinnerlicht hatte.         Es wurde immer später. Die Spielleute pausierten und Dschelef betrat die Tanzfläche. Er wies unter mehrmaligem Verbeugen das tanzende Volk an, ihm ein wenig Platz zu gewähren, und nahm dann eine Kanne voll Wasser und goss den Inhalt auf die Tanzfläche. Danach platzierte er eine Schüssel auf einem der Tische. Darin lagen Dutzende Sprossen Rosenkohl.     Alle sahen der kuriosen Vorbereitung gebannt zu.     „Luebat Alma‘ Alhaqiqa[Fußnote 53] – das Spiel um die Wahrheit und den scharfen Mund“, er fuchtelt ausgiebig mit seinen Armen, um den Worten etwas Bedeutung zu geben, stellte sich vor und begrüßte das Publikum mit einer ausgiebigen Tirade. Dann fing er an, das Spiel zu erklären.     „Ich habe den Rosenkohl mit alanfanischem Pfeffer[Fußnote 54] würzen lassen. Wisset, dass dieser Pfeffer euch Feuer spucken lassen wird“, er überlegte und ergänzte, da man bei diesem abergläubischen Volk nicht sicher sein konnte, ob sie diese Aussage wortwörtlich nehmen, „damit ist gemeint, dass er so scharf ist, dass es sich anfühlt, als ob euer Mund brennen würde.“     Meri, welche an einem Nebeneingang des Saales stand und alles beobachtete, grinste in sich hinein.     „Die Spieler können von euch gestellte Fragen beantworten und über das Wasser laufen“, er deutet auf die Wasserlache.     „Wenn sie die Wahrheit sagen, bekommen sie nur eine nasse Schuhsohle. Jedoch, wenn der Spieler schwindelt, wird seine Hose nass. Es dürfen nur Fragen gestellt werden, welche dem Spieler keinen Schaden zufügen oder gar ihn in seiner Ehre verletzen. Der Fragesteller muss von dieser Speise einen Brocken verzehren, nachdem er seine Frage gestellt hat, und er darf keinen Schluck trinken, solange der Spieler sich nicht hingesetzt hat. Sollte der Spieler die Frage nicht beantworten wollen, so muss auch dieser davon speisen. Ich bitte nun den Earis[Fußnote 55] den ersten Schritt als Spieler zu wagen.“     Er winkte Hidron zu sich heran und verbeugte sich tief.     „Wer möchte die Frage stellen?“, frage Dschelef in den Saal hinein.     Deaszeah sprang auf, „Ich!“, und nahm eine Sprosse in die Hand, „Hidron, isst du gerne, was Kinara kocht?“, steckte sie sich dann in den Mund und schluckte sie herunter.     Hidron überlegte einen Moment und sagte dann: „Nein.“     Sein Blick schnellte direkt auf Kinara, welche ihn pikiert ansah. Die Anwesenden fingen an zu lachen. Als er dann über die Wasserlache ging, sank er weder ein, noch spritze Wasser hoch.     Dschelef verbeugte sich. „Danke für deine Teilnahme. Du bist entlassen, Hidron.“     Isra gab Kinara, welche mit einen Schmollmund da saß, einen Klaps auf den Rücken. Deaszeah keuchte ob der Schärfe in ihrem Mund und fächelte sich Luft zu. Als sich Hidron hinsetzte, griff sie nach einen Becher Milch und trank ihn in einem Zug aus.     „Die Zawja[Fußnote 56] möge nun bitte uns die Ehre erweisen, als Spieler im Luebat Alma‘ Alhaqiqa teilzunehmen.“     Kinara schüttelte emsig und verlegen den Kopf. Deaszeah gab ihr einen leichten Schubs und stieß sie damit vom Stuhl. Mit ermahnenden Blick, welcher für Deaszeah eher dem eines trotzigen Kindes geähnelt hat, schaute die Ulfe[Fußnote 57] ihre Freundin an und steuerte dann auf Dschelef und die Wasserlache zu.     Kinaras Herz raste. Sie mochte es nicht im Mittelpunkt zu stehen. Was sich natürlich auf der eigenen Hochzeit nicht vermeiden ließ. Ihre kurze Rede vor etwa drei Stunden brachte sie bereits an ihre Grenzen. Doch mutig stellte sie sich der Herausforderung, als ob jemand sie zu einem Zweikampf herausgefordert hätte.     Hidron stand wieder auf und griff sich eine Sprosse des scharfen Rosenkohls. Kinara wirkte erleichtert. Ihr Schatz würde ihr bestimmt keine unangenehme Frage stellen, so dass sie sich nicht in irgendeinerweise genieren müsste.     Und so ergriff denn Hidron das Wort und fragte: „Kinara, hast du Schmerzen, wenn ich dich ficke?“     Es war Stallmeister Thomas, welcher ihm die Worte, mehr oder weniger, in den Mund gelegt hat. Man muss Hidron zugutehalten, dass er einiges in seiner Vergangenheit gelernt hatte, aber Etikette nicht dazugehörte. Seine leibliche Mutter war eine Priesterin der Calistria und Tochter von Zceryll die Sternenbrut. Sie hatte ihn verstoßen, da ein Kind ihr nur hinderlich gewesen wäre. Seinen Vater hatte er nie zu Gesicht bekommen. Im Geheimen erzählte man sich, dass Hidron seine sonderbaren Kräfte von seiner Großmutter mütterlicherseits geerbt haben könnte, welche mit den befremdlichen Mächten von Xoriat kommuniziert hatte. Und wie sollte Hidron als fremdes Kind in einer Pflegefamilie, welche ihn mehr verschmähte als liebte, als halbes Straßenkind und als Gladiator in der Arena von Rätselhafen, so etwas wie gesittete und gesellschaftliche Umgangsformen gelernt haben?     Kinara wusste all dies, doch sie starrte mit leeren Blicken auf eine der brennenden Honigkerzen. Für einen Moment lang wanderten ihre Gedanken an einen schönen Ort. ‚Oben im Gebirge war es recht idyllisch. Eine leichte Prise wehte einem ins Gesicht. Ein klarer dunkelblauer Himmel, und vor einem erstreckte sie die Landschaft, welche wie gemalt unter dem Sternenzelt lag.‘     Dann landeten ihre Gedanken mit einer Bruchlandung wieder im Festsaal der Bärenburg. Sie schaute sich um und sah, wie die meisten Gäste ihre Hände vor ihren Mündern hielten um ihre Lachanfälle abzuschirmen.     Sie hatte jetzt die Wahl: Entweder stellte sie sich der Frage mit einem einfachen Ja oder sie aß eines dieser Kohldinger. So oder so wäre es egal.     ‚Wobei ...‘, ein Einfall kam ihr: ‚Ich könnte doch einfach übers Wasser laufen und keiner würde es merken. ... Dann könnte ich mit einem Nein antworten. Jedoch ... dann denken die Leute noch, dass ich rumgehurt haben könnte vorher. Auch nicht gut.‘     Es war in Endeffekt egal, wie ihre Antwort ausfiel, denn der peinliche Kern lag sowieso schon in der Fragestellung.     „Ja“, sagte sie, schritt über die Wasserlache und sank nicht ein. Röter als ihr Gesicht davor schon war, konnte es jetzt auch nicht mehr werden. Sie atmete tief durch und sah Hidron an. Der aber schenkte ihr gerade keine Beachtung – er kam gerade so richtig in Fahrt. Denn noch bevor Dschelef etwas sagen konnte, nahm er sich schon eine zweite Sprosse, „Brennt es beim Küssen Kinara?“, und aß sie auf.     Seine Frau blickte ihn verwirrt an. So auch die Zuschauer und einer warf die Frage, „Warum sollte es denn beim Küssen brennen?“, ein.     Hidron beantwortete die Frage: „Also wenn ich etwas Scharfes esse und sie dann unten küsse – sie steht drauf, wisst ihr – ob es dann bei ihr brennt.“     ‚Eine wirklich tolle Gebirgslandschaft ...‘, Kinara versuchte verzweifelt, diesem Eskapismus zu umarmen. Es klappte nicht. Das Gelächter konnte wohl der weltbeste Gaukler nicht herauslocken, welches gerade in dem Saal vorherrschte. Dschelef schaute auf den Boden und räusperte sich.     „Ja, tut es“, gab Kinara als Antwort und schritt, ohne unterzugehen, über die Pfütze. Und ohne sich umzuschauen, steuerte sie auf ihren Tisch zu und stellte sich vor ihren Stuhl um sich hinter dem Blumengesteck zu verstecken.     Deaszeah und Isra tätschelten ihr den Rücken und versuchten unter großer Anstrengung eine ernste Miene zu bewahren.     Dschelef verzog ein wenig verlegen sein Gesicht und legte sich vor seinem geistigen Auge schonmal ein ausgiebiges Entschuldigungsschreiben für Kinara zurecht. Wie hätte er auch ahnen können, dass in diesem Land etwas ungehobelte Sitten vorherrschen.     Die Bundzeugin der Braut sollte als nächste Spielerin antreten. Isra zierte sich nicht, zumindest erkannte man an ihr keine Zimperlichkeiten. Ganz locker und selbstbewusst trat sie vor. Dschelef begrüßte und stellte sie dem Publikum vor – ja, jeder wusste, wer Isra war, nur ließ es sich der Tulamide mal wieder nicht nehmen, eine wortreiche Rede zum Besten geben.     Isra schaute sich ein wenig um und beinahe hätte sie gezuckt, als sie Fedosja, die neben Meri stand, zum ersten Mal hier wahrnahm. Die Rahjageweihte zählte zwar nicht zu den Geladenen, aber half Meri bei der Ausrichtung der Festivität.     Fast jeder im Saal kannte Fedosja, die Männer, ebenso wie die Frauen, und die Unverheirateten mehr noch als die Verheirateten.     Fedosja steuerte mit einem sehr faunischen[Fußnote 58] Gang auf die Rosenkohlschale zu. Man ließ ihr den Vortritt, eine Frage an Isra zu richten. Einer der Männer, welcher sich schon auf halben Wege zur Schale befand, drehte sich schnurstracks wieder um, als er Fedosja erblickte. Einige andere Männer schauten verlegen die Kronleuchter an, als sie die Blicke ihrer Ehefrauen auf sich spürten.     Fedosja nahm eine Sprosse und führte sie zu ihrem Mund.     „Isra“, sie beleckte kurz das Stück Gemüse, so als wolle sie zunächst die Schärfe prüfen, während ihr Blick auf Isra haften blieb, „hast du im Haus der Sinnen und der Freude neulich jemanden kennengelernt mit dem du gerne das Bett teilen würdest?“     ‚Meine Güte‘, dachte sich Isra, ‚kann denn hier wirklich jeder nur an das Eine denken?‘.     Es dauerte einen Moment, bis Isra das Ausmaß dieser delikaten Frage verstand. Ihr Liebes- und Sexualleben sollte niemanden etwas angehen. Selbst Kinara vertraute sie sich in dieser Hinsicht nicht an. ‚Warum eigentlich nicht?‘ Und sowieso würde ihre Willenskraft zu einer Lüge wohl ausreichen, damit dieses Wasser diese nicht entlarven könnte. Sie entschied sich aber, den Spaß mitzumachen, und warf diplomatisch ein: „Welche unverheiratete Person würde das nicht wollen? Natürlich würde ich das Bett mit jemanden aus diesem Hause teilen wollen.“     Einer der Männer im Saal pflichtete ihr lautstark bei, was ihm von seiner Ehefrau einen Schlag in den Nacken und daraufhin schallendes Gelächter der Gäste einbrachte.     Fedosja wirkte ein wenig enttäuscht, hatte sie doch gehofft Isra würde sich offenkundig zieren, eine Antwort zu geben oder zumindest eine Lüge wagen – sie in nasser Kleidung zu sehen, hätte auch etwas. Und so musste sie frustriert mit ansehen, wie die Spielerin die Wasserlache problemlos überquerte.     Im Anschluss erkundeten Isras Blicke mehrfach den Saal, ob nicht vielleicht dieser Ulman hier anwesend gewesen war. Hätte ja sein können ...     Auch der Bundzeuge des Bräutigams sollte nicht verschont bleiben und so musste auch Krätz sich diesem Spiel stellen. Keiner der Anwesenden hatte das Verlangen, bei Krätz jungem Erscheinungsbild eine Frage zu stellen, welche die gleiche Thematik wie die vorherigen Fragen aufwies.     Kinara griff sich eine Sprosse, kaute auf ihr herum (was sie eigentlich nicht hätte tun sollen) und schluckte sie herunter. Noch bevor sie das erste Wort ihrer Frage aussprechen konnte, spürte sie die widerliche Schärfe in ihrem Mund, welche sich von einem kleinen Lagerfeuer zu einem Waldbrand explosionsartig entwickelte. Sie sprang und hüpfte im Saal umher auf der Suche nach etwas Nicht-alkoholischem. Doch glücklicherweise, so schnell das Brennen in Erscheinung trat, so schnell war es auch wieder vorüber und Kinara konnte nun, schweißgebadet, ihre Frage stellen. „Krätz hast du eines meiner Tagebücher gelesen?“     Ihr Gefährte quiekte auf, hielt sich dann aber schnell den Mund zu.     „Natürlich nicht Kinara! Wieso sollte ich so etwas tun? Das ist dein Privatbereich. Da sollte ich nicht rumschnüffeln ... Niemals!“     Der Saal brach in Gelächter aus, als Krätz bis zu seinen Schultern in die Wasserlache plumpste. Auch Kinara lachte. Ihr Lachen hielt jedoch nur so lange an, bis sie sich daran erinnerte, dass sie einige Intimitäten über sich und Hidron in ihren Tagebüchern niedergeschrieben hatte.     Deaszeah meldete sich anschließend freiwillig für das Spiel. Sie konnte wohl kaum als Einzige der Gefährten sich aus dieser Alberei herausnehmen, dachte sie sich. So stand sie vor der Wasserlache, in Erwartung wieder eine anstößige Frage zu hören, aber es kam anders.     Krätz, der mittlerweile wie von Zauberhand (in der Tat war es von Zauberhand) wieder trocken war, stellte ihr eine Frage: „Warum hast du so viele Tattoos?“     „Sie gefallen mir einfach.“     Für einen kurzen Moment dachte sie nach, ob sie ihr Katzenbildnis nicht zum Leben erwecken sollte zur allgemeinen Erheiterung, entschied sich dann aber anders.         Das Spiel verlief dann noch mit gut ein Dutzend Spielern weiter und endete damit, das Dschelef sich mit langen Sätzen, wie es bei den Tulamiden so üblich war, für ihre Teilnahme bedankte.         Hidron und Kinara wussten, dass es nun an der Zeit war sich ein paar Übungsgefechten zu stellen. Und so ließen die Frischvermählten sich von den begeisterten Gästen – hauptsächlich den jüngeren – dazu auffordern, ein solches zu zeigen, das sich allerdings wiederum ernsthafter darstellte, als man das vielleicht von den Schaukämpfern auf dem Gaukelplatz kannte. Ganz den Lehren der Göttin Rondra und des Gottes Kor gefällig, nahmen Kinara und Hidron das Gefecht sehr ernst und überließen den Anderen keinen Fußbreit Boden ohne Kampf. So schwirrten die scharfen oder wuchtigen Waffen immer wieder haarscharf an dem Gegner vorbei, ohne ihn zu verletzen. Ein Schauspiel, das bei den Zuschauern ehrfürchtiges Schweigen hervorrief. Oft parierte Kinara die schweren Wuchtangriffe Hidrons und musste dabei Eideskal[Fußnote 59] so greifen, dass sie mit einer Hand den Griff hielt und mit der anderen das stumpfe Ende der Klinge direkt hinter der Parierstange. Bei solchen Angriffen hätte Hidrons Tetsubo mit Leichtigkeit einen Findling zertrümmert, doch Kinaras Waffe hielt stand und summte bei jeder Parade. Teilweise wurde Kinara durch die Wucht von seinen Angriffen nach hinten gedrückt, so dass ihr Schuhwerk über den Boden schabte. Jemand mit scharfen Augen hätte sehen können, wie sich die dadurch entstandenen leichten Scharten in ihrem Schwert kurz nach den Paraden wieder selber schlossen. Und jemand mit einem noch schärferen Auge, hätte bemerkt, dass Hidron zwar das Übungsgefecht als Unterhaltung für die Zuschauer ernst nahm, aber einige mögliche Treffer dann absichtlich verfehlte. Kinara blickte ihn dabei mehrmals grimmig an, so als wolle sie ihm sagen, er solle mit voller Ernsthaftigkeit kämpfen – Hidron blieb jedoch stur. Er konnte als ehemaliger Gladiator gut Schaukämpfe zum Besten geben, wo es manchmal ratsam, ja ihm sogar im Vorfeld befohlen wurde, seine Gegner nicht ernsthaft zu verletzen.     Nach ihrem Brautpaarübungsgefecht waren sie gerne auch bereit, mit anderen die Klingen zu kreuzen.     Kinara bewegte dabei ihr Großschwert in Mustern, welche es ihren Kampfpartnern fast unmöglich machten sich ihr zu nähern. Jeder Schritt, egal in welche Richtung, könnte der falsche sein, sollte dieser zu unbedacht ausgeführt werden. Sie nannte diese Technik Der wachsame Wächter – Einige ihrer Trainingspartner aus dem Bären- und Donnerorden kannten diese Technik aus Trainingskämpfen mit ihr. Und wenn Kinara sich fokussieren sollte, würden selbst Gegner in einer Entfernung von fünf Schritt zu ihr, ihre Schwierigkeiten haben sich mehr als schleichend zu bewegen damit Kinara keine Verteidigungslücke entdecken konnte.     Hidron hingegen zeigte gerne sein Talent, anderen den Boden mit seiner Keule – wir reden hier selbstverständlich von seinem Tetsubo! – unter den Füßen wegzureißen. Mit Bedacht setzte er hin und wieder seine psionischen Kräfte ein, ohne dass es jemand für Zauberei hielt. Dschelef schaute dabei sehr interessiert zu. Hatte er doch als Magier ein Auge für Übernatürliches. So konnte sich zum Beispiel Hidron wesentlich schneller bewegen als all seine Partner.         Für Kinara waren diese Übungsgefechte aber auch eine Zwickmühle, denn niemand wollte gegen die Schwangere mit einer für einen richtigen Kampf geeignete Waffe antreten. Und ebenso bat sie jeder inständig ihre eigene Waffe Eideskal zu benutzen, obwohl ihre Gegner die erwähnten Übungswaffen benutzten.     Nicht so Selinde. Als Hochgeweihte der Rondra nahm sie die Ehre der Wächterin[Fußnote 60] ernst und zog blank mit einem Rondrakamm[Fußnote 61], als beide anfingen, sich ihrem dem Zweikampf zu stellen. An den ernsten Mienen beider konnte keiner der Zuschauer ausmachen, dass es eben kein Kampf auf Leben und Tod war.     Schwester Linai stöhnte hörbar auf und bedeckte ihre Augen, als die beiden Gefechtspartner anfingen, sich zu umkreisen. Ein geübter Kämpfer unter den Zuschauern hätte bemerkt, dass Kinaras Bewegungs- und Pariermuster instinktiv eher ihren Unterleib schützten, als ihren Kopf, trotz dass Selindes Kampfmuster eben jenen Bereich ausließen.     Als Linai sich wieder zu schauen traute, hob Selinde den Rondrakamm, um Kinaras Schulter zu treffen, denn diese hatte Eideskal, ihr Großschwert, gerade auf Hüfthöhe nach hinten verlagert um selber auszuholen. Die Traviageweihte quiekte auf.     Selinde war merklich schneller, denn Kinara hatte sich zu weit seitlich gedreht für den Schwung, und diese Bewegung machte sich als Unterleibsschmerzen für die Schwangere bemerkbar – mit schmerzverzerrten Blick verharrte sie zu lange am Scheitelpunkt des Angriffes. Kinara schloss die Augen, denn sie wusste, dass dieser Angriff ihre Schulter treffen wird – sie konnte ihm nicht ausweichen. So war Selindes Klinge nur noch zwei Spann[Fußnote 62] von Kinaras linker Schulter entfernt, wohingegen ihre Waffe gerade dabei war von hinten nach vorne zu schwingen.     Man muss Selinde zugutehalten, dass sie keineswegs Kinara verletzen wollte – hätte sie das schmerzverzerrte Gesicht gesehen, wüsste sie, dass ihre Partnerin sich nicht wegdrehen konnte.     Mittlerweile war die Klinge des Rondrakammes nur noch einen Spann von Kinaras Schultern entfernt. Dies war der Moment, als Selinde versuchte ihre Waffe leicht zu drehen. Sie fürchtete jedoch, dass sie es nicht wirklich schaffen würde, und so sprach sie ein kurzes Ein-Wort-Stoßgebet zu Rondra. Was jedoch keiner mitbekam, denn zur gleichen Zeit sprangen Linai und Hidron von ihren Stühlen auf, und Hidron brüllte, die wohl schnellsten Worte seines Lebens: „ZWEITER TSA!“     Selindes Waffe wurde, nur einen fingerbreit von Kinaras Schulter entfernt, durch einen Lichtblitz abgelenkt und glitt dann zur Seite und nach unten.     Hidrons Geschenk zeigte seine Wirkung.     Kinara ließ ihr Schwert, welches nun leicht blausilbern funkelte, aus Reflex fallen. Sie selber fiel auch zu Boden und landete auf ihrem hinteren Ende. Selinde machte einen Kniefall und dankte Rondra, ihr Gebet erhört zu haben. Die Zuschauer staunten ehrfürchtig, denn für sie war es nicht die Verzauberung des Schwertes, welche dafür gesorgt hat, dass Hidrons Frau keinen Schaden nahm, sondern eine Intervention der Sturmbringerin[Fußnote 63].     Es wurde Beifall gegeben und gejohlt. Selinde half Kinara wieder auf die Beine, welche nun verwirrt dastand, bis Hidron sie packte und in seine Arme nahm. Eideskal funkelte noch immer, während es auf dem Boden lag.     „Ist das die Verzauberung?“, frage Kinara in Hidrons Schulter hinein.     „Ja, du musst einfach nur das Datum unseres Hochzeitstages sagen und schon bist du geschützt für eine Zeitlang.“, antwortete Hidron.     „Lieben Dank. Das ist so lieb von dir, selbst in einem Geschenk zeigst du, wie viel Sorgen du dir machst um mich.“     Beide nahmen daraufhin wieder Platz an ihrem Tisch.         Nach den Übungsgefechten neigte sich das Fest auch langsam seinem Ende zu. Die letzten Verbliebenden waren die fünf Gefährten und Meri und ihre Gehilfinnen. Letztere verließen dann auch den Saal, nachdem alles weggeräumt und einigermaßen sauber gemacht wurde. Meri schenkte den Gefährten noch einen Kräuteraufguss nach. „Soll gegen Kopfschmerzen am Morgen danach helfen“, merkte sie an.     Sie tranken ihren Tee aus und jeder begab sich auf sein Gemach. Kinara legte sich ins Bett und schlief augenblicklich ein. Hidron ließ sie schlafen, legte sich auch hin und nahm sie in seine Arme. Schreib noch über den nächsten Morgen!         3. Der Morgen nach der Hochzeit     Die ersten Strahlen der Morgensonne erreichten die Burg, wurden aber immer wieder durch eine Flickendecke an Wolken verdunkelt, so dass das Licht im Gemeinschaftsraum, wo sich die Gefährten nun befanden, pulsierte wie ein sehr schwacher Herzschlag.     „Zweiter Tsa, was?“, bemerkte Kinara an Hidron gerichtet, als sie Eideskal in ihren Händen hin und her drehte.     Deaszeah und Isra waren damit beschäftigt das Gepäck zu kontrollieren, welches in den Gemeinschaftsraum gestellt worden war. Einiges davon müsste hier in einem Lagerraum verstaut werden, denn ein komplettes Tafelservice werden sie wohl kaum benötigen.     Krätz schaute sich den Reiseplan nochmal an, während er an einer Gebäckstange knabberte. Kinara drückte diesen in seine Hand mit der Bemerkung, er solle doch zumindest die Leselitzen in ihren Tagebüchern wieder an die richtige Stelle legen, nachdem er mit seinen Recherchen fertig ist.         Die Tür öffnete sich und Schwester Linai trat ein.     „Einen schönen guten Morgen zusammen! Ich hoffe, ihr konntet noch ein wenig Schlaf finden in der recht kurzen Nacht. Kinara, Hidron, ich habe noch etwas für euch. Nun ja, für die gesamte Reisegruppe, wenn man so will.“     Linai überreichte Kinara eine kleine geöffnete Schatulle aus Zinn. In ihr befand sich ein Stück Kohle, welches schon teilweise abgebrannt war.     „Dies ist ein von mir gesegnetes Stück Kohle aus dem Herdfeuer. Möge Travia euch stets den besten Lagerplatz zuteilwerden lassen auf eurer Reise.“     Kinara und Hidron bedankten sich, und Linai verließ die gesamte Truppe wieder im Versprechen, sie würde sich morgen früh noch einmal bei ihnen richtig Verabschieden. Isra hielt sie jedoch noch kurz an und bat um eine Unterredung mit ihr an der frischen Luft.         Während Kinara das Stück Kohle beäugte, stupste sie Hidron von der Seite an. „Ich habe noch etwas für dich!“ Er hielt ihr einen kleinen Beutel hin.     Etwas zögernd nahm sie ihn an.     Sie zog ein aufgerolltes Lederband mit Schnalle heraus.     „Das ist ... aber kein Halsband?“, flüsterte sie.     „Nein, ein Armband, welches du zwei drei Mal um dein Handgelenk wickeln musst.“     Sie entwickelte das Band, erkannte eine Gravur und schaute genauer hin:     „Hidron & Kinara ∞ ∞ ∞ kann man so machen.“     Sie sprang auf und hielt das Band so, als wolle sie Hidron damit auspeitschen. „KANN MAN SO MACHEN!!! AHHH!!! DA IST ES WIEDER!!!“ Sie lachte. „Danke! Es ist schön geworden.“     „Das kannst du dir jedes Mal ansehen, falls ich nicht da sein sollte und eine Entscheidung getroffen werden muss, die auch mich mit einbezieht. Denke einfach, ich würde genau das sagen.“     Kinara schmunzelte. „Die Idee gefällt mir! Also ist das Armband eher eine Vollmacht?“.     „Ämmm ...“, warf Hidron ein.     Eines ihrer beiden Hühner fing an zu gackern.     „Übrigens, dieses Getier sollte am besten hierbleiben. Wir könnten sie als Spende den Travia-Tempel übergeben. Was meinst du Hidron?“     Gack!     „Kann man so machen.“  
 
[Fußnote 1] 1 Sack=100Kg     [Fußnote 2] Eines der Stadttore von Trallop.     [Fußnote 3] Symbole von links nach rechts: Iomedae, Rondra und Kor.     [Fußnote 4] Gottheit der Heilung und des Selbstschutzes in Avistan.     [Fußnote 5] Osirianische Gottheit des Tanzes und allgemeinen Vergnügens.     [Fußnote 6] Variante aus „Macht des Weltenschleiers – Die Beschützer“.     Siehe: https://www.worldanvil.com/block/46136     [Fußnote 7] Praetor (oder Prätor) ist ein sakraler Rang. Ein Praetor ist bei allen Kirchen – selbst bei denen ohne zentrale Autorität – üblicherweise der Leiter von Tempeln und gegebenenfalls noch eines dazugehörigen Tempelbezirkes. Seine Anrede ist „Hochwürden“.     [Fußnote 8] Ein heiliges Buch der Rondra-Kirche.     [Fußnote 9] Irdisch. Alt-ägyptischer Kalender. Entspricht: 18. Februar 1154 n. Chr.     [Fußnote 10] „Die verborgene Wahrheit“ – Turmkarte     [Fußnote 11] Tiefling ist eine Rasse, welche ein dämonisches oder infernalisches Erbe trägt. Dieses Erbe kann sich in diversen Charaktereigenschaften manifestieren. Bei Deaszeah sind es ihre beiden Hörner, welche jedoch, dank eines göttlichen Wunders, für andere nicht existent sind.     [Fußnote 12] Anrede für Ritter.     [Fußnote 13] Eine weitere Anrede für Ritter.     [Fußnote 14] Die „eine Macht“, von der auch das Arkane, Göttliche, Psionische und alle anderen übernatürlichen und natürlichen Dinge zehren.     [Fußnote 15] Eine Stadt in Osirion auf dem Kontinent Avistan.     [Fußnote 16] Der Rondra-Tempel     [Fußnote 17] Rondra     [Fußnote 18] Anderer Name für die Göttin Rondra.     [Fußnote 19] Teiltranskript, US-amerikanische Fernsehserie, deutsche Übersetzung: Greys Anatomy​. (Wahl des Spielers des Protagonisten: Hidron)     [Fußnote 20] Kleinformatiges Buch, das als nützlicher Begleiter bei der Berufsausübung, auf Reisen oder sonstigen Lebenslagen am Körper in einer Tasche mitgeführt werden kann.     [Fußnote 21] Vgl.: Fran Cesco di Urbontris: Rahjasutra, S.55-57     [Fußnote 22] Es wird vornehmlich „{Gottheit}gefällig“ im DSA-Sprech erwähnt, sollte der Inhalt des jeweiligen Aspektes mit dem der Gottheit in Übereinkunft stehen.     [Fußnote 23] Göttin der Liebe, Schönheit und sexuellen Freuden.     [Fußnote 24] Mit anderen Worten: Fleischliche Beiwohnung betreiben.     [Fußnote 25] Rahja-Symbol:   [Fußnote 26] Hintergrundwissen: Der Rahja-Tempel hat im Vergleich zu allen anderen Tempeln die meisten Einnahmen in Trallop und, was jedoch wenige Leute wissen, der Tempelvorsteher Ulman gibt einen Großteil der Gelder an weniger gut gestellte Zwölfgötterhäuser ab, so wie es anderswo auch häufig gehalten wird.     [Fußnote 27] OK, für den Leser welcher die indirekte Beschreibung nicht realisiert hat: Sie wurde feucht. ... Alles klar?     [Fußnote 28] Isra ist eine Aasimar. Sie sieht, bis auf ihre goldenen Augen, jedoch aus wie ein Mensch.     [Fußnote 29] Synonym für: Ausrede.     [Fußnote 30] Ein Erzdämon und eine Widersacherin Rahjas, welche zwar mit der Herrin der Morgenröte einige Aspekte teilt, jedoch ohne dass Rücksicht auf andere genommen wird.     [Fußnote 31] 1 Spann=20cm     [Fußnote 32] 1 Unze („Derisches Maß“)=25g     [Fußnote 33] Als da wären: ein Olisbos [Dildo], ein Olisbosgürten, ein Phallusstab, ein Ballknebel, ein Set Handschellen, ein Fesselset aus Leder, ein Seidentuch, ein Brabaker Rohr, eine rote Folterkerze, Klammern, eine Lustpeitsche, eine Neunschwänzige, ein Paddel, eine Reitgerte, eine Streichelfeder, kleines Gefäß mit Gleitmittel, eine Flasche Massageöl, Liebesperlen, ein Penisring, ein Po-Stöpsel, ein Po-Stöpsel mit einem Tierschwanz, eine erotische Statuette der Rahja, ein Potenztalisman. Dazu kleine Tongefäße und -fläschchen mit legalen Rauschenmitteln wie Cheriacha, Ilmenblatt, Morana-Liebessaft und eine Rahjasine. Desweiteren diverse Literatur. – [Fußnote wird zu lang ... ]     [Fußnote 34] Cryptic – Klasse aus dem Pathfinder-Regelwerk.     [Fußnote 35] Macht des Weltenschleiers – Die Grabwächter.     Siehe: https://www.worldanvil.com/block/46138     [Fußnote 36] Dieses Ereignis beeinflusst den Aspekt „Finsternis“ und den Weltenschleier „Die Chroniken von Lathaerum – Die Grabwächter“.     [Fußnote 37] Nicht zu verwechseln mit Werratte [Werwolf, ... , Wer{Tierart}].     [Fußnote 38] Shoantisch (umgangssprachlich): Geld     [Fußnote 39] Tulamidisch: Geschenk     [Fußnote 40] 1 Maß=0,8 Liter.     [Fußnote 41] „Etwas meiden“.     [Fußnote 42] Anmerkung des Autors: Ich wollte zunächst „Vergräbt ihr Gesicht in seine Haare, aber das geht ja nicht. Er har gar keine. Als Alternative wurde mir Skalp oder Kopfschwarte „angeboten“ ... Sehr poetisch.     [Fußnote 43] An dieser Stelle würde gerne der Mann der Feder seine Diffizilität in persona zum Ausdruck bringen, eine gastronomische Darstellung zu verbalisieren, da er während des Schreibens den Zustand „ungesättigt“ innehatte. Und es ist folgerichtig anzunehmen, es handle sich dabei um keinen Zustand, sondern um eine Hexis.     [Fußnote 44] Ein im Nacken getragener Haarknoten.     [Fußnote 45] 1 Finger=2 Zentimeter.     [Fußnote 46] Naja, Waldemar wird kaum so offen kundtun, dass Borbarad und Pardona „geflohen“ sind und dies nur der Auftakt einer globalen Bedrohung war.     [Fußnote 47] Wenn der Autor seinen eigenen Spielercharakter lobpreist ...     [Fußnote 48] Wirsing.     [Fußnote 49] Hat der Leser Kinara verstanden? Nein? Macht nichts. Der Autor auch nicht.     [Fußnote 50] Krätz gehört der Rasse des Ratfolks an. Und diese haben nun mal einen Schwanz. Aber durch das Praioswunder ist dieser natürlich nicht mehr da.     [Fußnote 51] Kinaras Muttersprache     [Fußnote 52] Hidrons Muttersprache     [Fußnote 53] Tulamidisch (arabisch) für: Wasser der Wahrheit.     [Fußnote 54] Eine sehr scharfe Pfeffersorte.     [Fußnote 55] Tulamidisch: Ehemann.     [Fußnote 56] Tulamidisch: Ehefrau.     [Fußnote 57] Kinara ist ulfischer Abstammung. Eine Ethnie der Menschen, welche in den Ländern der Lindwurmkönige beheimatet ist.     [Fußnote 58] Synonym für: erotischen     [Fußnote 59] Kinaras Schwert     [Fußnote 60] Kinaras Klasse (Pathfinder Regelwerk)     [Fußnote 61] Eine Waffe, die einem Bastardschwert ähnlich ist und dessen Klinge wellenförmig ist.     [Fußnote 62] 1 Spann=20cm     [Fußnote 63] Alternativer Name der Göttin Rondra.

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