Kapitel 33 - Ass im Ärmel
33. Ass im Ärmel
Das Aces stank nach Angst, Schweiß und altem Blut – eine Mischung, die selbst der billigste Schnaps nicht überdecken konnte. Die Luft hing schwer, fast greifbar, ein Nebel aus Rauch und niederem Ehrgeiz. Die Taverne war nicht nur ein Loch, sie war ein Kadaver, um den sich Ratten stritten.
Ich hätte mir ein anderes Etablissement aussuchen können. Eines, in dem das Messer nicht schneller gezogen wurde als der Becher. Aber ich brauchte einen Mann, der kein Problem darin sah, sich die Hände schmutzig zu machen. Und solche Männer fanden sich hier in Massen.
Mein Mantel wog schwer auf meinen Schultern – eine tiefgrüne, mit feinem Gold durchzogene Sache, die in diesem Dreckloch so deplatziert wirkte wie ein Diamant auf einer Müllhalde. Die Leute spürten das. Sie spürten, dass ich hier nicht hingehörte.
Und das war immer das Problem mit Orten wie diesen.
„He, du.“
Ich hörte ihn, bevor ich ihn sah. Die Art, wie er sprach, hatte Gewicht – nicht klug, aber geübt darin, sich Respekt mit den Fäusten zu holen. Als ich mich umdrehte, sah ich genau das: Ein Söldner, die Art Mann, die in dunklen Ecken auf einen falschen Blick wartete, um einen Grund zum Zuschlagen zu haben. Seine Narben erzählten Geschichten, aber keine davon interessierte mich.
„Du siehst verloren aus, Kleiner.“
Ich blinzelte langsam. „Und du siehst betrunken aus. Leben wir beide mit unseren Problemen.“
Ringsum verstummten Gespräche. Ein paar Männer drehten sich halb in unsere Richtung, bereit, sich das Spektakel anzusehen.
Er grinste. „Schöner Mantel.“
Ah. Klassiker.
„Danke.“ Ich ließ meine Stimme ruhig klingen. „Ich habe gehört, er steht mir ausgezeichnet.“
Seine Hand kam hoch, schnell. Eine dreckige Pranke, die meinen Kragen packen wollte.
Ich ließ es zu.
Einen Herzschlag lang glaubte er, er hätte mich. Dass er Kontrolle hatte.
Dann bewegte ich mich.
Meine Hand schnappte nach seinem Handgelenk, drehte es mit einem kurzen, präzisen Ruck. Sein Gleichgewicht kippte. Ich trat vor, mein Knie krachte gegen seine Rippen – genau unter den Brustkorb, wo es wehtat, wo es atemraubend war.
Sein Körper zuckte, aber ich ließ ihm keine Zeit. Meine Ferse drehte sich, mein Bein hakte hinter seines, und mit einem letzten Stoß ließ ich ihn zu Boden krachen.
Der Aufprall hallte dumpf durch das Aces.
Jemand lachte. Jemand anderes zog scharf die Luft ein.
Ich ließ ihn keuchen, ließ ihn realisieren, was passiert war. Sein Blick irrte zwischen mir und seinen eigenen Händen auf dem schmutzigen Boden hin und her, als hätte er den Moment verpasst, in dem er gefallen war.
„Ich nehme an, du hast verstanden.“ Meine Stimme war ruhig.
Er keuchte. „Verfluchte… feine… Bastardratte…“
Ich schüttelte langsam den Kopf. „Sieh es positiv. Immerhin hast du mir ein nettes Geschenk gemacht.“
Ich ließ meine Münze durch die Finger tanzen, die ich aus seiner Tasche genommen hatte, als er fiel.
Dann trat ich weiter in die Dunkelheit des Aces hinein.
Ich war hier, um ein Monster zu finden.
Und Skit würde sich nicht in irgendeinem dreckigen Winkel verstecken.
Ich ließ den Söldner auf dem Boden liegen, trat über ihn hinweg, als wäre er nichts weiter als eine umgekippte Flasche. Meine Finger spielten mit der Münze, ließen sie über meine Knöchel tanzen – eine ruhige, beiläufige Bewegung. Niemand in dieser Taverne würde sich einmischen. Nicht nach dieser kurzen, lehrreichen Demonstration.
Und dann war da er.
Er stand an der Bar, lehnte mit einer Lässigkeit gegen das alte Holz, die nicht gespielt war. Ein schlanker Mann, hager, mit schmalen Zügen und einer Zahnlücke, die ihn entweder gefährlich oder tragisch aussehen ließ. Vielleicht beides. Sein Mantel war abgetragen, aber ordentlich, sein Schal verbarg Narben an seinem Hals – Spuren eines alten Fehlers oder eines gut verhandelten Überlebens.
Und seine Augen?
Seine Augen waren wach. Zu wach.
Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet.
„Effizient“, sagte er, als wäre es eine neutrale Feststellung.
Ich blieb stehen, die Münze klickte leise in meinen Fingern. „Ein Mann muss sich in Form halten.“
Er schmunzelte, zog eine Flasche unter der Theke hervor, schenkte sich langsam ein Glas ein. Seine Bewegungen waren ruhig, bedacht, als wäre jede Geste eine Berechnung.
„Lavender Mareau, nehme ich an?“
Ich blinzelte. „Bin ich mittlerweile so bekannt, oder seid Ihr einfach nur gut informiert?“
Er hob das Glas an die Lippen, trank einen Schluck. Dann setzte er es mit einem zufriedenen Seufzen ab. „Ich bin Edgar.“
Ich ließ mir Zeit. Ließ den Namen in meinem Kopf kreisen. Ein kurzer Test, ein gedankliches Durchblättern meiner Kontakte. Nein. Nie gehört.
„Händler“, fügte er hinzu.
Ich hob eine Augenbraue. „Womit handelt Ihr?“
Ein kurzes, abgewogenes Lächeln. „Mit Informationen.“
Natürlich.
„Wie originell.“
Er lachte leise, kratzig, als hätte er schon zu viele Zigaretten und zu viele Geheimnisse inhaliert. „Ihr seid nicht beeindruckt.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht leicht zu beeindrucken.“
Er lehnte sich vor, stützte die Arme auf die Theke. „Ihr habt Glück, Mareau. Das Aces ist nicht gerade… freundlich zu Leuten wie Euch.“
Ich ließ die Münze über meine Finger rollen. „Ich bin nicht einfach nur von oben.“
„Hm.“ Edgar musterte mich, dann nickte er langsam. „Ihr kaschiert es gut. Aber Ihr seid trotzdem aus einer anderen Welt.“
Ein Test.
Ich schenkte ihm ein ruhiges Lächeln. „Was wollt Ihr wirklich von mir, Edgar?“
Er legte den Kopf leicht schief. „Die Frage ist doch: Was wollt Ihr?“
Ich drehte mich halb, ließ meinen Blick über die Taverne schweifen. „Ich suche Skit.“
Eine kleine Pause. Kaum merklich. Aber ich sah es – das minimale Verharren seines Mundwinkels, das leichte Spannen seiner Schultern. Er wusste, wo Skit war.
„Skit also.“
„Ja.“
„Ein interessanter Typ.“
Ich ließ die Münze durch die Luft schnippen, fing sie wieder auf. „Werden wir das jetzt so machen? Ich frage, Ihr wiederholt meine Frage mit einem bedeutungsvollen Unterton?“
Er grinste. „Ihr seid wirklich nicht leicht zu beeindrucken.“
„Ich bin in Eile.“
Er spielte mit seinem Glas, drehte es zwischen den Fingern. „Hintere Kammer. Aber er mag keine Überraschungen.“
Ich schob die Münze zurück in meine Tasche. „Dann wird er mich hassen.“
Edgars Grinsen wurde schärfer. „Ihr spielt mit Feuer, Mareau. Ich hoffe, Ihr versteht, in welches Spiel Ihr Euch da hineinzieht.“
Ich hielt seinem Blick stand.
„Ich spiele nicht mehr, Edgar.“
Dann wandte ich mich ab und ließ ihn in der Dunkelheit zurück.
Der Geruch traf mich zuerst.
Eisen, Rauch, Fleisch.
Dann das Geräusch.
Ein dumpfer Schlag. Dann ein Knirschen. Ein langsames, methodisches Hacken, das sich durch Knochen arbeitete. Das leise Klatschen, wenn Fleisch auf Holz fiel.
Skit stand mit dem Rücken zu mir.
Ein massiger Berg aus Muskeln und Narben, sein kahler Schädel glänzte im flackernden Licht der Feuerstellen. Die fleckige Lederschürze spannte über seiner Brust, während er mit einer stoischen Ruhe ein Beil in ein großes Stück Fleisch trieb.
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen, ließ ihn arbeiten.
„Ein Edgar meinte, du liebst Überraschungen.“
Er hielt inne.
Nur für einen Moment.
Dann knurrte er leise, ein tiefes, grollendes Geräusch, das irgendwo aus seiner Brust zu kommen schien. Seine Finger umklammerten das Beil, er hob es – langsam, fast genüsslich – und trieb es mit einem einzigen, präzisen Hieb tief in das Holzbrett.
Das Geräusch hallte durch den Raum.
Dann drehte er sich um.
Gelbe Augen funkelten unter schweren Brauen, dunkel und träge wie glühender Teer. Seine massige Gestalt füllte den Raum, jede Bewegung war eine Demonstration von roher, schwerer Kraft.
Er verschränkte die Arme.
„Ich hoffe für uns beide, dein nächster Satz ist interessant, kleiner Lord.“
Ich hielt seinem Blick stand, ruhig, berechnend. Dann ließ ich die Worte fallen, die wirklich zählten.
„Sylvana schickt mich.“
Die Veränderung war augenblicklich.
Sein Kiefer zuckte, seine ganze Haltung verschob sich – nicht entspannt, aber nicht mehr nur Bedrohung. Seine Augen verengten sich leicht, als würde er in meinem Gesicht nach einer Lüge suchen.
„Sprich weiter“, brummte er schließlich.
Ich trat näher, ließ meine Finger über die Kante eines alten Tisches gleiten. „Der Ball steht bevor. Sylvana muss einen Golem präsentieren. Und Melody wird vermutlich ganz Hammerfall und die Geldzwerge auf sie hetzen, sobald sie fertig ist.“
Skit atmete langsam aus. Sein Blick blieb unbewegt, doch seine Finger fuhren über den Griff des Beils.
„Und wo kommst du ins Spiel?“
Ich lächelte schmal. „Ich bin der Typ, der sicherstellen will, dass sie lebend rauskommt.“
Skit verzog das Gesicht zu etwas, das einem Grinsen ähnelte. Aber es war nicht freundlich. „Sicherstellen? Wie nobel von dir, kleiner Lord.“
Ich hob eine Braue. „Jemand muss es tun.“
Ein dumpfes, kehliges Lachen grollte in seiner Brust. „Und du denkst, ich schulde Sylvana noch einen Gefallen?“
Ich neigte den Kopf. „Ich denke, wenn sie dich nicht hätte, wäre sie längst tot. Und wenn du nicht sie hättest… hättest du jetzt wahrscheinlich nicht mal diesen Job.“
Skit musterte mich lange, seine Augen unbeweglich wie Stein.
Dann, langsam, packte er das Beil und zog es mit einem leichten Knacken aus dem Holz.
„Hmpf.“
Er drehte es in seiner Hand, prüfte das Gewicht, als hätte er gerade entschieden, ob es mir gehörte oder nicht.
Dann nickte er.
„Dann bin ich dabei.“
Ich atmete langsam aus.
Aber Skit war nicht dumm.
Sein Blick wanderte über mich, dann lächelte er schief – eine Reihe ungleicher, abgebrochener Zähne blitzte auf.
„Sag mir eins, kleiner Prinz…“
Ich wartete.
„Wie bringst du jemanden wie mich auf einen Ball?“
Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. Dann grinste ich.
„Sie planen, einen Golem zu präsentieren.“
Skit hob eine Braue.
Mein Lächeln wurde breiter.
„Geben wir ihnen zwei.“
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