Kapitel 18 - Die Maske

18. Die Maske

Der Eisennapf.

Allein der Name schmeckt nach Ruß und altem Bier. Eine dieser rustikalen Spelunken, die sich zwischen ehrlicher Arbeit und Gesetzlosigkeit einpendeln – der Boden von Generationen Lotarmer Schmiede ausgetreten, die Luft schwer von Tabak, Eisen und Geschichten, die zu oft mit einer Faust enden.

Ich erkläre Breanna, dass ich mich dort mit Sylvana und Cyrus treffe. Sie hält immer noch sanft meinen Arm, ein kleines, spielerisches Funkeln in ihren Augen. Ich kenne dieses Funkeln. Es bedeutet nichts Gutes.

„Eisennapf, huh?“ Sie zieht eine Braue hoch, ihre Hand noch immer locker in meiner Armbeuge. „Rustikal. Bin dabei.“

Ich blinzle. „Du… was?“

„Ich komm mit.“

Ich öffne den Mund, um zu protestieren – und schließe ihn wieder. Sie lacht. Leicht. Unbekümmert. Zu unbekümmert für meinen Geschmack.

„Sag nichts, Lav. Ich weiß, was du denkst. Aber heute machst du keine Berechnungen. Heute trinkst du ein beschissenes Bier mit einer alten Freundin.“

Sie klopft mir zweimal auf die Schulter, bevor sie sich von mir löst und ein paar Schritte rückwärts geht. Ihre braunen Locken tanzen, als sie sich umdreht.

„Bist du dabei, oder denkst du noch?“

Ich atme langsam aus. Ich habe den Abend bereits in meinem Kopf durchgespielt. Sylvana und Cyrus treffen, Pläne schmieden, weiterspielen. Aber jetzt… jetzt lasse ich los.

Ich lächle.

„Bre, ich habe doch immer einen Plan.“

„Und genau das ist das Problem.“

Mit diesen Worten setzt sie sich in Bewegung, und ich folge ihr durch die engen Straßen Lotarms – das erste Mal seit langer Zeit, ohne alles im Voraus berechnen zu wollen.



Als Breanna und ich eintreten, ist die Kneipe gut besucht. Schmiede, Händler, ein paar zwielichtige Gestalten, die sich nicht entscheiden können, ob sie Geschäfte machen oder sich prügeln wollen. Mein Blick schweift durch den Raum, bis ich sie sehe – Sylvana und Cyrus, bereits an einem Tisch, zwei halbvolle Krüge vor sich.

Sylvana hebt sofort eine Braue, als sie mich sieht, und dann noch eine Spur höher, als ihr Blick auf Breanna fällt. Ich erahne das funkeln der Neugier.

„Lavender, immer ein Mann der Überraschungen. Und wer ist deine charmante Begleitung?“

Bevor ich antworten kann, lehnt sich Breanna mit einem spielerischen Lächeln auf den Tisch, verschränkt die Arme und mustert Sylvana mit unverhohlenem Interesse.

„Breanna. Mein Job ist es, Typen wie ihm da das Geld aus der Tasche zu ziehen, aber irgendwie macht’s mehr Spaß, ihm zuzugucken, wie er’s freiwillig loswird.“

Cyrus prustet laut los. „Oh, die ist gut. Viel besser als Mister Silberlöffel da drüben.“

Ich hebe herausfordernd eine Braue. „Das sagst du nur, weil sie dich noch nicht abgezogen hat.“

„Korrekt.“ Cyrus grinst breit, bevor er mich von oben bis unten mustert, als hätte ich mich in eine Mülltonne geworfen und wäre dann erst hier aufgetaucht. Seine Augen verengen sich leicht, als er meinen dunklen, etwas zu einfachen Mantel betrachtet, den ich mir vor dem Treffen übergeworfen habe.

„Apropos, warum trägst du eigentlich einen benutzten Waschlappen, Lavender?“

Ich lehne mich gegen den Tisch, verschränke die Arme, lasse ein selbstgefälliges Lächeln aufblitzen.

„Ich dachte, ich versuch heute mal, mein Profil niedrig zu halten.“

„Schlechte Idee. Sieht immer noch teuer aus.“

Breanna hebt ihren Krug. „Auf schlechte Tarnungen und noch schlechtere Entscheidungen.“

Cyrus stößt lachend mit ihr an. Sylvana schüttelt leicht den Kopf, aber ich sehe, wie die Anspannung in ihren Schultern nachlässt. Ein leises Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Was ist das?



„Alles gut, ich hab nur was realisiert.“

Bre zieht eine Braue hoch. „Was denn?“

Er grinst. „Dass wir noch viel zu nüchtern sind.“

Breanna klatscht in die Hände, als hätte sie nur auf diese Worte gewartet. Sie schnappt sich einen Krug, winkt den Wirt herbei und bestellt eine Runde für alle.

„Zeit für ein Trinkspiel.“

Sylvana seufzt, Cyrus grinst breit.

Ich lehne mich zurück, spüre für einen Moment, wie sich die Anspannung in meinen Schultern löst. Heute war kein guter Tag. Keiner von uns hatte gerade ein leichtes Leben. Aber heute Nacht konnten wir so tun, als wäre es so.

Ich beobachte, wie der Abend sich entfaltet – das Lachen wird lauter, die Gespräche vertrauter, und irgendwo zwischen den halb geleerten Krügen und den schief gesungenen Trinkliedern lehne ich mich näher an den Tisch und senke die Stimme.

„Melody könnte gefährlicher sein, als ich erwartet habe.“

Cyrus und Sylvana wechseln einen Blick. Dann platzt es aus beiden gleichzeitig heraus – lautes, ungläubiges Lachen.

Cyrus schüttelt den Kopf, lehnt sich zurück und nimmt einen großen Schluck, bevor er grinsend auf mich zeigt.

„Du bist Gefahr wohl nicht gewohnt, hm, kleiner Prinz?“

Ich hebe eine Braue, sage aber nichts.

Sylvana schüttelt noch immer den Kopf, nimmt sich einen Moment, bevor sie sich auf den Tisch stützt.

„Lav, uns ist schon klar, dass die Alte eine Giftschlange ist. Aber sie ist eine, die sich an die Regeln hält. Und das macht sie berechenbarer als die Mistkerle, mit denen wir uns sonst rumschlagen.“

Cyrus nickt. „Sie ist schlau, sie ist hinterhältig – aber sie ist auch zahm. Jedenfalls zahmer als die Geldzwerge.“

Langsam lege ich den Kopf schief, ein Lächeln spielt auf meinen Lippen – aber es erreicht meine Augen nicht.


„Und was, wenn sie nur so tut?“

Für einen Moment ist es still. Dann winkt Breanna ab und nimmt einen tiefen Schluck aus ihrem Krug.

„Er hier wieder mit seinem Theater. Lad doch das nächste mal ein oder zwei Baronen mehr ein, wenn du über Verschwörungen reden willst.“

Cyrus lacht und hebt den Krug.

„So oder so, wir sind noch am Leben, also stoßen wir darauf an.“

Sie alle tun es, aber mich lässt es nicht los.

Zahm. Berechenbar. Sie ist offensichtlich weit mehr als das. Aber besser als die Geldzwerge? Klar, sonst hätte ich uns nicht hierhin manövriert.

Naja. Ich kann später drüber nachdenken.

Ich lehne mich locker zurück, den neuen Krug noch unberührt in der Hand. Mein Blick wandert über den Tisch, schweift beiläufig, bleibt dann aber an den beiden hängen.

Es ist kein offensichtlicher Unterschied. Keine großen Gesten, keine Worte, die die Luft zwischen ihnen verändern. Aber es ist da.

Die Art, wie sie sich anschauen.

Die Wärme in Sylvanas Augen.

Die kleine Berührung an Cyrus’ Hand, wenn sie spricht.

Die viel zu gute Laune für zwei Menschen, die bis zum Hals in der Scheiße stecken.

Ich blinzele, als mir die Erkenntnis kommt. Dann schmunzle ich leicht.

Gut für die beiden.

Ich nehme einen Schluck, beobachte sie noch einen Moment, bis Sylvana plötzlich merkt, dass ich sie anstarre. Ihr Gesicht färbt sich leicht rot, und sie wirft mir einen misstrauischen Blick zu.

„Hör auf damit.“

Cyrus schaut auf, bemerkt meinen Ausdruck und grinst.

„Wenn du weiter so einen Psycho-Blick ziehst, rekrutiert irgendein Zwerg dich für den Kampfring.“

Breanna lacht laut, klopft mir auf die Schulter. „Oder für ’ne Wahrsagerbude. Du kannst Leuten in die Seele glotzen, das ist doch auch was.“

Ich schüttele leicht den Kopf und kehre in die Realität zurück.




Langsam klang der Abend aus. Die Nacht liegt schwer über Lotarm. Die Luft ist kalt, aber ich bleibe draußen auf der Veranda stehen, lehne mich gegen das Geländer und lasse meinen Blick über die Stadt streifen. In der Ferne erklingen noch vereinzelt Hammerschläge, gedämpftes Gelächter hallt aus den Tavernen, aber hier draußen ist es ruhiger. Ich ziehe meinen Mantel etwas enger um mich, aber nicht wegen der Kälte.

Hinter mir knarrt die Tür. Schritte, leicht, aber bestimmt. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer es ist.

Sylvana tritt neben mich, lehnt sich ebenfalls gegen das Geländer. Sie sagt erst nichts, lässt uns in dieser Art von stiller Übereinkunft verweilen, die ich nicht gewohnt bin.

Dann atmet sie tief durch.

„Hey. Ich wollte…“ Sie hält inne, als würde sie ihre Worte erst noch ordnen müssen. Dann schüttelt sie den Kopf. „Scheiße. Ich wollte sagen, es tut mir leid, okay? Dass ich so taktlos war, als du von deiner Mutter geredet hast.“

Ich sage nichts. Ich könnte. Ich könnte abwinken, könnte sagen, dass es nicht schlimm war, könnte sie mit irgendeinem Spruch ablenken. Aber ich tue es nicht.

„Scheiße, was dein Vater macht, ist absolut schrecklich. Und ich verspreche dir – wenn das hier alles hinter uns liegt, dann helfen wir dir.“

Sie seufzt leise, reibt sich mit zwei Fingern über die Stirn, als würde sie überlegen, ob sie weitermachen soll. Dann tut sie es.

„Vielleicht hätte ich das sogar getan, wenn du mich einfach gefragt hättest.“

Die Worte treffen mich härter, als sie sollten.

Etwas Kaltes läuft mir über den Rücken. Mein Herzschlag verlangsamt sich, aber mein Magen zieht sich unangenehm zusammen. Ein Gedanke, zu schnell, zu tief: Ich hätte nur fragen müssen.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, halte es leicht, locker, als wäre es mir egal.

„Ich glaube manchmal vergesse ich einfach, dass man nicht immer das Schlimmste erwarten muss.“

Meine Stimme klingt normal. Ruhig. Fast belustigt. Aber ich spüre, dass sie mich ansieht.

Dann grinst sie – schief, wissend, mit einer Spur Melancholie.

„Doch. Das sollte man.“

Meine Braue hebt sich leicht. Ich warte darauf, dass sie es als Witz abtut, aber das tut sie nicht.

„Man muss nur wissen, wen man bei sich haben will, wenn es passiert.“

Die Worte hallen nach.

Ich will sie nicht bedeutsam machen, aber sie sind es.

Ein Moment vergeht, in dem ich nicht weiß, was ich sagen soll – was mir selten passiert. Dann klopft sie mir leicht auf die Schulter, dreht sich um und geht zurück ins Innere der Taverne.

Ich bleibe stehen, lasse ihren Satz noch einmal in meinem Kopf abspielen. Dann atme ich langsam aus, stoße mich vom Geländer ab und folge ihr.

Als ich zurück in die Taverne trete, spüre ich Breannas Blick sofort.

Bohrend. Forschend. Neugierig.

Sie lehnt locker gegen einen der Holzbalken, eine Hand an ihrer Hüfte, die andere mit einem halb geleerten Becher spielend. Ihr Blick bleibt an mir hängen, als hätte sie genau gesehen, was gerade draußen passiert ist – oder vielleicht nur genug, um sich ihren Teil zu denken.

Ich halte ihrem Blick stand, setze ein unbeeindrucktes Lächeln auf und schiebe mich an einem besetzten Tisch vorbei, während ich zurück zu unserem Platz gehe.

„Alles in Ordnung, Lav?“ fragt sie, mit diesem kleinen Funkeln in den Augen.

Ich grinse. „Mehr als das.“

Breanna mustert mich noch einen Moment länger, dann zuckt sie mit den Schultern und nimmt einen weiteren Schluck.

Ich lasse mich in meinen Stuhl sinken, aber ein Gedanke bleibt an mir haften wie ein lockerer Faden, den man nicht abschneiden kann.

Diese vier machen’s mir nicht einfach.


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