Herons Opfer und die Ruhe vor dem Sturm by Theresa | World Anvil

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Tue 3rd May 2022 07:24

Herons Opfer und die Ruhe vor dem Sturm

by Theresa Einhardt

Wider meiner Erwartungen und jeglichem Zeitgefühl beraubt schlug ich überrascht meine Augen auf. Ich war am Leben.
Über mir kniete Heron und sah mich ehrlich erleichtert an. Ich lag nach wie vor an der selben Stelle inmitten der Höhle der Grünen Vettel von der jetzt jede Spur zu fehlen schien.
Rechts von mir erblickte ich Sniv, welcher gerade Poppy weckte und Bernhardt, der mit dem Rücken gegen die Felswand gelehnt still seine schmerzenden Glieder massierte.
 
"Was ist geschehen?", fragte ich Heron.
 
Irgendwie sah er anders aus und es dauerte einen Moment bis mir auffallen sollte, dass jegliche Spuren der Verderbnis von seinem Körper verschwunden waren.
 
"Ich werde es euch erzählen, aber lasst uns zunächst diesen furchtbaren Ort verlassen und nach Frod zurückkehren."
 
Erschöpft und geschlagen traten wir also den Rückweg an. Niemand verlor ein einziges Wort aber trotz aller Frustration waren wir heilfroh am Leben zu sein.
 
An den Pforten des Dorfes erwartete Alvaro bereits ungeduldig unsere Ankunft. Gemeinsam lieferten wir den leblosen Körper Basalts in Milils Tempel ab und übergaben ihn in Julius' Obhut, welcher versprach eine Krähe nach Bachstrom - der nächst größeren Ortschaft - zu entsenden um dem Kleriker ein angemessenes Begräbnis ermöglichen zu können.
Wir fanden uns in der Taverne ein und Heron berichtete uns, was während unserer Bewusstlosigkeit vorgefallen war.
 
Mutig hatte er die Waffen niedergelegt und war mit der Vettel einen Pakt eingegangen. Sie heilte ihn von der Verderbnis und verschonte unsere Leben im Gegenzug dafür, dass wir uns niemals in ihre Affären einmischen dürften. Falls doch würde Heron bitter dafür bezahlen müssen. Er hatte außerdem herausgefunden, dass die Hexe Teil eines Zirkels und eine der sieben Herren (Damen?) der Sünden war.
 
Ich schluckte. Wir waren dem Tod entgangen und das nur, weil einer von uns bereit war sich für die anderen zu opfern. Bewundernd blickte ich auf den selbstlosen Mönch und überlegte mir, ob ich zu ähnlichem fähig gewesen wäre. Bis heute habe ich keine Antwort auf diese Frage gefunden.
 
Wir beschließen im Morgengrauen das Dorf zu verlassen um möglichst viel Abstand zwischen uns und das Revier der Vettel zu bringen.
 
Die Entscheidung wohin wir reisen sollten wurden uns nach dem Frühstück abgenommen. Die Tür sprang auf und ein verwundeter Mann betrat den Raum. Seine Kleidung war von firschem Blut befleckt und aus seinem Rücken ragten einige grob geschnitzte Pfeile.
 
"Gnolle... in Bachstrom... helft uns...".
 
Dann verließen ihn seine Kräfte und er sackte leblos zusammen, nur um dann als Verdorbener wieder zu erwachen und uns im Blutrausch anzugreifen.
Ein einzelner stellte keine Gefahr dar und so war es ein leichtes den armen Mann ein für alle Mal zu töten.
Wir verloren keine weitere Minute und eilten nach Bachstrom.
 
Dort angekommen zeigte sich uns die Verwüstung der Gnollhorde. Mehrere Gebäude standen in Flammen, welche die Dorfbewohner zu löschen versuchten. Einige leicht bewaffnete Menschen eilten wenig koordiniert quer über den Hauptplatz. Aus dem nahegelegenen Tempel rief eine tiefe Stimme nach uns und im Torbogen des Seiteneingangs erblickten wir einen Zwerg, der sogar aus dieser Distanz dem toten Basalt zur Verwechslung ähnlich sah. Ohne zu zögern folgten wir seiner Anweisung und fanden uns sogleich gegenüber einer kleinen Gruppe von Gnollen - vermutlich die letzten lebenden Feinde, die sich noch im Dorf befanden.
Der Zwerg schien Sniv zu kennen und begrüßte ihn nicht nur freudig, sondern hob ihn sogleich auf den Tempelaltar und badete den lichtscheuen Kobold in heiligem Glanz. Der gottgeweihte Zauber verschlang Snivs Verderbnis und kurz darauf schloss er sich dem Kampf an.
 
Nach der gewonnenen Schlacht stellte sich uns der Zwerg als Basaltrius vor. Er war ein Cousin von Basalt und der Kleriker von Bachstrom. Basaltrius berichtete, dass die meisten Gnolle bereits von einer Gruppe namens "Firons Wilde" aus dem Dorf vertrieben worden waren und wir mit dieser kleinen Schar den Rest dieser Plage erledigt hätten.
Außerdem schien er Alvaros Bruder zu kennen, welchen er zunächst mit diesem verwechselte. Ob sein Bruder in der Vergangenheit wohl auch einer Gruppe Helden angehört hatte?
Auch Sniv kannte er und mit großem Erstaunen lauschten wir diesem, als er uns in sein Geheimnis einweihte. Eine Koboldlegende besagte nämlich, dass diese wiedergeboren werden und offenbar konnte sich auch Sniv an die Begegnung mit Basaltrius seines vorherigen Ichs erinnern.
 
Basaltrius lud uns danach in die Dorftaverne "Zum Kraken" ein und wir verbrachten einen sehr flüssigen Abend, bevor wir uns zur Ruhe legten. Als Dank für unsere Hilfe hatte uns der Barbesitzer, ein Tabaxi namens Rosé, Einzelzimmer zur Verfügung gestellt und ich ergab mich schnell dem lang benötigtem Schlaf.
 
Den nächsten Tag beschlossen wir wesentlich entschleunigter zu verbringen. Bachstrom war das bisher größte Dorf durch das wir während unserer Reise gekommen waren und daher hatten sich hier auch einige Händler angesiedelt. Diese Gelegenheit nutzen wir um unsere Vorräte aufzustocken und uns mit neuen Rüstungen und hilfreichen Utensilien einzudecken.
Dieser Einkaufsbummel war ein richtiger Erfolg!
 
Selbst wenn es nicht so groß war wie unsere Heimat hatte diese Ortschaft einiges zu bieten und so fanden wir nicht weit vom Kraken entfernt eine kleine Greißlerei, vor der eine schwarze Vogelgestalt stand. Neben ihr war ein Schild zu sehen mit der Aufschrift "Kann schlecht Handelssprache, wird aber jeden Tag besser". Das Vogelwesen sah aus wie ein überdimensionierter Rabe und nach einer kurzen aber holprigen Experimentierphase wurde uns klar, dass es die Handelssprache eigentlich gar nicht spricht, sondern nur imitiert und sukzessive ihren Wortschatz erweitert. Ihr Name war Kirin und ich schloss sie gleich ins Herz. Wenn das was Richetz uns erzählt hatte stimmte, müsste es sich bei Kirin um eine Kenku handeln. Was es alles gibt!
In ihrem kleinen Geschäft führte Kirin allerlei nützliche Dinge. Alvaro, Heron, Poppy und ich deckten uns sogleich mit Kugellagern, Krähenfüßen, Kreide, Decken und Kerzen ein. Poppy schien offenbar auf der Suche nach einem magischen Blumentopf zu sein, wurde jedoch leider nicht fündig. Stattdessen aber entdeckten wir durch Zufall eine Kuriosität, als Kirin beim Suchen der Kreide ein kleiner roter Kegel aus der Schachtel fiel. Zunächst verstanden wir nicht was dessen Zweck sein sollte, Kirin jedoch gab sich alle Mühe mit Flügeln und Füßen zu erklären, dass es sich dabei um einen Genieduftkegel handelte, der bei dessen Entzünden alle nahestehenden Personen zur elementaren Ebene des Feuers teleportiert. Dieser Räucherkegel roch nach Rosen, also vermutlich würden andersduftende Kegel den Riecher zu einer entsprechend anderen Ebene senden. Einfach unglaublich!
 
Es dauerte eine ganze Weile, bis wir in Kirins Laden fertig waren und erst dann merkten wir, dass es Bernhardt und Sniv offenbar zu langweilig geworden war und sie weitergegangen waren. Wir verabschiedeten uns also von Kirin und flanierten weiter.
Auf dem Weg ins Dorfinnere begegneten wir einem älteren Tiefling mit tiefvioletter Haut. Sein funktionierendes Auge war eine einzige weiße Pupille und das andere offenbar durch eine alte Verletzung verbrannt und vernarbt. Freundlich stellte er sich uns als Arimfurcht und der Bürgermeister von Bachstrom vor und lud uns am selben Nachmittag zum Essen ein.
Kurz darauf kamen uns Bernhardt und Sniv entgegen. Sie hatten der hiesigen Schmiede "Drachenfeuer" einen Besuch abgestattet und Sniv zeigte stolz seine neue Lederrüstung vor deren Schwarz ihm nicht Schwarz genug war. Komischer Kerl.
Bernhardt hingegen sah etwas niedergeschlagen aus. Er hatte versucht eine bessere Rüstung zu erstehen, jedoch fehlte ihm noch das nötige Kleingeld. Dafür war er mal wieder um eine weibliche Bekanntschaft reicher geworden, denn auf dem Weg zur Schmiede hatte er eine Jägerin namens Caras getroffen, die gleich die Gelegenheit genutzt hatte, um den großen Krieger der Gnollbande hinterher zu schicken! HAHAHA! Selbstverständlich hatte er eingewilligt, wie das von Helden nunmal erwartet wird ;)
 
Wir zogen weiter und trafen auf ein dubios aussehendes Geschäft, aus dessen Kamin am hellichten Tage dunkler Rauch aufstieg. "Pryderis Utensilien" nannte sich der Laden, welchen wir voller Neugierde betraten. Darin hantierte ein alter Mann mit allerlei Fläschchen und Substanzen. Zunächst versuchten wir mit ihm um Heiltränke zu feilschen, denn diese benötigten wir dringend. Es sollte sich jedoch herausstellen, dass Pryderis nicht nur eine sehr geringschätzende Meinung von Kirin hatte, sondern diese auch laut kundtat. Wenn das meine Mutter erlebt hätte, hätte sie dem alten Sack zumindest heiße Ohren gegeben. Jeder Händler sollte doch zumindest so viel Anstand und Würde besitzen, um Konkurrenzkämpfe ohne persönliche Beleidigungen ausfechten zu können!
Selten in meinem Leben habe ich ein Geschäft dermaßen schnell wieder verlassen und ich war froh zu sehen, dass es mir die anderen gleich taten ohne auch nur ein Kupferstück an den Knauser zu verschwenden!
 
Das letzte Händlergebäude, dass wir an diesem Tag besuchen sollten hieß "Gute Güter" und gehörte offenbar einem Freund (?) von Richetz der gerade mit diesem lautstark disskutierte, als wir das Haus betraten. Auch Burgel war ein Gnom und rühmte sich mit der Extravaganz seiner Güter. Ich erstand eine Bullaugenlaterne und die Hoffnung auf eine Lieferung Minderlichtverstärker, die in zwei Wochen eintreffen sollte! Für nur 40 Goldstücke! WAS FÜR EIN SCHNÄPPCHEN!!! Ich hoffe nur, wir sind in zwei Wochen noch in Bachstrom...
 
Erschöpft und hungrig von unserem Einkaufstag kehrten wir schließlich in der Hütte des Bürgermeisters ein. Er schien recht wohlhabend zu sein. Nicht nur war das Haus beachtlich groß und prunkvoll ausgestattet, er hatte auch seine eigene Haushälterin, die uns empfing und hinein bat.
Molly führte uns in einen großen Raum mit einer langen Tafel an der Arimfurcht uns bereits geduldig erwartet hatte. Er verköstigte uns mit einem vorzüglich zubereitetem Hasen und Alvaro bekam diesmal sogar ein eigens für ihn zubereitetes vegetarisches Gericht.
Gesättigt gingen wir danach zum geschäftlichen Teil des Treffens über. Wie zu erwarten hatte Bachstrom, wie viele andere Dörfer auch, ein Gnollproblem, welchem wir uns für 300 Goldstücke inklusive Verpflegung annehmen sollten. Wir erhielten also unseren ersten offiziellen Auftrag als Helden! Wie aufregend!
Arimfurcht führte uns danach in einen anliegenden Raum von ovaler Form, der vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen gefüllt war. Hier hatten wir die Möglichkeit für die vor uns liegenden Gefahren Recherche zu betreiben.
Ganze vier Stunden verbrachten wir mit Suchen und Lesen. Sniv war alsbald inmitten der Bibliothek eingeschlafen. Bernhardt half Poppy, während Heron mir zur Hand ging.
Ich muss sagen, umso mehr Zeit ich mit Heron verbringe, desto mehr genieße ich es. Ein komisches Gefühl. So neu und... ob er das wohl auch so wahrnimmt? Naja egal, jedenfalls... wo waren wir? Achja... Alvaro hingegen ging seinen eigenen Studien nach. Wir fanden allerlei erstaunliche Informationen - ein Gemisch aus Fakten und Mythen zwischen denen sich vermutlich irgendwo die Wahrheit befand.
 
Schließlich entließ uns der Bürgermeister mit einer Überraschung, denn wir sollten nicht alleine gegen die Gnolle antreten. In der Taverne würden wir bereits erwartet werden...