Bluttreue by CrazyEddie | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Schwarze Adern, rotes Blut

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30. Cervore 7347 Vierte Ära NL

Vormittag

Myrtax

 

 

 

Genüsslich streckte sich der Sklave im eigenen Bett aus, schlug die Decke zurück und ging sich erleichtern. Heute war ein guter Tag, das hatte er im Gefühl. Er hatte kurz, aber gut geschlafen und war froh, dass er sich erleichtern und die letzten Seiten des aktuellen Altvorderen-Buchs lesen konnte.

Leise summend begab er sich wieder ins Bett und las die doch recht unspektakulären Seiten, die beinahe unter seinen Händen und in der bleichen Sonne zerfielen. Der Sommer hatte seine volle Wucht bereits erreicht und Myrtax freute sich nicht darauf, die durchgeschwitzten Vampire waschen zu müssen. Er freute sich auch nicht darauf, schwitzen zu müssen. Mal abgesehen davon, dass er sich dann nicht wohl fühlte, war das dauernde Waschen seiner Kleidung teilweise schon mehr eine Last denn ein leichtes Ärgernis.

"Unbefriedigend.", murmelte Myrtax, als er das Buch leise zuklappte und sich nachdenklich auf die Seite rollte. Mittlerweile hatte er auch ein Grundlagenbuch gefunden, in dem auch Runen beschrieben worden waren, aber noch kein Buch, welches erklärte, wie und warum man Magie besaß oder nicht. Er hatte schon ein wenig die Hoffnung aufgegeben, überhaupt etwas darüber zu erfahren sowie die Hoffnung aufgegeben, jemals selbst Magie zu beherrschen.

Zumindest konnte er die Sprache nun einigermaßen flüssig lesen und auch schreiben. Das war auch der Grund, warum er einige der Bücher in Jilals privater Bibliothek verstehen konnte. Nicht, dass er sich getraut hatte, sie auch nur anzufassen oder in ihre Nähe zu kommen.

Nun gut, es half ja alles nichts. Ein weiteres Buch musste her und sei es nur, um seine Neugier zu befriedigen. Also glitt er aus dem Bett, kleidete sich und verließ mit dem Buch unter dem Hemd sein kleines, gemütliches Zimmer, nahm den Weg nach unten aus dem Anwesen heraus zur Bibliothek.

Es war wie immer sehr still in der Halle mit den langen Gängen und den schmalen Fenstern, manchmal hörte er das Rascheln von Stoff oder das leise Flüstern von Schuhen auf dem Boden, sehr selten das leise Umblättern von Pergamentseiten.

Myrtax versuchte sich so unauffällig wie möglich zu verhalten und so leise wie möglich zu bewegen. Ihm war der Besuch der Bibliothek mittlerweile gestattet, aber eben nur "seichtes" Werk wie Geschichten oder die Rolle der Sklaven - seien es Vampire oder Menschen - in der Gemeinschaft der Vampire. Sogar die Historie der Vampire und ihrer Erzfeinde wurde aufgeführt. Myrtax hatte auch herausgefunden, woher die Vampire ursprünglich kamen und dass sie eigentlich nicht die vorherrschende Rasse gewesen waren.

Irgendwie beruhigend.

Myrtax schaute verstohlen nach links, rechts und hinten, bevor er rasch in den Gang zwischen den Regalen abbog. Zuerst war er verwirrt, dann bekam er es mit der Angst zu tun. Die Bücher waren nicht mehr dieselben. Es waren zwar immer noch Bücher der Altvorderen, aber fast das gesamte Regal war anders. Sogar eine komplette Buchreihe war verschwunden, die einen braunen Rücken mit goldenen Beschriftungen hatte. Myrtax hatte verstanden, dass es Alchemie-Bücher waren, hatte sich aber nicht getraut, eines der Bücher mitzunehmen, denn ihr Fehlen würde bemerkt werden.

Was war hier los? Hatte man ihn entdeckt?

Scheiße!

Das Fehlen des Buches war sicher aufgefallen bei der Inventur, als die Bibliothekare die Bücher verschoben hatten. Myrtax konnte sie und sich verfluchen, was er auch leidenschaftlich tat, während er versuchte, ein ähnlich großes Buch zu finden, welches er austauschen konnte.

Schweiß rann ihm über die Stirn und in den Nacken, denn auch in der eigentlich kühlen Bibliothek wurde es langsam wärmer, aber auch der Stress und die Panik taten ihr übriges.

Da, endlich. Ein dünnes Buch mit einem roten Umschlag, auf dem in kurvigen Lettern "Bauen mit Runen" stand. Was auch immer damit gemeint war, auf jeden Fall tauschte Myrtax rasch beide Bücher miteinander, verbarg das dünne Buch unter seinem Hemd und verließ die Bibliothek so umsichtig wie möglich, bevor er angestrengt atmend zur Küche ging, um sich sein Frühstück zu holen.

"Was keuchst'n so?", fragte der neue Koch, ein niederer Vampir des ersten Rangs.

"Zu warm.", murmelte Myrtax ihm zu, beugte sich etwas vor, damit er das Buch an seiner Seite verdecken konnte. "Habt ihr Frühstück?"

"Sicher." Der Vampir holte einen Tonteller hervor und belud ihn mit Brot, Trauben, etwas Käse, zwei deftigen Würsten und reichte dazu dünnen Tee. "Teller bringste selbst wieder."

"Klar." Myrtax neigte kurz den Kopf und verschwand mit Teee und Teller etwas ungelenk ins Anwesen, um weiter zu lesen. Seinen Pflichten musste er erst im Zuge des Nachmittags erledigen, bis dahin hatte der Sklave Zeit.

Das Buch war erstaunlich einfach zu lesen, aber Myrtax verstand bereits auf der ersten Seite, was gebaut werden sollte: Häuser. Offenbar konnte man mit den Runen der Altvorderen die Statik verbessern und entsprechende Bauten widerstandsfähiger machen.

Interessant, aber auch nicht weiter nützlich, da Myrtax nie ein eigenes Haus bauen würde. Geschweige denn, dass er danach gefragt werden würde. Oder dazu eine Meinung haben durfte.

Frustriert ließ er sich ins Bett sinken, versteckte das Buch wie immer unter der Matratze und döste, bis er erschrocken aus dem Fenster schaute.

Die Sonne war bereits hinter den Bäumen versunken und es dämmerte.

"Scheiße!", fluchte der Sklave wieder, wusch sich notdürftig und rannte zur Küche, nahm den Tonteller mit und holte Frühstück für die beiden adligen Vampire.

Oben angekommen stellte er das Tablett auf den langen, dunklen Tisch und wartete darauf, dass die beiden Vampire aufwachen würden. Marseille war zuerst wach, schmiegte sich aber lieber an Jilal, als aufzustehen. Was Myrtax immer noch sehr irritierte, warum die Frau nun weniger Angst vor dem nicht gerade umgänglichen Jilal hatte und sich sogar zu ihm hingezogen fühlte.

Ein paar Minuten später stand sie auf, erleichterte sich und schaute Myrtax auffordernd an, der das frische Wasser in dem Eimer zu ihr brachte und sie so gut es ging wusch. Der Geruch nach Schweiß und Schlaf war seltsam einlullend, aber Myrtax erfüllte seine Aufgabe in Vollendung und reichte Marseille sogar den fast durchsichtigen weißen Morgenmantel aus kühler Seide.

"Ist es warm draußen?", fragte sie, setzte sich an den Tisch, ihre weichen Rundungen drängten sich förmlich gegen den glänzenden Stoff.

"Ja, Herrin. Sehr. Für mich jedenfalls."

"Hm." Sie nahm ein paar Trauben, drehte sie in den Händen. "Verstehe." Dabei schaute sie weder Myrtax noch ihre Speisen an, sondern Jilal, der sich unbedeckt im Bett räkelte. Dabei stand in ihren Augen keine Wärme, keine Liebe, nur kalte Berechnung und Myrtax begriff, dass ihre Zuneigung nicht so tief war wie angenommen.

Marseille spielte ein falsches Spiel und Myrtax lächelte innerlich. Vielleicht konnte er sich mit ihr irgendwann verbünden, um gegen Jilal vorzugehen. Am besten, bevor er ein alter Mann geworden war. Falls er so lange überlebte.

Über die letzten Jahre, besonders durch den Tod seiner Eltern und der schönen Huria, war ihm klar geworden, wie sehr er den Tod fürchtete. Wie sehr er leben wollte, egal, ob er dabei einen Finger verlor oder einem Vampir in den Allerwertesten kriechen musste, metaphorisch oder nicht.

Jilal regte sich, wurde von Myrtax gewaschen, gekleidet und bekam den Stuhl herangezogen, als er sich neben seine Marseille setzte, die gar nicht so sehr seins war wie erwartet.

Die Nacht war erstaunlich ruhig und es wurde merklich kühler, auch wenn ihnen allen der Schweiß über den Körper lief. Myrtax begleitete das Paar dabei, wie es durch die Gärten flanierte, sich einen Blutsklaven teilte und wie sie das Abendessen gemeinsam einnahmen, bevor sie übereinander herfielen. Myrtax verkrümelte sich rasch, um weiterzulesen, bevor er einschlief.

Lange hielt sein Schlaf nicht an, denn grobe Hände packten ihn an den Schultern und zogen ihn mitsamt Buch aus dem Bett, warfen ihn unsanft zu Boden, dabei stieß er sich das Knie am harten Holzfußboden und Myrtax jaulte gepeinigt auf.

"So ist das.", zischte eine ihm bekannte Stimme angewidert. "Du betrügst mich, nach allem, was wir dir gegeben haben? Was kann man von einem dreckigen Menschen auch erwarten?"

Jilal stand in der Tür, flankiert von zwei Wachen, im Gang huschte einer der Bibliothekare umher. Myrtax wusste sofort, was passiert war: der Vampir hatte ihn gesehen, als er das Buch stahl und hatte Jilal informiert.

"Herr!", rief Myrtax dennoch aus, versuchte auf die Beine zu kommen, aber ein weiterer Vampir neben ihm warf ihn erneut zu Boden. "Es ist nicht..." wonach es aussieht, hatte er eigentlich sagen wollen, aber es war genau das, wonach es aussah. Das wusste auch Jilal, dessen Gesicht vor Wut so verzerrt war, dass es ausschaute, als wäre sein Gesicht aus Glas und die Scheibe war nun zerbrochen.

"Bringt ihn ins Verlies.", befahl der Sohn der Lachlidan-Schatzmeister und nun alleiniger Herrscher über die Finanzen. "Wasser und Brot. Keine Besuche, falls es welche geben sollte."

"Ja, Herr." Die beiden Wachen traten nach vorne, packten Myrtax bei den Armen und schleiften ihn nach draußen. Myrtax wehrte sich verzweifelt, aber gegen die starken Vampire kam er einfach nicht an. So warfen sie ihn in seiner Arbeitskleidung in eine der wenigen Zellen, die noch erträgliches Stroh hatten und schlossen ihn ein, löschten das Licht.

Myrtax war allein in der Dunkelheit, in der es knisterte und raschelte. Allein mit sich, seinen Gedanken und Ängsten.

Er sah sich schon geschändet und ausgeweidet im Arbeitszimmer der Lachlidan liegen und bekam es mit der Angst zu tun.

Man hatte ihm beim Lesen von Altvorderen-Büchern erwischt. Die Bestrafung war sicherlich nicht der Verlust eines weiteren Fingers.

 

 

 

33. Cervore 7347 Vierte Ära NL

Sonnenuntergang

Myrtax

 

 

Gemurmel ertönte leise vom Eingang her, von den Treppen nach draußen, von der frischen Luft und der Sonne, die sicherlich nicht am Himmel stand. Schwere Schritte von beschlagenen Sohlen klimperten und stampfen auf den hölzernen Stufen zum Verlies unter dem Baum-Anwesen.

"Hier ist er.", murmelte eine leise Stimme, das leise metallene Geräusch einer Lampe war zu hören, dann entzündete jemand die Lampe und blendete den hungrigen, nur mit Wasser versorgten menschlichen Sklaven in seiner Ecke.

Myrtax hob träge den Kopf. Er war schwach, müde, hungrig, hatte kaum geschlafen und sein Zeitgefühl war ihm sowieso abhanden gekommen in dem nach Erde und feuchtem Stroh riechenden, lichtlosen Keller. Seinem Hunger nach zu urteilen waren drei oder vier Tage vergangen, seitdem sie ihn eingesperrt hatten.

Die Lampe wurde von einer schönen, schlanken Hand gehalten, die zu einem Arm und zu einem Körper gehörte, der sich als Marseille entpuppte. Sie trug einen braunen Überwurf, mehr konnte Myrtax nicht erkennen im Gegenlicht.

"Du siehst scheiße aus. Sogar für einen Menschen.", eröffnete sie ihm, rümpfte die schöne Nase. "Und du stinkst."

"Wundert mich nicht.", grummelte er leise. "Was willst du?"

"Oh, so aufmüpfig? Ich könnte dir zur Rettung kommen."

"Du?" Myrtax lachte, richtete sich auf und hielt sich schwankend an den rostigen, aber immer noch stabilen Eisenstangen fest. Marseille stand außerhalb seiner Reichweite, er konnte nicht einmal die Lampe berühren. "Ich glaube kaum, dass eine Vampirin auch nur einen Tropfen Blut für einen Menschen opfern würde." Er schaute Marseille von unten er an. "Auch, wenn du mir einen geblasen hast, ich bezweifle, dass du dich in mich verliebt hast."

"Nein." Marseille lächelte schmal, schaute an ihm herunter. "Hat auch keinen Spaß gemacht, aber ich hab es dir geschworen, wenn du uns die Treue schwörst."

"Wie auch immer..." Myrtax blinzelte gegen das ungewohnte Licht an. "Was willst du hier? Willst du mir erzählen, wie ich sterben werde?"

"Gar nicht.", schmunzelte die Vampirin. "Sie werden dich auspeitschen und dich zum Feldsklaven degradieren. Ohne Schutz vor den anderen."

"Oh, also wieder zurück auf Anfang?"

"Nein. Du, Myrtax, bist Frischfleisch. Es wird niemand bestraft, wenn er sich an dir vergeht, dich schändet oder dich tötet. Du hast unser - eher Jilals - Vertrauen so stark missbraucht, dass er dir nicht vergeben kann. Oder nicht will, ich glaube, das trifft es eher."

"Auspeitschen?" Myrtax schluckte, ihm wurde flau im Magen - mehr als ohnehin schon - und er hätte sich fast übergeben. Niemand würde ihn behandeln und alle würden ihm zugucken, sogar die Sklaven. Er war so hoch geflogen und fiel nun so tief und er konnte niemand anderen die Schuld zuweisen als sich selbst.

"Ja, auspeitschen." Marseille ließ die Lampe sinken, wurde von unten angestrahlt, was ihre Augen seltsam leuchten ließ. "Mein Jilal erlaubt es mir nicht, deinen Körper von seinem Blut zu befreien, also hast du noch einmal Glück gehabt."

Myrtax schaute die Vampirin an und grinste breit. "Was? Wolltest du mir das Blut aus dem Schwanz saugen?"

Marseille lachte, ihr Arm schnellte vor und packte ihn an der Kehle. Er hatte es nicht einmal kommen sehen.

"Das würde dir so gefallen, du menschlicher Wurm.", zischte sie leise, Myrtax bekam kaum noch Luft. "Nein, ich würde verhindern, dass du schwacher Mann dich nicht weiterentwickeln und fortpflanzen kannst."

Sie stieß ihn so hart zurück, dass er aufs Stroh fiel und es gerade so schaffte, den Eimer mit seinen Hinterlassenschaften zu verfehlen.

"Kann ich dich was fragen?" Myrtax rieb sich den Hals. "Was ist passiert? Liebst du Jilal?"

"Was? Das Bürschchen?" Die Dienerin kam etwas näher an die Gitterstäbe heran. "Nein. Und du wirst das mit ins Grab nehmen, kleiner Myrtax. Ich liebe ihn nicht. Der Sex macht Spaß, aber ich weigere mich, sein Kind zu kriegen und seinen Launen weiter ausgesetzt zu sein. Ich werde ihn irgendwann töten und dann von hier fliehen. Aber das sagst du ihm nicht, oder?"

"Pft." Myrtax spuckte aus und schalt sich im nächsten Moment selbst dafür. Er musste Wasser sparen, denn viel bekam er nicht. "Sende ihm einen schönen Gruß. Aber mach es langsam, ja?"

Marseille schaute ihn lange, nachdenklich und etwas überrascht an. "Woher der Hass?"

"Och, nur durch die ganzen Misshandlungen...schöne Kleider und nette Worte manchmal sind nicht unbedingt dazu geeignet, um sich Vergebung zu erkaufen."

"Ach was?" Marseille gluckste und zeigte ihm ihr hellblaues, transparentes Kleid, welches sie unter dem Überwurf trug. Ihr Körper war im Licht gut zu sehen, bis der braune Überwurf wieder herunterfiel. "Glaubst du, ich laufe freiwillig in diesem Zeug herum und zeige allen meinen Körper? Nein, ich tue das nur, um ihn milde zu stimmen. Er wird nicht erwarten, dass ich ihn aufschlitze."

"Umso besser." Myrtax schaute die Dienerin an und zuckte mit einer Schulter. "Und weshalb bist du nun gekommen?"

"Erschienen, mein Lieber, nicht gekommen. Aber das werde ich noch genug." Sie lachte wieder, was ihm einen Schauer über den Rücken jagte. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich es dir gesagt habe. Dass ich dabei sein werde, wenn du fällst. Und das bin ich nun. Genieße die letzten Tage, bevor das ganze Anwesen dich als Freiwild sieht."

Damit löschte sie die Lampe und ließ Myrtax in der Dunkelheit zurück, ihre Lederschuhe verursachten nur ein leises Wispern auf dem Holz. Dann war der Sklave wieder allein. Er rang nach Luft, als der Gedanke an die Auspeitschung wieder hochkam und er erbrach sich in den Eimer.

 

 

Kurz danach holten sie ihn ab. Drei Wachen mit Speeren schleppten den erschöpften Myrtax Dutzende Stufen nach oben und an die frische Luft. Die Sonne war noch nicht untergegangen, Licht brannte sich durch die Stämme der Bäume, erreichte aber den Platz nicht.

Auf dem Platz vor dem Anwesen war eine bewegliche Plattform aufgebaut worden. Darauf befand sich ein dicker runder Stamm mit Eisenschellen für Hände und Füße. Er war glatt, glänzte im schwindenden Licht der Sonne und warf Schatten. Feuerschalen und Fackeln waren angezündet worden, verströmten Licht und Wärme.

Jilal saß mit Marseille an seiner Seite auf einer erhöhten Plattform in zwei wunderhübschen Sesseln, beide tranken Blutwein und warteten, dass es losging.

Genau wie vielleicht einhundert oder mehr Vampire und Sklaven. Alles flüsterte und wisperte, niemand buhte ihn aus, niemand warf ihm Blicke zu bis auf Jaloquin, der nur breit grinste. Myrtax fürchtete ihn fast mehr als die Schläge.

Ein Vampir stand neben dem Stamm, sein Gesicht schlank und ihm unbekannt. Er hielt eine lederne Peitsche aufgewickelt in seiner Hand und Myrtax war froh darum, dass es keine Drei- oder sogar Neunschwänzige war. Diese hätten ihm den Rücken unheilbar aufgerissen und möglicherweise sogar auf Lebenszeit geschädigt.

Die Wachen entkleideten seinen Oberkörper und nahmen ihm die Schuhe ab, bevor sie ihn an Hand- und Fußgelenken an den Stamm fesselten. Die warme Sommerluft streichelte seine kalte Haut, er nieste.

"Gesundheit.", murmelte jemand und wurde dafür angezischt.

"Meine lieben Freunde." Jilal stand auf, seinen Kelch mit Blutwein in der Hand, ernst und kaum erfreut. "Heute präsentiere ich euch meinen besten Diener Myrtax. Nun, so gut ein Mensch eben sein kann, nicht wahr? Ich gab ihm Unterkunft, Wein, Weib und Mann, aber er nahm nichts davon an bis auf die Kleidung und mit was vergalt er es mir? Mit Häme, Ignoranz und Verrat.

Dieser Mensch wagte es, ohne meine Einwilligung in die Bibliothek zu gehen und Bücher der Altvorderen zu lesen, ein Verrat am Höchsten, was uns Vampiren heilig ist!"

Dieses Mal buhten mehr Leute, vor allem Vampire, aber Myrtax sah in einigen menschlichen Gesichtern so etwas wie Respekt. Und Furcht, vor allem Furcht.

"Ich gab ihm mein Blut, ich gab ihm von meinem Tisch und ich gab ihm meine Frau und das ist der Dank?" Die Stimme des Vampirs trug weit und Myrtax begriff, dass Jilal ernsthaft wütend war. Ob er sich wirklich darüber aufregte, dass Myrtax die Bücher zeitweise gestohlen hatte mit der Absicht, sie zurückzubringen oder ob er es nur spielte, war dem Menschen nicht bewusst.

"Für diesen Verrat enthebe ich Myrtax seiner Position, nehme ihm sein Sklavenhalsband aus Silber und ersetze es durch Zedernholz."

Irgendjemand öffnete sein Sklavenhalsband und tauschte es aus. Das Halsband aus Holz war viel leichter und roch besser als das aus Silber, dadurch, dass Myrtax es schon völlig verschwitzt und seit Tagen nicht mehr hatte reinigen können. Die wunden Stellen am Hals brannten aber fürchterlich.

"Für den Verrat degradiere ich dich in den Stand des Freiwilds. Kein Vampir und auch kein Mensch wird dafür bestraft, falls er sich an dir vergeht oder dich sogar tötet." Leises Gemurmel folgte auf diese Worte. "Für den Verrat strafe ich dich mit zwanzig Peitschenhieben."

Jilal machte eine Handbewegung und bevor Myrtax realisieren konnte, wie viele Hiebe es waren, sauste die Peitsche schon auf seinen ungeschützten Rücken nieder. Er spürte den Schlag mehr als dass er ihn hörte, dann kam der Schmerz und er schrie. Er schrie, bis ihm die Kehle brannte und sein Rücken sich anfühlte wie eine wunde Wüste oder eine einzige, offene Wunde.

Myrtax spürte die Hiebe; spürte, wie das Fleisch aufriss; spürte das Blut in seine Hose laufen und den Stoff tränken.

Er wusste nicht, wann er ohnmächtig geworden war, nach dem achten Schlag hatte er die Konzentration verloren und konnte sich an nichts mehr erinnern.

Als er die Augen wieder öffnen konnte, lag er in seinem frisch bezogenen Bett in dem Gesindehaus, die Urne seiner Eltern seltsamerweise intakt und unberührt auf seinem Nachtschrank, nur etwas staubig. Hatte er sie so vernachlässigt während seiner Zeit im Anwesen-Baum?

Etwas grunzte neben ihm, dann senkte sich sein Bett, eine Pranke legte sich auf seine Schulter, streichelte sie seltsam sanft und ein Schauer rann ihm über den Körper, prickelte in den offenen Wunden.

"So gefällst du mir.", raunte Jaloquin neben ihm. Myrtax traute sich kaum den Kopf zu drehen und schaffte es auch nicht. Der große Sklave hatte es erneut auf ihn abgesehen und dieses Mal war Myrtax zu schwach, um sich zu wehren und dieses Mal würde Jaloquin auch niemand bestrafen.

Der andere Sklave erhob sich, bevor er sich hinabbeugte und Myrtax die Hose entriss, sich seiner eigenen Kleidung entledigte und lachte. Erst dann bemerkte Myrtax, dass sie nicht alleine waren. Die anderen Sklaven waren ebenfalls dort, einige von ihnen bösartig erregt, andere neugierig, zwölf an der Zahl.

"Männer, packt die Schwänze weg, das ist nicht schön.", meinte einer zu seinen Kumpanen. "Ihr seid widerwärtig."

"Pft.", machte der andere, sein Glied bereits in der Hand. "Mach doch mit, dann bist du genauso widerwärtig."

"Ne, danke."

"Hört auf zu reden." Jaloquin kniete sich hinter Myrtax und griff plötzlich das Halsband, schnürte ihm die Luft ab und hob seinen Oberkörper an. Der Sklave schaffte es gerade noch, seine Finger zwischen Haut und Halsband zu bekommen, damit er nicht sofort erstickte.

Etwas Hartes, Heißes legte sich an seinen Hintern und Jaloquin grunzte. "Schön Luft holen."

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