Die Legende von Îndra Alysanne Myth in Sûn Důnmor | World Anvil
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Die Legende von Îndra Alysanne

Wie ich bereits erwähnte, als ich die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse unseres Volkes aufzählte, wurde unsere unvergleichlich Stadt im Jahre 2000 n.d.N von eurem Ahnen dem legendären Îndra Alysanne, (in der alten Sprache auch oft „Herr der Krähen“ und „Beschützer der Raben“ genannt) gegründet. Allgemein ist nur sehr wenig, über den ersten König der Stadt bekannt, da er laut unseren Aufzeichnungen und den mündlichen Überlieferungen, welche sich bis zum heutigen Tage erhalten haben, ein äußerst zurückgezogenes Leben führte. Tatsächlich scheinen viele Quellen darüber einzustimmen, dass der junge König ursprünglich von den Vesh Del' Thråk stammte.  
Jedoch kann sich unsere Politik auf keinen Fall leisten öffentlich Preis zugeben, dass der Gründer und Ahne der wichtigsten Familie der Stadt ein niederer Nomade war, verehrte Lady Alysanne. In den offiziellen Geschichtsbüchern, welche an unseren Schulen und Universitäten gelehrt werden ist König Îndra Alysanne Teil jener Pioniertruppe gewesen, welche vor den Ersten Alchimisten flüchtete und durch besonderen Wagemut schließlich zum von allen Flüchtlingen zu ihrem König ernannt wurde.   Es scheint sich wohl so zu Verhalten, dass er während seiner Pilgerreise immer wieder auf Pioniere unseres Volkes traf, welche zu jenen Zeiten selbst ein mehr oder weniger nomadisches Leben führten. Er versammelte schließlich die versprengten Flüchtlinge unseres Volkes auf Abysbour und gründete somit die Stadt Yarnwall, welche zunächst als einfaches Fischerdorf begannt. Jedoch sollte sich dies schon bald ändern, da der geniale Verstand und die unangefochtene Kampfesskunst des ersten Königs unsere Ahnen dazu anspornten über sich selbst hinauszuwachsen. Den kräftigsten unter unserem Volke, ganz gleich ob Mann oder Frau, lehrte er die Kunst des Nadelfechtens, eine Kampfkunst welche heute fast vollständig vergessen ist und nur noch von sehr wenigen Meistern innerhalb unserer Fechtschule Edelstahl aus zeremoniellen Gründen praktiziert wird. Die Heiler der damaligen Zeit führte er in die Kunst der Alchemie ein und lehrte sie in all jenem Wissen, welches er von den verschiedenen Völkern der Neun auf seiner Pilgerreise angesammelt hatte. Von ihm stammte ebenfalls die berühmte Aussage, dass „Wissen wertvoller sei als Gold“, eine Behauptung deren Wahrheitsgehalt sich unserem Volk über die Jahrhunderte hinweg immer deutlich zeigen sollte. Eine ebenso große Leidenschaft wie für das Ansammeln von neuem Wissen, soll König Alysanne aber auch für die Kunst seines Volkes gehabt haben. Besonders das Spielen auf der Geige und das Zeichnen atemberaubender Gemälde gehörte zu seiner täglichen Muse.   Einige dieser Gemälde könnt ihr mit euren eigenen Augen bestaunen verehrte Lady Alysanne, denn jene Kunstwerke welche die Zeit überdauerten befinden sich in den Gemächern der Familie Alysanne innerhalb der Zitadelle.   Ein wesentlicher Grund weshalb König Îndra Alysanne als eine solch mystische Figur in den analen der Geschichtsschreibung eingegangen ist, war mit Sicherheit aber auch seine Vorliebe für das Okkulte und seiner festen Überzeugung, Visionen von fremden Welten zu erhalten. Dies mag ein unliebsames Überbleibsel seiner Kultur für unsere Ahnen gewesen sein, denn niemand in Yarnwall hatte das Bedürfnis sich wieder der Götzenanbetung hinzugeben, weshalb er sich durch diesen Umstand nicht sehr beliebt beim allgemeinen Volke machte. Da er aber jedoch niemanden innerhalb der Stadt zwang seinen Glauben zu teilen, verdrängten die meisten Bürger von Yarnwall diesen unliebsamen Aspekt ihres sonst respektierten Königs auf äußerst effiziente weiße.     Weniger nachsichtig war er jedoch, wenn es sich um den Schutz seiner liebsten Kreaturen handelte, den sagenumwobenen Îndras. Nicht nur wurde der König bei seiner Geburt nach diesen kolossalen, vogelähnlichen Wesen benannt, viel mehr verbrachte er sogar einen erheblichen Teil seiner Zeit auf Eldwraith damit sich mit diesen tödlichen Wesen anzufreunden, eine Leistung, welche nur sehr, sehr wenigen Mitgliedern des Stammes der Zôn jemals vergönnt war. So verbat er jegliche Jagd auf diese Wesen und erklärte sie als heilige Schutzpatronen seiner Blutlinie.     Daher scheint es auch nicht verwunderlich, dass das persönliche Siegel von König Alysanne aus einem Traumfänger besteht, an dessen Unterseiten die schwarzen Federn eines Îndras angebracht sind. Das mächtigste dieser Wesen war ein kolossaler, rabenartiger Îndra, welcher auf den Namen Finsterschwinge hörte und angeblich ganze acht Schritt maß und eine fast doppelt so große Spannweite sein eigen nennen konnte. Es stellte sich bald heraus, dass der König einige Eier jener Kreaturen mit nach Abysbour gebracht hatte, um sie auch hier heimisch werden zu lassen, ein Umstand welcher den meisten Bewohnern der von Yarnwall noch deutlich weniger schmeckte als die okkulten Liebäugeleien des Königs mit mystische Prophezeiungen. Da er jene vogelartigen Wesen jedoch unter Kontrolle zu haben schien, ergab es sich bald, dass die Stadt sich an die damalige, immerwährende Präsens der Îndras gewöhnte. Schon bald schauten man nicht einmal mehr zum Himmel hinauf, wenn das schlagen gewaltiger Schwingen über den Dächern der noch jungen Stadt zu hören war. Außerdem wagten sich die verfeindeten Stämme, etwaiger Piraten und sonstiges Gesindel nur noch selten nach Abysbour, nachdem sie vermehrte die dunklen Silhouetten der Îndras am wolkenverhangenen Himmel über Yarnwall erblickten.   Trotz seinen Verpflichtungen als König blieb Îndra Alysanne im Herzen ein Pilger, welcher weite Teile seines Lebens auf dem Rücken von Finsterschwinge verbrachte, um den Neun Inseln der Tiefsee ihre verbogensten Geheimnisse zu entlocken. Auch ist zu vermuten, dass er als gebürtiger Vesh Del' Thråk des öfteren die einzige Heimatstätte seines Volkes Namens Blütenfang besuchte.   Erneut ein Umstand, welcher niemals an das Licht der Öffentlichkeit dringen darf, verehrte Lady Alysanne. Laut den offiziellen Fakten, welche von unseren Universitäten gelehrt werden, flog König Alysanne vor allem als Späher und Kriegsherr über die anderen Teile der Neun, um den niederen Völker zu Zeigen, dass er sich nach wie vor auf der Höhe seiner Macht befand.   Aufgrund seiner nicht seltenen Abwesenheit geriet der König in den Zeiten seiner Regentschaft immer wieder in Misskredit, da vor allem die einflussreichsten der Stadt in seinem Fort sein eine Chance witterten sich mehr Macht über Abysbour, oder gar allen Neun Inseln der Tiefsee einzuverleiben. Jedoch war König Alysanne beim einfachen Volke durch seine gutmütige Art, wenn er denn einmal die Stadt besuchte, viel zu beliebt, als dass die Aufrühre eine echte Rebellion hätten beginnen können. Auch waren wohl nur sehr wenige der Aufrührer erpicht darauf, sich mit der Eliteeinheit, welche von König Alysanne höchstpersönlich ausgebildet wurde, den sogenannten Rabenrittern und ihren gefürchteten Îndras zu messen. Wann immer der König Yarnwall verließ, so nahm er selten mehr als drei Rabenritter auf seine Expeditionen mit sich, weshalb man mit nichten Behaupten könne, er habe die Stadt jemals ungeschützt zurückgelassen.   Im Jahre 2070 n.d.N verschwand der Gründer von Yarnwall jedoch auf mysteriöser Weise und kehrte nie wieder von seiner letzten Pilgerreise zurück.   Im folgenden habe ich euch einige Schriftstücke beigelegt, welche ein alter Trödelhändler aus Yarnwall seit Generationen in seinem Keller aufbewahrte, ohne jedoch den potentiellen Wert jener Manuskripte zu kennen. Zumindest behauptete er dies als sein Haus von unseren Gardisten durchsucht wurde, da unsere Offiziere schon länger vermuteten, dass jener Händler ein Ranghohes Mitglied des Kultes der „Erbsünder“ sein könnte. Als sie das Schriftstück mit sich nehmen wollten ging jenes Subjekt ohne Warnung mit einem Messer auf die Gardisten los. Nachdem er von einem Offizier auf offener Straße getötet wurde, geriet das komplette Viertel in Aufruhr und nur aufgrund der drei Grimmreiter, welche zu jener Zeit zugegen waren, gelang es dem Offizier aus jenem Viertel zu fliehen.   Wie dem auch sei, es scheint sich hier um Schriftstücke aus der Zeit von König Îndra Alysanne zu handeln und der Umstand, dass sie in einer verschlüsselten Sprache verfasst wurden, lässt darauf schließen dass die darin enthaltenen Informationen von größter Wichtigkeit sein könnten. Ich habe eine Kopie jenes Manuskriptes verfassen lassen, welches von der reinen Form die Vermutung aufkommen lässt, dass wir es hier mit einer Art Tagebuch zu tun haben. Unsere führenden Wissenschaftler werden sich in den kommenden Wochen damit beschäftigen diese Schriftstück zu entschlüsseln.   [Manuskript in einer unbekannten, oder verschlüsselten Sprache]   30. Tage des Monats Frost im Jahre 1985 n.d.N

Mein Name ist Meera Falkenauge und mit dem heutigen Tage wurde mir die Ehre zuteil die Haikõrame des wahrscheinlich größten Sehers der Vesh Del'Thråk zu werden.   Schon von Kinderbeinen an verbrachte ich viel Zeit mit Îndra Alysanne und schon früh bemerkte sowohl ich, als auch die ältesten und fähigsten Seher unseres Volkes die außerordentlichen Kräfte, welche in dem jungen Knaben zu schlummern scheinen. Mein Meister Syrio erklärte mir bereist in jungen Jahren, wie wichtig es für einen starken Seher, oder Seherin wäre von einer Haikõrame unterstützt zu werden. Gemeinsam mit unserem zukünftigen Paten werden wir in all jenen Bereichen ausgebildet, welche uns lehren sollen die faszinierende Welt der Träume und deren Bedeutungen besser zu verstehen. Vor allem Îndra muss sich mindestens zwölf stunden am Tag in den Künsten unseres Volkes üben und wird dabei von den besten Gelehrten unserer Zeit ausgebildet. Traummeditationen, Luziditätsübungen und das Traumnadelfechten sind nur einige der Fächer, welche ihm dabei helfen sollen seine immensen Begabungen eines Tages kontrollieren zu können.   Ich selbst werde vor allem in den theoretischen Aspekten der Geistes und Traumwissenschaft unterrichtet, um etwaige Symptome und Ursachen für bestimmte Verhaltensweisen meines Traumpatens schnell zu erkennen. Jene Fähigkeiten sind nämlich, besonders für starke Sabrahmen auf viele Weisen äußerst gefährlich. Der Geist, welcher ein mächtiges und zugleich doch fragiles Instrument ist, mag mit dem richtigen Training Berge zerschmettern, oder aber selbst zerbrechen wie morsches Holz, so pflegt es zumindest Meister Syrio zu sagen. Aber auch Alchemie und Kräuterkunde gehören zu meinen wichtigsten Fähigkeiten als Haikõrame, ganz gleich ob ich mit verbrannten Kräutern meinen Paten in einen tiefen Traum versetzen will, oder ihn aber im Notfall mit der rechten Tinktur zurück in unsere Welt hole. Zusätzlich werde ich noch in der traditionellen Bogenkunst meines eigentlichen Volkes, dem Stamm der Zôn von Eldwraith ausgebildet. Syrio, welcher mit mir zusammen von Zôn flüchtete, da meine Eltern in ihrem Wahn versuchten mich für eine Gottheit zu opfern, ist nicht nur ein Meister der Traumdeutung, sondern auch der beste Bogenschütze auf den Neun Inseln der Tiefsee.   Zunächst zögerte Syrio, da er nicht glaubte er könnte die Ältesten davon überzeugen, dass ich als Haikõrame einen Großteil meiner Zeit in eine solche Praxis investieren sollte. Schließlich überzeugte ich sowohl meinen Lehrmeister als aber auch die Dorfältesten mit dem Argument, dass Indra mit Sicherheit eines Tages die Fähigkeit des Geistwandels erringen würde. Diese Fähigkeit bleibt nur den erfahrensten und fähigsten Sabrahmen vorbehalten und ermöglicht es ihnen für eine bestimmte Zeit im Körper eines jeden Wesens zu wandeln. Verlässt ihr Geist den eigenen Körper, so bleibt der Sabrahmen schutzlos und paralysiert zurück und vermag sich erst wieder zu bewegen, sobald Körper und Geist wieder vereint sind. Tatsächlich fand ich einige Aufzeichnungen der alten Del' Thråk, welche von Haikõrame berichteten, welche in der Kampfesskunst ausgebildet wurden, um den Körper ihrer Paten wenn nötig mit Waffengewalt zu beschützen.   31. Tag des Monats Frost im Jahre 1985 n.d.N   Über die Kunst des Traumnadelfechtens   Als Sabrahmen der Weberfamilie ist es Îndras Pflicht sich in der Kunst des Traumnadelfechtens zu üben. Diese Kunst des Fechtens, in welcher mit äußerst dünnen, nadelartigen Waffen gefochten wird, soll dem angehenden Sabrahmen dabei helfen seinen Körper bis zur Perfektion zu beherrschen, denn „Nur wer seinen Körper kennt und beherrscht, wird auch dazu in der Lage sein, eines Tages seinen Geist zu beherrschen um schließlich beides in Einklang und Harmonie miteinander zu bringen.“, so sagten es schon die ersten Träumer unseres Volkes. Die grundsätzliche Haltung ist die der Mondtänzer aus dem Stamm der Køsāmā nicht unähnlich, weshalb viele unserer Gelehrten vermuten, dass sich beide Arten der Schwertkunst im laufe der Zeit immer wieder gegenseitig beeinflussten. Es handelt sich hierbei um fließende Bewegungen, welche für das ungeübte Auge rastlos und desorientiert wirken. Viel mehr taktieren die beiden Nadelfechter sich aber gegenseitig mit den kleinsten Änderungen ihrer Haltung. Dies geschieht solange bis sie eine vermeintliche Lücke in der Deckung des Gegners gefunden haben und selbst die kleinste Mikroexpression, oder das leichte Anspannen eines Muskels geht an den geübten Augen und Ohren eines wahren Nadelfechters nicht vorüber, weshalb viele Kämpfe mit nur einem einzigen Stich entschieden werden. Des weiteren verlaufen viele Trainingsstunden in absoluter Finsternis, um sowohl die geistigen, als auch die körperlichen Sinne der Sabrahmen zu schärfen. Es heißt die fähigsten unter ihnen blühen mit dem rechten Meister zu wahren Göttern der Fechtkunst heran und erahnen die Schläge ihres Gegners dank ihrer Seherfähigkeit sogar einige Sekunden im voraus.   Darüber hinaus sollen diese rigorosen Fechtübungen aber auch dazu dienen die luziden Fähigkeiten der Sabrahmen zu stärken, sodass jene Bewegungen und Haltungen, welcher er oder sie in der echten Welt einübt auch in der Traumwelt ausgeführt werden können, daher auch der Name Traumnadelfechten. Das Reich der Träume ist weit gefährlicher als es die meisten Völker zu erahnen vermögen, besonders wenn ein geübter Traumwandler in die tieferen Regionen der Träume und seines Unterbewusstseins vorzudringen vermag. Trifft der oder die Sabrahme auf einen inneren Konflikt, oder im schlimmsten Falle auf einen Nachtmaar, so wird er sich gegen Jene mit seiner imaginierten Traumnadel zur Wehr setzen müssen. In einem solchen Falle müssen die luziden Fähigkeiten des Traumwandlers, oder der Traumwandlerin derart gefestigt sein, dass er oder sie Problems eine Traumnadel zu manifestieren vermag, um den Nachtmaar, oder den inneren Konflikt damit zu töten. Dieses gefährliche Unterfangen gelingt aber nur jenen, welche sich mit absoluter, traumwandlerischer Sicherheit bewegen sobald sie eine Fechtnadel in der Hand halten und keine Sekunde zögern ihr unterbewusstes Wissen über diese Kampfkunst in den besagten Traum fließen zu lassen.   Ein Wille und ein zorniges Gemüt   Heute kam Îndra äußerst erschöpft von seiner Fechtstunde zurück und war übersät mit haarfeinen kleinen Kratzern, welche allesamt feine Blutstropfen absonderten. Als er die Tür zu unserer Kammer öffnete sah er mich zunächst aufgrund der vergleichsweise grellen Lichtverhältnisse nicht, warf seine Nadel in die Ecke des Raumes, setzte sich ächzend an den Küchentisch und biss, geblendet wie er war, in eine Orange, ohne vorher die Haut zu entfernen, nur um das Stück eine Sekunde später wieder auszuspucken und den Rest der Orange in Richtung der Vorratskammer zu schleudern. Geschickt fing ich das orangene Bündel, welches aus Frust und Wut in der kräftigen Hand des noch jungen Sabrahmen zerquetscht worden war. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie die geschulten Ohren meines Paten das fehlende Geräusch eines Aufpralls registrierten und binnen Sekunden stand Îndra auf seinen zerkratzen Beinen. Ich wies ihn darauf hin, dass er längst tot wäre, sollte ich ein Feind der Vesh Del'Thråk sein, woraufhin er sich endgültig jeder Kraft beraubt in den Stuhl zurückfallen lies. Ohne Scham zerschnitt ich sein in Fetzen hängendes Gewand und behandelte seine Verletzungen mit einer heilenden Salbe und übergoss die leichteren Verletzungen mit einem Sud aus Kamille und Ingwer. Er erzählte mir nach einiger Zeit der Stille, dass sein Fechtlehrer Eldran ihn für einen Hoffnungslosen Fall hielte, auch wenn viele der Dorfältesten in ihm eine Art Propheten sahen. So soll er zu ihm gesagt haben, nachdem er ihm den 77 Schnitt in Folge zugefügt hatte:   “Ich kann deine Bewegungen und Gedanken lesen wie ein offenes Buch junger Sabrahme. Dir mangelt es weder an Kraft, noch an Reflexen, sehr wohl aber an innerer Ruhe und Selbstbeherrschung. Nach jedem Schnitt sehe ich in deinen Augen den Wunsch nach Vergeltung und darin spiegelt sich all jenes wieder was ich wissen muss um dich restlos zu besiegen. Jeder Ausfall, jeder Konter, all jene deiner Handlungen sind mir schon lange klar, bevor sie dir auch nur annähernd bewusst werden, oder sich zu Gedanken, geschweige denn zu Bewegungen formen lassen.“.   Ich erklärte ihm, dass sein Meister damit nicht unrecht hatte, auch wenn seine Maßregelungen sehr hart und grausam ausfielen. Auch wir Haikõrame wurden in dieser Kunst geschult, welche es vermag unseren Geist ganz kühl und geschmeidig zu machen, wenngleich wir mit anderen Mitteln und Übungen zu dem selben Ziel gelangten. Und so bot ich meinem Paten an ihn jener Kunst der Achtsamkeit, des Gleichmutes und der Regelungslosigkeit zu unterweisen, abseits der Augen und Ohren unserer beiden Meister. Es würde auf seine eigene Art eine harte Art des Trainings werden versicherte ich ihm und fragte, ob er bereit dafür wäre seine ersten inneren Dämonen zu treffen. Woraufhin er mit den Worten „In uns allen hausen Nachtmaare“ antwortete. Mit einem lächeln fügte ich hinzu:“ Und alle können sterben“.   7. Tag des Monats Tau im Jahre 1985 n.d.N   Îndra sitzt bereits seit zwei Stunden unter den eisigen Fängen des großen Wasserfalls nördlich von Blütenfang. Bisher hat er keinen Laut des Unmuts geäußert, oder sonst auf irgendeine Weiße angedeutet, dass das beinahe gefrorenen Wasser seinem Körper irgendetwas anhaben könnte. Sicherlich ist er in die Tiefen seines Geistes gewandert, um diese unmenschliche Tortur zu überstehen und durchzuhalten und genau dazu möchte ich ihn mit dieser Übung auch bringen. Ganz gleich wie viel Wut und Zorn er auf jenes Element verspürt, welches ebenso unnachgiebig wie unbarmherzig auf ihn her niederprasselt, ihm bleibt nichts anderes übrig als den Schmerz zu ertragen. Wasser kann man nicht bekämpfen, es nicht Angreifern, oder ihm in irgendeiner weise Schmerz zufügen, man kann sich ihm höchstens anpassen, oder aber in seinen Tiefen untergehen. Die besten Chancen diesen Kampf mit diesem flüssigen Element zu gewinnen, ist gar nicht erst die Torheit zu begehen sich überhaupt auf den Kampf anzulassen. Jene Kräfte wird der Schüler an ganz anderer Stelle nämlich dringend benötigen und zwar an genau jenem Ort an welchem der Lehrling den Kampf mit seinem eigenen Körper und Geist ausfechten wird.   13 Tag im Monat des Wandels im Jahre 1985 n.d.N   Wie es schon immer die Tradition der Vesh Del' Thråk ist haben wir uns mit unserer Karawane wieder auf Wanderschaft begeben. Nicht umsonst ist Blütenfang den Schwachen und Schwangeren Personen unseres Volk vorbehalten, denn hier sind die Wälder verhältnismäßig Sicher und die Heilkräuter sprießen fast das ganze Jahr durchgehend in dicken, saftigen Büscheln aus dem Boden. Trotz dessen kann es nur eine bestimmte Anzahl unseres Volkes mit seinem Boden und der umliegenden Nahrung versorgen, weshalb wir zugunsten der Schwächsten unseres Volkes nie all zulange hier verweilen. Auf unserer Reise treffen wir immer wieder Mitglieder unseres Volkes, welche davon Berichten, dass sie vermehrt von den Stämmen der anderen Inseln angegriffen wurden, allen voran jenen neuen Nomaden, welche nach dem Langen Traum begannen eine neue Bleibe zu suchen.   23 Tag im Monat des Wandels im Jahre 1985 n.d.N   Gestern Nacht wurde auch unser Lager von jenen fremden Nomaden angegriffen. Mit brennenden Fackeln und angespitzten Speeren kamen sie brüllend in unser Lager gestürmt. Dutzende meines Volkes starben in dem darauf folgenden Kampf und wären nicht einige unserer besten Nadelfechter und einige anderen Krieger bei uns gewesen, so hätten wir diesen Hinterhalt sicherlich nicht überlebt, denn trotz allen Gefahren der Neun sind die Vesh Del' Thråk kein kriegerisches Volk. Zum ersten Mal sah ich Syrio außerhalb eines Übungskampfes kämpfen und ich verstehe nun warum man ihn auf den Neun Inseln der Tiefsee den Wolf des Westens nennt... Ich selbst tötete vier der Angreifer, bis ich von einem fünften von hinten niedergeschlagen wurde. Hätte Îndra ihm nicht in letzter Sekunde seine Nadel durch den Nacken getrieben, wäre ich nicht hier um diese Zeilen zu verfassen. In seinen Augen stand etwas geschrieben was ich nur schwer entziffern konnte...war es Angst, Ekel, oder etwas noch tieferes? Seit diesem Vorfall hat er kein einziges Wort gesprochen und auch wenn er zu Zeiten heißblütig und eigensinnig erscheinen mag, so weil ich als seine gute Freundin und Haikõrame, dass in ihm ein durchaus sensibler Charakter weilt, auch wenn dieser nur selten zutage tritt.   1. Tag im Monat der Blüte im Jahre 1985 n.d.N   Îndra spricht noch immer kein Wort und des Nachts gibt er qualvolle Laute von sich. Ich habe ihm angeboten jeden Abend zum Einschlafen eine beruhigende Tinktur einzuflößen, aber er scheint meine Hilfe nicht zu wollen, von niemandem. Vor einer Woche trafen wir eine Vesh Del' Thråk, welche sich dem Gott Mū verschrieben hatten. Sie haben uns noch weniger Beachtung geschenkt, als sie es bedingt durch ihren Glauben normalerweise tun. Ich glaube die kriegerischen Zustände, welche seit dem erwachen aus dem Langen Traum auf den Neun herrschen, treibt uns alle an unsere geistigen und körperlichen Grenzen.   Als ich frisches Wasser von einem kleinen Waldsee holen wollte hörte ich eine wunderschöne und gleichzeitig melancholisch anmutende Melodie durch das dichte Waldstück hallen. Meine Beine bewegten sich fast wie von alleine und als ich schlussendlich an der Lichtung des Waldstücks angelangte, so trafen meine Augen auf jenen See, welchen ich ursprünglich gesucht hatte. Auf einer Landzunge, welche tief in den See hineinführte stand ein prächtiger Kirschbaum in voller Blüte und verteilte im sanften Wind all jene seiner Blüten, welche sich bereits von seinen Ästen gelöst hatten. Am Saum jenes Baum saß Îndra und spielte auf seiner Geige...tief versunken in die eigenen Harmonien so wie es mir erschien. Er bemerkte mich erst als ich fast direkt vor ihm stand.   29. Tag im Monat der Stürme im Jahre 1985 n.d.N   Seit Monaten weigert sich Îndra nun auch nur ein Wort von sich zugeben. Im Gegenzug dazu scheinen seine Träume und Visionen aber stärker zu werden und es kommt nur noch selten vor, dass er meine beruhigend Kräuter und Tränke ablehnt. Gleichwohl haben sich seine Fähigkeiten im Traumnadelfechten immens verbessert, auch wenn er sich manchmal nur schwer zu beherrschen können scheint, so glaube ich doch, dass mit dem relativen Zuwachs an seherischen Kräften auch sein Geschick im Nadelfechten gestiegen ist.   31. Tag im Monat der Langen im Jahre 1985 n.d.N   Er hat wieder gesprochen! Nachdem Îndra drei Tage und drei Nächte sich in einer äußerst tiefen Traummeditation weilte, welche seinen Körper zu Zeiten stark unterkühlte, nur um ihn im nächsten Moment mit heftigen Fieberwellen zu strafen erwachte er wieder und fragte mich wo er sei. Er ist sehr geschwächt und auch mich haben diese Tage viel meiner Kräfte gekostet, denn als seine Haikõrame war es natürlich meine Pflicht ihn in dieser schwierigen Lage zu unterstützen, genauso wie er es für mich getan hätte.   12. Tag im Monat der Blüte im Jahre 1986 n.d.N   Kaum zu glauben, dass Îndra vor einem Jahre noch in einer tiefen Depression, oder sogar in einem Traumata gefangen war. Er scheint von Monat zu Monat ausgeglichener zu werden und er trägt immer weniger Schnittwunden am Körper, wenn er nach seinen Fechtstunden zurückkehrt.   23. Tag im Monat der Ruhe im Jahre 1990 n.d.N   Die letzten Jahre verliefen überaus friedlich. Syrio merkt immer wieder an, dass ich ihn eines Tages noch übertreffen werde und dass er noch nie eine so gute Bogenschützen ausbilden durfte wie mich. Ein solches Kompliment vom Wolf des Westens zu erhalten sei tausend mal wertvoller als das feinste Geschmeide sagte meine Ausbilderin für Alchemie und Kräuterkunde Yaka Ashara. Ich verstehe nun auch langsam, was unsere Meister meinen, wenn sie von dem unzertrennlichen Band eines Sabrahmen und seiner Haikõrame sprechen. Îndra und ich scheinen uns mittlerweile blind zu verstehen. Auch wenn sein Gemüt fröhlicher und offener zu werden scheint, so trübt es doch mein Gemüt, dass er nach wie vor von starken Visionen und heftigen Träumen geplagt wird. An manchen Tagen müssen wir ihn auf einen Maulesel binden, da er in den Morgenstunden noch derart starke halluziniert, dass er sich nicht alleine zurechtfinden würde. Waldorin, den die meisten wegen seines grünen Bartes einfach nur Moosbart nennen, betont immer wieder, dass Îndra große Fortschritte macht was seine Fertigkeiten der Traummeditation angehe. Er sei deutlich disziplinierter und sogar ein klein weniger eigensinniger als es früher der Fall war, berichtete er mir beim gestrigen Abendessen. Jedoch seien nur wenige Sabrahmen mit derartigen Kräften gesegnet, gestand er mir und noch weniger dieser Auserkorenen lebten lange genug im von diesen Kräften Gebrauch zu machen. Er gab mir ein kleines, aus Knochen gefertigtes Amulett, dessen Runen ich nicht entziffern konnte und bat mich Îndra jenen Talisman in meinem Namen zu schenken. Ich bezweifle, dass in diesem Artefakt tatsächlich magische Kräfte stecken, da fähige Runenschmiede noch seltener als mächtige Sabrahmen sind und selbst jenen Großmeistern gelingt nur selten die Herstellung eines tatsächlich magischen Artefaktes. Ich nahm es trotzdem, da ich Waldorin nicht beleidigen wollte und fügte dem Anhänger eine kleine Figur hinzu, welche ich in den späten Abendstunden schnitze, wenn sich der erholsame Schlaf einfach nicht einstellen wollte.   13 Tag im Monat der Stürme im Jahre 1993 n.d.N   Eigentlich hätte heute eine große Feierlichkeit zu ehren von Îndras Geburtstag stattfinden sollen, doch leider werden die Zustände meines Paten immer schlimmer und die Festigkeiten mussten kurzfristig abgesagt werden.   14 Tag im Monat der Stürme im Jahre 1993 n.d.N   Seit heute Nacht ist er in eine Art Koma gefallen und gibt keine Regung von sich. Sein Puls fühlt sich sehr schwach an. Moosbart vermutet, dass sich eine große Vision aus seinem Unterbewusstsein gewaltsamen Zugang in seinen Geist verschafft hat. Er schärfte mir ein, dass Îndra unsere Hilfe nun ganz besonders bräuchte, allen voran meine. Alle weiteren Trainingseinheiten sind für mich bis auf weiteres auszusetzen, bis Îndra wieder bei Sinnen ist wurde mir mitgeteilt.   19 Tag im Monat des Taus im Jahre 1993 n.d.N   Seit Monaten befindet er sich nun schon in diesem Zustand. Ich bin mit meinem Wissen und meinen Kräften völlig am Ende und selbst Moosbart räumte ein, dass mein Pate vielleicht nie wieder erwachen würde. Wenn ich schlafe, so gleite ich in unruhige Träume, welche mir nicht viel Erholung schenken. Viel mehr rauben sie mir meine letzten Kräfte, da ich stets an jenen Ort zurückkehre an welchem ich einst Îndra seine Geige spielen sah. In meinem Traum ist er aber viel jünger und zeichnet krude Symbole und Figuren in den feuchten Sand und spricht eine Sprache, welche ich nicht zuzuordnen weise. Versuche ich ihn mit mir zu nehmen, so gleiten meine Finger durch ihn hindurch, wie durch dichten Nebel. Ohne ein Wort sprintet er auf den See zu und verschwindet in seinen Tiefen, während ich panisch hinter meinem kleinen Paten hinterher hechte. Im dunklen Wasser spiegeln sich allerhand Dinge welche ich nicht zu deuten vermag... Dunkle Schatten am Himmel, obgleich ich nichts derartiges über dem tatsächlichen Himmel über mir entdecken kann. Ich sehe riesige Mauern und endlos anmutende Türme, gefertigt aus grauem Stein, welche in den unmöglichst Formen ineinander verwoben zu sein scheinen. Versuche ich die Wasseroberfläche zu durchbrechen, so breitet sich binnen Sekunden eine Dicke Eisschicht an jenem Punkt aus, an welchem mein Finger das kühle Nass berührte und erfasst bald den ganzen See, sowie meinen eigenen Körper.   1. Tag im Monat des Erwachens im Jahre 1993 n.d.N   Gelobt seien die Weber und der alte Schmied! Er ist wieder erwacht! Noch vermag er nicht zu sprechen, aber seine Augen schauen mich an und ich bin sicher, dass ich einen Teil seines alten selbst darin zu sehen vermag. Die Stimmung innerhalb unserer Gefährten, welche durch den Zustand unseres mächtigsten Sabrahmen tief gesunken war, hellt sich schlagartig wieder auf und entlädt sich in einem der größten feste, welchen ich je beiwohnen durfte.   7. Tag im Monat des Erwachens im Jahre 1993 n.d.N   Als ihm ihm heute seine Suppe brachte, das einzige Nahrungsmittel welcher er imstande ist zu sich zu nehmen und gerade mit dem Nachttopf das große Zelt verlassen wollte, hörte ich einen kehligen Laut hinter mir. Mit zwei raschen Schritten war ich bei meinem Paten, welcher mich mit einer schwachen Hand zu sich herunter zog und mit gebrochener Stimme ein einziges Wort in mein Ort flüsterte:“Blütenfang“.   Umgehend verkündete ich das neue Ziel unserer Gemeinde.   21. Tag im Monat des Erwachens im Jahre 1993 n.d.N   In Blütenfang angekommen sah ich meinen Paten plötzlich in jenem Torbogen stehen, welcher zu den Gärten führte, welcher dem ort seinen Namen eingebracht hatte. Er stemmte mit all seiner Kraft auf seine Fechtnadel und ich konnte sehen, welch immense Willenskraft ihn jeder Schritt kostete. Ich eilte zu ihm, er hob jedoch beschwichtigend die Hand und sagte:“ Du hast mehr als genug für mich getan Meera, ohne dich würde ich nicht mehr in unserer Welt weilen. Diesen Weg muss ich jedoch alleine gehen.“, woraufhin er sich weiter in Richtung des Haines bewegte, in dessen Zentrum sich der Sagenumwobene Baum der Leere befindet, welcher angeblich aus einem Samen keimte, welcher Ursprünglich von jenem Ort stammte, über welchen wir kein Wort verlieren wollen.   Jener Baum trägt nur noch selten Blätter an seinen dicken, knorrigen Ästen, welcher nach Lust und Laune ihre Farben ändern. Jedoch ist er geschmückt von hunderten, handschriftlich verfassten Notizen und gebeten, an die drei Götter, welche im Reich der Träume residieren. Diese Stücke, welche aus feinem Papyrus, oder Pergament gefertigt werden, haben die Form von echten Blättern und werden mit dünnen Hanfseilen auf eine äußerst kunstvolle Weise an jenen Bereichen der Äste angebracht, an welchen unter normalen Umständen die Blätter des Baumes selbst gesprossen wären. Einige wenige Male innerhalb eines Jahrhunderts, so wurde mir zumindest erzählt, treibt der Baum in wenige, auserkorenen Notizen aus und verbreitet seine grünen und schwarzen Adern durch das Stück Papier und verwächst schließlich ganz mit ihm. Noch in der selben Nacht beginnt jenes Blatt eine einzelne Blüte auszutreiben, welche in einer einzigen Frucht kulminiert. Diese Frucht darf nur von derjenigen Person gegessen werden, welche jene Notiz beziehungsweise Gebet verfasste, aus welchem schließlich die Frucht erwuchs. Es heißt der, oder die Auserkorene würde durch die Frucht mit reichen träumen und mächtigen Visionen beschenkt und dürfe sich als von den Göttern auserkoren betrachten.   Und so zog Îndra ein dünnes Stück Pergament aus seinem Gewand und suchte sich mit einem kundigen eine passende Stelle für sein gebet, welches mit Sicherheit an die sagenumwobenen Weber gerichtet war aus. Er entschied sich für einen Ast, welchen er nur erreichen konnte, indem er sich so weit es ging streckte. Für einen Moment fürchtete ich, dass der schwache Leib, welcher unter der enormen Anstrengung zitterte, zusammenbrechen würde, bevor er sein Manuskript an dem auserkorenen Ast befestigten könne. Es gelang ihm jedoch, auch wenn er nun schwer keuchend seine Nadel aufhob, welche zuvor zu Boden gefallen war, um sich auf ihr zu stützen. Entschlossen ging ich zu ihm und stütze ihn beim Verlassen des heiligen Haines, was er entweder aufgrund seiner Erschöpfung, oder aufgrund der Tatsache, dass er sehr genau wusste, dass ich keine Wiederworte dulden würde, über sich ergehen ließ.   3. Tag im Monat der Blüte im Jahr 1993 n.d.N   Heute morgen kam ein aufgeregter Bote zu den Gemächern von Îndra und mir und verkündete, dass der Baum der Leere eine Frucht getragen hätte. Ohne Umschweife suchten wir den alten Baum auf, um welchen sich eine immense Menschenmenge versammelt hatte, um dieses äußerst seltene Schauspiel zu bestaunen. Als sie uns sahen machten sie uns ehrerbietig Platz und neigten ihre Häupter. Die Frucht erinnerte mich am ehesten, an eine rote Drachenfrucht, deren fleischige Haut mit schwarzen Stacheln überzogen war. Ohne ein Wort zu verlieren pflückte Îndra die Drachenfrucht und verließ die Heilige Pilgerstätte.   In unseren Gemächern teilte er mit, dass er die Frucht in den Bergen von Eldwraith verspeisen wollte. Da ich wusste, dass er an jenem Tag als er sein Gebet an den Baum der Leere befestigte, nicht nur von jenem Weg sprach, welchen er alleine gehen müsse, nickte ich nur knapp, auch wenn ich wusste, dass er von dieser Pilgerreise vielleicht nie wieder zurückkehren würde. Ich gab ihm dieses Notizbuch mit und bat ihn seine Reise festzuhalten, so wie ich einst seinen Lebensweg vermerkte.   4. Tag im Monat der Blüte im Jahr 1993 n.d.N   In den frühen Morgenstunden verließ ich Blütenfang und verließ sobald wie möglich den gewundenen Weg, welcher in das Herz des des kleinen Dorfes führte. Ausgerüstet mit einer großen Reisetasche, reichlich Proviant, meiner Nadel, meiner Geige und Natürlich der Drachenfrucht, machte ich mich auf den Weg in die bergigen Regionen von Eldwraith. Die Visionen des vergangenen Jahres haben schwer an mir gezehrt und auch wenn ich weiß, dass ich nicht in der besten Verfassung bin alleine zu Reisen, so weiß ich doch dass mich Meera auf dieser Pilgerreise nicht begleiten darf. Immer wieder Träumte ich vom Beginn dieser Reise, manchmal beginnend auf Bellnyne, manchmal beginnend auf Eldwraith, aber immer in kompletter Einsamkeit und mit einer roten Frucht in meiner rechten Hand. In weiser Voraussicht gab mir Meera noch einige Kräuter und beruhigende Tinkturen mit auf die Reise, für den Fall dass meine Visionen wieder vermehrt auftreten sollten. Meine Stute trottet auf eine liebenswerte Weise durch jene grüne Ebene, welche ich noch durchqueren muss, bevor ich endlich in das Heulende Gebirge gelange.   5. Tag im Monat der Blüte im Jahre 1993 n.d.N   Die Visionen treten wieder auf. Des Nachts höre ich einen Singsang, welcher einem wahnwitzig, und doch anmutig wirkenden Duett gleichkommt. Es scheint fast so, als würden sie mich leiten... Ich träume stets von jener Umgebung in welcher ich in den Abendstunden mein Lager aufgeschlagen habe und stets kommen die lockenden Gesänge aus der gleichen Himmelsrichtung. Weiter gen Westen...ich muss weiter gen Westen.   7. Tag im Monat der Blüte im Jahre 1993 n.d.N   Heute morgen entdeckte ich, dass eine Vielzahl der Kräuter, welche Meera mir auf die Reise mitgab von Fäulnis überzogen war, obgleich sie eine äußerst kundige und scharfsinnige Haikõrame ist. Lediglich die Tinkturen verbleiben mir noch, um meinen Geist zu beruhigen und meine Visionen im Zaun zu halten. Ich sollte den Beginn jedes Tages nun mit einer ausgiebigen Traummeditation beginnen.   9. Tage im Monat der Blüte im Jahre 1993 n.d.N   Die Weber müssen noch etwas mit mir vorhaben, ansonsten hätten sie mich diese Tage mit Sicherheit nicht überleben lassen. Bereits gestern morgen erreichte ich, von heftigen Synästhesien geplagt, das Heulenden Gebirge und hätte meine Stute mich nicht alarmiert, so hätte ich den Saraî, welcher sich hinter uns angeschlichen hatte nicht bemerkt. Trotzdem war das Wesen bereits zu nah an uns herangekommen und mit einem erbarmungslosen Pranken-hieb zerfetzte das mächtige Weibchen die Kehle meiner Stute, woraufhin ich es in meiner verbliebenen Geistesgegenwart gerade noch schaffte nicht unter dem massigen Pferdeleib zerquetscht zu werden. Ich sah den Saraî lediglich als schwarzen, verschwommenen Schatten, welcher ständig seine Form wechselte. Hätte ich nicht mit meiner Nadel im letzten Moment zugestoßen, hätte das Weibchen mich vermutlich an Ort und stelle getötet. So aber prallte sie mit Schwung gegen mich, sodass ich meine Nadel tief in ihren Leib stoßen konnte, wodurch ich den gefährlichen Krallen des Raubtieres entging. Fauchend und aufschreiend gingen wir zu Boden und schon als wir den nachgiebigen Untergrund berührten, war mir bewusst, dass es sich hier nicht um festen Fells, sondern dünnes Eis handelte. Es fühlte sich an als würden wir in einem endlosen Tanz, in welchem der geifernde Wind an meinem Mantel und am Fell des Saraî riss in die immer dunkler werden Schlucht her niederfallen. Den Aufprall spürte ich gar nicht mehr...   Tatsächlich muss ich in eine Art Teich gefallen sein, denn ich erwachte komplett durchnässt und zwar genau in jenem Moment als das Weibchen gerade versuchte mich an meinem Fuchsfellmantel aus dem kühlen Nass zu ziehen. Reflexartig Stich ich zu und erwischte das Schlüsselbein des Wesen, welches unter einem enormen Aufjaulen vor mir zurückwich, nur um mir im nächsten Moment die Pranke quer über mein Antlitz zu ziehen. Selten verspürte ich derart große Schmerzen wie in jenem Moment als die langen Klauen mein weiches Gesicht wie einen dicken, mit Blut gefüllten Sack aufschlitzen. Mir entwich ein animalischer Schrei und augenblicklich verschwamm meine rechtes Sichtfeld. Meine Nadel immer noch fest in der Hand begann ich die rasende Saraî zu umrunden, welche sich flach an den Boden drückte und sich offensichtlich für einen erneuten Angriff vorbereitete, während sie gleichzeitig ein tiefes, kehliges Grollen erklingen ließ. Innerhalb eines halben Wimpernschlages drückte sich der kräftige, mit Muskeln bepackte Körper der Raubkatze vom unebenen, mit Schnee überzogenen Felsboden ab und nur durch einen gezielten Ausfallschritt konnte ich dem mit Reißzähnen bewährten Schlund der Bestie entgehen. Ohne auch nur einen weiteren Atemzug zu verschwenden setze ich der Kreatur nach, welche offensichtlich Probleme damit hatte, auf dem unebenen, vereisten Boden ihren Flug wieder abzubremsen. Mit einer weit ausholenden Bewegung meiner Nadel kappte ich beide Sehnen der Hinterläufe, woraufhin das massive Weibchen aufjaulend zusammenklappt.   In einer solchen Verfassung war das Tier nicht überlebensfähig und so entschloss ich mich dazu, dem Weibchen einen schnellen und möglichst Schmerzfreien Tod zu schenken. Ein gezielter Stich, welcher den Rücken des Raubtieres kurz unter dem linken Schulterblatt perforierte, beendete die Agonie des Saraî, welches tapfer bis zum Ende gekämpft hatte. Keuchend brach ich auf dem verschneiten Boden zusammen und spürte wie die Anspannung aus meinen Muskeln wich. Im Gegenzug dafür meldete sich aber mein halb erfrorener Körper und vor allem meine rechte Gesichtshälfte mit einem Strom an mörderischen Schmerzen, welche mit jeder neuen Welle das Blut aus den drei langen Schnitten meines Antlitzes zu pumpen schien. Fieberhaft suchte ich nach meiner Reisetasche, konnte sie jedoch aber nirgends entdecken. Aller Wahrscheinlichkeit war sie bereits am Grunde des Teiches angelangt und würde mir auf meiner weiteren Reise, in dieser gottlosen Schlucht keine Dienste mehr leisten können. Mit zitternden Schritten ging ich auf den toten Leib des Saraî zu, denn ich wusste dass mein Überleben maßgeblich davon abhängig war, wie schnell ich meine Körpertemperatur wieder auf ein angemessenes Maß erhöhen würde können. Mit einem langen Schnitt öffnete ich die Bauchdecke des Raubtieres, um mich in den noch warmen Gedärmen des Wesens zumindest für diese erste Nacht zu wärmen. Als ich gerade die finsteren und windigen Felsschluchten für die Gesellschaft stinkender, aber dafür wärmender Innereien tauschen wollte, erhielt ich einen derart mächtigen Hieb in meinen Rücken, dass mir fast augenblicklich schwarz vor Augen wurde. Mit einem Aufprall, welcher mir jegliche Luft aus den Lungen presste, prallte ich mehrere Schritte hinter der Leiche des Saraî zu Boden und spürte, dass der hintere Teil meines Mantels, als auch weite Teile meines Rückens in Fetzen hingen. Ächtend versuchte ich mich aufzurichten und nur mit größter Willenskraft gehorchte mein geschundener Rücken meinen Befehlen. Ein merkwürdig taubes Gefühl erfasste meinen Rückgrat und ich befürchtete schon dass das Wesen, welches gerade die Innereien des Saraî fraß meine Wirbelsäule erwischt hätte. Als ich mich ganz aufrichtete, konnte ich sehen was mir beinahe den Kopf von den Schultern getrennt hatte, ein Schluchtenheuler. Schluchtenheuler sind äußerst gefährliche, humanoide Wesen, deren grau geschuppter Körper mit dutzende von Stacheln übersät ist, während der langgezogene Schädel, welcher ein immenses Gebiss beherbergt, von einer filigranen Geweih geziert wird. Das Maul jenes Wesen war über und über mit dem Blut überströmt und als es mich sah, schien es prompt das Interesse an seiner aktuellen Beute verloren zu haben. Es war schnell, sehr schnell, um ein vielfaches schneller als der Saraî und so war es lediglich der Tatsache geschuldet, dass das Wesen mich mit seinem ersten Hieb einige Schritte von sich weggeschleudert hatte, dass es mir in letzter Sekunde gelang, meine Nadel zwischen mich und die schartigen krallen des Heulers zu bringen. Ich merkte jedoch schnell, dass dies ein ungleicher Kampf werden würde, denn ich war mit meinen Kräften endgültig am Ende und der kolossalen Größe dieses Exemplars zu urteilen nach, handelte es sich hier um ein ausgewachsenes Männchen. Beinahe mühelos drückte es mich zu Boden und heulte mir seine fauligen Atem in mein Gesicht, sodass ich schon fast von diesem Umstand alleine der Ohnmacht nahe kam. Dass meine Pilgerreise auf eine derart unrühmliche Weise enden würde hätte ich mir nie erträumen lassen und trotz meiner vertrackten und überaus tödlichen Lage, konnte ich nicht umhin mir um der Ironie dieser Tatsache bewusst zu werden. Die nächsten Momente sind mir nur noch sehr verschwommen in Erinnerung. Ich erinnere mich an einen Schrei, welcher das Gebrüll des Heulers mühelos übertönte und derart klar durch die sonore Stimme meines Angriffes Schnitt, als wäre sie bereit alles und jenen in den Wahnsinn zu treiben, sollte jemand die Torheit begehe sich ihr in den Weg zu stellen. Kreischend, so vermutete ich zumindest von den Kieferbewegungen hielt sich der Schluchtenheuler die kleinen Ohren und taumelte von mir weg. Im nächsten Moment spürte ich einen gewaltigen Wind hinter mir aufbrausen und sah, dass sich ein gigantischer Schatten auf mich und den Schluchtenheuler vor mir herabneigte. Ab diesem Moment wurde alles schwarz.                        

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