Einleitung für Session 11 Prose in Kjeru | World Anvil

Einleitung für Session 11

Morgenrotwüste, zur Zeit der Stygischen Kriege

"Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Ich weiß nicht, wie lange unsere Leute das noch durchhalten." Die drakonisch sprechende Stimme zittert von unterdrückten Tränen. Sie gehört einem bildschönen dunkelhäutigen Halbelfen, der in eine leichte, goldfarbene Rüstung gehüllt ist. "Sie werden so lange durchhalten, wie du es tust, Tuamil.", antwortet ein hünenhafter Mann mit breiten Schultern, der sich neben ihn in den Wüstensand gekniet hat. Seine Lederrüstung ist an vielen Stellen von Blut durchsickert, doch er scheint nicht darauf zu achten. Neben ihm liegt ein Schwert, das schon aufgrund seiner Größe mindestens so schwer sein muss wie sein Gesprächspartner. Zusammen sehen sie auf den toten Körper hinab, dessen Kopf Tuamil immer noch mit dem Schoß stützt. Zwei tiefe Einstiche im Bauch der Frau lassen keinen Zweifel an ihrer Leblosigkeit. Tuamil schließt mit einer sanften Bewegung ihre Augen. "Mit Remuye auf dem Schlachtfeld wussten wir immer, dass es Heilung gegen alles gibt, was die Teufel und Dämonen auf uns loslassen. Was soll ich unserer Armee sagen, wenn sie nun ohne sie gegen die Dämonen ins Feld ziehen müssen?" Das Zittern in der Stimme ist einem traurigen Unterton gewichen. Der Hüne legt eine riesenhafte Hand sanft auf Tuamils Wange und dreht sein Gesicht zu seinem. So einschüchternd seine Statur ist, so mitfühlend und freundlich wirken seine dunkelbraunen Augen. "Du wirst die richtigen Worte finden, wie immer. Und wenn Remuye nun nicht mehr ist, muss ich eben dafür sorgen, dass kein Dämon an dich Schwächling rankommt." Tuamil legt lächelnd eine Hand auf seinen Arm. "Danke, Lungile." Nach einer Pause fährt er fort, jetzt mit fester Stimme: "Nicht Teufel wähl ich." Lungile antwortet sofort: "Nicht Dämon wähl ich." Nach einer Pause sprechen sie zusammen: "Die Freiheit wähl ich."

Zwischen Harletja und Durkonia, Gegenwart

Die Tür zum Frachtraum des Luftschiffs schwingt auf. Eine in dunkle Reisegewänder gekleidete Elfin mit fledermausartigen Flügeln und Hörnern auf der Stirn sieht im Vorbeigehen den jungen Matrosen an, der immer noch im Bauch der "Faceta" festgekettet ist. Heute bricht er nicht mehr in einen Heulkramf aus, als sie ihm einen Kanten Brot hinwirft, sondern weicht nur bis zur Schiffswand zurück und presst sich daran. Das bedeutet einen gewissen Fortschritt. Die Elfe schreitet an dem schwitzenden Seemann vorbei, der vordere Fuß bei jedem Schritt den hinteren kreuzend. Sie steuert auf den zweiten und letzten Gefangenen zu, der von der knapp ein Dutzend starken Besatzung übrig geblieben ist. Er ist am anderen Ende des Schiffsbauchs festgemacht und sitzt dort auf einem Schemel. Als er sie kommen sieht, streckt er seinen Rücken durch, die Hände im Schoß in eisernen Ringen zusammenliegend.

"Guten Morgen, doamnă." Seine Stimme ist fest, doch so aufrecht er sich hält, behält er die Augen gesenkt. "Guten Morgen." Die Elfin bleibt breitbeinig vor ihm stehen. Er spürt ihren stechenden Blick auf seinen Augenlidern und sieht ein Glimmen wie Glut an ihrem Kragen aufblinken. Er fährt mit deutlicher Stimme fort: "Ich scheine immer noch am Leben zu sein. Ich würde euch dafür danken, doch ich denke kaum, dass ihr mich aus Großzügigkeit am Leben -." Hier stockt er unwillkürlich, als er die Hand der Elfe auf seiner rechten Wange spürt. "In der Tat, Ihr lebt noch." Während sie spricht, gleitet ihre Hand unter das Kinn des schwarzhaarigen Mannes, seine weit nach außen reichenden Mundwinkel sanft streifend. "Es entging mir nicht - Ihr seht anders aus als die Toten. Anders in eurer Haut. Anders in eurer Gewandung." Mit einer bestimmten, aber keineswegs brutalen Handbewegung zieht sie sein Kinn nach oben und zwingt seine Augen so, ihre zu treffen. "Vor allem aber anders in eurem Gebaren." Ihre großen violetten Augen dringen in seine wie wie glühende Dolche. "Was hat euch zu uns geführt?"

"Ein Auftrag. Mein Auftraggeber will ein Buch, das jemand auf dem dritten Schiff mit sich führt und nicht freiwillig hergeben würde. Ein Gnom, blonde Haare, hört auf den Namen Quirin." Die Stimme des Mannes klingt nun sanfter. Er lehnt seinen Kopf kaum merklich in ihre Hand. "Ich soll meinem Auftraggeber das Buch bringen." Rezkuzar hält seinen Blick. "Ihr habt das gleiche gesehen wie er." Sie drehte den Kopf kurz in Richtung des leise wimmernden Matrosen. "Und ich habe gesehen, was ihr könnt. Ich nehme an, ihr solltet ihm das Buch nicht abkaufen." Sein Blick wirkt nun fast verträumt, als würde er seine Umgebung nicht mehr sehen. "Nein. Ich sollte es ihm wegnehmen. Er ist nicht wichtig, das Buch ist es." - "Und nun ist er fort, wie schade." Ein verzerrtes Lächeln bildete sich im Gesicht ihres Gegenüber. "Ich werde ihn wiederfinden. Ich finde sie alle wieder."

Daharya, Gegenwart

"Lehnt die Versuchung der Teufel so entschlossen ab, wie Remuye in den Kampf gegen sie zog. Sie jagte, sie kämpfte und sie starb für unsere Zukunft." Die Kinder, die vor der alten Erzählerin im Schatten der Palmen sitzen, sehen sie mit großen Augen an, ein paar davon weinen. "Ich mag die Geschichte nicht, sie ist so traurig!", schluchzt ein junges Mädchen. Ihre schwarzen Augen, die Hufe an den Beinen und die kurzen Hörner auf ihrem Kopf machen sie als Tiefling erkennbar - wie etwa ein Viertel des jungen Publikums. "Ich will keine Geschichten mehr hören!", jammert ein Junge in ähnlichem Alter, ebenfalls behuft und gehörnt. Er sieht sich nach einer Ablenkung um - und er findet sie, in Form eines Luftschiffs, das in der Ferne über den Schutzmauern um die Siedlung aufgetaucht ist. "Schaut mal! Die wollen bestimmt zu uns!" Es dauert keine zehn Sekunden, da sind die Kinder alle in Richtung des Tors zum Dorf davongestürmt. Zurück bleibt seufzend die alte, grauhaarige Frau in ihren weiten, farbenfrohen Gewändern. Sie seufzt tief und ruft dann mit tragender Stimme: "Zaidam! Wir haben Besuch aus der Luft!"

Und tatsächlich nähert sich dort, zwischen der Siedlung und Aura am Himmel ein bauchiges Luftschiff der Siedlung. Ein Luftschiff, das bis vor kurzem noch eine Taverne war, und das offenbar noch nicht ganz aufgehört hat, eine zu sein, denn gerade wird dort ein Trupp von Minenarbeitern geschäftstüchtig mit Getränken und Essen versorgt. Neben den Tischen an Deck, an denen die meisten der aufgelesen Minenarbeiter:innen Platz genommen haben, steht eine zusammengewürfelte Gruppe aus Hobgoblins, einem Adiutor, einem Gnom und einem Elf, die auf die Siedlung hinabsehen, die sie ansteuern: Daharya. Die scharfsichtigeren von ihnen wundern sich gerade, was dieses Funkeln neben der Höhle über der Siedlung gewesen sein mag, das nun so jäh wieder verschwunden ist.


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