Sonstige Kurzgeschichten by Drake Ragon | World Anvil Manuscripts | World Anvil
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Valir Drake

In the world of Elunara

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Ongoing 2275 Words

Drake

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J 519 M 00 T 00

 

Was genau ist eigentlich Bewusstsein? Was bedeutet es, wenn ich mir bewusst bin, dass mein Leben keinen richtigen Anfang hat? Ist es denn bedeutungsvoll, nur weil ich ihm eine Bedeutung zumesse, oder ist es von Bedeutung, weil jemand anders das für mich übernommen hat?

 

Lohnt es sich denn wirklich, dass ich nach einer Aufgabe suche, die es vielleicht nicht gibt? Lohnt es sich denn, es nicht zu versuchen?

 

Er war in seiner eigenen Welt. Das war er immer, wenn er einen Kampf abgeschlossen hatte, gerade dann, wenn er sich wieder einmal mehr verausgabt hatte, als erwartet. Das kühle Handtuch half ihm, dabei sich zu konzentrieren. Nur so konnte er den Jubel vergessen, der hinter eben jener Holztür tobte, an der er sich anlehnte. Er konnte das harte Holz beinahe vibrieren spüren. Es rief nach ihm. Es wusste, dass er wiederkommen würde. Dass er diese Arena und die Kämpfe ebenso brauchte, wie die Arena ihn.

Ohne sie bin ich nichts.

Doch stimmte das? War es denn so, dass er nicht einfach woanders hingehen konnte? Er stand auf.

»Ich hab nachher nur noch einen Übungskampf oder?«

»Das ist richtig, aber du solltest genug Zeit haben, dich auszuruhen und ...«

»Dann gehe ich noch etwas trainieren.« Drake war nicht entgangen, dass Valir sich um ihn sorgte, mal wieder. Aber was er jetzt brauchte, war eine Möglichkeit, seine wilden Gedanken zu zähmen und da gab es für ihn nun einmal nur eine Sache. Zumal Valir heute noch ganz andere Pläne hatte.

»Bist du dir sicher, dass du keinen Heiler brauchst? Oder etwas Ruhe?«, die Stimme gehörte zu einem Mann, der auf den Namen Tulok hörte. Nach allem, was Drake bis jetzt von ihm erlebt hatte, war er ihm doch etwas seltsam vorgekommen. Es schien fast so, als ob sich Valir und Tulok schon eine Weile kannten, beinahe freundschaftlich miteinander umgingen, und doch war da eine Wand, eine Barriere, die er nicht durchdringen konnte.

Als ob die beiden ihm etwas verheimlichen, was er einfach nicht ergründen konnte. Noch nicht.

Ihm war nicht aufgefallen, dass er Tulok dabei die ganze Zeit angestarrt hatte und Valir äußerst nervös wirkte. Am Ende war es sicher ganz einfach. Wenn er sich Valir gegenüber verantworten musste, dann musste Valir sich vielleicht Tulok gegenüber verantworten?

Ein Gedanke, dem sich nachzugehen lohnt. Um keine weiteren Fragen aufzuwerfen oder die Situation für Valir unangenehmer oder gar schwieriger zu machen, verschwand er wortlos mit einigen belegten Broten und etwa Wasser aus dem Raum. Sein Ziel war klar, einer der kleineren Trainingsräume sollte um die Uhrzeit nur wenige zum Training anlocken. Gerade genug, dass er sich in der Symphonie aus Kampf verlieren und seine eigene Form der Meditation finden konnte.

 

Es war nicht nur der Schweiß, der ihm im Nacken herunterlief und sein Oberteil an seinem Körper kleben ließ. Es war fast so, als ob er es diesmal nicht schaffte, dieser Welt voll und ganz zu entfliehen, einfach nur zu trainieren, bis er nicht mehr konnte und zu hoffen, dass Abend geworden war. Etwas hielt ihn hier, ließ ihn nicht los. Am Anfang waren Valir und Tulok hereingekommen und schienen mehr mit sich selbst beschäftigt als mit ihm. Dann war Valir zu seiner Prüfung aufgebrochen und Tulok noch eine Weile verblieben. Fast hätte er sein Training unterbrochen, um Tulok zu kontaktieren, das Gespräch zu suchen. Doch kaum, dass er den Entschluss dazu gefasst hatte, war dieser verschwunden.

Fast so, als ob er es gewusst hatte. War er vielleicht wegen ihm hier?
Wann immer er aufgesehen oder einen Schluck getrunken hatte, schien Tulok mit dem Geist woanders, schrieb etwas oder beobachte mehr den Raum als ihn.

Bilde ich mir das vielleicht nur ein?
Vielleicht war ja etwas Wahrheit in den Worten dieses seltsamen Mannes. Würde etwas echte Ruhe ihm gut tun oder doch nur wieder Fragen aufwerfen, die er nicht beantworten konnte? Gefühle, mit denen er nicht anders umzugehen wusste als sie im Training an wehrlosen Puppen auszulassen. Besser noch an lebenden Trainingspartnern, diese boten doch immer eine gewisse Herausforderung, die seine Gedanken zu binden vermochten.

»Isst du das noch?«, ein Mädchen, das vielleicht noch ein Jahr junger war als er selbst, starrte auf das verbliebene Brot.

»Nein, ich denke nicht. Lass es dir schmecken.«, sie lächelte, nickte und gab ihm beim Gehen einen Klaps auf die Schulter. »Besten Dank, auf dich kann man sich verlassen.«

Die Waffen beiseitelegend setzte er sich auf eine kleine Erhöhung und betrachtete den Raum.

So viele junge Talente, denen es nur etwas an Hoffnung und Führung fehlt. Ist das vielleicht der Grund, wieso Tulok hier war? Hatte sich Valir der Idee von ihm angenommen und begonnen, die Waisen und Hoffnungslosen für mehr zu trainieren als nur das Kämpfen? Ohne es zu merken, hatte er mit der Reinigung seiner Waffen begonnen, auch wenn sie nicht danach aussahen. Sie waren ein wenig wie er selbst, bis zur Funktionsfähigkeit instandgesetzt, aber sichtlich beschädigt.

 


Das dumpfe Dröhnen einer Tür ließ ihn seine Umgebung wieder bewusst wahrnehmen. Ob er nun geschlafen oder einfach nur anteilnahmslos vor sich hingestarrt hatte, vermochte er nicht zu sagen. Obgleich er sich ausreichend erholt fühlte, um zu Ersterem zu tendieren. Es brauchte ein paar Sekunden und verzweifeltes Blinzeln, um die Realität scharf genug zu stellen, damit man sie erkennen konnte. Es war düster, ruhig und einsam.

Wie lange habe ich denn hier ... gelegen?
Sich streckend von der Sitzbank lösend fiel sein Blick auf einen kleinen Teller. Er war mit etwas Papier umwickelt worden und stand auf einem der Tische weiter oben.

Du hast das Abendessen verpasst. Ich hoffe, du magst kalten Braten.
Das Auspacken offenbarte zwei mit frischem Braten belegte Brote mit einer Scheibe Käse welche, obgleich mittlerweile kalt, leicht angeschmolzen war.

 

Den Teller hatte er in der Küche abgegeben und das Brot mit nach draußen genommen. Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, die Luft angenehm kühl und das Summen und Brummen der kleinen Stadt auf ein erträgliches Maß gesunken. An Tagen wie diesen, wo Valir beschäftigt und er nicht anderweitig eingespannt war, genoss er die Ruhe der Stadt, die Nacht und einfach nur er selbst zu sein. Es waren Momente, in denen seine innere Stumme zu verstummen schien und er einfach nur genießen konnte. Er setzte sich in Bewegung, nicht wirklich ein Ziel vor Augen und genoss sein Abendessen. Er dachte nicht an den bevorstehenden Übungskampf oder Valirs Prüfung, nicht an gestern und nicht an morgen.

Ich könnte einfach durch die Nacht laufen, bis mich meine Füße nicht mehr tragen und morgen weiter machen. So lange, bis ich den Rand der Welt erreicht habe.

»Kann man dir helfen?«, eine ältere Dame mit einer aufwendigen Frisur und einem ungewohnten, aber passenden Kleidungsstil hatte ihren Kopf aus einer Schiebetür gesteckt. »Du stehst jetzt schon 10 Minuten da, komm rein und lass mich dir einen Akal machen.«

»Nein, danke. Ich brauche nichts und habe später noch einen Termin.«

»Ach Unsinn Jung‘, komm auf eine warme Tasse rein und leiste mir Gesellschaft.« Sie ließ die Tür offen stehen und verschwand aus seinem Blickfeld. Er hatte gelernt, solche Situationen ganz gut einzuschätzen und was noch wichtiger war, sie nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Freunde, Kontakte und Wissen, diese drei Dinge brauchte man mehr als alles andere im Leben und alleine durch die Straßen wandern konnte er auch jedem anderen Tag.

 

Einige wenige Falumlampen bildeten kleine Kuppeln aus Behaglichkeit. Der Rest war zugestellt mit Tischen, auf denen umgedrehte Stühle lagen, Kisten, Säcken und Krügen. Auf einem der Barhocker platznehmend, fühlte er sich irgendwie zuhause. Nur das es deutlich leiser war.

»Entschuldige die«, sie sah sich um, lächelte und schob einige Werkzeuge vor ihm beiseite, »Unordnung. Der Laden wird gerade zusammengepackt, damit man ihn umbauen kann.«

»Wollt ihr ausbauen? Ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass hier überhaupt ein Gasthaus ist, obwohl ich hier häufiger lang gehe.«

»Nein, ich werde den Laden aufgeben und nach dem Umbau an jemanden verkaufen, dem ich vertraue. Mich zieht es weiter nach Süden. Ich habe dort eine schöne Gelegenheit ergriffen und möchte mich ihr ganz widmen dürfen.« Sie stellte zwei Tassen auf den Tresen und lies eine dunkelrote Flüssigkeit aus der Kanne fließen, die im Licht der Flammen beinahe selbst wie Feuer flackerte.

»So einen Akal habe ich noch nie gesehen. Wo habt ihr den her, wenn ich das fragen darf?« Sie nahm ihre Tasse in beide Hände und atmete tief durch, während sie in die Tasse sah.

»Natürlich darfst du das. Es ist eine meiner Züchtungen und ich glaube, dass du sie gerade ganz gut gebrauchen kannst.« Er nahm einen kleinen Schluck und obwohl die Flüssigkeit kaum dampfte, war sie heiß. Aber nicht etwa in seinem Mund, nein. Viel mehr entfaltete der Akal die Hitze erst dann, als er im Bauch ankam. Fast so, als würde das flüssige Feuer von hier aus viele kleine Flammen im gesamten Körper entzünden.

»Er ist überraschend intensiv, aber ohne unangenehm zu sein.«, er stockte beim zweiten Schluck und nahm die Lippen von der Tasse. »Er schmeckt auf einmal ganz anders, süß.« Sie nickte langsam, war jedoch mit den Augen im Raum verschwunden. Sie schienen an bestimmten Stellen zu verharren, wobei sich ihr Gesicht aufhellte. Als sie wieder bei ihm war, weiteten sich ihre Augen leicht.

»Entschuldige Lieber, ich ...«, sie trank einen weiteren Schluck, wobei sie nicht den Augenkontakt brach.

»Er schmeckt süß, aber erst beim zweiten Mal.«

»Ahh ja, ich habe eine Weile gebraucht das hinzubekommen aber ich bin ganz zufrieden. Wusstest du, dass die Stärke der Süße von der eigenen Vorliebe abhängt?« Als sie aufstand, legte sie einen winzigen Teller auf ihre Tasse und begann einige Listen durchzugehen. »Fühlst du dich denn jetzt besser?«

»Habe ich mich denn schlecht gefühlt?«, es wäre ihm lieber gewesen, wenn er die Frage gedacht hätte. Er ging erst davon aus, dass sie die Frage überhört hätte. Als sie die Brille aus der Schublade holte und sie prüfend gegen das Licht hielt, sah sie ihn kurz an, blieb jedoch stumm. »Ich fühle mich zumindest nicht mehr so ausgelaugt.«

»Er soll dir Kraft für nachher geben, aber ohne dass zu verdrängen, was du heute bereits erlebt hast.«

»Woher wusstet ihr dass ich ...«

»Ich bin Elenore und so nennt man mich hier auch.«, sie schrieb unentwegt weiter, während sie aufsah, »Zu wissen was meine Gäste brauchen ist ... was mich in meinem Beruf gut macht. Das kann man nicht erlernen, dass muss man erleben.«, sie kicherte leise, wobei sich die Stimmlage leicht erhöht hatte, »Fast so wie man euch in Aktion erlebt haben muss. Auch wenn ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich nur selten genug Zeit habe.«

»Ihr wisst also wer ich bin.«

»Natürlich Drake, die halbe Stadt kennt euch. Ihr seid der Vollstrecker der es mit purer Willenskraft schafft diesen Beruf auch wahrzunehmen.« Wenn sie es so sagte, klang es fast wie etwas, dass er erreicht hatte.

»Ich hatte nicht wirklich eine andere Wahl und jetzt ...« ... habe ich auch keine.

»Das mag stimmen, doch nur weil ihr es nicht schafft eure Situation von außen einzuschätzen.«, sie füllte beide Tassen auf. »Glaubt ihr denn, dass ich meinen Traum hier ausgegeben hätte, überhaupt nach einer Alternative gesucht hätte, hätte sie mich nicht gefunden? Seht mich an ...«, sie posierte leicht als er tatsächlich begann sie zu mustern, wobei sie vielleicht etwas zu viel Gefallen daran fand, um ihn aufzuziehen. »Was seht ihr? Ihr seht eine alte Frau die gerade ihren Laden aufgibt um sich ein letztesmal an einem anderen Ort niederzulassen.« Er schüttelte den Kopf,

»Das habt ihr mir erzählt. Ich sehe eine Frau, die sich furchtlos neuen Aufgaben stellt und« er hob die Tasse zum Gruß, »Dabei sich selbst nicht verlieren sondern weiter entfalten will. Ihr geht nicht weil ihr es wollt oder müsst. Ihr geht, weil ihr an einem anderen Ort mehr ihr selbst sein könnt.«

»Mhrr, dass ist weder richtig noch falsch aber ihr habt den Kern verfehlt.«

»Wenn ihr das was ihr tut gerne macht und davon gehe ich aus, ist es umso wichtiger dass ihr es manchmal aktiv nicht macht.«

»Zum Beispiel bei einer Tasse Akal?«

Sie nickte, »Ihr könnt nicht erwarten euch zu verändern, wenn ihr euch dafür keine Freiräume schafft.«

»Wer sagt denn, dass ich mich ändern will? Ich bin gut in dem was ich mache und ich habe Potenzial.«

»Ich bin gut im Nähen und führe trotzdem lieber mein eigenes Gasthaus. Auch wenn das deutlich mehr Arbeit ist. Ihr habt es selbst gesagt, ihr hattet keine Wahl.« Er trank den letzten großen Schluck aus und legte den Deckel auf die Tasse, bevor sie ihm nachschenken konnte.

»Ich muss los, danke für das Getränk und die Ablenkung.«, er fischte in seiner Tasche nach einigen Tapi.

»Habe ich gesagt, dass ihr für den Akal etwas zahlen müsst? Ich wollte einfach etwas Gesellschaft in den letzten Stunden, schließlich ist das ein Gasthaus.« Sie kam hinter der Theke vor und öffnete ihm die Tür. »Doch ihr könnt mich mit einem Gefallen bezahlen – ich bestehe sogar darauf.« Normalerweise reagierte er auf solche klug formulierten Forderungen kurz angebunden, um nicht zu sagen frech. Doch ihre Betonung war .. es war mehr ein Wunsch.

»Wenn ich ihn erfüllen kann, gerne.«

»Wenn ihr das nächste Mal die Gelegenheit habt etwas in eurem Leben zu ändnern, wirklich zu ändern – aus eigener Kraft – dann macht es. Ihr werdet sehen, dass stillstand viel gefährlicher ist als die Veränderung. Die Welt wird sich immer ändern, nur müsst ihr einen Schritt aus der Mitte machen um zu bemerken dass sie sich nicht an euch vorbei verändert oder ihr gar still steht.«, sie schob Drake aus der Tür und löschte draußen das Licht. »Sie will euch mitnehmen. Ihr müsst sie nur lassen.«

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